66 A. Staaisrcchlliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

1. Januar 1907 der Verwalter des Elektrizitätswerkes als solcher-

bisher einen Gehalt von bloss 550 Fr. per Jahr bezog und daher die
Stelle nur dann versehen konnte, wenn ihm gleichzeitig die Besorgung
der Hausinstallationen garantiert war. Indem der Chef der rekurrierenden
Firma die Verwalterstelle aufgab, hat er die Gemeinde mehr oder weniger
genötigt, jenen Nebenverdienst, wie bisher ihm, so nun auch seinem
Nachfolger zu sichern und alsoihm, bezw. der Rekurrentin zu entziehen.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Retars wird abgewiesen.

11. Yrtetl vom 21. Juni 1912 in Sachen Magazine zum Globus MLS) gegen
gt. Gallen.

Ari. 31 und 4 BV. Grundsätzliche Zulässigkeit L'animale)"
Gesetzes-bestimmunyen, durch die die Abhaltung von _riusverkdufen im
weiteren Sinne, (l. h. von vorüberge/umlen Verkaufen zu ermdxsigten
Preisen und zwar auch solchen reelle/' Natur, mm der Bezahlung einer
besonderen Steuer (Pate/MMM) abhängig gemarht wird. Keine Verletzung der
Hec/etsgleich/aeil, wenn. die gerugte Ungleichheit in der Handhabung
des Gesetzes nur zwixrhzm der unteren und der rekursbeklaylen abs-ren
Instanz, und nic/LL hairwichilich der Praxis der letzteren selbst besteht.

A. Die Magazine zum Globus, Filiale St. Gallen, liessen Ende Januar
1912 im St. Gailer Tagblatte ein grosses, eine Seite füllendes Jnserat
erscheinen, worin sie zunächst anzeigten, dass sie, infolge Teilübernahme
zweier Fabriklager Brutnsellen und Frauenfeld einen billigen Verkauf in
Schuhwaren veranstalteten und sodann die Preise der einzelnen zum Verkan
gelangenden Kategorien von Schuhwaren unter Vorausetzung des Wortes mir
ansieht-ten An den Rändern des Juserates finden sich von dessen übrigen
Texte abgetrennt Zusätze wie: Wir bieten enorme Vorteile, Wir-sitzen Sie
die Vorteile unseres SparmarkenInstituts- u. s. w. Gleichzeitig wurden
an den Fenstern der Ver-

[l. Handelsund Gewel'bet'reiheit. N° 11. 67

kaufsmagazine am Börsenplatz sowie an den Eingangstüren Plakate mit der
Aufschrift Billiger Verkauf" angebracht

Nachdem durch Einvernahme des Geschäftsführers Sprüngli festgestellt
worden war, dass die Waren zwar zu den gewöhnlichen Preisen verkauft,
dagegen ab 27. Januar während eines Monats den Käufern doppelte
Sparmarken verabsolgt werden und dass der Wert des für den billigen
Verkan in Betracht kommenden Warenlagers etwa 300,000 Fr· betrage,
beschloss der Stadtrat St. Gallen am 6. Februar 1912:

1. der billige Verkauf- der Magazine zum Globus A.-G. werde
als patentpflichtig im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 des kantonalen
Nachtragsgesetzes zum Gesetz über den Marktverkehr und das Hausieren
erklärt.

2. Gegenüber dieser Verfügung stehe dem Geschäft innert 5 Tagen a dato
der Rekurs an den Regierungsrat offen.

3. Nach Erledigung der Frage der Patentpflicht sei die Firma wegen
Übertretung des Hausiernachtragsgesetzes zur Strafe einzulciten und
dem Polizeidepartemeute ein Antrag betr. den nachträglichen Bezug einer
Patenttaxe einzureichen.

Gegen diesen Beschluss rekurrierteu die Magazine zum Globus an den
Regierungsrat, indem sie ausführten: In dem vom Stadtrat beanstandeten
Jnserate fehle die hauptsächliche Voraussetzung des Ausvc-rkaiifes. die
Ankündiguug eines reduzierten Preises. Durch die Vorsetzung des Wortes
nur werde keineswegs eine besondere Preisreduktion, sondern lediglich
eine niedrige Preislage im allgemeinen angezeigt Das ganze Jnserat
enthalte keine Anpreisung, die nicht in den Jnseraten der Konkurrenz
tagtäglich ebenfalls wiederkehren würde. Richtig sei allerdings, dass
zur nämlichen Zeit der Geschäftsführer Sprüugli auf Anweisung der
Generaldirektion einen billigen Verkauf angeschlagen habe, der sich
aber nicht nur auf die Schuhwarenlager von Brüttisellen und Frauenfeld,
sondern auch noch auf andere Artikel im Gesamtwerte von etwa 100,000
(nicht 300,000) Fr. erstrecke und mit dem streitigen Jnserate nicht im
Zusammenhange stehe; ferner sei zuzugeben, dass während des billigen
Verkaufes doppelte Sparmarken verabfolgt würden und dass dies einem
Rabatte von 8 % gleichkomme. Das nämliche sei aber auch früher schon
geschehen, ohne dass es von den

68 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

Behörden beanstandet worden wäre. Äberdies sei es Tatsachefdass eine ganze
Anzahl Geschäfte auf dem Platze ungestraft während des ganzen Jahres dem
Verkehrspersonal und den öffentlichen Angestellten, speziell der Polizei
doppelte Rabattmarken gäben. Die Gewährung von Rabatt sei an und für
sich nichts Verwerfliches, übrigens auch in allen Handelsbranchen und in
den verschiedensten Abstufungen üblich. Es komme in jeder Brauche vor,
dass der eine vermöge reicherer Betriebsmittel, besserer Vezugsquellen
oder rationellerer Methoden grössere Vorteile bieten könne als der
andere. Darin liege eine natürliche Folge des freien Wettbewerbs, die
nicht aus der Welt zu schaffen sei. Jedenfalls könne nicht untersagt
werden, dass man anderen Leuten, die vielleicht noch in höherem Masse
darauf angewiesen seien, die nämlichen Vergünftigungen gewähre, wie
den Staatsund Gemeindeangestellten. Daher hätte, bevor ein einzelnes
Hans in ertensiver Interpretation eines Ausnahmegesetzes ftraffällig
erklärt werde, auf alle Fälle zunächst eine Enquete über die Ausgabe von
doppelten Sparmarkeu auf dem Platz stattfinden und eine darauf bezügliche
Publikation erlassen werden müssen.

Durch Beschluss vom 9. März 1912 wies indessen der Regierungsrat den
Rekurs ab, indem er erklärte: Gemäss grundsätzlichem Entscheide des
Regierungsrates vom 2. August 1910 und bisheriger Praxis sei jeder
Verkauf mit Rückvergütungen von über 5 % als patentpflichtiger Ausverkauf
anzusehen, da so hohe Rabatte eben als Reklame wirkten und wirken
sollen und die Bezahlung einer jährlichen Dividende nicht die nämlichen
Wirkungen habe. Im vorliegenden Falle würden nun zugestandenermassen
während eines Monats doppelte Sparmarken ausgegeben, was einem Rabatte
von 8 % gleichkomme. Damit sei aber das Merkmal eines patentpflichtigen
Reklameverkaufes zu reduzierten Preisen im Sinne von Art. 1 Biff. 1 des
Hausiernachtragsgesetzes gegeben und daher die angefochtene Verfügung des
Stadtrates zu bestätigen. Die weitere von den Rekurrenten aufgeworfeue
Frage, ob die Abgabe von Doppelsparmarken an einzelne Käusertategorien
zulässig sei, bilde eine Angelegenheit für sich und sei daher unabhängig
von dem vorliegenden Rekurse zu behandeln Dementsprechend beschloss der
Regierungsrat gleichzeitig: es sei das Polizeidepartement beauftragt,
eine Enquete über die Rabattgewährung und dergleichen im ganzen Kanton
durchzuführen

ll. Handelsund Gewerbei'reiheit. N° H. 69

,B. Gegen diesen Entscheid haben die Magazine zum Globus A.-G. rechtzeitig
und formrichtig den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrage: Es sei der angefochtene Entscheid sowie
derjenige des Stadtrates von St. Gallen vom 6. Februar 1912 als
gegen die Art. 4 und 31 der Bundesverfassung und gegen Art. 27 der
st. gallischen Kantonsverfassung verstossend aufzuheben. Zur Begründung
des Reknrses machen sie im wesentlichen geltend: Es sei zuzugeben,
dass die durch Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV und Art. 27 KV gewährleistete Gewerbefreiheit
keine schrankeni lose sein könne und dass es, wie Art. 27 KV bestimme,
der Gesetzgebung vorbehalten bleiben müsse, Massnahmen zu treffen, um
einem unreellen und gemeinschädlichen Geschäftsverkehr zu begegnen. Nur
in diesem Sinne habe Art. 1 des kantonalen Hausiernachtragsgesetzes den
freiwilligen Ausverkauf, inbegriffen sogenannte Reklame-, Gelegenheitsund
andere vorübergehende Massenverkäufe zu reduzierten Preisen als
patentpflichtig und bloss beschränkt zulässig erklären können, weil eben
diese Verkanssmethoden erfahrungsgemäfe oft dazu benützt worden seien,
einem unreellen Geschäftsgebahren als Deckmantel zu dienen. Daher sei
es in jedem Falle Pflicht der Behörde zu prüfen, ob das Vorgehen bei
einem solchen Verkaufe wirklich unreell und gemeinschädlich im Sinne von
Art. 27
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
der MB fei. Erkläre sie, ohne dass diese Voraussetzung zutreffe,
den Betroffenen als patentpflichtig und strafbar, so verletzesie die
Verfassung durch unstatthafte Ausdehnung eines nur in beschränktem Umfange
auwendbaren Spezialgesetzes Dies sei aber vorliegend der Fall. Denn
der billige Verkauf der Rekurrenten sei alles eher als unreell und
gemeinschädlich gewesen. Es lasse sich nicht einmal behaupten, dass er
für die Konkurrenz besonders em' pfindlich habe wirken müssen; denn er
sei zu einer Zeit erfolgt, wo sich Mittel und Kauflust des Publikums im
Zustande ausgesprochener Ebbe befänden· Lediglich deshalb aber, weil dabei
während eines Monats dem grossen Publikum die nämliche Ver-günstigung
gewährt worden sei, wie sie die Beamten und Arbeiter des Bundes, des
Kantons und der Gemeinde während des ganzen Jahres allgemein verlangten
und erhielten, könnten sie, die Rekurrenten nicht patentpflichtig und
straffällig erklärt werden. Jedenfalls müsste, bevor dies geschehen
dürfte, die Rabattfrage auf der ganzen

70 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. L Abschnitt. Bundesverfassung

Linie geregelt sein Darauf, ob die Reklame für den Verkauf grösser
sei, als der kleine Kaufmann sie sich gestatten könnte, komme nichts
an. Solange sie nicht gegen die gute Treue verstosse, müsse sie geduldet
werden. Denn wenn die Gewerbefreiheit nur so betätigt werden dürfte, dass
sich kein Konkurrent darüber beklagen könnte, wäre sie gleichbedeutend
mit Unfreiheit. Das Verfassungsprinzip dulde auch keine verschiedene
Anwendung in den einzelnen Kantonen. Was in Zürich und anderorts erlaubt
sei, könne in St. Gallen nicht verboten werden. Ebensowenig könne die
Patentpslichtigkeit davon abhängig gemacht werden, ob der Rabatt 4 oder
8 oder 10 0/0 betrage. Denn der Staat dürfe sich, besondere Ausnahmen
vorbehalten, nicht in die Tarisierung der Waren einmischen. Jedenfalls
stehe es ihm nicht zu, durch Beanstandung reeller Preisbegünstigungen
die allgemeine Teuerung zu begünstigen.

C. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat auf Abweisung des
Rekurses angetragen und dabei zunächst auf das zeitliche Zusammentreffen
des beanstandeten Jnserates mit dem sonstigen billigen Verkaufe
hingewiesen. Dieses Zusammentreffen sei sicherlich kein zufälliges; es
beweise, dass der wirkliche Zweck des Jnserates dahingegangen sei, für
die in dem billigen Verkaufe liegende aussergewöhnliche und vorübergehende
Kaufgelegenheit zu reduzierten Preisen Reklame zu machen. Übrigens komme
darauf nichts an, nachdem zugestandenermassen anlässlich des fraglichen
Verkaufes während eines Monates 8 ",-0 Rabatt gewährt worden sei. Denn
wenn ter Regierungsrat wie schon frihrer so auch im vorliegenden Falle den
Standpunkt eingenommen habe, dass jeder Verkauf mit Titiickvergütungen
von über 5 Jo als patentpflichtiger Ausderkauf im Sinne von Art. 1 des
Hausiernachtragsgesetzes anzusehen sei, so liege darin jedenfalls keine
willkürliche Auslegung der genannten Gesetzesbestitnmung Die Befugnis der
Kantone aber, im Interesse des gesunden Geschäftsverkehrs für bestimmte
ausserordentliche Verkaufsmodalitäten die Lösung eines Patentes zu
verlangen, sei längst anerkannt und brauche nicht mehr nachgewiesen
zu werden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Art. 1 Biff. 1 des st. gallischen Nachtragsgesetzes zum Gesetz
über den Marktverkehr und das Hausieren vom 23. No-ll. Handelsund
Gewerbesreiheit. N° H. 7!

vember 1894 bestimmt, dass als patentpslichtiger Hausierverkehr zu
behandeln sei: der freiwillige Ausverkauf inbegriffen sogenannte Reklame-,
Gelegenheitsund andere vorübergehende Massenverkäufe zu reduzierten
Vreisen. Nach Art. 2 werden die Patente vom Polizcidepartement auf
Gntachten des betreffenden Gemeinderates ausgestellt und zwar für die
in Art. 1 Biff. 1 bezeichneten Verkäufe auf 1 Monat, nicht wiederholbar
vor Ablauf eines halben Jahres und zu einer monatlichen Taxe von 251000
Fr. Die Gemeinden sind aber berechtigt, eine Patenttaxe bis zum gleichen
Betrage zu Handen der Polizeikasse zu beziehen. Dass diese Bestimmungen an
sich verfassungswidrig seien, behaupten die Reismrenten nicht. Ebensowenig
richtet sich ihre Anfechtung gegen die Höhe der darin vorgesehenen Taten·
Vielmehr geben sie ausdrücklich zu, dass der Kantou befugt gewesen sei,
Bestimmungen zur Einschränkung dieser Art von Berkäufen zu erlassen und
deren Veranstaltung von der Zahlung einer Tare abhängig zu machen. Dagegen
wenden sie ein, dass dies nur insoweit habe geschehen dürfen, als es
sich darum handle, unreellem und gemeinschädlichen-c Geschäftsverkehr zu
begegnen, und dass daher auch die streitigen Gesetzesbestimmungen nur
dann angewendet werden dürften," wenn ein solches Geschäftsgebahren im
einzelnen Falle vorliege.

L. Soweit die Rekurrenten damit geltend machen wollen, dass die
fi. gallische Verfassung der freien Gewerbeausübung hinderliche
Massnahmen nur unter dieser Voraussetzung zulasse, wird ihre Beschwerde
schon durch den Wortlaut der Verfassungsnorm widerlegt. Denn Art. 27
der st. gallischen Kantonsverfassung bestimmt ausdriicklich: Die
Freiheit des Handels und der Gewerbe ist gewährleistet; Beschränkungen
trifft die Gesetzgebung innert der Schranken der Bundesverfassung,
insbesondere werden gesetzliche Massnahmen getroffen, einem unreellen
und gemeinschädlichen Geschäftsverkehr zu begegnen. Er lässt also
alle gesetzlichen Beschränkungen der freien Gewerbsausübung zu, die
nicht gegen die Bundesverfassung verstossen und enthält somit sachlich
nichts weiteres als eine Wiederholung der in Art. 31 BB ausgesprochenen
Garantie. Folglich kann ihm auch gegenüber dieser keine selbständige
rechtliche Bedeutung zukommen und braucht nicht untersucht zu werden,
ob der billige Verkauf der Rekurrenten

72 A. Staatsrecbtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

unreell und gemeinschädlich im Sinne von Art. 27 ber KV gewesen sei,
sondern ist lediglich zu prüfen, ob die angefochtene Verfügung, durch
die sie der Patentpflicht nach Art. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 1 Schweizerische Eidgenossenschaft - Das Schweizervolk und die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft.
und 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
des Hausiernachtragsgesetzes
unterstellt worden sind, vor Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
der BV fiandhalte.

3. Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehendass
Art. 31 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
. e der BV den Kantonen ausdrücklich das Recht zum
Crlasse gewerbepolizeilicher Vorschriften und zur Besteuerung des
Gewerbebetriebes vorbehält, also das System der freien Konkurrenz
nicht schrankenlos. sondern nur innert der Grenzen der all- gemeinen
Tltechtsordnung und unter Wahrung der Steuerhoheit der Kantone
gewährleistet Gestützt hierauf sind einerseits die Kantone stets als
befugt erachtet worden, der freien Ausübung von Handel und Gewerbe
diejenigen Schranken zu ziehen, die zur Wahrung der Rechtsordnung,
also eines geordneten Zusammenlebens erforderlich sind; als solche
aus der allgemeinen Rechtsordnung sich ergebende Einschränkungen
sind aber nicht nur die im Interesse der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit, Gesundheit erlassenen Vorschriften anzusehen, sondern
auch Diejenigen, die bestimmt sind, Treu und Glauben im Verkehr zu
sichern und das Publikum vor Ausbeutung durch auf Täuschung berechnete
Machenschaften zu schützen. Andererseits ist aus dem in Art. 31 litt. e
enthaltenen Vorbehalte der kaumnalen Steuerhoheit mit Recht der Schluss
gezogen worden, dass die Kantone neben den allgemeinen Einkommensund
Vermögenssteuern auch noch besondere Abgaben auf bestimmte Geschäftszweige
und Betriebsarten legen können, sofern nur dadurch das betr. Gewerbe nicht
in einem Grade belastet wird, der ein billiges Erträgnis ausschliesst
und so nicht rechtlich, aber tatsächlich dessen Ausübung verunmöglicht
(vergl. die Beispiele nach beiden Richtungen bei Burckhardt, Kommentar zu
Art. 31 S. 282 286, S.. 291 ff.). Von diesen Gesichtspunkten ans muss aber
auch die hier zum Entscheide stehende Frage, ob die Kantone den Ausverkan
im weiteren Sinne des Wortes, d. h. den Verkauf von Warenbeständen
unter Ankündigung besonderer Preisermässigungen aus vorübergehende
Zeit von der Bezahlung einer besonderen Steuerabhängig machen können,
in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis des Bundesrates bejaht
werden. Unzulässig wäre dies nur

ll. Handelsund Gewerbefreiheit. N° 11. 73

bann, wenn damit lediglich bezweckt würde, die freie Konkurrenz
in einem bestimmten Erwerbsgebiete zu beschränken, also einzelne
Personen zu Gunsten anderer, die das nämliche Gewerbe betreiben, an
der freien Betätigung zu hindern. Mit Recht hat indessen schon der
Bundesrat in den grundsätzlichen Entscheiden in Sachen Jelmoli und
Dreyfuss (sivergl. Salis, Bundesrecht, Bd. II Nr. 901/2, ferner die
Entscheide in Sachen Bloch und Heymann, B. Bl. 1903 III S. 937 ff.,
1904, II S. 124 ff.) darauf hingewiesen, dass die Gesetze, welche nicht
nur in St. Gallen, sondern auch in anderen Kantonen zur Einschränkung
der Ausverkäufe erlassen worden sind, ihre Entstehung der Beobachtung
bedenklicher Missstände des gewerblichen Treibens verdanken. In der Tat
ist nicht zu bestreiten, und wird überdies von den dltekurrenten selbst
zugegeben, dass gerade diese Art des Verkaufes besonders dazu geeignet
ist Und auch sehr häufig dazu benutzt wird, die Konsumenten zu täuschen,
indem sie dadurch in den Glauben versetzt werben, gute Ware zu besonders
billigem Preise zu erhalten, während in Wirklichkeit entweder die Ware
minderwertig oder der nachher zu gewährende Rabatt von vornherein bei
der Festsetzung des angeblichen Normalpreises in Anschlag gebracht worden
ist. Unter diesen Umständen lässt sich aber die besondere Besteuerung der
freiwilligen Ausverkäufe, Reklame-, Gelegenheitsund anderen Massenverkäufe
zu reduzierten Preisen-U wie sie in Art. 1 und 2 des st. gallischen
Hausiernachtragsgesetzes vorgesehen ist, sowohl aus gewerbepolizeilichen
als aus steuerpolitischen Gründen rechtfertigen Gewerbepolizeilich weil
die Besteuerung eine Kontrolle dieser Verkäufe ermöglicht und zudem
präventiv wirkt, indem sie sie weniger rentabel gestaltet und damit nicht
nur deren Zahl, sondern indirekt auch die daraus erwachsenden Missstände
einschränkt. Steuerpolitisch, weil mit dem Ausverkaufe bezweckt wird, in
verhältnismässig rascherer Zeit eine grössere Menge von Waren abzusetzen
und der ausserordentliche Gewinn auch eine ausserordentliche Steuer
rechtfertigt. Auch dagegen lässt sich bundesrechtlich nicht einwenden,
dass dabei alle Ausverkäufe, somit auch die auf reeller Grundlage
beruhenden, der Patentpflicht unterworfen werden. Denn von den Behörden
in jedem einzelnen Falle eine Untersuchung darüber zu verlangen, ob es
sich um einen reellen oder unreellen Ausverkaus

74 A. Slautsrechlliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

handle, hiesse ihnen eine nnmögliche Aufgabe zumuten und würde im Ergebnis
auch das Einschreiten gegen wirklich schwindelhaftc Veranstaltungen
verunmöglichen. Daher kann es dem kantonalen Gesetzgeber nicht verwehrt
werden, auf die blosse Möglichkeit, dass damit unlautere Machenschaften
verbunden sind, und auf die Gefahr hin, dass gelegentlich auch durchaus
reelle Unternehmen getroffen werden, allgemein jeden Ausverkauf der
Besteuerung und Kontrolle zu unterstellen.

4. Geht man hievon aus, so muss aber die auf Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV gestützte
Beschwerde der Rekurrenten ohne weiteres verworfen werden. Denn einerseits
steht fest, dass sie anlässlich des billigen Verkaufes während eines
Monates einen den gewöhnlichen um das Doppelte übersteigenden Rabatt
gewährten, und dass auf die Preisermässigung durch Plakate an den
Verkaufstäumen aufmerksam gemacht wurde; die Requisite eines Ausverkaufes
im Sinne der vorstehenden Erörterungen sind somit zweifellos gegeben,
ohne dass dabei auf die Fassung des Jnserates im St. Galler Tagblatte
noch etwas ankäme. Andererseits haben die Rekurrenten gegen die Höhe der
auf den Ausverkauf gelegten Spezialsteuer keine Einwendungen erhoben,
weder gegen die Ansätze des Hansiernachtragsgesetzes selbst noch gegen
die ihnen auf Grund dieses Gesetzes nachträglich im vorliegenden Falle
aufgelegte Tare. Das Bundesgericht kann daher nicht prüfen, ob nicht
eventuell in der Höhe dieser Tare ein Verstoss gegen den Grundsatz der
Handelsund Gewerbefreiheit liege, d. h. ob sie so hoch sci, dass sie
verunmögliche, aus dem Ausverkaufe einen billigen Nutzen zu ziehen. Denn
dass und warum dies der Fall sei, wäre selbstverständlich von den
Rekurrenten im einzelnen auszuführen gewesen

5. Was aber den weiter geltend gemachten kliekursgrund der Verletzung
der Rechtsgleichheit anbelangt, so trifft er schon deshalb nicht zu, weil
die Rekurrenten nicht in der Lage sind, einen konkreten Fall anzuführen,
in dem der Regierungsrat unter gleichen Voraussetzungen die Patentpflicht
verneint hätte. Nur wenn dies zuträfe, liesse sich aber behaupten, dass
der angefochtene Entscheid gegen das in Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV ausgesprochene Prinzip
der Gleichheit vor dem Gesetze verstosse. Daraus, dass die zunächst zur
Handhabung des Gesetzes berufenen unteren Jnstanzen, die Gemeinderäte,
andere ähnliche Fälle bisher nicht zur Besteuerung herangezogen

Ill. Doppelbesteuerung. N' li. 75

haben, lässt sich der Vorwurf der Verletzung der Rechtsgleichheit
gegenüber dem Regierungsrate nicht herleiten. Dass aber etwa das
Haufiernachtragsgesetz selbst gegen das streitige Verfassungsprinzip
verstosse, haben die Rekurrenten mit Recht nicht behauptet, da sich
dessen Bestimmungen ja nicht etwa nur gegen die von bestimmten Klassen von
Gewerbetreibenden veranstalteten, sondern gegen alle Ausverkäufe richten.

Demnach hat das Bundesgericht erkanntDer Rekurs wird abgewiesen.

III. Doppelbesteuerung'. Double imposition.

12. guten vom 20. März 1912 in Sachen Haller gegen Dittish.

In der ylr'ir'hzeitigen Besteuerung der Aktiengesellschaft für ihr-Kapital
mul ils-s Alsi'tiomirx fur-seine Aktien liegt. keine bundesrechtswidrige
[)...-psn-Uzss-su-usi-runy, um! sie-mwh rlsmn nicht, wenn es sich um
eine sog. F'mnilia/mktimgsisnllsclmsl handelt.

A. Der im Kanton Zürich dotnizilierte Rekurrent ist Jnhaber von 12
sJtamenaftien à 1000 Fr. der Aktiengesellschaft Weberei Grüneck
in Grüneck (Kanton Thurgau). Für diesen Aktieubesitz wurde er im
Kanton Zürich, zuletzt durch Entscheid der Rekurskommission für die
Bezirke Uster, Pfäffikon und Winterthur, vom B.,-8. Januar 191.2,
vermögenssteuerpflichtig erklärt.

B. Mittels des vorliegenden, rechtzeitig und formrichtig dem Bundesgericht
eingereichten staatsrechtlichen Rekurses stellt der Rekurrent das
Rechtsbegehrem

Der Entscheid der Steuer-Rekurskommission des Kantons Zurich vom 5.,
zugestellt den 8. Januar 1912, sei aufzuheben und sei demgemäss die
Erhebung einer Vermögenssteuer auf meine Aktien der Weberei Grüneck in
Müllheim, Kanton Thurgau, als unvstatthaft zu erklären.

Zur Begründung führt der Rekurrent aus, die fraglichen Aktien unterlägen
mit Recht der Besteuerung im Kanton Thurgau, wo
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 38 I 66
Date : 21. Juni 1912
Published : 31. Dezember 1913
Source : Bundesgericht
Status : 38 I 66
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 66 A. Staaisrcchlliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. 1. Januar


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