628 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. _ II. Prozessrechtliche
Entscheidungen.

II. Prozessrechtliche Entscheidungen. Arréts en matière de procédure.

Berufungsverfahren. Procédure de recours en réforme.

91. guten vom 30. Yovemfier 1910 in Sachen Html, Kl. 'n. Ber.-Kl.,
gegen glam-"gamma, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Art. 58 06: Haupturteif ? Enéschee'd, 553? die Zuständigkeit des
schweiZerisclteee Richters zur Anhandnahme der Ehescheidem-ysklage
aus- ländischer Este-gerissen iu Anwendung des Art. 5 der
Internat. Uebereinlmsinfé betr. Ehescheidemg etc. 0. 190217905
(EkeSchKonv) uereeeint. Der Begriff des Haupturieiis bestimmt sich
ausschliesslich nach. dem eidgenössischen Recht.

A. Die Litiganten sind Angehörige des deutschen Reiches. Sie sind seit dem
Jahre 1886 verheiratet. Der Kläger ist Direktor eines Vorschussvereins
in Konstanz, hat aber in Kreuzlingen ein Zimmer gemietet und dort auch
am 6. September 1909 die Niederlassungsbewilligung erhalten. Die Beklagte
wohnt in Resan bei Neapel.

B. Am 7. Oktober 1909 erhob der Kläger gegen die Beklagte beim
Friedensrichteramt Kreuzlingen Klage auf Ehescheidung gemäss Art. 46
lit. b Mem.-1? ZEG und §1568 DVGW. In dem dadurch eingeleiteten Prozesse
erkannte das Obergerichi des Kantons Thurgau über die iiiechtsfrage: Ist
die Ehe der Litiganten sofort und definitiv zu scheiden ? durch Urteil
vom 22. September 1910: Die Rechtsfrage wird verneinend entschieden.

Zur Begründung führte das Gericht folgendes aus: Nachihrem Heimatrechte,
gemäss § 1354, Abs. 2 und 10 DBGB, habe die Beklagte nicht denselben
Wohnsitz wie der Klager, sondern ihr besonderes Domizil in Resan bei
Neapel. Da mm aus Grund des Art. 5 Ziff. 2 der Internat. Übereinkunft
betr. Ehescheidung ec.Berufungsverfahren. N° 91. 629

i). 12. Juni 1902? 15. September 1905 (EheSchKonv) für die Scheidungsklage
die Gerichte des Wohnsitzes des Beklagten zuständig seien, wenn die
Ehegatten nach der Gesetzgebung des Heimatstaates nicht denselben Wohnsitz
hätten, so müsse die Scheidungsklage wegen Jnkompetenz abgewiesen werden.

G. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig die Berufung erklärt
mit dem Antrage, es sei die Ehe der Litiganten in Anwendung von Art. 46
lit. b eventuell 47 ZEG und § 1568 DBGB sofort definitiv zu scheiden;
eventuell sei das thurgauische Obergericht anzuhalten, auf die materielle
Überprüfuug des erstinstanzlichen Urteils einzutreten.

D. In der heutigen Verhandlung vor Bundesgericht hat der Vertreter des
Klägers den Berufungsantrag wiederholt und zur Begründung angeführt,
dass das angefochtene Urteil ein Haupturteil sei, weil die Frage, ob ein
solches Urteil vorliege, nach kantonalem Prozessrecht zu beurteilen sei
und nach thurgauischem Rechte der Entscheid über die Kompetenzfrage in die
Form eines Endurteils gekleidet werden müsse Der Vertreter der Beklagten
hat den Antrag gestellt, es sei auf die Berufung nicht einzutreten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Gemäss Art. 58 QG ist die Berufung an das Bundesgericht nur gegen die in
der letzten kantonalen Instanz erlassenen Haupturteile zulässig. Nach der
bundesgerichtlichen Praxis (val. AS 32I S. 652 Erw. 2; Weiss, Berufung an
das BG in Zivilsachen, S. 34 ff; FAvEY, Les conditions du recours de droit
civil au Tribunal fédéral, S. 44 ff) sind Haupturteile diejenigen Urteile,
die über die materiellen Ansprüche, die in einem Prozesse geltend gemacht
werden, definitiv entscheiden, also gegenüber der Geltendmachung derselben
Ansprüche in einem neuen Prozesse die Einrede der abgeurteilten Sache
begründen. Diesen Charakter hat nun das Urteil der Vorinstanz nicht. Es
entscheidet nicht darüber-, ob das Scheidungsbegehren gemäss Art. 2
EheSchKonv begründet sei oder nicht, sondern beschränkt sich darauf, auf
Grund der Gerichtsstandsbestimmungen des Art. 5 ibid. sich inkompetent zu
erklären, also das Vorhandensein einer Prozessvoraussetzung zu verneinen.

Die Norm des Art. 5 EheSchKonv ist in erster Linie bestimmt, die sachliche
Zuständigkeit über Ehescheidungsprozesse unter

630 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. Il. Prozessrechtliche Entscheidungen.

gewissen Voraussetzungen dem Domizilstaate der Eheleute zuzuweisen. Eine
besondere Vorschrift macht bei getrenntem Wohnsitz der Eheleute die
Gerichte des Wohnsitz-staates der beklagten Partei zuständig. Wenn es
sich so in erster Linie um Vorschriften über sachliche Gerichtsbarkeit
handelt, so wirken sie praktisch auch als Gerichtsstandsnormen, da
durch die internationale Ehescheidungskonvention ohne weiteres die
Prozessgesetzgebnng des Wohnsitzkantons für die örtliche Zuständigkeit
im Einzelsalle anwendbar wird und aus ihr die Entscheidung darüber zu
entnehmen ist, welches Gericht im Einzelsalle zuständig ist. Art. 5
EheSchKonv enthält aber keinerlei materiellrechtliche Vorschriften
über die Scheidung. Diese sind ausschliesslich aus Art. 1 und 2
des Übereinkommens zu entnehmen. Daher bewirkt auch das angesochtene
Urteil, das nur eine in Art. 5 EheSchKonv enthaltene Vorschrift über die
Zuständigkeit des angegangenen schweizerischen Gerichtes auslegt, keine
Rechtskraft für den Scheidungsanspruch Wenn der Kläger seine Klage,
vorausgesetzt z, B., dass Frau Stern in der Schweiz Wohnsitz nehmen
würde, von neuem bei dem alsdann zuständigen Gericht anbringen würde,
könnte ihm die Einrede der beurteilten Sache nicht entgegengehalten
werden. Dass gemäss thurgauischem Rechte der Entscheid der Vorinstanz
die Form eines Endurteiles hat, kann ihm nicht den Charakter eines
Haupturteiles im Sinne des Art. 58 OG geben, weil der Begriff des
Haupturteiles sich nach eidgenössischem Rechte bestimmt und zudem für
die Frage, ob ein Haupturteil vorliegt, der Inhalt sund nicht die Form
des Urteils massgebend ist. Selbstverständlich kann es an dem Charakter
des Urteils der Vorinstanz auch nichts -ändern, dass zur Entscheidung
über die Kompetenzsrage die Frage, wo die Beklagte ihren Wohnsitz habe,
aus Grund von materiellen Rechtsbestimmungen des DBGB beantwortet werden
musste; denn hiebei handelte es sich um eine blosse Vortrage, die zur
Entscheidung der Zuständigkeitssrage gelöst werden musste. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt:

Auf die Berufu11g;s;jwird nicht eingetreten.

-. 0 *-*--B. Entscheidungen des Bundesgeriahts als einziger
Zivilgeriehtsinstanz. Arrèts rendus par le Tribunal fédéral comme
instance unique en matière civile.

Materiellrechfliche Entscheidungen. Arrèts sur le fond du droit.

Zivilklagen von Korporationen oder Privaten gegen den Bund. Actions
civiles de corporations ou particuliers contre 1a Confédération.

92. gar-teil vom 111. Dezember 1910 in Sachen Jindjs, Kl gegen
Schweiz. @iègenossenschast, Bekl.

Hafipfiichtkfage gegen die Eidgenossensehaft auf Grund des Art. 48
Ziff. 206
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 48 Standards
1    Die Erstellung der Jahresrechnung des Bundes richtet sich nach den «International Public Sector Accounting Standards» (IPSAS) des «International Public Sector Accounting Standards Board».
2    Wesentliche Abweichungen von den IPSAS regelt der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen. Er konsultiert vorgängig die Finanzkommissionen.
3    Der Bundesrat begründet jede Abweichung von den IPSAS im Anhang der Jahresrechnung.
4    Er setzt sich für harmonisierte Standards zur Rechnungslegung von Bund, Kantonen und Gemeinden ein. Er kann diese Bestrebungen mit Beiträgen fördern.
. Unterbrechung der Anspruchsverjàhrung (Art. 12
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
FHG)
dur-eh Schuidbetreibung (Art. 154 Zéff. 2 u. Art. 157 Abs. 2 OH):
Wiederlzolte Wirksamkeit dieses Untee'brechangsgrundes (zevee'male'ge
Betu-eibungsanheènng). Bemessung der Haftpfliehtentsehädigung eines
Wagnee's bei Verminderung der Sehschcîrfe seines rechten Auges um 85 %.

A. Der Kläger war in der eidgenössischen Konstruktions-

werkstätte in Thun als Wagner angestellt und bezog bei 91,X2siün-

diger Arbeitszeit einen Stundenlohn von 50 Cis Nach der Lohnordnung
betrug der fi'n: ihn erreichbare Marimalsiundenlohn 54 Cts. Am 23. oder
24. Mai 1907 sprang dem Kläger bei der Arbeit ein Holzsplitter ins rechte
Ange. Einige Tage daraus stellte AS se n _ 1910 41
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 36 II 628
Datum : 30. Januar 1910
Publiziert : 31. Dezember 1910
Quelle : Bundesgericht
Status : 36 II 628
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 628 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. _ II. Prozessrechtliche Entscheidungen. II.


Gesetzesregister
FHG: 12 
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 12
1    Bundesversammlung und Bundesrat halten die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht; dabei richten sie sich nach Artikel 126 der Bundesverfassung (Schuldenbremse).
2    Sie tragen bei der Führung des Bundeshaushalts sowohl der Finanzierungs- als auch der Erfolgssicht Rechnung.
3    Sie stimmen soweit möglich die Sach- und Finanzierungsentscheide aufeinander ab.
4    Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit. Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
48
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 48 Standards
1    Die Erstellung der Jahresrechnung des Bundes richtet sich nach den «International Public Sector Accounting Standards» (IPSAS) des «International Public Sector Accounting Standards Board».
2    Wesentliche Abweichungen von den IPSAS regelt der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen. Er konsultiert vorgängig die Finanzkommissionen.
3    Der Bundesrat begründet jede Abweichung von den IPSAS im Anhang der Jahresrechnung.
4    Er setzt sich für harmonisierte Standards zur Rechnungslegung von Bund, Kantonen und Gemeinden ein. Er kann diese Bestrebungen mit Beiträgen fördern.
OG: 58
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • thurgau • charakter • vorinstanz • frage • weiler • ehe • scheidungsklage • ehegatte • prozessvoraussetzung • verfahren • entscheid • rechtskraft • arbeitnehmer • form und inhalt • begründung des entscheids • richterliche behörde • sachliche zuständigkeit • getrennter wohnsitz
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