renten, dass ihre Mutter den streitigen Besoldungsnachgenuss nicht als
Erwerb aus eigener Arbeit, sondern als gesetz-mässige Zuwendung zufolge
des Todes ihres Mannes erhalten habe, ist durchaus unbehelflich, da der
Besoldungsnachgenuss offenbar als ein weiteres, nachträglich gewährtes
Äquivalent für die früheren Leistungen des Besoldungsinhabers anzusehen
ist, abgesehen davon, dass auch eine völlig unentgeltliche finanzielle
Zuwendung sehr wohl unter den Begriff des Einkommens im angegebenen
wirtschaftlichen Sinne fallen fattu. _
3. _Was sodann die weitere Frage betrifft, ob die Witwe Siegfried
als ursprüngliche Bezügerin des einjährigen Besoldungsnachgenusses
mit der Einkommenssteuer für ein ganzes Jahr belegt werden durfte,
obschon sie das ganze Genussjahr nicht erlebt hat, kommt entscheidend
in Betracht, dass auch dieses Vorgehen der kantonalen Steuerbehörden und
speziell des Regierungsrates jedenfalls nicht gegen eine klar abweichende
Gesetzesvorschrift verstösst. Der angefochtene Entscheid beruht in diesem
Punkte auf der Erwägung, dass hinsichtlich der Einkommensbesteuerung
für die Steuerpflicht der Moment des Einkommensbezuges massgebend und
die Steuerhöhe im Rahmen der vollen Jahressteuer
nach der Bedeutung des einzelnen Einkommensbetrages in zeitlicher·
Hinsicht zu bemessen sei. Nun mag zwar diese Auffassung nach dem
Texte von Art. 34. Abs . 1 des Steuergesetzes an sich gewichtige
Bedenken erregen, bei Würdigung dieser Bestimmung im Zusammenhange mit
Art. 15 des Gesetzes aber lässt sie sich doch immerhin in guten Treuen
vertreten. Denn es ist insbesondere nicht ausser Acht zu lassen, dass
die Vorschrift des Art. 34 Abs. 1 auf den Regelfall des sukzessiven
Einkommensbezuges zugeschnitten ist, bei dem die Einkommenshöhe
sich dem Zeitablaufe gemäss steigert, so dass der Einkommensbetrag,
der mit Rücksicht auf den Moment des Bezuges auf eine nicht das ganze
Steuerjahr umfassende Steuerpflichtsperiode entfällt, dem proportional
diesem Jahres-teil reduzierten Gesamtjahreseinkommen entspricht, während
hier ein Ausnahmefall vorliegt, indem die ein volles Jahreseinkommen
darstellende Besoldungssumme auf einmal an die im betreffenden Zeitpunkte
unbestrittenermassen steuerpflichtige Bezügerin zur Auszahlung gelangt
ist. Die Annahme, dass der Bezug einer solchen Jahresbesoldung die
Pflicht zur Entrichtung der ent-
' ll. Handelsund Gewerbefreiheit. N° 8. 4-5
sprechenden Jahreseinkommenssteuer begründe, kann angesichts des Art. 15
nicht als willkürliche, als Rechtsverweigerung zu qualifizierende
Gesetzesanwendung bezeichnet werden.
Erweist sich aber demnach die streitige Besteuerung der Witwe Siegfried
als staatsrechtlich unanfechtbar, so ist die Pflicht zur Bezahlung
dieser Steuer auf die Rekurrenten als Erben jener übergegangen und es
kann deshalb von einer unstatthaften interkantonalen Doppelbesteuerung
mit Bezug auf den Steueranteil der in Winterthur wohnhaften Rekurrentin
Anna Siegfried, die nur bei direkter Besteuerung dieses auswärtigen
Steuersubjektes in Frage kommen könnte, zum vornherein nicht die Rede
sein. Dagegen ist ohne weiteres flat, dass die Rekurrenten ihrerseits,
neben der für ihre Mutter geschuldeten Cittkommenssteuer, für die
fragliche Besoldung, soweit sie aus der Erbschaft als Vermögen an
sie übergebt, erst nach Ablauf des vollen Einkommenssteuerjabres zur
Vermögenssteuer herangezogen werden dürfen;
erkannt: Der Reknrs wird abgewiesen.
Bergl. auch Nr. 19. Voir aussi n° lt).
II. Handelsund Gewerbefreiheit. Liberté du commerce et de l'industrie.
8. ?lrteis vom 28. März 1912 in Sachen Hut und Jana gegen Yer-n.
Die Kantone können ohne Verletzung des Art. .'M [N' Is-n Kaminfegerberuf
zu rin-'r amtlich/'n Funk/ion erheben, uri-: lu-..e im Kim/m Bern
geschehen is].
A. Die Ausübung des Kaminfegerberufes war im Kanten
Bern bis zum Jahre 1897 durch die Feuerordnung vom 25. Mai
1819 geregelt. Aus dieser sind hier folgende Bestimmungen hervorzuhebem
46 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.
§ 39. Für einen von dem Oberamtmann zu bestimmenden Bezirk soll ein
Kaininfeger angestelltund in Pflicht aufgenommen werden. Die Tare für
seine Arbeit wird auf 4 Batzen von jedem Kamin und auf 2 Batzen von
jedem Arm eines Kamins gesetzt.
§ 40. Ein solcher Kaminfeger soll alle Vierteljahre den Kehr seines
Bezirkes machen. Wirte, Bäcker und andere Feuerarbeiter, welche alle
Monate russen sollen, müssen ihn besonders dafür kommen lassen . . . .
§ 41. Wenn der Kaminfegermeister seine Arbeit nicht alle selbst verrichten
kann, so soll er nur tüchtige Gesellen dazu gebrauchen; er wird jeweilen
für selbige verantwortlich sein und selbst nachsehen, ob die Arbeit
gehörig verrichtet worden sei.
Anlässlich der im Jahre 1881 erfolgten Reorganisation der kantonalen
Brandversicherungsanstalt wurde in § 45 des bezüglichen
Gesetzes (Gesetz über die kantonale Brandversicherungsanstalt, vom
30. Oktober 1887) bestimmt:
Durch Dekret des Grossen Rates werden geregelt und festgesedt:
4. Die Bestimmungen über die Feuersicherheit, insbesondere die Revision
der Feuerordnung vom 25. Mai 1819.
Jn Ausführung dieser Gesetzesbestimmung erliess der Grosse Rat am
1. Februar 1897 ein Dekret betreffend die FeuerDehnung", dessen §
31 bestimmte:
Die Feueraufsicht ist gemeinsame Aufgabe der Gemeinden und des Staates:
Sie wird ausgeübt durch:
a) Die Feueraufseher der Gemeinden,
b) die Kaminfeger,
c) die Ortspolizeibehörde,
d) die Regierungsstatthalter.
Die Oberaufsicht liegt der Direktion des Innern ob.
Aus dem übrigen Inhalte dieses Dekretes sind hervorzuheben: § 38, welcher
bestimmt, dass Fälle von Pflichtvernachlässigung seitens der Feueraufseher
und der Kaminfeger dem Regierungsstatthalter zur Kenntnis zu bringen sind;
§ 45, welcher den Feueraufsehern und den Kaminfegern die Führung eines
Dienstbuches zur Pflicht macht; endlich die §§ 50 und 113, welche lauten:
§ 50. Der Regierungsrat wird gestützt auf dasGewerbegesetz
Il. Handelsund Gewerbesreiheit. N° 8. 47
"m 7. November 1849 und in Abänderung der §§ 39 43 der Feuer-ordnung vom
25. Mai 1819 eine Kaminfegerordnung erlassen. In derselben sollen die
Kaminfeger als Organ der Feueraufsicht für bestimmte Kreise bezeichnet
und ihre Wahlfähigkeit an ein Berufspatent geknüpft werden. § 113. Durch
dieses Dekret werden aufgehoben:
a) Die Feuerordnungsvom '25. Mai 1819.
Am 28. Februar 1899 erliess sodann der Regierungsrat gestützt auf §
12 Ziff. 3 des Gesetzes über das Gewerbewesen vom 7. November 1849 unb
auf § 50 des Dekretes betreffend die Feuerordnung vom 1. Februar 1897
eine Kaminfegerordnung, aus welcher hervorzuheben sind:
§ 1: Für die Ausübung des Berufes eines Kaminfegers auf eigene
Rechnung oder als verantwortlicher Meistergeselle ..... ist ein Patent
erforderlich, welches von der Direktion des Jnnern ausgestellt wird.
§ 2: Der Patentbewerber hat ein gestempeltes Gesuch an die Direktion
des Jnnern zu richten. Diesem sind beizulegen:
si a) ein Zeugnis über befriedigende Primarschulbildung; _ b) ein Zeugnis
des Einwohnergemeinderates über den Besitz eines guten Leumundes und
der bürgerlichen Ehrenfähigkeitz
c) Zeugnisse über eine mit gutem Erfolg bestandene dreijährige Lehrzeit
bei einem patentierten Kaminfegermeister, sowie über eine dreijährige
Tätigkeit als Geselle.
Ausserdem hat der Bewerber eine Prüfungsgebühr von 5 Fr. zu erlegen.
§ 3 Abs. 1: Nach Erfüllung der in § 2 genannten Requisite ordnet
die Direktion des Jnnern eine Prüfung des Patentbewers bers über
die Feuerpolizeivorschriften überhaupt und über die Pflichten und
Befugnisse des Kaminfegers insbesondere durch einen von ihr bezeichneten
Sachverständigen an.
§ 3 Abs. 2: Auf befriedigendes Zeugnis über den Erfolg dieser Prüfung
hin wird das Patent ausgestellt, gegen Bezahlung einer Gebühr von 5 Fr.
§ 4: Gleichzeitig mit der Zustellung des Patentes ist der
Kaminfegermeisier durch den Regierungsstatthalter seines Wohnortes
48 A. Slaatsrechlliche Entscheidungen l. Abschnitt. Bundesverfassung.
in Gelübde zu nehmen und ist ihm die Feuerordnung sowie die gegenwärtige
Verordnung nebst dem Gebührrentarif zuzustellen
§ 5 Abs. 1: Das Kantonsgebiet wird in Kaminfegerkreise eingeteilt, welche
jeder Regierungsstatthalter für seinen Amtsbezirk umschreibt. Er wählt
für jeden Kreis, auf öffentliche Ausschreibung hin, und auf die Dauer
von 4 Jahren, einen patentierten Kammfeger als Kreiskaminfegeu welchem
die Befugnis des Russens ausschliesslich zusteht. Es ist zulässig,
dass derselbe Kaminfeger in mehr als einem Amtsbezirk gewählt wei-de.
§ 5 Abs. 2: Beim Ablauf einer Wahlperiode kann der Regierungsstatthalter,
sofern keine Klagen über den betreffenden Ka- minfeger lant geworden
find, mit Genehmigung der Direktion des Jnnern, von einer öffentlichen
Ausschreibung der Stelle Umgang nehmen.
§ 5 Abs. 3: Grössere Gemeinden können entweder in Kreise mit je einem
Kantinfeger eingeteilt oder ungeteilt einer auf Antrag des Gemeinderate-J
vom Regierungsstatthalter zu bestimmenden Anzahl von Kaminfegern, unter
welchen alsdann den Gebäudebesitzern resp. Mietern die freie Wahl zusteht,
übertragen werden.
§ 9 Abs. 1: Dein Kaminfeger liegt ob:
a) alle im Gebrauch stehenden Kantine-, Ranchrohre, kliauchzüge jeder
Art und Fleischräuchen seines Kreises regelmässig alle drei Monate,
nach spätestens am Tagezuvor gemachter Anzeige an die Haus-bewohnen
sorgfältig zu russen und sie so oft nötig, auszubrennen;
b) bei diesem Anlass und auch sonst, wenn er von der Ortspolizeibehörde
oder von einem Hausbcwohner dazu aufgefordert wird, die Rauchleitungen
in Bezug auf Bauart, Unterhalt und Feuersicherheit genau zu untersuchen;
c) bei der Entdeckung vorschriftswidriger oder feuergefährlicher Zustände
den Bewohner des Hauses wenn möglich sogleich persönlich zur Beseitigung
derselben aufzufordern unter Bestimmung einer angemessenen Frist;
d) wenn die persönliche Aufforderung nicht möglich, oder wenn Gefahr
im Verzuge oder wenn seiner Weisung innert der bestimmten Frist
nicht nachgelommen wurde, unverzüglich die Ortsvolizeibehörde in
benachrichtigen, welche ihrerseits die Aufforderungen
ll. Handelsund Gewerbefreiheit. N° 8. 49
zu erlassen und die weitern entsprechenden Verfügungen zu treffen hat
(vgl. § 43 Abf. 3 der Feuerordnung vom 1. Februar 1897).
§ 14t Der Kaminfeger hat als Kontrolle über seine Vet-rid)? tungen ein
Dienstbuch nach einem von der Direktion des Innern aufzustellenden
Formular zu führen. In dieses sind die von ihm beanstandeten Mängel
unter Angabe der Hausnummer, die getrof; fenen Anordnungen und die
bestimmten Fristen, sowie der Name der Person, welche seine Verfügungen
entgegengenommen bat, einzutragen
§ tif): Nach jedem Kehr hat der Kaminfeger sein Dienstbuch dem Präsidenten
der Ortspolizeibehörde vorzuweisen. Dieser trägt dessen Inhalt in die
Feueraufsichtskontrolle ein, erlässt diejenigen Aufforderungen, welche
der Kaminfeger persönlich zu erlassen nicht im Falle war, und wacht liber
die Vollziehung sämtlicher getroffenen Verfügungen Das Dienstbuch wird
von der Ortspolizeibehörde nach Jahresschluss, und zwar jeweilen bis
zum i.5. Januar, visierr an dacthegierungsstatthalteramt übermittelt,
von wo es visiert an den Kaminfeger zurückgeht. .
§ 16: Der Katninfeger steht unter der Aufsicht der Ortspolizeibehörde
und des Regierungsstatthalters und unter der Oberaufficht der Direktion
des Innern. Letztere ist befugt, im Falle schwerer Pflichtverletzung
denselben in seiner Eigenschaft als Kreiskamim feger bis zum Ablauf
seiner Wahlperiode einzustellen.
§ 18 Abs. 1: Uber die Gebühren für die Verrichtungen der Kantinfeger
wird vom Regierungsrat ein Tarif aufgestellt·
§ 19 Abs. l (bedroht u. a. die unbesugte Ausübung des Kaminfegerberufe
mit Strafe).
Endlich bestimmt § 12 des Gesetzes über das Gewerbewesen vom 7. November
1849:
Eine besondere Bewilligung zur Ausübung ihres Berufe-s oder Gewerbes
(Berufsoder Gewerbspatent § 11, Nr. 1) bedürfen namentlich: .
1. Diejenigen, welche sich über ihre besondere Befähigung auszuweisen
haben, nämlich:
a) Advokaten, Agenten und Notai-ieri;
b) Arzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte, Hebammen und Vader;
AS 38 | _ m: 4.
50 A. Suaureehtlicbe Bnueheidungen. [. Ablehnin. Bunde-verfassung-
c) öffentliche Lehrer, Privatlehrer, mit Ausnahme der Hauslehrer,
Unternehmer von Erziehungss und Unterrichtsanstalten jeder Art ;
d) Förster, Feldmesser, Ingenieure-, Architekten, Maschinisten bei
Dampfmaschinen und Fabrilen, Vorsteher chemischer Fabrilem Mühleund
Maschinenbauer;
e) Hufschmiede.
2. Die Gast-s und Schenkwirte, Kleinhändler und Fabrikanten geistiger
Getränke, die Vorsteher von Badund Turnanstaltem Tanzund Fechtschulen,
die Schauspielunternehmer, die Hausierer, die den Märkten nachgehenden
Kramer, die fremden Handelskrisenden, die Führer der Reisenden und die
Lohnbedienten
3. Die Vorsteher von Primtlkrankenanstalteii, die Vorsteher und Agenten
der Versicherungsanstalteu aller Art, Kreditanstalten, Sparkassen, die
Unternehmer von Lotterien, die Pfandleiher, Schlosser und Kaminfeger,
die Verkaufer giftiger Substanzen.
B. _, Auf Grund von § ö alter Fassung der erwähnten Kaminfegerordnung
vom 23. Februar 1899 war das Gebiet der Stadt Berti elf Kaminfegern
in dem Sinne zugeteilt worden, dass jeder Hausbesitzer die Wahl unter
sämtlichen elf Kaminfegern haben folle. Dieses Wahlrecht der Hausbesitzer
kam namentlich den beiden Rekurrenten Mathias Gut und Johann (Gottlieb
Lang eu gute, wie sich aus folgenden Zahlen ergibt:
Zahl der von ihnen ; Zahl der von ihnen
Name der Kaminseger ; im Jahre 1911 * im Jahre 1911 besorgten Häuser
bei. Haushaltungen Gut ........ I 1053 3300 Lan; ....... , 952 3000
Kunz ....... 652 2000 Dàllenbneh ..... 580 1750 Steinmann ..... 521 1600
Ballmoos ..... 503 1550 Schilt ...... ' 493 i 1600 GBM ....... 146 11.00
Bürli ....... z 408 1300 Brand ....... z 288 900 Wölltli ...... i 187
400Dieser Zustand wurde von den Kaminfegern mit kleinerem Kundenkreis
in verschiedenen Eingaben an. die Behörden als un-
ll. Hlndelsund Gewerbesreiheit. N° 8. 51
gerecht und gefährlich dargestellt, letzteres namentlich deshalb, weil das
Bestreben, den "Kunden gefällig zu sein, den Kaminfeger dazu verleite,
es u. U. mit der Beobachtung der feuerpolizeilichen Vorschriften nicht
allzu genau zu nehmen.
Infolgedessen beschloss der Regierungsrat des Kantons Bern am '
28. November 1911:
§ 1. Der § 5 Absatz 3 der Kaminfegerordnung vom 23. Fedruar 1899 wird
abgeändert, bezw. ergänzt wie folgt:
Grössere Gemeinden können entweder in Kreise mit je einem Kaminfeger
eingeteilt oder ungeteilt einer auf den Antrag des Gemeinderates
vom Regierungsstatthalter zu bestimmenden Anzahl von Kaminfegern,
unter welchen alsdann den Gebäudebesitzern resp. Mietern die freie Wahl
zusteht, übertragen werden. In letzterem Falle darf aber kein Kaminfeger
die Russung von mehr als 700 Gebäuden übernehmen. '
8 2. Gegenwärtiger Beschluss tritt sofort in Kraft.
C. Gegen diesen, am 26. Dezember 1911 im Amtsblatt des Kantons Bern
publizierten und ausserdem am 12. Dezember ihnen persönlich eröffneten
Beschluss des Regierungsrates haben Mathias Gut und Johann Goltlieb
Lanz rechtzeitig und formrichtig den staatsrechtlichen Rekurs an das
Bundesgericht und an den Bundesrat ergriffen, mit dem Antrag:
Es sei die Verordnung des chegierungsrates des Kantons Bern insoweit
aufzuheben, als darin den Kaminfegermeistern verboten ist, die Rusiung
von mehr als 700 Gebäuden zu übernehmen; oder soweit den Beschwerdeklägern
geboten wurde-, ihre Kundsame, soweit 700 Häuser übersteigend, abzugeben-
Der Rekurs an das Bundesgericht wurde mit einer Verletzung der Art. 4
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche. |
BV : 72 KV, sowie 81 und 89 KV begründet, derjenige an den Bundesrat
ausserdem mit einer Verletzung des Art. 31
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 31 Privation de liberté - 1 Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit. |
|
1 | Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit. |
2 | Toute personne qui se voit privée de sa liberté a le droit d'être aussitôt informée, dans une langue qu'elle comprend, des raisons de cette privation et des droits qui sont les siens. Elle doit être mise en état de faire valoir ses droits. Elle a notamment le droit de faire informer ses proches. |
3 | Toute personne qui est mise en détention préventive a le droit d'être aussitôt traduite devant un ou une juge, qui prononce le maintien de la détention ou la libération. Elle a le droit d'être jugée dans un délai raisonnable. |
4 | Toute personne qui se voit privée de sa liberté sans qu'un tribunal l'ait ordonné a le droit, en tout temps, de saisir le tribunal. Celui-ci statue dans les plus brefs délais sur la légalité de cette privation. |
Gestützt auf Art. III Abs. 2 der Übergangsbestimmungen des revidierten
Organisationsgcsetzes hat das Bundesgericht nach Rücksprache mit dem
Bundesrate die Behandlung beider Rekurse übernommen.
Anf die Anrufung des Art. 89 KV haben die Rekurrenten am 22. Januar 1912
unter Vorbehalt des Rechtes zur Einreichung einer Zivilklage gegen den
Kanton Bern verzichtet
52 A. Staalsrechuiche Entscheidungen. i. Abschnitt. Bundesverfassung.
D. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat Abweisung beider Rekurse
beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Was vor allem die behauptete Verletzung der in Art. 31
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 31 Privation de liberté - 1 Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit. |
|
1 | Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit. |
2 | Toute personne qui se voit privée de sa liberté a le droit d'être aussitôt informée, dans une langue qu'elle comprend, des raisons de cette privation et des droits qui sont les siens. Elle doit être mise en état de faire valoir ses droits. Elle a notamment le droit de faire informer ses proches. |
3 | Toute personne qui est mise en détention préventive a le droit d'être aussitôt traduite devant un ou une juge, qui prononce le maintien de la détention ou la libération. Elle a le droit d'être jugée dans un délai raisonnable. |
4 | Toute personne qui se voit privée de sa liberté sans qu'un tribunal l'ait ordonné a le droit, en tout temps, de saisir le tribunal. Celui-ci statue dans les plus brefs délais sur la légalité de cette privation. |
KV gewährleisteten Handelsund Gewerbefreiheit betrifft, so ist davon
auszugehen (vergl. Burckhardt, Kommentar S. 275 ff., sowie BGE 37 l
S. 530), dass diese Verfassungsgarantie sich grundsätzlich nur auf
diejenigen Gewerbe bezieht, die der Staat überhaupt den einzelnen
Bürgern zur freien Konkurrenz überlassen hat, und dass sie daher auf
diejenigen Zweige der gewerblichen Betätigung, die der Staat entweder
in den Bereich der öffentlichen Verwaltung hineingezogen oder aber als
Monopole organisiert hat, von vornherein unanwendbar ist. In diesem
Sinne haben die Bundesbehörden in nahezu konstanter Praxis (vergl.
Salis II Nr. 875) den Kantonen insbesondere das Recht zuerkannt, die
Reinigung der Kamine als einen Zweig der Feuerpolizei zu behandeln und
daher die Ausübung des Kantinfegerberufes nicht nur von der Erteilung
einer Bewilligung, sondern geradezu von einem Ernennungsakt abhängig zu
machen eine Praxis-, von welcher abzugehen kein Anlass vorliegt.
2. Vom Rechte der Verstaatlichungl des Kaminfegergewerbes, das begrifflich
ja allerdings auch als freies Gewerbe denkbar wäre, hat nun der Kanton
Bern bereits durch Erlass der Feuerordnung vom 25. Mai 1819 Gebrauch
gemacht; denn schon dieses Gesetz sah die Anstellung eines Kaminfegers
für jeden vom Oberamtmann zu bestimmenden Bezirk vor, setzte die vom
Kaminfeger zu beziehende Taxe fest, erklärte ihn für seine Gesellen
verantwortlich und verpflichtete ihn, alle Vierteljahre den Kehr seines
Bezirkes zu machen.
Noch deutlicher spricht sich das am 1. Februar 1897 vom Grossen
Rat erlassene Dekret betreffend die Feuerordnung aus, in welchem die
Kaminfeger, ebenso wie die Feueraufseher, die Ortspolizeibehörden und die
Regierungsstatthalter, geradezu als Organe der staatlichen Feuerpolizei
bezeichnet werden. Desgleichen die Kammfegerordnung vom 23. Februar
1899, wonach das Kantonsgebiet in Kaminfegerkreise einzuteilen und für
jeden dieser Kreise ein Kreiskaminfeger zu wählen ist. Allerdings sieht
dasselbe Gesetz
ll. Handelsund Gewerbefreiheii. N° U. 53
auch die Erteilung eines Kaminfegerpatentes an jeden, die
gesetzlichen Bedingungen erfüllean Bewerber vor; allein der Besitz
eines solchen Patentes berechtigt nicht ohne weiteres zur Ausübung
des Kaminfegerberufes, sondern er bildet bloss eine Voraussetzung der
Wahl, gleich wie ja bei den meisten öffentlichen Amtern die Bedingungen
der Wahlfähigkeit gesetzlich festgelegt zu sein pflegen. Ebenso nun,
wie der Besitz irgend eines andern, für die Wahl zu einem öffentlichen
Amt aufgestellten Requisites, nicht ohne weiteres zur Bekleidung des
betreffenden Amtes berechtigt weil es ausserdem noch eines Wahlaktes der
kompetenten Behörde bedarf -, so kann im Kanton Bern der Kaminfegerberuf
trotz Besitzes eines Kaminfegerpatentes doch erst nach stattgefundener
Wahl zum Kreistaminfeger, bezw. zum Gemeindekaminfeger ausgeübt
werden. lind ebenso wie jeder andere öffentliche Beamte, so hat im
genannten Kanton auch der Kaminfeger seinen Amtsbezirk (KaminfegerWeis"),
an dessen Grenzen seine Amtsbefugnisse aufhören. Ferner ist er, wie
alle andernsBeamtem zur Ausführung der zu feinem Amt gehörenden Arbeiten
nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet; desgleichen, da er auf
Gebühren angewiesen ist, zur Ein- haltung der behördlich aufgestellten
Tarife, u. s. w.
An dieser Auffassung des Katninfegerberufes als eines öffentlichen
Amtes ist auch durch § ö Abs. 3 der Kaminfegerordnung vom Jahre 1899
nichts geändert worden. Allerdings wurde hier die Möglichkeit der Wahl
mehrerer Kaminfeger für ein und dasselbe Gemeindegebiet vorgesehen und den
lsiebäudebesitzern bezw. Mietern für diesen Fall das Recht zugestanden,
sich ihren Kammfeger unter den mehreren, für die betreffende Gemeinde
ernannten auszuwählen eine Bestimmung, durch welche freilich ein
gewisser Konkurrenzkampf ausgelöst wurde, wie er sonst nur bei freien
Gewerben vorzukommen pflegt. Allein abgesehen davon, dass dies nur in
Ausnahmezustand für einzelne grössere Gemeinden sein sollte tatsächlich
existiert er denn auch nur in den Städten Bern und Burgdorf prävaliert
doch auch in diesem Falle der Charakter des öffentlichen Amtes:
das den Hausbesitzern und Mietern zustehende Wahlrecht bezieht sich
ausschliesslich auf die vom Regierungsstatthalter für die betreffende
Gemeinde ernannten Kammfeger; diese sind der vorgesetzten Behörde genau
ebenso verantwort-
54 A. Swatsrcchtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfnsung.
lich, wie im übrigen Kantonsgebiete die Kreislaminfegert ; und, wie diese,
so sind auch die auf Grund des § 5_ Abs. 3 ernannten mehreren Kaminfeger
verpflichtet, die ihnen ausgegebenen Arbeiten zu den Bedingungen des
von der Behörde aufgestellten Taufe-s auszuführen. _ _ .
Bei dieser Sachlage ist flat, dass durch den angesochtenen Beschluss
des Regierungsrates nicht etwa ein grundsatzlich sreies Gewerbe einer
verfassungswidrigen Beschränkung unterworfen, sondern dass lediglich
die Bedingungen für die Ausübung gewisser staatlicher Funktionen eine
Abänderung erfahren haben. Die Handelsund Gewerbefreiheit ist somit
nicht verletzt. ·
3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich auch die
Unbegründetheit des Vorwurf-es der rechts ungleichen Behandlung. Denn
dieser Vorwurf wird von den Vekurrenten eben damit begründet, dass
ihnen die freie Ausübung ihres Gewerbes in einer bestimmten Richtung
thinsichtlich der Zahl der Kundenf) untersagt werde, während andere
Gewerbetreibende, die nach § 12 des Gewerbegesetzes in gleicher Weise
.'der Patentpflicht unter-ständen (Advokaten, Arzte, Notare), in dieser
Richtung frei seien. Da nun aber nach dem Gesagten dei··Kaminseger
im Kanton Berti überhaupt kein Gewerbetreibeiider, sondern ein
Beamter ist, so entfällt damit auch der Vergleich iiiit jenen andern
Geiverbetreibenden. v .
Jm übrigen ist klar, dass die grosse Verschiedenheit zwischen dem Berufe
eines Arztes oder Advokaten einerseits und demseiiigen eines Kaminfegers
anderseits durchaus geeignet sein kanns in diesem-oder jenem Punkte eine
verschiedene gesetzliche Regelung ihrer beruflichen Ver ältni "e lu re
erti en. '
Z -ss(Akisfi'ihctk)tlfng dîrùber, dass Art. öl KV nicht verletzt sei.)
Demnach bat das Bundesgeriebt erkannt:
Beide dileturse werden abgewiesen
Il. Handelsund Gewerbefreiheit. N° 9. 55
9. Arràt du 25 avril 1912 dans la cause Broquet contre Berne.
Liberté du commerce et de l'lndustrle. Exploit-cuori del auberges. Art. 31
litt. ; et e Const. féd.
lies gouvernements cantonaux sont en droit d'édicter, par voie de simple
prescription de police, l'interdiction pour les aubergistes d'une
commune de débiter certaines boissons spiritueuses considérées comme
particulièrement nuisibles et dangereuses pour le bien-etre public,
lorsque cette mesure apparnlt comme un moyen approprié pour combattre
l'alcoolisme qui
menace de compromettre la prospérité générale de cette conimune.
A. Par décision du il décembre 1911, la Direction de I'lntérieur du canton
de Berne n'a renouvelé, pour trois ans, la. patente accordée à Edouard
Broquet pour l'auberge de la. Couronne qu'à la condition expresse qu'il ne
débite ni eauxde vie ordineires, ni imitations de spiritueux, conformément
à l'engngement pris per lui en 1910. Estimant qu'il n'avait contracté le
dit engagement que pour 1911 et à titre d'essai et que le but poursuivi
ne sera pas atteint tant que la mesure appliquee à Gourrendlin ne le sera
pas dans tout le canton, Broquet a recouru au Conseil exécutif du canton
de Berne, lequel, par arrèté du 26 janvier 1912, a. écarté Bou recours.
Get ari-été est motivé eu substance comme suit: Sur le demande des Usines
de Choindez et de l'autorite' commuuale de Courrendiin, la. Direction
de l'Intérieur n'a renouvelé que provisoirement pour l'année 1911 les
patentes des aubergistes de cette località, à la condition expresse
qu'ils ne débiteraient pas d'autres boissons distillées que du kirsch,
de le prune, de la gentiane, du cognac et du rhum véritables, ainsi que
de l'eau de-vie de lie provenant de leurs propres résidus de vin . En
compeneation, le prix des patentes était abaissé et des primes étaient
promises aux aubergistes qui respecteraient leur engagement. Cette mesure
ayant eu pour effet de restreindre l'enorme consommatiou de goutte qui
se faisait à Courrendlin, la Direction