712 A. Oberste Zivilgerichtsinstnnz. }. Hateriellrechfliehe
Entscheidungen.

Selbstverständlich kann ferner die Klägerin nicht, wie heute beansprucht
wurde, verlangen, es solle durch Zusprechnng von Schadenersatz darauf
Rücksicht genommen werden, dass die ihr nach dem kantonalen Tarif
zukommende Parteientschädigung zu ihren wirklichen Auslagen in keinem
Verhältnis stehe.

4. Abzuweisen ist endlich auch das Begehren um Veröffentlichung des
umile. Das Interesse an einer öffentlichen Klarlegung der Sachlage
wird genügend gewahrt durch die im Handelsregister bekannt zu gehende
Streichung der angefochtenen Marken (vergl. AS 34 II S. 375, Abs. 2).

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird unter Aufhebung des angesochtenen Urteils dahin
gutgeheissen, dass die Marien Nr. 19,882/83 des Beklagten als ungültig
erklärt sind und deren Löschung im Markenregister verfügt wird. Jm
übrigen wird die Berufung abgewiesen.

8. Gewerbliche Muster und Modelle. Dessins et modèles industriels.

109. am der I. ziritabteiluug vom 15. Aar-einher 1912 in Sachen gebt-über
geben, Kl. u. Ber.-Kl., gegen Hering Bekl. u. Ber.-Bekl.

Musterund Modenschau. Nm' die Geschmavkxmustmsind schutzfähr'g, unter
Anrechteer der Gebrauchsmeester, Art. 2 u . 3 MMG. Zur Neuheit im Sin-ne
des revid. Gesetzes Art. 12 Z isf. i bedarf es keiner schà'pferz'schen
Tätigkeit; es genügt, dass der ästhetische Effekt des Masters ais ein
origineller erscheint. Verfall der Hinterlegung mangels angemessener
Ausführung im [rela mè, Art. Ziff. 2 MMG.

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Prozesslage: A. Mit Urteil
vom 5. Juni 1912 hat das Bezirksgericht

Zürich V. Abt. als einzige kantonale Instanz über das Klagebegehren:

8. Gewerbliche Muster und Modelle. N° 109. 718

Es sei die schweizerische Modellhinterlegung des Beklagten Nr. 17,599
vom 5. Januar 1910 betreffend: Taschen zur Aufbewahrung von Sei-vierten
u. dergl. als ungültig zu erklären und im Register zu löschen;

erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

B. Gegen dieses den Parteien am 22. Juni 1912 zugesiellte Urteil haben
die Kläger rechtzeitig die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem
Begehren, es sei das bezirksgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage
zu schützen, eventuell es seien die Akten durch Abnahme der anerbotenen
Beweise zu vervollständigen, speziell durch eine Oberexpertise darüber,
dass das Modell zur Zeit der Hinterlegung im Publikum und in den
beteiligten Verkehrskreisen bereits bekannt gewesen sei.

C. Zn der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der Kläger diese Anträge
erneuert und begründet; der Vertreter des Beklagten hat Abweisung der
Berufung und Bestätigung des angesochtenen Urteils beantragt; --

in Erwägung:

1. Der Beklagte hat am 5. Januar 1910 beim eidg. Amt für geistiges
Eigentum in Bern zwei Modelle, die er als Taschen zur Anfbewahrnng von
Servietten u. dergl. bezeichnete-, zur Erlangung des Modellschutzes nach
dem MMG binterlegt. Die Modelle wurden als Hinterlegung Nr. 17,599 in
das Register eingetragen Es handelt sich um rechteckige Papiertaschen
mit Deckklappe und Druckknopf. Die Kläger erhielten anfangs November 1910
eine Anfrage über Lieferung von Serviettentaschen aus Papier. Sie wurden
dadurch auf die Taschen des Beklagten aufmerksam und wandten sich mit
Rücksicht auf den Reklameausdruck der Firma Suchard in Neuenburg an jene
Firma. Diese antwortete, dass sie das Metropol für die Schweiz besitze
und die Taschen gesetzlich geschützt seien. Mit Brief vom 9. Januar 1911
ersuchten die Kläger den Beklagten um äusserste Preisangabe für { 10,000
solcher Taschen. Der Beklagte bestätigte den Bescheid der Firma Suchard
und erklärte, dass er die Lieferung infolgedessen nicht ausführen könne.

Nachdem die Klager festgestellt halten, dass die Taschen als

714 A. Oberste Zivügerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche Entscheidungen.

Modell gesetzlich geschützt sind, hoben sie die vorliegende Klage auf
Ungültigerkiärung der Hinterlegung an. Sie stützten die Klage auf Art. 12
Ziff. 1 u . 4 MMG, d. h. sie bestritten sowohl die Schutzsähigkeit als die
Neuheit des Modellsz die Tasche diene nur Nützlichkeitszweckenz es handle
sich also nicht um ein Geschinacks-, sondern um ein Gebrauchsmuster, diese
seien in der Schweiz vom gesetzlichen Schutz ausgenommen; zudem seien
Serviettentaschen dieser Art und Form schon lange vor der Hinterlegung
bekannt gewesen, sowohl aus Papier als aus Tuck). Der Beklagte beantragte
Abweisung der Klage und bestritt sämtliche Anbringen der Kläger. In der
Replik berieer sich die Kläger ferner auf am. 11 Ziff. 2 MMG (Verfall der
Hinterlegung mangels angemessener Ausführung im Inland); der Beklagte
habe diese Bestimmung dadurch verlegt, dass er das Monopol für die
Schweiz der Firma Suchard übergeben habe. Das Bezirksgericht Zurich hat
auf Grund einer Expertise über die Frage der Neuheit die Klage abgewiesen.

2. In rechtlicher Hinsicht fragt sich zunächst, ob überhaupt ein
schutzfähiges Modell vorliege. Nach dem MMG und feststehender Praxis
des Bundesgerichts gehört dazu eine auf das Auge wirkende äussere
Formgebung, mit oder ohne Verbindung von Farben, die sich an das
ästhetische Gefühl wendet und zum Zweck hat, bei der gewerblichen
Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild zu dienen. M· a. W. nur die
Geschmacksmuster und modelle" geniessen den Schutz des Gesetzes-, unter
Ausschluss der Gebrauchsmuster (Art. 2 u . 3 MMG, BGE 29 II S. 366,
35 II S. 75 f.). Entgegen der Auffassung der Kläger kann aber der
streitigeu Serviettentasche die Eigenschaft eines Geschmacksmusters nicht
abgesprochen werden. Mit der Vorinstanz ist zu sagen, dass Gestaltung
und Ausstanng der Tasche vorteilhaft auf das Auge wirken und geeignet
find, den Schönheitssinn zu befriedigen, wenn auch zuzugeben ist, dass
die ästhetische Wirkung keine sehr ausgesprochene ist. Immerhin ist sie
keine blosse notwendige Folge der technischen und praktischen Vorzüge
der Tasche (vergl. Praxis 1 S. 342°"). Die wellenförmige Ausschneidung
der breiten Deckklappe, sowie der linken und rechten Seite der Tasche,
in Verbindung mit dem geradlinigen Abschluss der Lang-

*) AS 38118.3r4.

8. Gewerbliche Muster und Modelle. N° 109. si 715

seiten und der Einsassung der Deckklappe durch eine Naht, die
den wellenförmigen Rand zur Geltung Bringt, verleiht dein Ganzen,
ohne Rücksicht auf Funktion und Zweck der Tasche, etwas Hühsches und
Gesälliges. Dazu kommt die Verwendung von geripptem, eremefarbigem Papier,
die von den Klägern zu Unrecht als unerheblich bezeichnet wird; die Wahl
des Stoffes fällt mit in Betracht, soweit sie zur ästhetischen Wirkung des
Modells beiträgt. Endlich hat die Formgebung der Tasche zum Zweck, Bei der
gewerblichen Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild zu dienen. Somit
sind alle Erfordernisse eines schutzsähigen Modelles vorhanden. '

Dass der Beklagte in einem Brief an die Kläger von einem patentierten
Artikel sprach und dass er in Deutschland für die Tasche ein
Gebrauchsmuster erwirlt haben soll, ist irrelevant. Und wenn die Kläger
betonen, dass der Beklagte bei der Hinterlegung der Tasche in der Schweiz
als deren Zweck Aufbewahrung von Servietten u. dergl. angegeben habe,
was dafür spreche, dass er auch in der Schweiz den Nützlichkeitszweck
der Tasche habe schützen lassen wollen und nicht ihre äussere Form, so
ist dem entgegenzuhalten, dass laut der Vollziehungsverordnung zum MMG
das ss zu schützende Erzeugnis im Hinterlegungsgefuch kurz bezeichnet
werden muss. Massgebend ist indessen im Gegensatz zum Ersinduugsschutz
-das hinteriegte Modell selber, welches denn auch von keiner Erläuterung
begleitet sein darf.

3. Streitig ist ferner die Frage der Neuheit, d. h. ob dasaugefochtene
Modell zur Zeit der Hinterlegung im Publikum und in den beteiligten
Verkehrskreisen bereits bekannt war (Art. 12 Biff. i MMG). Laut Art. 2-des
neuen Gesetzes begründet die Hinterlegung die Vermutung der Neuheit. Die
Kläger haben diese Vermutung nicht zu entkräften vermocht, wie die
Vorinstanz in nicht aktenwidriger Weise festgestellt hat. Wenn auch das
Gutachteu der Experten nicht als einwandsrei erscheint, so haben diese
doch schliesslich deutlich erklärt, dass die sireiiigen Serviettentaschen
in ihrer äusseren Formgebung zur Zeit der Hinterlegung in den beteiligten
Verkehrskreisen nicht bekannt gewesen seien. Das geht denn auch aus ihrer
Vergleichung mit den ähnlichen Taschen hervor, die angeblich schon vor
der angesochtenen Hinterlegung im

AS 38 11 1912 46

716 A. Oberste Zivilgerichtsinstanx. [. Matefiellrechtliche
Entscheidungen.

Verkehr standen und vom Publikum benutzt wurden, d. h. einerseits mit dem
von den Klagern eingelegten ordinären Papiersack mit seitlicher Offnung
und ohne jegliche dekorative Wirkung, sowie mit der ebenso unschönen,
beidseitig offenen Hülle aus steifem Karten, anderseits mit den aus
Textilstoffen verfertigten Serviettentaschen, die schon seit Jahren
wenigstens im privaten Gebrauche stehen. Gegenüber jenen erscheint der
ästhetische Effekt der vorliegenden Tasche als ein origineller. Das
genügt, insbesondere bedarf es zur Neuheit im Sinne des revid. MMG
keiner schöpferischen Tätigkeit (BGE 31 II S. 752). Danach ist auch die
von den Klägern verlangte Aktenvervollständigung abzulehnen. Übrigens
hat die Vorinstanz gestützt auf kantonales Prozessrecht, somit für das
Bundesgericht verbindlich, festgestellt, dass die Kläger unterlassen
haben, ihre Behauptungen im richtigen Zeitpunkt zu substantiieren.

4. Was schliesslich den Einwand betrifft, der Beklagte bringe seine
Serviettentaschen in der Schweiz nicht in angemessenem Umfange zur
Ausführung (Art. 11 Biff. 2 MMG), so ist er mit der Vorinfianz schon
deshalb abzuweisen, weil die Kläger nicht einmal behauptet haben, dass
der Beklagte im Auslande hergestellte Gegenstände desselben Modelles in
die Schweiz einführe, was doch zu den Voraussetzungen des Versalles der
Hinterlegnng gehört; --

erkannt: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Bezirksgerichts
Zurich V. Abteilung vom ö, Juni 1912 bestätigt.

9. sehntddatreidauk und Konkurs. N° "0. 717

9. Schuldbetreibung und Konkurs. Poursuitos pour dettes et rannte.

110. zum: der II. Jim-Midway vom 19. Gemeinde-c 1912 in Sachen Morgen-,
Bett u. Ver.-KL, gegen Stilde KI. u. Ver.-M.

Art. 57 06: Die Frag 9,00 ein im Ausland abgeschlossener gerichtle'cker
Nachlasseertmg in der Schweiz anzuerkennen sei, ist eine solche des
eidgenössischen Rechtes. Staatsverträge varbekalten, ist ein im Ausiend
abgeschlossener geriohiliahor Nachlassvertrag vom schweizerischen
Richter, auch soweit er einer Forderung entgegengehalten wird, deren
Entstekungsoder Erfüllungsort im Ausland liegt, auf alle Fälle dann
nicht zu berücksichtigen, wenn der Giaubiger den Nachlasseertmg weder
ausdrücklich noch stillschweigend anerkannt hat und ihm die Anerkennung
auch samt nicht zugemutet werden kann.

'A. Cesare Morgera, der Vater und Rechtsvorgänger des Beklagten, war in
Neapel domiziliert, betrieb aber während der Sentinel-menate in Interlaken
ein Korallengeschäst, für welches er von der Klägeriu Waren bezog. Der
Saldo aus diesem Warenbezug belies sich aus zirka 7000 Fr. zu Gunsten
der Klägerin, als am 22. Dezember 1906 in Neapel der Konkurs über Morgera
eröffnet wurde. Es kam darauf, ebenfalls in Neapel, ein ge. richtlicher
Nachlassvertrag zu Stunde, gemäss welchem der Gemeinschuldner sich
verpflichtete, seinen sämtlichen Chirographargliiubigern in 10 Staten 30 %
ihrer Forderungen abzubezahlen, in der Meinung, dass diese Forderungen
darüber hinaus nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Zum Zwecke
der Ausführung dieses Nachlassvertrages, der am 6. März 1907 gerichtlich
bestätigt wurde, bei dessen Zustandekommen die Klägerin jedoch in keiner
Weise mitgewirkt hatte, zahlte Morgera der Klagerin in den Jahren
1907 und 1908 in 9 am insgesamt zitta 1600 Fr. Die Klägerin erklärte
indessen wiederholt, sie anerkeune den Nachlassdertrag nicht und nehme
die Zahlung-en nur a conto ihrer Gesamtforderung an. So insbesondere:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 38 II 712
Date : 15. Januar 1912
Published : 31. Dezember 1913
Source : Bundesgericht
Status : 38 II 712
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 712 A. Oberste Zivilgerichtsinstnnz. }. Hateriellrechfliehe Entscheidungen. Selbstverständlich


Legislation register
MMG: 2u  11  12
BGE-register
29-II-362 • 31-II-746
Keyword index
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defendant • federal court • question • lower instance • delivery • letter • presumption • commodity • company • file • decision • design protection • use • need • neuchâtel • judicial agency • expenditure • hamlet • compensation • germany • mast • feature • language • counterplea • function • father • trademark register • correctness • drawn • municipality • color
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