290 A. Oberste Zîvilgerichtsinstanz. II. Prozessrechtliche Entscheidungen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Die Klage beruht und zwar sowohl insofern, alssie sich auf
den Subrogations-, als auch insofern, als sie sich auf den
Bereicherungsstandpunkt stellt ans der Voraussetzung: dass der Erlös ans
den beiden Liegenschastsanteilen, der zur·Ablosung der darauf tastenden
ersten Hypotheken diente, zum Teil der Kaumnalbank gehört habe und ihr
hätte zukommen sollensi weshalb der Bank ein Anspruch auf Rückerstattung
des von ihr bezahlten Teils gegenüber dem Beklagten als Solidarschuldner
der aus dem Pfanderlös getilgten ersten Hypotheken erwachsen set. Ob nun
aber jene Voraussetzung zutreffe, ob also dervKantonalbant wirklich ein
Teil des Psanderlöses zustand oder hatte zukommen sollen, ist eine Frage
des kautonalen Hypothekarrechts. Es handelt sich dabei ausschliesslich
datum, welche Rechte der Kantonalbankd an den Unterpfandern aus ihrer
Hypothek zustanden und In welchem Verhältnisse dieses ihr Psandrecht
zu dem Pfandrechte stand, das vorgehend aus den Unterpfändern, sei es
bloss auf den ihr perpfändeten Liegenschaftshälften, sei es auf den
ganzen Liegenschaften, lasteteu. Eidgenössisches Recht kommt dabei nicht
in Betracht, ob nun der Anspruch damit begründet werde, dass deshalb,
weil sur die ersten Hypotheken die ganzen Liegenschaften, nicht nura
die der Bank verpfändeten Hälften, hasteten, aus diese nur die Haut-e
der ersten Hypotheken hätte verlegt werden dürfen, seia esgdass der
Anspruch aus der Solidarhaft zweier Schuldner sur die jersten Hypotheken
hergeleitet merde, die bewirkt halle, dasss durch die Bezahlung der ersten
Hypotheken aus dem Pfanderlos idem Pfandeigentümer eine Regresssorderung
an den besretten Solidgrschnldner entstanden und an die Stelle der
Psänder getreten ware. Wenn daher die Vorinstanzen jene Voraussetzung
als nicht gegeben erklärten und aus diesem Gesichtspunkte die Klage
abwiesen,·so kann das Bundesgericht dieses Urteil, da dabei eidg. Recht
nicht anzuwenden war und nicht angewendet wurde, nicht nachprufen Es
liesse sich zwar denken, dass das eidgen. Betrnbungsrecht sur den Fall
der zwangsweisen Verwertung von Pfandern, dle" mit andern Pfändern oder
die für solidarische Schulden verpsandet sind, Bestimmungen aufstellte,
wie der Pfanderlys zu behandeln sei. Allein derartige Bestimmungen
bestehen tatsachlich nicht; dieBerufungsverfahren. N° 49. 291

Regelung dieser Verhältnisse ist vielmehr gänzlich dem kantonalen Recht
überlassen. Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Aus die Berufung wird
nicht eingetreten

49. gta-teil vom 24. Juni 1910 in Sachen Yen-fois, Kl. u. Ber.-Kl.,
gegen Hiöcklinstnd, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Mangetade Voraussetzung der Anwendung und Anwendbarkeit eidgen. Rechts
(Art. 56 OG). Bee zweisettigen Verträgen hängt das anzuwendende
Recht grundsätzlich von, dem aus dem Vertrage Selbst sich ergebenden
Parate-millen al) , das Verhalten der Parteien im Prozesse fällt Zedigiéch
als Indiz für den Vet'tmgswillen in Betracht. Vertragsauslegtmg :
Ammndbarkeit ausländischen Rechts beim Kaufvertrag (Verpflichtungen des
ausländischen Verkäufers). Bedeutung des Erfüllung-zartes

Das Bundesgericht hat, nachdem sich aus den Akten ergeben hat:

A. * Die Anfangs 1903 in Liquidation getretene Kommuditgesellschaft
Psister, Stöcklin & Eie. in Basel, deren Mitglied der Beklagte
Stöcklin-Pfund gewesen war, hatte im Jahre 1901 beim. Kläger Dartois in
Charleroi zu verschiedenen Malen Stahl bestellt. Aus diesen Geschäften,
für die vertraglich Charleroi der Ersüllungsort war, entstanden in der
Folge Differenzen Laut der vorliegenden Klage will nun der Kläger den
Beklagten solidarisch mit seinem frühem Mitgesellschafter Pfister zur
Bezahlung eines aus jenem Geschäftsverkehr herrührenden Forderungsbetrages
von total kl4,622 Fr. 45 Cfs. samt Zins zu 5 0/0 seit dem 9. Oktober
1908 (Anhebung der Betreibung) verhalten wissen. Er bringt dabei an,
dass für die streitigen Kaufgeschäfte die allgemeinen Bedingungen
(conditions générales) gelten, die im belgischen Stahl-

* Teilweise gekürzt. (Anm.. d. Red. f. Publ.}

292 A. Oberste Zivilgerichtsinstauz. H. Prozessrechîiichc Entscheidungen.

handel üblich seien und denen sich die Bestellerin auch unterzogen
habe. Diese Bedingungen erklären in Ziffer 8 das belgische Recht als
anwendbar. Der geforderte Betrag setzt sich aus drei Posten zusammen,
nämlich aus einer Forderung von 7222 Fr 15 (tts. als Restsaldo der
Fakturen verschiedener Bestellungen, einer Schadenersatzforderung von
6752 Fr. 80 Cis-. wegen einiger nicht rechzeitig abgenommener Beftellungen
und einer anderweitigen Schadenersatzforderung von 647 Fr. 50 Ets.

Der Beklagte hat auf Abweisung der Klage angetragen und gleichzeitig
Gegensorderungen geltend gemacht, worunter eine Schadenersatzforderung
von 8357 Fr. 45 Cts. gegenüber dem ersten Klageposten, wegen mangelhafter
Vertragserfüllung seitens des Klägers, und eine Forderung von 1027 Fr. 37
Ets. gegenüber dem zweiten Klageposten, wegen entgangenen Gewinnes infolge
Nichtausführung einer der betreffenden Bestellungen. _ , Die Vorinstanzen
haben, in Beurteilung dieser Ansprüche auf Grundlage des belgischen
Rechts, die Klagebegehren im Gesamtbetrage von 2947 Fr. 41 Cts. (den
dritten Klageposten und 22-99 Fr. 91 Ets. vom ersten Klageposten) mit 50/0
Zins seit dem 5. Oktober 1906 gegenüber dem Beklagten in solidarischer
Verbindung mit seinem Mitgesellschafter Pfister zugesprochen und die
Gegenbegehren des Beklagten gänzlich abgewiesen

B. Den am 8. Januar 1910 ergangenen Entscheid der obern kantonalen
Jnstanz,· des Appellationsgericht-s von Baselstadt, hat nunmehr der
Kläger auf dem Wege der Berufung an das Bundesgericht weitergezogen
mit dem Begehren, ihn aufzuheben und die Klageforderung von 14,622
Fr. 45 Cts. voll gutzuheissen, während der Beklagte auf dem Wege der
Anschlussberusung die Anträge gestellt hat: Es sei festzustellen, dass die
Streitsache nicht nach belgischem, sondern nach schweizerischem Rechte
zu beurteilen fei, und es seien daher gegenüber der Klageforderung,
soweit begründet, die erhobenen Gegenforderungen von 8357 Fr. 45 Cts.
und 1027 Fr. 37 Cis. zur Verrechnung zuzulassenz eventuell sei die Sache
zur Beurteilung nach schweizerischem Rechte an das kantonale Gericht
zurückzuweisen; -Beruî'uugsverfahren. N° 4.9. 293

in (Erwägung:

Die Vorinstanzen haben belgisches Recht angewendet, nicht wegen der
conditions générales , sondern weil die Abnahme und Zahlung der Ware
in Charleroi, als dem Wohnsitz des Klägers, zu erfolgen hatte und eine
gemeinsame vom Richter zu berücksichtigende Berufung der Parteien auf
schweizerisches Recht nicht vorliege.

Nach der bundesgerichtlichen Praxis kommt es bei Streitigkeiten über die
aus einem zweiseitigen Vertrage sich ergebenden Rechte und Pflichten in
erster Linie daran an, wo die Parteien nach ihrem ausgesprochenen oder
präsumtiven Willen das Rechtsverhältnis lokalisiert haben Dabei fällt
ihr Verhalten im Rechtsstreite insofern in Betracht, als die Berufung
auf schweizerisches Recht oder die Nichtanrusung fremden Rechts als
Vermutung für ihren Willen aus-gelegt wird, ihre rechtlichen Beziehungen
von Anfang an dem schweizerischen Recht zu unrerstellen. Schlechthin
entscheidend dagegen sind die im Prozess von den Parteien ausdrücklich
oder stillschweigend erklärten Ansichten über das anzuwendende Recht
nicht-

Im vorliegenden Falle nun hat sich der Kläger nicht unbedingt auf
schweizerisches Recht berufen, sondern in erster Linie die Anwendung
belgischen Rechts postuliert und nur für den allerdings eingetretenen
Fall, dass die conditions générales als unanwendbar erklärt würden, sich
damit einverstanden erklärt, dass schweizerisches Recht zur Anwendung
femme, was der Bis-klagte von vorneherein verlangt hatte. Wenn nun auch
noch in diesem Verhalten der Parteien im Prozesse eine Vermutung dafür
erblickt werden wollte, dass sie von Anfang an der Meinung waren, es
unterstehe das Rechtsverhältnis dem schweizerischen Recht, so würde sie
doch durch den Einwand entkräftet, dass nach dem Inhalt der Abmachungen
selbst zweifellos von einer Unterwerfung unter das schweizerische Recht
nicht die Rede fein kann, danach vielmehr gesagt werden muss, dass
die Parteien beim Vertragsabschlusse vermutlich die Anwendbarkeit des
belgischen Rechts gewollt haben. Der Schwerpunkt ihrer vertraglichen
Beziehungen lag in den Verpflichtungen des Verkäufers, über deren
Erfüllung eben zwischen ihnen Streit herrscht. Und nun kann nach der
Natur des Geschästs

294 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. lI. Prozessreehtliehe Entscheidungen.

und der Art seiner Abwicklung der Wille der Parteien doch nur der gewesen
sein, dass die Verpflichtungen des Verkäufers nach seinem Rechte sich
beurteilen sollen. In den conditions générales , deren Anweadbarkeit
freilich vom Beklagten bestritten wird, ist sogar ausdrücklich die
Unterstellung des Rechtsverhältnisses unter belgisches Recht verlangt. Und
ferner liegt der vertragliche Erfüllung-Fort für die Verpflichtungen des
Verkäufers anerkanntermassen in Belgien, dessen Recht deshalb auch dann
zur Anwendung kommt, wenn man den Erfüllung-Fort ohne Rücksicht auf den
präsumtiven Parteiwillen als massgebend erklärt. Der Umstand endlich,
dass die Zertifikate nach Basel zu senden waren, ist nebensächlich und
kommt für die Frage des anzuwendenden Rechts nicht in Betracht. (Vergl. AS
Bd. 21 S. 868 Erw. Z; 32 II S. 416 Erw. 2); --

erkannt: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.B. Entscheidungen des
Bundesgerichts als einziger Zivilgeriehtsinstanz. Arrèts rendus par le
Tribunal fédéral comme instance unique en matière civile.

** -

I. Materiellreehfliehe Entscheidungen. Arréts smle fond du droit.

1. Zivilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Korporationen oder
Privaten. Diiférends de droit. civil entre cant-ons et corporations
ou particuliers.

50. guten vom 18. Mai 1910 in Sachen staat anem, Kl. u. Widerbekl.,
gegen WWW:, Bekl. u. Widerkl.

Rechtsstreit zwischen einem Kanton und einem Privaten über das
Eigentum an einem Stück See, als zivilrechtliche Streitigkeit
im Sinne des Art. 48 Ziffer 4 OG. Nicht begründete Eine-ade
der ebgem'teiiäen Sache (gestützt auf einen bias possesseriscken
kantonalgericktlichen Vorentscheid). Aktivlegétimat-ion des Kanto-ns
zur negativen Feststellungsklage gegenüber dem Eigenaumsa-nspmehe
des .eeiclagtenPrivaéen. Nach weis des privaten Eigentumsanspruehs ?
Beweislast des Ansprechen gegenüber dem preise-mine? Eigentum oder
Hoheitsrecht des Kantons. Das (( Recht auf ein Stück See bedeutet nach
den historischen Dokumenten ein biosses Fischereirechi ( Fischenz).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 36 II 291
Datum : 24. Juni 1910
Publiziert : 31. Dezember 1910
Quelle : Bundesgericht
Status : 36 II 291
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 290 A. Oberste Zîvilgerichtsinstanz. II. Prozessrechtliche Entscheidungen. Das Bundesgericht


Gesetzesregister
OG: 48  56
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schweizerisches recht • beklagter • bundesgericht • verhalten • wille • vermutung • vorinstanz • zins • weiler • eigentum • besteller • frage • see • stahl • pfand • erfüllung der obligation • verfahren • entscheid • akte • richterliche behörde
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