Entscheidungen.
84. gute 11qu 6. Oktober 1910 in Sachen äicco, @. m. 5. &, und Yume,
Kl Widerbekl. u. Hauptber·-Kl., gegen gi,-@. Hommes; @aematogen,
Bekl., Widerkl. u. Anschl.-Ber.-Kl.
Haematogen als allgemeine Sachbezeichnung und der-Zier des
Marken-schutzes nicht fdhiges Gemeinguî im Sinne des Art. 3 Abs. 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe - 1 Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
|
1 | Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
a | mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese; |
b | mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt; |
c | einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. |
2 | Als ältere Marken gelten: |
a | hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen; |
b | Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind. |
3 | Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen. |
Nachweis solcher Verwendung des Wortes sowohl in der Wissenschaft, als
auch im praktischen Verkem-slebe-n der interessierten Bm-ufsiffeise
(Apotheker und Aerzte). Der Sprachgebrauch dieser Berufskreise
genügt zur Anerkennung des Wortes als Bestandteil des allgemeinen
Sp-rachschatzes. Bedeutung der indicidualisierenden Bezeichnung
Dr. Hommels Haemalagen für das Wort Heematogen . Internat.
Konvention zum Schutz des gewerbl. Eigentums vom 20. März 1883,
Art. 6 Abs. 1 : Tragweite dieser Bestimmung {Eintragung der Marke
Kronaematogen in Deutschland in ihre? Bedeutung für die Erlangung
des Markenrechts in der Schweiz). Verhältnis des Wortes Kronaemaîogen
zur Sachbezelchnuug Haemsztogen . Bedeutung des Zusalzes Kron als
blosse nicht schutszählge Qualitätsbezeichnung. -Unzulässlgkeit einer
Kombinationsmarke mit dem Wort Haematogen als wesentlichem Bestandteil
des Markenbildes. Sohadenersatzanspruch see-folge unbegründeter Strafklage
wegen Markenrechtsverletzung: Mangelndes Verschulden. Unsauterer
Wettbewerb durch Verwendung von. Verpackungsund Reklamematerial mis der
nicht schutsziieigen
Sachbezeichnung? Publikation des Ut 'I _ MSchG)? "618 (Art 32 Abs 1
A. Durch Urteil vom 8. Juni 1909 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich in vorliegender Rechtsstreitsache erkannt:
:L Die Hauptklage wird abgewiesen.
2. Die von der Sicco, G. m. b. H., am 23. Mai 1907 Sub Nr. 22,124 beim
Amt für geistiges Eigentum eingetragene Warte Kronaematogen, sowie die
am 29. Mai 1908 sub Nr. 28,901 eingetragene Bildmarke mit der Aufschrift
Haematogen werden als ungültig erklärt.
3. Den beiden Klägern und Widerbeklagten ist der Gebrauch der
Bezeichnungen Haematogen und Kronaematogen für pharmazeutische Produkte
untersagt.
Im Übrigeu wird die Widerklage abgewieseu.
Berufungsinstanz : 2. Fabrikund Handelsmaeken. N° 64. 48.3
B. Gegen dieses Urteil haben die Kläger gültig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen und die Anträge gestellt, das angesochtene Urteil
aufzuheben und
i. Die Rechtsbegehren der Hauptklage * gänzlich gutzuheissen, eventuell
die Schadenersatzsorderung (Rechtsbegehren 3) in einem nach richterlichen
Ermessen reduzierten Betrage.
2. Die Widerklage im vollen Umsange abzuweisen
3. Eventnell seien die Akten zurückzuweisen zur Abnahme der vor erster
Instanz anerbotenen Beweise (Expertise uud Zeugen) dafür:
a) dass das Wort Haematogen auch in der Schweiz schon vor 1897 seit
langen Jahren eine in den pharmazeutischen und physiologischen Kreisen
seststehende Sachbezeichnung und daher Gemeingut gewesen sei;
b) dass Herr Dr. Hommel das Wort Haematogen nicht als ein neues und
originelles erfunden und eingeführt habe;
c) dass die Beklagte und Widerklägerin resp. deren Rechts-vorgänger ihre
Wortmarke Haematogen niemals gebraucht hätten.
4. Eventuell wolle das Bundesgericht dies durch Anordnung einer Expertise
gemäss Art. 82 Abs. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe - 1 Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
|
1 | Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
a | mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese; |
b | mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt; |
c | einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. |
2 | Als ältere Marken gelten: |
a | hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen; |
b | Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind. |
3 | Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen. |
5. Weiter eventuell seien die Akten an die erste Instanz zuriickzuweisen
zur Abnahme der anerbotenen Beweise dafür, dass sowohl die Worte
Haematogen und Kronaematogen, als insbesondere die beiden Vildmarken
sich genügend klanglich und bildlich von einander unterscheiden
O. _ Die Beklagte hat sich der Berufung angeschlossen und in ihrer
Eingabe die Begehren gestellt:
I. Als Berufungsbeklagte: Die gegnerische Berufung sei in allen Teilen
abzuweisen.
II. Als Anschlussberufungsklägerin:
i. Es sei Absatz 2 von Dispositiv Nr. 3 des erstinstanzlichen Urteils
aufzuheben
2. Es sei das erstinstanzliche Urteil dahin abzuändern, dass auch die
Widerklagebegehren Nr. 4 und 5 gutgeheissen werden.
3. Eventuell seien die Akten an die erste Instanz zurückzuweisen zur
Abnahme der von derselben bereits anerbotenen Beweise dafür, dass :
W. 2 eingangs-, s. 435/36 unten. (Am. d. Red. f. Pubs.)
434 A. Oberste Zivilgerichlsinstanz. l. Materiellrechlliche
Entscheidungen.
a) durch die in Widerklagebegehren Nr. 4 genannten Handlungen der
Gegenpartei die Gefahr entstanden sei, dass das Publikum die Produkte
der beiden Parteien verwechslez
b) die beiden Kläger und Widerbeklagten diese in Widerklagebegehren Nr. 4
genannten Handlungen gemeinsam und vorsätzlich zum Zwecke des unlautern
Wettbewerbes vorgenommen hätten.
D. Die Kläger haben gegen das angefochtene Urteil im weitern noch
eine Kafsationsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zurich
eingereicht, worauf das Berufungsverfahren nach Art. 77
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe - 1 Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
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1 | Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
a | mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese; |
b | mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt; |
c | einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. |
2 | Als ältere Marken gelten: |
a | hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen; |
b | Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind. |
3 | Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen. |
Erledigung sistiert wurde. Das Kassationsgericht hat die Beschwerde am
30. Mai 1910 abgewiesen.
E. _ In der Verhandlung vor Bundesgericht vom 23. September 1910
haben die Vertreter der Parteien die in der Verufungsund in der
Anschlussberusungserklärung gestellten Anträge erneuert. Nach den
Partejvorträgen ist die Verhandlung unterbrochen und die Urteilsfällung
auf heute, den 6. Oktober 1910, angesetzt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Am 18. Februar 1897 liess die Firma Nicolay & Cie. in Bern, deren
Geschäft später von der Beklagten, der im März 1908 konstituierten "A
-G. Hommels Haematogenii übernommen wurde, für ein pharmazeutisches
Produkt beim Amt für geistiges Eigentum in Bern die Marke Nr. 9031
Dr. med. Ad. Hommels Haematogen, und am 27. August 1897, ebenfalls für ein
pharmazeutisches Produkt, die Marke Nr. 9481 Haematogen eintragen. Beide
Marken sollten für den Vertrieb eines von Dr. med. Ad. Hommel
hergestellten Haemoglobin-Präparates dienen. Im Oktober 1897 meldete
die Firma Nieolayä azCie das Wort Haematogen auch in Deutschland als
Warenzeichen an. Das Patentamt verweigerte aber die Eintragung durch
Vorbescheid, weil es sich um einen üblichen Warennamen handle. Die
Gefuchstellerin zog daran ihre Anmeldung zurück, erneuerte sie jedoch
im Februar 1899, worauf die Eintragung neuerdings, erstinstanzlich
durch Beschluss der Abteilung für Warenzeichen vom 12. Juli 1900 und
zweitinstanzlich durch Entscheid der Beschwerdeabteilung des Amts
vom 20. Februar 1901, verweigert wurde, weil das Wort seit langem ein
bekannter und gebräuchlicher Warenname für pharmazeutische
Berufungsinsianz: '2. Fahrikund Bandelsmarken. N° 6.1. 435
Produkte bestimmter Art sei. In der Schweiz war inzwischen die
Marke Haematogen durch Urteil des zürcherischen Handelsgerichts vom
14. September 1900 in einem Prozesse, den der Apotheker M. A. Bret in
Romans (Frankreich) gegen Nicolay &. Cie· mit dem Begehren aus Löschuug
dieser Marke angestrengt hatte, geschützt und die vom damaligen Kläger
verwendete Marke Brets Haematogen-Pillen als unzulässig erklärt worden
Längere Zeit nachher, am 23. Mai 1907 , liess die Klägerin Siceo,
med. chem. Institut, G. m. b. Sp., mit Sitz in Berlin, beim Amt für
geistiges Eigentum in Bern für Haematogen sowie chemisch pharmazentische
Produkte- die Wortmarke Nr. 22,124 Kronaemaregen und am 29. Mai 1908 bie
Vildmarke Nr. 23,901 eintragen. Die letztere besteht aus einem in die
Höhe gezogenen, nach oben breiter werdenden Trapez, dessen obere Ecken
abgeschrägt sind; im obern Drittel läuft ein dunkles Band quer durch, auf
dem in grossen, hellen Buchstaben das Wort Haematogen steht; über dem Band
ist eine Krone, unter ihm ist in kleinen Buchstaben Haemogl. dep. sterilis
(= Haemoglobinum depuratum sterilisatum) geschrieben; in der Ecke rechts
unten ist das Viertel einer Kugel sichtbar, von der aus über das ganze
Trapez Strahlen verlaufen. Das Kronaematogen wurde dann auch in der
Schweiz vertrieben, worauf die Firma Nicolay & (Cie. im November 1907
gegen die heutigen Kläger -die Gesellschaft Sicco und Apotheker Vaer
in Zurich, den Verkäufer ihrer Produkte Strafklage wegen Verletzung
ihres Markenrechts durch Gebrauch der Marke Kronaematogen erhob. Die
Untersuchung wurde jedoch mit der Begründung sistiert, dass das Wort
Haematogen" bereits im Jahre 1897 in Deutschland Freizeichen gewesen und
daher auch damals schon in der Schweiz nicht mehr schutzsähig gewesen sei-
2. Nachdem dann die Beklagte, A.-G. Hommels Hammtagen, das Geschäft der
Firma Nicolay & Eie. übernommen hatte und die beiden Marken Nr. 9031
unb 9481 am 28. März 1908 auf sie übertragen worden waren, haben die
Gesellschaft Sicco und Apotheker Baer gegen sie die vorliegende Klage
angestrengt mit den Begehren:
1 Es sei die Marke Haematogen als ungülttg zu erklären
2 Die Marke der Klägerin Sireo, Kronaematogen, sei dagegen zu schützen
436 A. Oberste Zivilgerichtsinstauz. [. Materieilrechtliche
Entscheidungen.
3. Die Beklagte sei zu verpflichten, den ihnen verursachten moralischen
und materiellen Schaden mit 10,000 Fr. zu ersetzen.
4. Das Urteil sei auf Kosten der Beklagten in der Neuen Zürcher
Zeitung, dem Schweiz. Handelsamtsblatt, dem Journal de Genève und der
Wochenschrift für Chemie und Pharmarie zu publizieren
Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Wort Haematogen sei bereits im Jahre
1897, zur Zeit der Eintragung der angefochtenen Marke, Warenname, nämlich
der Name für pharmazeutische Produkte einer bestimmten Art, gewesen und
zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz. Nachdem
übrigens die deutschen Behörden es als Warenname und daher als nicht
schutzfähig erklärt hatten, sei schon formell ihr Entscheid auch für
die Schweiz verbindlich, da infolge des internationalen Charakters
der Marke das, was in einem Kulturland Freizeichen sei, auch im andern
als solches gelten müsse (wofùr auf ein Gutachten von Prof. Meili in
Zürich verwiesen wurde). Eventuell sei das Wort als eine deskriptive
Sachbezeichnung zu erklären, wobei es gleichgültig fei, ob man es mit
blutbildend oder mit aus Blut erzeugt übersetze. Die Firma Nicolai) &
Eie. müsse denn auch selbst das Wort nicht als schutzsähig betrachtet
haben, da sie stets nur die Marke Dr. med. Ad. Hummel? Haematogen, und
nicht die Marke Haematogen, verwendet habe, wie sie auch erst imJahre
1897, nachdem sie ihr Fabrikat schon jahrelang vertrieben gehabt habe,
auf die Jdee gekommen sei, das Wort als Marke eintragen zu lassen. Weiter
eventuell habe sich dieses seit der Eintragung zum Freizeichen entwickelt
und allereventuells sei es durch Nichtgebrauch während drei Jahren
nach Art. 9
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
|
1 | Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
2 | Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden. |
3 | Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers. |
Haematogen betreffeso sei sie das Warenzeichen für ein von der Klägerin
hergestellte-Z Haematogm das alle bisher im Handel befindlichen,
auch das Hommel'sche, an Harmoglobin-Gehalt übertreffe, und das die
Klägerin bei seiner Einführung in den Handel als Kronen-Hammtogen und
nach erfolgter Patenterteilung als Patent-Kronen-Haematogen vertrieben
habe, aus welchen Bezeichnungen das als Marke gewählte zusammengezogene
Wort Kronaematogen gebildet worden sei. Diese Marke müsse schon wegen
des ihr in Deutschland im
Berufungsinstanz : 2. Fahrikund Handelsmarke-n. N° 64. 437
Mai 1905 erteilten Schutzes auch in der Schweiz geschützt werden, wie
sich aus dem Art. 6 der internationalen Konvention vom 20. März 1883
und dem Protokoll der Brüsseler Konferenz vom ·14. September 1900 in
Verbindung mit dem Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz vom
28. Mai 1902 ergebe. Aber auch bei materieller Prüfung erweise sie sich
als schutzfähig: Das zum vornherein, wenn die gegnerische Marke Haematogen
als ungültig erklärt merde; im umgekehrten Falle aber desgleichen,
weil sich beide Marien durch die verschiedene Betonung und Klangfarbe
hinlänglich von einander unterscheiden. Aus entsprechenden Gründen sei
auch die klägerische Bildmarke Nr. 23,901 zu schützen. Mit dem Begehren
aus Bezahlung der 10,000 Fr. sodann werde der Schaden eingeklagt, den
die Gesellschaft Sicco und der Apotheker Baer durch die ungerechtfertigte
Strafanzeige erlitten hätten, wobei für tort moral je 2000 Fr als Ersatz
der Anwaltsspesen 331 Fr. 15 Cts., wegen Zeitverlust 600 Fr. und als
entgangener Gewinn, verursacht durch die rechtswidrige Hemmung, die der
Vertrieb des klägerischen Prodoktes erlitten habe, je 2500 Fr. gefordert
würden. Das Begehren um Publikation des Urteils endlich rechtfertige sich,
weil der Streit in die breite Ossentlichkeit gedrungen sei.
3. _ Die Beklagte hat beantragt, die Klage in vollem Umfange abzuweisen,
und folgende Widerklagebegehren gestellt:
1. Es sei die von der Ktägerin Siceo, G. m. h. H unter Nr. 22,124 beim
eidgen. Amt für geistiges Eigentum hinterlegte Marke Krorcaematogen als
ungültig zu erklären.
2. Ebenso sei auch die Löschung der von der Klägerin Sicco" unter
Nr. 23,901 hinterlegten Bildmarke mit der Ausschrist Haematogen
anzuordnen.
3. Es sei beiden Widerbeklagten der Gebrauch der Bezeichnungen
Kronaematogen und Haematogen für pharmazeutische Produkte zu untersagen.
4. Es sei festzustellen, dass beide Widerbeklagte durch die Herstellung,
Aussiellung und den Vertrieb der vorgelegten Kantons, Etiketten, Flaschen
und Gebrauchsanweisungen des als Kronaemat-ogm und Haematogen betitelten
Produktes der Siero, sowie durch die Vervielfältigung und den Vertrieb
der Heilmittel-
As 36 n _ Mo . 29
438 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. X. Materiellrechlliche
Entscheidungen.
revue 1907 Nr. 3 gegenüber der Widerklägerin gemeinsam unlautern
Wettbewerb begangen hätten und es sei der Widerklägerin daher der weitere
Vertrieb des genannten Verpackungsund Reklamematerials zu verbieten, unter
der Androhung von Zwangsvollzug und Schadenersatz sowie event. Überweisung
an den Strafrichter.
5. Publikation des Urteils auf Kosten der Widerbeklagten in denselben
Organen, in denen sie die Publikation eines ihnen günstigen Urteils
verlangten.
Die Beklagte und Wiederklägerin bestreitet die Behauptung, dass sie
das Wort Haematogen nicht für sich allein als Marke verwendet habe, und
führt aus, dieses Wort sei, wie bereits der Prozess Beet c. Nicolay &
Eie. ergeben habe, eine originelle Schöpfung Dr. Hommels und eine gültige
Marke, weil das Publikum unter Haematogen nur das Produkt des Beklagten
kenne. Das Wort sei weder bei der Anmeldung der Marke Sachbezeichnung
gewesen, noch nachher dazu geworden, und nicht einmal die klägerische
Gesellschaft selbst habe es als solche benutzt. Wenn es, wie der von
den Klägern angerufene Entscheid des deutschen Patentamtes-, übrigens
mit Unrecht, annehme, wissenschaftlicher terminus technicus
geworden wäre, so hätte das nicht genügt, um es zum Freizeichenv
zu machen, da es aus das Verhalten des grossen Publikums, nicht der
Professoren, Ärzte, Droguisten und Apotheker, ankomme. Und wenn es nun
in Deutschland infolge jener Entscheidung als Freizeichen gelte und
die Beklagte infolgedessen dort gezwungen sei, immer auf den Erfinder
des Produktes hinzuweisen, so ändere das nichts daran, dass es in der
Schweiz Judividualzeichen geblieben sei (woiùr auf ein Gutachten von
Prof. Kohler in Berlin verwiesen wird). Und namentlich könne hieraus auf
keinen Verzicht auf die Marke geschlossen werden. Die Marke Kronaematogen
sodann unterscheide sich nicht genügend von der Marke Hanna: tagen, und
sie kollidiere zudem auch mit der Marke Dr. med. Ad. Hommels Haematogen,
bei der das Wort Haematogen ebenfalls den charakteristischen Bestandteil
bikde Letzteres gelte auch für die Bildmarke der klägerischen Gesellschaft
Damit gelange man zur Zusprechung der drei ersten Widerklagebegehren. Die
Schadenersatzforderung der Gegenpartei sodann sei in jeder Beziehung unbe-
Berukungsinsianz: 2. Fabrikund Handelsmarken. N° 64. 439
gründet und namentiich könne von Fahrlässigkeit oder gar Arglist der
Beklagten bei der Einleitung der Strafuntersuchung nicht die Rede sein
Wohl aber hätten sich die Widerbeklagten gegenüber der Widerktägerin des
unlautern Wettbewerbs schuldig gemacht, und durch das Widerklagebegehren
4 wolle die Beklagte hiegegeu geschützt werden. Ebenso rechtsertige sich
die durch Widerklagebegehren 5 verlangte Veröffenttichung des Urteils.
4. Hinsichtlich der angefochtenen Wortmarke Haetnatogen" empfiehlt
es sich nach der Aktenlage, in erster Linie zu prüfen, ob bei ihrer
Eintragung, anfangs 1897, das Wort Haematogen Sachbezeichnung, nämlich
Bezeichnung für bestimmte, aus organischen Stoffen gewonnene, eisenhaltige
pharmazeutische Produkte gewesen sei, und ob es daher als Gemeingut laut
Art. 3 Abs. 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe - 1 Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
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1 | Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
a | mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese; |
b | mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt; |
c | einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. |
2 | Als ältere Marken gelten: |
a | hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen; |
b | Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind. |
3 | Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen. |
habe erlangen können.
a) Darüber ist zunächst in tatsächlicher Beziehung an Hand der
vorinstanzlichen Feststellungen und, soweit diese unvollständig sind,
des vorhandenen Beweismaterials folgendes zu bemerken:
In der Wissenschaft wurde der Ausdruck Haematogen als Hauptwert zuerst
von Prof. Bunge verwendet, der damit eine von ihm aus dem Dotter
von Hühnereiern gewonnene organische Eisenverbindung bezeichnete,
und zwar erstmals im Jahre 1885 in der Zeitschrift für physiologische
Chemie-Hund dann im Jahr 1887 in seinem Lehrbuch der physiologischen und
pathologischen Chemie-A In diesem Lehrbuch bemerkt Bunge, dass er den
Namen glaube wählen zu können, trotzdem er als Adjektivum (haematogener)
icterus bereits in den medizinischen Sprachgebrauch eingeführt sei. Sodann
wird in der Realencyclopädie der gesamten Pharmaeie von Geissler und
Moeller, Jahrgang 1888, die Bungesche Substanz ebenfalls unter der
Bezeichnung Haematogen behandelt. Im Anschluss an die Versuche Bunges
hat darauf, anfangs der 90er Jahre, Dr. Marfori in Strassburg eine
ähnliche Eisenverbindung aus Eiweis und, wie es scheint, später auch
aus der tierischen Leber hergestellt und sie ebenfalls Haematogen
genannt. Hierüber wird, unter dieser Bezeichnung der Präparate, im
Jahre 1892 in drei Zeitschriften berichtet, nämlich in der Deuischen
medizinischen Zeitung" (mit Berufung auf Schmiedebergs Archiv, Band 29,
440 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. [. Materielirechtliche
Entscheidungen.
als Quelle), in der Pharmazeutischen Zentralhalle für Deutschland
(Zeitung für wissenschaftliche und geschäftliche Pharmacie) und in
dem vom deutschen Apothekerverein herausgegebenen Jahresbericht für
Pharmacie. Sodann findet sich im Jahrgang 1893 der Pharmazeutischen
Zentralhalle eine Briefkastenantwort, die Über die Zusammensetzung des
Haematogens als eines haemoglobinartigen Präparates Auskunft gibt. Ein
längerer Artikel der Pharmazeutischen Zentralhalle vom 15. März
1894 referiert dann nochmals über die Versuche Bunges und Marforis
und bezeichnet dabei das Bungesche Präparat wieder als Haematogen,
welches Präparat gleich dem Marforis als Nahrungsoder Arzneimittel
nicht verwendbar sei, weil es sich nicht in der erforder- lichen Menge
gewinnen lasse; im weitern werden die an Marfori sich anschliessenden
Versuche des Prof. Schmiedeberg in Strassburg erörtert, der eine
ähnliche Eiseneiweissverbindung statt aus organischen Stoffen auf
künstliche Weise hergestellt und sie zur Unterscheidung von jenen andern
Ferratin genannt habe, welches Produkt nunmehr im grossen als praktisch
verwendbare-Z Heilmittel fabriziert werden könne. In der Realencyclopädie
der gesamten Heilkunde von Eulenburg vom Jahre 1898 wird ferner erwähnt,
dass die Eisenverbindung Bunges von diesem Haematogen genannt werde. Das
Lehrbuch der Arzneimittellehre von Dr. CloéttaFilehne spricht in
seiner 9. Auflage von 1896 davon, dass der Mensch täglich ein gewisses
Quantum Eisen in organischer, assimilierbarer Form (haematogene Substaan
aufnehme und dass es zweckmässig sei, Eisen in Form von haematogener
Substanz, d. h. in jener Eiweissverbindung darzureichen, in der es in
das Eiweissmolekül selber eingetreten sei. Im Jahrgang 1897 (S. 71)
der Pharmazeutischen Zeitung- wird Unter der Aufschrift Darsiellung
von Haematogen berichtet über eine Analyse von Dr. Hommels Haematogen,
zugleich wird eine Vorschrift zur Darstellung dieses Präparates nach
Schmidt gegeben und dabei die Frage aufgeworfen, ob die letztere, sehr
einfache Darstellungsweise nicht einen Eingriff in die Patentrechte
Dr. Hommels bedeute. Im gleichen Band dieser Zeitschrift wird ferner
bemerkt, dass die Darstellung von Haematogen durch Schmidt zur Frage
Veranlassung gegeben habe, ob die Befolgung der Schmidtschen Vorschrift
eine Ver-Berufungsinstanz: î'. Fahrikund Handelsmarken. N° 64. 441
letzung des Dr. Hommelschen Patentes in sich schliesse. Eine spätere
Nummer dieser Zeitschrift, vom 11. August 1897, enthält eine Korrespondenz
des Inhalts, dass entgegen einer von anderer Seite aufgestellten
Behauptung Haematogen nach wie vor Freizeichen sei und jeder Apotheker
sein eigenes Präparat so benennen könne, wogegen die Bezeichnung
Dr. med. Ad. Hommels Haematogen eingetragenes Warenzeichen sei. Die
Ausgabe von 1897 des in Zürich erschienenen Manuale der Arzneimittellehre
von J. Minde erwähnt auf S. 152 Haematogen Marfori und Haematogen [gomma,
Haemoglobinum unter näherer Angabe der Eigenschaften und Anwendungsart
beider. Die Schweizerische Wochenschrift für Chemie und Pharmacie
druckt in ihrer Nummer vom 7. April 1893 eine der Pharmazeutischen
Zentralhalle entnommene Tabelle ab, enthaltend die Handelsnamen der in
der Pharmacie neu eingeführten Heilmittel, welche Namen die komplizierten
wissenschaftlichen (chemischen) Bezeichnungen zu ersetzen hätten. In
dieser Tabelle figuriert u. a. auch Haematogen, Eisenalbuminat. Die Nummer
vom 26. Februar 1897 dieser schweizerischen Zeitschrift sodann enthält
einen Artikel Über die Darstellung des Hammtagen, worin wiedergegeben
wird was Schmidt im Pharmazeutischen Wochenblatt über die Gewinnung des
Haematogen aus Rinderblut berichtet habe; dabei wird der Unterschied
zwischen der Darstellungsweise Schmidts von der früher durch Kottmeyer
angegebenen hervorgehoben und bemerkt, dass das nach seiner (Schmidts)
Methode dargestellte Haematogen ein viel schöneres Aussehen habe und
in jeder Hinsicht dem Handelsprodukte entsprechen solle; offen bleiben
möge, ob die sehr einfache Schmidtsche Darstellungsweise einen Eingriff
in die durch Patent geschützten Rechte Dr. Hommels bedeute.
b) Prüft man nun auf dieser tatsächlichen Grundlage die Frage, ob das Wort
Haematogen bei seiner Eintragung als Marke in der Schweiz Warenbezeichnung
gewesen sei, so sieht zunächst nach dem, was über die Versuche Bunges
und Marsoris und die betreffenden Publikationen gesagt wurde, ausser
Zweifel, dass sich jedenfalls schon längere Zeit vorher, nämlich von
Mitte der 1880er , Jahre an, die Wissenschaft des Wortes bemächtigt hat,
um damit Präparate zu bezeichnen, die mit dem Handelsartiket der Beklagten
442 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechdiche Entscheidungen.
nicht nur das gemeinsam haben, pharmazeutische Produkte zu sein, sondern
pharmazeutische Produkte von wesentlich gleicher Art. Jene Präparate
sind nämlich, wie dasjenige der Beklagten, organische Eisenverbindungen,
und es waren ähnliche physiologische und pathologische Wirkungen, im
besondern die Resorbierbarkeit des Eisens durch den menschlichen Körper,
um derentwillen sie ein wissenschaftliche-Z Jnteresse boten. Dass
nachher Prof. Schmiedeberg das von ihm dargestellte Präparat nicht
ebenfalls Haematogen, sondern Ferratin genannt hat, lässt nicht, wie
die Vorinstanz meint, vermuten, die Wissenschaft habe damals, über
die Ergebnisse der frühem Forschungen hinwegschreiiend, die Bezeichnung
Haematogen wieder fallen lassen. Wie sich vielmehr aus der oben erwähnten
Publikation über das Ferratin ergibt, ist dieser Name von seinem Urheber
als besondere Bezeichnung gegenüber dem allgemeinen Ausdrucke Haematogen
gewählt worden, der jenen andern Eiseneiweissverbindungen als gemeinsame
Bezeichnung verbleiben sollte, wie sie auch gleichzeitig unter diesem
Namen besprochen werden.
Weit entfernt, dass der Name Haematogen als Bezeichnung für
Eisenverbindungen der fraglichen Art in Vergessenheit geraten wäre,
hat vielmehr bereits zu dieser Zeit sein Gebrauch als Sachbezeichnung
das Gebiet der wissenschaftlichen Forschung überschritten und sich in
denjenigen Kreisen Eingang verschafft, welche die von der Wissenschaft
hergestellten neuen Stoffe praktisch zu Heilzwecken verwenden und sie
gewerblich oerwerten, also namentlich bei den Apothekern und Ärzten. Das
wird zur Genüge belegt durch die oben angeführten Auszüge aus den
verschiedenen Zeitschriften, Lexiken und Lehrbüchern pharmazeutischen
und medizinischen Jnhaltes, Publikationen, die von den im Berufs-leben
stehenden Praktikern gelesen werden und worin überall das Wort Haematogen
als Sachname für gewisse Eisenverbindungen figuriert und in Hinsicht auf
seine praktische Verwertbarkeit in der Pharmarie und Heilkunde besprochen
wird. Wenn die Vorinstanz einzelnen von diesen Belegen die Beweiskraft
abgesprochen hat, so beruht das _ durchwegs auf einer rechtsirrtümlichen
Auffassung ihres Inhaltes-: Was zunächst die Auskunsterteilung in der
pharmazeutischen Zentralhalle vorn 23. Februar 1893 betrifft, so kann
hier das Wort
Berufungsinstanz: 2. Fabrik und Handelsmarken. N° 64. 443
Haematogen nur als Sachbezeichming gemeint sein, da es bloss auf die
Herstellungsart und die Eigenschaften des Präparates bezogen wird und
jeder Hinweis auf einen bestimmten Fabrikanten fehlt. Ferner will die
Stelle in der Pharmazeutischen Zeitung von 1897, woselbst eine Analyse
von Dr. Hommels Haematogen erwähnt wird, auf Dr. Hommes als Fabrikanten
einer Ware, deren Sachname Haematogen ist, hinweisen, wie sich ans
der Überschrift des Artikels Darstellung von Haematogen und daraus
ergibt, dass gleichzeitig von der Darstellung des Präparates durch
Schmidt die Rede ist. Die spätere Notiz im gleichen Jahrgang dieser
Zeitschrift spricht nicht, wie die Vorinstanz aktenwidrig feststellt,
von Dr. Hommels Haematogen, sondern schlechthin von Haematogen und seinen
Darstellungsverfahren und erwähnt Dr. Hommel nur als allfälligen Inhaber
von patentrechtlichen Ansprüchen für seine besondere Herstellungsart des
Präparates. Das gleiche gilt von der Mitteilung in der schweizerischen
Wochenschrift für Pharmacie und Chemie vom 26. Februar 1897. Mit Unrecht
hält ferner die Vorinsianz für ungewiss, ob in der Nummer vom 7. April
1893 dieser schweizerischen Zeitschrift, woselbst Haematogenii in der
dort abgedruckten Tabelle der Handelsnamen neu eingeführter Arzneimittel
figuriert, mit diesem Worte noch ein anderes als das Produkt der
Beklagten gemeint sei. Das Gegenteil darf daraus geschlossen werden,
dass das Wort als Handelsname unter Angabe der allgemeinen chemischen
Eigenschaft (Eisenalbuminat) und ohne Hinweis auf einen Fabrikanten
aufgeführt wird. In diesem Zusammenhang ist ferner zu bemerken, dass die
Vorinstanz ein für die Kläger sprechendes Beleg übersehen hat, nämlich
die Einsendung in der Pharmazeutischen Zeitung- vom il. August 1897,
wonach die unrichtige Nachricht, das Wort Haematogen sei in Deutschland
für die Nechtsvorfahrin der Beklagten als Warenzeichen eingetragen worden,
berichtigt und erklärt wird, es sei nach wie vor Freizeichen, und jeder
Apotheker dürfe sein eigenes Präparat Haematogen nennen. Rechtsirrtümlich
ist sodann namentlich auch die Auffassung der Vorinstanz, die sie bereits
in ihrem frühem Entscheide in Sachen M. A. Brei gegen die Firma Nicolai)
& Cie. vertreten hat, dass die Verwendung des Wortes Haematogen in
adjektivischer Form für die vorliegende
444 A. Oberste Zîvilgerichisinstanz. [. Maieriellrechtlichc
Entscheidungen.
Frage unerheblich sei, indem sie die markenrechtliche Verwendung des
Substantivs nicht habe verhindern können. Vielmehr kommt es für die
Frage, ob mit einem Worte auf eine Sache in genereller Weise, und nicht
zugleich individualisierend auf ihre Beziehung zu einer bestimmten Person,
hingewiesen werden will, in der Regel nicht darauf an, ob mit dem Worte
die Sache selbst als Gegenstand oder eine für sie charakteristische
Eigenschaft benannt wird. Im Gegenteil kann im letztern Falle die
Funktion des Wortes als allgemeiner Bezeichnung nur noch deutlicher
zu Tage treten. Namentlich aber zeigt sich dann, wenn, wie hier, der
Verkehr aus dem Sachwort noch ein zugehöriges Eigenschaft-swort ableitet,
und von haematogener Substanz-C als einer organischen, assimilierbaren
Eisenverbiudung, von pillules hématogènes, haematogenhaltigen Pillen
(Fall Bret) spricht, ein besonderes entschiedenes Bestreben des
Sprachgebrauches, das Wort als allgemeine Bezeichnung anzuerkennen und
festzuhalten und eine Aneignung als besondere Bezeichnung auszuschliessen
Was über die Verwendung des Ausdruckes Haematogen als Sachbezeichnung
bisher gesagt worden ist, gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für
die Schweiz. Schon an sich liegt die Ansicht nahe, dass die kommerziellen
und kulturellen Beziehungen und der Jdeenaustansch zwischen den beiden
Ländern dazu führen musste, das Wort auch im Gebiete der Schweiz als
Sachbezeichnung im genannten Sinne in den erwähnten Verkehr-streifen
einzubürgern Ausser Zweifel steht die Richtigkeit dieser Auffassung,
wenn man berücksichtigt, dass die erwähnten Publikationen zu einem
nicht unbedeutenden Teil von der Schweiz ausgegangen find, dass zwei
davon auf deutsche Veröffentlichungen Bezug nehmen und dass die beiden
andern besonders beweiskräftig sind, nämlich das verbreitete Lehrbuch der
Arzneimittellehre von Cloétta, das von haematogenen Substanzen spricht,
und Mindes Manuale der Arzneimittellehre, das neben dem Haematogen Hummel
das Haematogen Marsori auszahlt und von jedem die besondern Eigenschaften
und die Art seiner Anwendung angibt.
Jst nach all dem das Wort Haematogen im Jahre 1897 bei einer (Eintragung
als Marke Sachbezeichnung für pharmazeutische Präparate der von der
Beklagten fabrizierten Art gewesen, indem
Berufungsiastanz: 2. Fabrikund Handelsmarken. N° 64. 445
es sowohl in der Wissenschaft zur Bezeichnung theoretisch interessierender
neuer Stoffe, als bei den Apothekern und Medizinern zur Bezeichnung einer
bestimmten Art von Heilmitteln gedient hatteworan auch die Behauptung der
Beklagten nichts ändert, dass die fraglichen Präparate und damit das Wort
Haematogen noch nicht als offiziell anerkanntes Mittel in den Pharmacopäen
figurierten , so konnte es damals nicht als Jndividualzeichen angeeignet
und durch eine Eintragung nicht markenschutzsähig werden. Ob und wiefern
sein Gebrauch nur zu wissenschaftlichen Zwecken schon genügt hätte, ihm
die Markenfähigkeit zu nehmen (was die Beschwerdeabteilung des deutschen
Patentamtes in ihrem die Wortmarke Haematogen betreffenden Entscheide
bejaht), kann dahingestellt bleiben, indem ein Markenrecht jedenfalls
dann ausgeschlossen ist, wenn das Wort auch im praktischen Verkehrsleben
als Sachbezeichnung dient. Hieran ändert auch nichts, dass sich seine
Verwendung als Sachbezeichnung, wie es scheint, noch auf jene befonden
Berufskreise beschränkt hat, die zunächst mit den Produkten dieser Art
zu tun haben und in denen sich daher zuerst das Bedürfnis nach einer für
sie geltenden allgemeinen und einfachen Bezeichnung fühlbar machte und
dass also damals, wie anzunehmen ist, das grosse Publikum das Wort noch
nicht oder nur wenig kannte und sich über dessen Bedeutung noch keine
bestimmte Meinung gebildet haben mochte (vergl. auch Allfeld, Kamm. zu
den [deutschen] Gesetzen über das gewerbliche Urheberrecht, 1904,
S. 454 nnten). Man darf eben, wenn es sich, wie hier, darum handelt,
inwiefern ein Wort wegen seiner Natur als geltendes Sachzeichen zur
Schaffung eines Jndividualzeichens undienlich sei, nicht ohne weiteres
die Grundsätze anwenden, die für die Entartung des Judividualzeichens zur
Qualitätsbezeichnung gelten. In diesem Falle kommt es freilich darauf an,
ob sich das Bewusstsein vom bisherigen Jndividualcharakter des Zeichens
überall in den betreffenden Verkehrskreisen verloren habe und durch
den Zeicheninhaber nicht mehr geweckt werden könne und ob also dieser
seinen Besitz zu Gunsten der Allgemeinheit eingebüsst habe. Hier aber
steht in Frage, ob ein Wort auch dann als Marke gewählt werden könne,
wenn es bereits als Sachbezeichnung zwar nicht im Munde aller, aber doch
der Angehörigen bestimmter Fachoder
446 A. Oberste Zivilgerichtsiustanz. I. Materiellrechfliche
Entscheidungen.
Berufsstände lebt und daher dem Sprachschatze als Allgemeinbesttz
angehört (welche Voraussetzung in dem von der Beklagten hauptsächlich
angerufenen Falle Rodinal, AS 28 II S. 557 Erw. 4, nicht zutrifft). Das
ist aber zu verneinen, da einem Einzelnen das Recht zur Monopolisierung
solcher Bezeichnungen zu seinem besondern Gebrauche nicht zustehen kann
(vergl. Kohler, Markenrecht, S. 177, und namentlich die Ausführungen der
Abteilung für Warenzeichen und der Beschwerdeabteilung des deutschen
Patentamtes hinsichtlich der Marke Lanolin, abgedruckt im Blatt für
Patentmuster und Zeichenwesen, IV, 1900, S. 242 ff.).
Gegenüber den bisherigen Ausführungen lässt sich auch nicht einwenden,
die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe, weil sie ihre Produkte schon
seit dem Jahre 1890 unter dem Namen Dr. Hommels Haematogen in den Handel
gebracht hat, schon von da an in der Schweiz ein Markenrecht gehabt,
nur dass es wegen der Inangelnden Eintragung des gerichtlichen Schutzes
nicht teilhaftig gewesen sei. Um den Erwerb eines Markenrechtes am Namen
Space: matogen selbst nicht an der Wortverbindung Dr. Hommels Haematogen,
die hier nicht in Frage steht annehmen zu können, müsste vor allein,
abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Erfordernissen, dargetan sein,
dass sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten damals diesen Namen als
Jndividualzeichen habe aueignen wollen. Dieser Nachweis fehlt aber;
es darf sogar im Gegenteil als erstellt gelten, dass die Firma Nicolay
& Cie. das Wort als Sachbezeichnung aufgefasst und verwendet hat und
dass sie ihm gerade deshalb, in der Meinung, ihren Produkten noch eine
individualisierende, auf den Ursprung hinweisende Bezeichnung geben zu
müssen, den Zusatz Dr. Hommels hinzugefügt hat, um dann erst nach Jahren,
als erste grössere Fabrikantin solcher Eisenpräparate, zu versuchen,
das Wort durch Eintragung ins Markenregister als besondere Bezeichnung
für sich zu monopoli: steten. Mit Grund lässt sich nämlich zunächst
oermuten, Dr. Hommel habe, als er sein Haematogenpräparat fand, von den
frühem Mitteilungen, die über Dr. Bunges Produkt unter der Bezeichnung
Haematogen in der Zeitschrift für Physiologie und im Bungeschen Lehrbuch
enthalten waren, gewusst, da es sich doch hier um Dinge handelte, die
für seine Studien und Versuche von
Berufungsinstanz: 2. Fabrikund Handelsmarken. N° 64. 447
Bedeutung sein konnten. Sodann ist namentlich bezeichnend, dass sich die
Firma Nieolay & Cie. jahrelang nicht darum bemüht hat, für das Wort den
gesetzlichen Schutz zu erlangen, trotzdem es nunmehr auch von andern
Forschern für ihre Präparate verwendet wurde und sich damals immer
mehr in den pharmazeutischen und medizinischen Kreisen als Sachname
für bestimmte Eisenverbindungen einlebte. Wenn sie ferner bei dieser
Sachlage ihre eigene Ware unter der Bezeichnung Dr. Hommels Humatogen
vertrieb, so musste sie sich darüber klar sein, dass sie damit der
Weiterverbreitung des Wortes als Sachname Vorschub leiste, indem das
Publikum Dr. Hommels Haematogen eben nur als eines unter verschiedenen
Haematogenpräparaten ansehen werde, und dass nur der Gebrauch des Wortes
Haematogen für sich allein den Willen, es als Jndividualbezeichnung zu
beanspruchen, beim Publikum richtig erkennen lassen könne (vergl. auch
den erwähnten deutschen Entscheid betreffend Lanolin auf S. 248, zweite
Spalte). Dafür aber, dass die Firma Nicolai) & (Sie. während dieser Zeit
das Wort nur als solches zur Bezeichnung ihrer Produkte verwendet hätte,
bieten die Akten nicht den geringsten Anhaltspunkt. Jener Gebrauch ais
selbstgewählten Warennamen aber in Verbindung mit dem individualisierenden
Zusatze Dr. Hommels schliesst den Erwerb eines Markenrechtes am Worte
Haeinatogen aus (vergl. AS 23 II S. 1636, 28 II S. 130/31 und 33 II
S. 332, oben; vergl. auch Allfeld, S. 454, 1. Abs.).
5. Aus den erörterten Gründen ist also das erste auf Löschung der Marke
Haematogen gerichtete Klagebegehren deshalb gutzuheissen, weil das Wort
Haematogen bei seiner Eintragung als Marke Sachbezeichnung und daher
Gemeingut und nicht markenschutzfähig gewesen ist. Es braucht daher
auf die übrigen diese Mark-e betreffenden Anträge und Ausführungen
der Parteien nicht eingetreten zu werden. Im besondern fällt damit das
Aktenvervollständigungsbegehren, das die Kläger vor Bundesgericht gestellt
haben, um weitere Beweise für die Ungültigkeit der Marke zu erbringen, als
gegenstandslos dahin. Ferner bedarf es keiner Prüfung mehr, ob sich das
Wort Haentatogen, wenn es bei seiner Eintragung als Marke noch schutzfähig
geweer ware, dann doch nachher infolge weiterer Umstände (namentlich der
448 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.
Rückwirkung der deutschen und englischen Entscheide, die ihm den
Markenschutz versagten, auf die Verkehrsauffassung in der Schweiz
usf.) zur Sachbezeichnung entwickelt hatte, ob es, weil deskriptive
Bezeichnung, überhaupt zur Marke ungeeignet fei, ob es dadurch, dass
es in Deutschland als Sachbezeichnung erklärt wurde, von selbst auch
in der Schweiz den Charakter eines Jndividualzeichens verloren hätte
und ob endlich ein bestehendes Markenrecht daran infolge Nichtgebranchs
untergegangen ware.
6. Bei der klägerischen Marke Kronaematogen ist mit der Vorinstanz davon
auszugehen, dass sie in der Schweiz nicht schon wegen ihrer Eintragung in
Deutschland geschützt werden kann. Aus Art. 6 Ahi. 1 der internationalen
Konvention vom 20. März 1883, der auch Deutschland beigetreten ist, lässt
sich hiefür nichts herleiten. Denn diese Bestimmung schreibt, wie aus der
Ziffer 4 des Schlnssprotokolls der Konvention erhellt, nur vor, dass einer
Auslandsmarke der Schutz nicht deshalb verweigert werden dürfe, weil die
Sei-chen, aus denen sie besteht, den durch die inländische Gesetzgebung
aufgestellten Bedingungen ihrer Form nach nicht genügen (vergl. auch AS
22 S. 468 Crw. 5 und S. 1105 f. und 30 II S. 468/69). Hier aber handelt
es sich um keine solche, die äussere Form der Marke, sondern um eine ihr
Wesen und ihren materiellen Inhalt beschlagende Frage, indem nämlich zu
entscheiden ist, ob die Marke Kronaentatogen des-
halb, weil sie von der Marke Haetnatogen abgeleitet ist und
diese nach dem Gesagten eine nicht schutzfähige Sachbezeichnung bildet,
nun ebenfalls nicht geschützt werden könne. In dieser Beziehung sind nun
folgende Ausführungen der klägerischen Gesellschaft Siero von Bedeutung
: Es sei ihr gelungen, ein Harmoregen zu erzeugen, das alle im Handel
befindlichen hinsichtlich des Haemoglobingehaltes, also des wichtigsten
Bestandteiles, weit übertroffen habe. Dieses Haematogen Siceo habe sie
infolge einer Krone auf der Etikette als Kronen-Haematogen und nach der
Patenterteilung unter der Marke Patent-Kronen-Haeinatogen in den Handel
gebracht, und aus der Zusammenziehung von Kronen" und Haematogen habe sie
dann die Marke ,.,KronaeinatogenM gewonnen und sie eintragen lassen. Aus
dieser Darstellung erhellt, dass es der Klägerin Siero" bei der
Berufungsinstanz: 2. Fabrikund Handelsmarken. N° 64. 449
Verwendung des Ausdruckes Kronen nur darum zu tun war, die gute Qualität
ihres Haematogen gegenüber dem der Konkurrenzfirmen hervorzuheben und
dass die Art und Weise, wie sie das bei der Einführung ihres Produktes
in den Handel getan hat, auch durchaus geeignet war, bei den Abnehmern
die Auffassung zu erwecken, es wolle mit dem Bilde oder dem Worte Krone
nicht sowohl auf den Fabrikanten als auf die besondere Güte des Fabrikates
hingewiesen werden. Bei dieser Sachlage aber konnte nach dem oben (Crw. 4
a. E.) Gesagten ein gültiges Mai-kenrecht nicht erworben werden, und es
lässt sich zudem fragen, ob nicht das Wort Krone in solchen Verbindungen
überhaupt als Qualitätsbezeichnung des Markenschutzes entbehre (vergl. AS
31 II S. 744 Erw. 2 und 3 betreffend den Ausdruck Rekord). Nun hat
freilich die klägerische Gesellschaft nachträglich die beiden Worte
Kronen und Haematogen zu dem Gesamtworte Keo: naematogen verschmolzen,
und es ist nicht zu verkennen, dass dieser Wortverbindung als solcher
nach ihrem Gesamteindruck und ihrer Betonung ein gewisser einheitlicher,
selbständiger Charakter zukommt. Indessen sprechen doch gewichtigere
Gründe gegen ihre Anerkennung als Jndioidualzeichen. Auch im abgekürzten
Bestandteil Kron kann man nämlich immer noch, da er im wesentlichen,
namentlich seinem Klange nach, gleich geblieben ist, eine blosse
Qalitätsbezeichnung erblicken und jedenfalls lässt sich nicht annehmen,
es sei sich nun lediglich dieser Abkürzung wegen die Verkehrsauffassung
bewusst geworben, dass der Ausdruck jetzt nicht mehr, wie bis anhin,
als Hinweis auf die Qualität der Ware funktioniere, sondern dass er zur
begrifflich bedeutungslosen Vorsilbe umgewandelt sei. Sodann nimmt im
Gesamtwert der zweite Teil aematogen eine überragende Stellung ein, und
das blosse Fehlen des h, das wegen des vorangehenden n phonetisch nicht
ausfällt, vermag beim Leser und Hörer den Eindruck nicht zurückzndrängen,
dass man es hier mit der Ware Haematogen und also beim Gesamtausdruck
mit einer besondern Qualität dieser Ware zu tun hat Und endlich wäre es
unter den gegebenen Umständen gegenüber der Beklagten besonders unbillig,
ihre Marke Haemaregen- zu löschen, die klägerische Kronaematogen aber
aufrecht zu erhalten. Denn alsdann hätte sich die Kiägerin nicht sowohl
450 A. Oberste Zivilgerichksmstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen.
um die gerichtliche Anerkennung des Wortes Haematogen als Sachbezeichnung
bemüht und sie durchgesetzt, sondern sie wäre dazu gelangt, sich eine
Jndividualbezeichnung zu sichern, in der dieses Sachwort immer noch
mit genügender Deutlichkeit als Hauptbestandteil hervorträte, um die
irrige Meinung aufkommen zu lassen, dass es in irgend einer Weise
Ursprungsbezeichnung sei und die Beklagte etwelches Sonderrecht auf
seine Verwendung habe. Somit ist das auf Schutz der Marke Kronaematogen"
gerichtete Klagebegehren 2 abzuweisen und dafür das Widerklagebegehren i,
das diese Marke als ungültig erklärt wissen will, zu schützen.
7. Ebenso erweist sich das Widerklagebegehren 2, womit die Löschung
der klägerischen Kombinationsmarke Nr. 23,901 verlangt wird, als
begründet. Denn der Wortbestandteil Haematogen dieser Marke, der nach
dem Gesagten nicht schützbar ist, bildet hier, zusammen mit den darunter
stehenden ebenfalls schutzunfähigen Worten Haemogl. dep. sterilis
, das wesentliche Element des Markenbildes, dem gegenüber die
fignrativen Bestandteile (die trapezartige Umrandung, die Krone und das
SonnenstrahlenbündelJ nur nebensächliche-Z Beiwerk sind.
8. Mit dem Widerklagebegehren 3 verlangt die Beklagte, es sei der
klägerischen Gesellschaft der Gebrauch der Bezeichnung ,.,Kronaematogen
und Haematogen für pharmazeutische Produkte zu verbieten. Diese Begehren
sind in dem Sinne zuzusprechen, dass die Klägerin die beiden Worte nicht
als Individualzeichen und mit dem Anspruch auf markenrechtlichen Schutz
verwenden kann, wogegen ihr deren Verwendung als Warenbezeichnung nach
den bisherigen Ausführungen freistehen mug.
9. Das Klagebegehren 3, wonach gegen die Veklagte eine
Schadenersatzforderung geltend gemacht wird, weil sie rechtswidriger Weise
gegen die Kläger eine Strafuntersuchung wegen Marienrechtsverletzung
veranlasst habe, ist als unbegründet abzuweisen Zwar kann nach dem
Gesagten nicht mit der Vorinstanz darauf abgestellt werden, die Klägerin
habe dadurch, dass sie ihr Produkt unter der Bezeichnung Kronaematogen in
der Schweiz vertrieb, ein Markenrecht der Beklagten verletzt. Dagegen
lässt sich immerhin das Verhalten der Beklagten nach der Aktenlage
nicht als
Berufungsinsianz: 2. Fakrikund Bandelsmarken. N° 64. 451
schuldhaft ansehen, indem die streitigen Markenrechtsfragen damals noch
unabgeklärt waren und die Beklagte in gutem Glauben annehmen konnte,
dass die Klägerin, die ihre Ware unter ähniichem Namen und mit wörtlicher
Benutzung der klägerischen Gebrauchsanweisung in die Schweiz einführte,
in ihre Rechtssphäre eingreife. Zudem hat sich dieses Strafverfahren im
wesentlichen auf eine Hausuntersuchung, die in diskreter und schonender
Weise vorgenommen wurde, beschränkt und ist dann wieder sistiert
worden. Es lässt sich auch nicht annehmen, dass den Klägern daraus
ein nennenswerter Schaden erwachsen sei. Wenn die Beklagte über dieses
Verfahren eine Mitteilung in der Presse hat erscheinen lassen, so geschah
dies als Antwort auf eine Veröffentlichung der Kläger, sodass diese
daran schuld find, wenn die Angelegenheit in weitere Kreise gedrungen ist.
10. Anderseits kann auch das Widerklagebegehren 4 der Beklagten nicht
geschützt werden, wonach die Beklagte festgestellt wissen wifi,. dass
die Kläger vermittelst des von ihnen verwendeten Verpackungsund
Reklamematerials gegenüber ihr nnlautern Wettbewerb begangen habe,
und womit sie ferner verlangt, dass der Richter ihnen die weitere
Verwendung des Materials verbiete. Es genügt, in dieser Hinsicht
auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zu verweisen, die
dartun, dass eine eigentliche Rechtsverletzung in allen diesen Punkten
nirgends vorliegt, wenn auch in einer Beziehung, nämlich hinsichtlich
der Verwendung der gleichen Gebrauchsanweisungen, die Handlungsweise
der Klägerin nicht gerade als korrekt gelten kann. Was im besondern
die Verbreitung des Scparatabdruckes der Heilmittelrevue betrifft, so
lässt sich immerhin den Klägern nicht schlechthin verbieten, die Worte
Kronaematogen, Haematogen" und Patent-KronenHaematogen zur Bezeichnung
der Produkte der Gesellschaft Sieco zu benùhen, sondern es muss ihnen
deren Beniitzung als Sachbezeichnung entsprechend dem in Erwägung 8
bemerkten Vorbehalte erlaubt sein.
11. Die von beiden Seiten gestellten Anträge auf Veröffentlichung des
Urteils (Klagebegehren 4 und Widerklagebegehren 5) sind abzuweisen. Soweit
es sich um die streitigen Markenrechte handelt, wird das Publikum durch
die vorzunehmenden Register-
452 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. _ I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.
einträge und ihre Veröffentlichung über den durch das Urteil geschaffenen
Rechtszustand hinreichend aufgeklärt. EHinsichtlich der übrigen
Streitpunkte besteht nach der Sachlage kein Interesse-, ihre Erledigung
öffentlich bekannt zu machen. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung und die Anschlussberusung werden teilweise gutgeheissen,
und es wird in teilweiser Abänderung des angesochtenen Urteils des
zürcherischen Handelsgerichts vom 8. Juni 1909 erkannt:
1. Das Klagebegehren 1 wird geschützt und die Marke Nr. 9481 Haematogen
der Beklagten als ungültig erklärt.
2. Das Klagebegehren 2 wird abgewiesen und demnach das Widerklagebegehren
1 guigeheissen und es wird somit die Marke Nr. 22,124 Haematogen der
klägerischen Gesellschaft Sicco als ungültig erklärt.
3. Die Klagebegehren 3 und 4 werden abgewiesen.
4. Das Widerklagebegehren 2 wird gutgeheissen und demnach die
Kombinationsmarke Nr. 23,901 der klägerischen Gesellschaft als ungültig
erklärt.
5. Das Widerklagebegehren 3 wird im Sinne von Erwägung 8 hievor
gutgeheissen.
6. Das Widerklagebegehren 4 wird unter dem in Erwägung 10 am Ende
gemachten Vorbehalte abgewiesen.
7. Das Widerklagebegehren 5 wird abgewiesen.
Berufungsinstanz : 3, Schuidhetreibung und Konkurs. N° 65. 453
3. Schuldbetreibung und Konkurs. Poursuite pour dettes et faillite.
65. Auszug aus dem Eli-teil vom 14. Juli 1910 in Sachen erigmeier & gta,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen cCoermaurttsEreiuer, Kl. u· Ber.-Bekl.
Art. 83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen. |
|
1 | Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen. |
2 | Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161 |
3 | Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162 |
4 | Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163 |
Abänderung der Kostendc'spositive des dem Aberkmnngsprazesse zu Grunde
liegendenBechtsöfinungsentsclzeides gehen ; der Aberk-ennungsrichie?
ist zur Bem-Zeitung eines solchen Begehre-ns nicht kompetent.
Die beklagte Firma Steigmeier & (Sie. in Basel hat als Jndossaiarin
eines von der Klägerin Frau Hermaanreiner daselbst akzeptierten Wechsels
im Betrage von 2000 Fr. gegen die Klä·gerin Betreibung angehoben und
provisorische Rechtsöfsnung erwirkt. Hieran hat Frau Hermaanreiner
die Aberkennungsklage angestrengt, mit dem Rechtsbegehren, es sei die
Wechselsordernng der Beklagten nebst den ergangenen ordentlichen und
ausserordentlichen Rechtsöfsnungskosten cis-zuerkennen
Durch Urteil vom 22. März 1910 hat das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt die Aberkennungsklage im vollen Umfange gutgeheissen. Das
Bundesgericht aber hat die gegen diesen Entscheid eingelegte Berufung
der Beklagten durch Urteil vom 14. Juli 1910 insoweit ,für begründet
erklärt, als sich das Aberkennungsbegehren der Klägerin auf die Kosten
des Rechisöffnungsentscheides bezieht, und zwar aus folgender
Erwägung:
(5. -) Der Entscheid über das Begehren um Aberkennung der ordentlichen
und ausserordentlichen Rechtsbffnungskosien hängt davon ab, ob der
Richter im Aberkennungsprozesse befugt sei, den Kostenentscheid des
Rechtsösfnungsrichters abzuändern, und namentlich, ob er im Falle, wo
dem im Rechtsöffnungsverfahren unterlegenen Betriebenen die Gerichtsund
Parteitosten dieses Verfahrens auferlegt worden find, nun umgekehrt dem
im Aberken-
AS 36 H 1910 30