254 A. Oberste Zivilgerichtsinsîanz ]. Hatcriellrechtliche Entscheidungen

nicht gelungen ist, ihr behauptetes Markenrecht zur Anerkennung zu
Bringen. Im Jahre 1897 hat daselbst das kaiserliche Patentamt trotz
ihrem Einspruche die Marke Hannjngs Vasalan americana geschützt,
weil Vaseline eine allgemein übliche Warenbezeichnung geworden sei,
und im Jahre 1904Z5 hat diese Behörde hinsichtlich einer andern das
Wort Vaseline euthaltendeu Marke gegenüber einem neuen Einspruch
der Beklagten den nämlichen Standpunkt eingenommen, indem eingehende
Erhebungen ergeben hätten, dass das Wort als Warenname unterschiedslos
für die von der Veklagten und die von deutschen und österreichischen
Fabriken hergestellten gleichartigen Parafsin-Präparate verwendet werde.

Unerheblich ist es, wenn die Beklagte geltend macht, dass sie gegen
frühere Eingrifse in ihr Mai-kenrecht nicht habe vorgehen können, weil
damals die reinen Wortmarken noch nicht schutzfähig gewesen seien. Das
spricht eher für die erfolgte Umwandlung ihres frühem Jndividualzeichens
zu einer Qualitätsbezeichnung Massgebend ist nur, ob es ihr gelungen
sei, diese Umwandlung, als sie sich infolge der Verwendung des Wortes
durch Konkurrenzfirmen usw. zu vollziehen drohte, damit zu verhindern,
dass sie durch Proteste, gerichtliche Schritte, Aufklärung des Publikums
usw. im schweizerischen Verkehr das Bewusstsein von der Eigenschaft des
Wortes als Herkunftsbezeichnung ihrer Fabrikate und von der Unzulässigkeit
seiner Verwendung als allgemeine Sachbezeichnung aufrecht erhielt. Das
muss aber verneint werden, indem die wenigen Massnahmen, über die
sie sich in dieser Beziehung aus-gewiesen hat (Versendung zweier
undatierter Reklameprospekte und dreier Preislisten aus den Jahren
1901, 1907 und 1908, worin sie das Wort als ihre Marke in Anspruch
nimmt und Vor anderweitigem Gebrauch desselben warnt), angesichts
der oben dargestellten Sachlage nicht im Stande sein konnten, jenen
Umwandlungsprozess zur allgemeinen Wareubezeichnung falls er überhaupt
nicht schon eingetreten war, hintanzuhalten Keine Bedeutung kommt der
heute vorgelegten chemischen Analyse des Fabrikates der Beklagten zu,
aus der hervorgehen soll, dass dieses Fabrikat genau der Zusammensetzung
entspricht, die die schweizerische Pharmacopöe für das Vaseline angibt.

Ist aber das Wort in der allgemeinen Verkehrsaufsassung
tatsächlich zur Sachbezeichnung geworden, so kann sich nach
geltenderB. Berufungsu. Kassationsinstanz: 4. Fahrikund Handelsmarken. N°
42. 255

Praxis jeder Interessent auf die Ungültigkeit der Marke berufen und Klage
auf Löschung erheben Mit Unrecht hält in diesem Punkte die Klägerin der
Beklagten entgegen, dass sie als ihre frühere Vertreterin durch ihre
Nachlässigkeit jene Entwicklung zur Sachbezeichnung verschuldet habe
Das vermöchte, wenn erwiesen, an der allein entscheidenden Tatsache,
dass das Wort nunmehr Gemeingut ist, und an dem hieraus für die Beklagte
sich ergebenden Klagrecht auf Löschung nichts zu ändern.

Das Begehren um Veröffentlichung des Urteils endlich ist dadurch erledigt,
dass die Klägerin den dieses Begehren abweisenden Vorentscheid nicht
angefochten hat.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil des zürcherischen
Handelsgerichts vom 11. Juni 1909 in allen Teilen bestätigt

42. genen vom 22. thil 1910 in Sachen Diingcen Kl. u. Ver.-KL, gegen
Dr. 53. Yceiet & Ste., Bekl. u. Ber.-Bekl.

Markenübertragung (Art. 11 MSch G) ? Die Uebzsirtmgung einerMarIse um
fees? ein bestimmtes Ver/cenrsgebiet hier die Schweiz ist amstattimfl
und rechäläeh unwirksam-. Klage auf Nichtigef'klär'ung einer Marke
wegen mangelnder Priorità?! (A rt. 6 MSchG). Klagelegi-timate'en jedes
Interessenten, auch gestützt auf das Markenrecht eines Britten. Die
Priorität dei" Einîmgzmg begründet die Vermuîu-ng der Priorität des
Gebrauchs (Art. 5
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 5 Entstehung des Markenrechts - Das Markenrecht entsteht mit der Eintragung im Register.
MSchG) ; die Priorität des Gebrauchs im AMM-nde (hier
in Deutschlund) genügt. Verwirkung des Marrten-sonnigen (Art. 9
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9
1    Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9
2    Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden.
3    Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers.
MSchG)
?Nicht genügende Unterscheidung eines Markenbiides mit dem Wale ((
Gitrogen )) als Hauptbeséandtee'l, von der Wartmarke Gitrovin . Würdigung
der Wortverbindu-ngen Cit-regen und (Zitronen set-sein.!wétéiche
Gesamtworte.

A. Durch Urteil vom 17. September 1909 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich in vorliegender Rechtssireitsache erkannt: .

Die Klage wird abgewiesen

256 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger gültig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen und beantragt:

Es sei die Klage zu schützen und demnach die Marke Nr. 25,140 zu löschen.

C. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers die
gestellten Berufungsanträge erneuert; derjenige der Beklagten hat auf
Abweisung der Berufung angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Am 1. Oktober 1907 hatte die Erste Taunus-CognakBrennerei Fritz
Scheller, Söhne-C in Homburg von der Höhe beim eidgen. Amt für geistiges
Eigentum in Bern unter der Nr. 22,721 die Wortmarke Citrovin für eine
Reihe von Artikeln, unter andrem auch für Essig aller Art, Zitronenessig
und Essigessenz, hinterlegt.Im November 1907 fragte die beklagte Firma,
Dr. S;. Bleier & Cie., in Horgen, Fritz Scheller Söhne an, ob ihre
Interessen für Citrovin-Essig in der Schweiz schon vertreten seien.
Die Firma stellte darauf einen Besuch bei der Beklagten in Aussicht; die
Sache blieb dann aber auf sich beruhen. Dagegen kam am 11. Januar 1909
zwischen Fritz Scheller Söhne und dem Kläger Sg. Klingler in Sitterdorf
(Thurgau) ein Vertrag zustande, wonach jene dem Kläger das alleinige
Fabrikationsrecht und den Vertrieb von Citrovin und Citrovin-Essenz für
die ganze Schweiz verkauften und sich verpflichteten, die schweizerische
Marke für Citrovin auf den Käufer zu übertragen Diese Übertragung der
Marke Nr. 22,721 erfolgte unter Nr. 25,303 am 15. April 1909. Unterdesfen,
am 12. März 1909, hatte die Beklagte für die Artikel Frucht- und
Gesundheitsessig eine gemischte Marke Nr. 25,140 eintragen lassen,
bestehend aus einem liegenden Rechteck, dessen oberm und unterm Rande
entlang ein schmäleres dunkles Band läuft, während der wesentlich breitere
Zwischenraum quer schrafsiert ist. Auf diesem Grunde sind folgende Worte
angebracht: im obern Band in hellen Lettern die Worte Für Gesunde und
Kranke; im Mittelfeld links oben in gleich grossen dunkeln Lettern die
Worte Dr. Meier's und darunter, in der Diagonale schräg aufwärts, in
viel grössern weissen, schwarz umrandeten Lettern das Wort Citrogen;
im untern Band endlich in hellen Lettern, die denen des obern Bandes
entsprechen, die Worte: Der Essig derB. Berufungsu. Kassationsinstanz :
4. Fabrikund Handelsmarken. N° 42. 257

Zukunft-c Kurz nach der Eintragung dieser Marke, am 29. März 1909, liess
der Kläger seinerseits die unten erwähnte gemischte Marke Nr. 25,243
(Bild einer Zitrone mit Aufschrift) eintragen.

Mit der vorliegenden, von der Borinstanz abgewiesenen Klage verlangt
nun der Kläger die Löschung der Marke Sir. 25,140 der Beklagten,
weil sie der Wortmarke Nr. 22,721,l25,303 täuschend ahnlich sei. Zunr
Begründung des Klagerechts stützt er sich zunarhstaauf die Ubertragung
und (in der Replik) eventuell, falls diese Ubertragung nicht in Betracht
fallen sollte, darauf, dass die kxgefochteue Marke die Rechte von Fritz
Schellers Söhne vere e.

2. Da der Kläger seine Klage nur auf die Wortmarke Nr. 22,721/25,303
stützt und eine Markenrechtsverletzung nur hinsichtlich dieser behauptet,
fällt die gemischte Marke Nr. 25,243 des Klägers für den vorliegenden
Rechtsstreit ausser Betracht, und es braucht daher auf die Ausführungen
der Parteien über diese Marke nicht eingetreten zu werden.

3 _ Sein Recht auf jene Wortmarke leitet der Kläger aus dem Vertrage
mit Fritz Scheller Söhne vom 11. Januar und der Ubertragung der Marke
im Handelsregister vom 15. April 1909 ab. Mit Grund bestreitet aber die
Beklagte, dass der Kläger dadurch ein selbständiges Markenrecht erworben
habe. Laut jenem Vertrage sollten nämlich Fritz Schellers Söhne die Marke
nicht schlechthin an den Kläger übertragen, sondern nur für das Gebiet
der Schweiz, während sie sie im übrigen weiter verwenden würden. Nun
kann aber eine solche Teilung des Markenrechtes nach territorialen
Verkehrsgebieten gültig nicht vorgenommen werden. Die Marke, die das
Jndividualrecht einer bestimmten Persönlichkeit bildet und mit der die
Ware als von dieser herriihrend bezeichnet wird, ist ihrer Natur nach
nicht national sondern universell, einheitlich für alle Territorien,
auf die sich der Verkehr erstrecken kann, und es geht daher nicht
an, sie nur teilweise, für ein einzelnes Absatzgebiet zu übertragen
(vergl. Kohler, Markenrecht S. 216, Urteil des Reichsgerichts in Bd. 51
S. 263; vergl. auch AS 24 II S. 336 und 26 II S. 650,551). Der Kläger hat
somit schon aus diesem Grunde ein Recht auf die Wortmarke Citrovin nicht
erworben, abgesehen baron, ob nicht zu sagen wäre, dass die blosse Einräu-

AS 36 n 1910 7

258 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz. !. Materiellrechtliche
Entscheidungen.

mung des Fabrikationsund Vertriebsrechts für das Gebiet der Schweiz,
auf die er sich berust, keine Ubertragung des Geschäfts darstellt,
wie sie der Art. 11
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 11 Gebrauch der Marke - 1 Die Marke ist geschützt, soweit sie im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen gebraucht wird, für die sie beansprucht wird.
1    Die Marke ist geschützt, soweit sie im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen gebraucht wird, für die sie beansprucht wird.
2    Als Gebrauch der Marke gelten auch der Gebrauch in einer von der Eintragung nicht wesentlich abweichenden Form und der Gebrauch für die Ausfuhr.
3    Der Gebrauch der Marke mit Zustimmung des Inhabers gilt als Gebrauch durch diesen selbst.
MSchG für den Ubergang des Markenrechtes erfordert.

4. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass dem Kläger kein Klagerecht
auf Löschung der streitigen Marke zustehe Jst nämlich die Übertragung
ungültig, so hat die Marke der Veräusserer Fritz Scheller Söhne für
diese letztern als Berechtigte unverändert fortbestanden (vergl. Allfeld,
Kommentar, S. 519, Anmerkung bb

. am Ende). Das gilt auch, wenn man (mit Kohler, S. 16, 77 und 243)
die Übertragung als eine Aufgabe des Markenrechtes auf der einen,
und eine originäre Neuerwerbung auf der andern Seite ansieht da auch
dann die Löschung des zu Gunsten von Fritz Scheller Söhne bestandenen
Eintrages ungültig ist und sie also ihr Markenrecht behalten haben. Aus
die Verletzung dieses Rechtes kann aber der Kläger, wie er es auch in
eventueller Weise getan hat, seine Löschungsklage stützen, indem nach
feststehender bundesgerichtlicher Rechtssprechung (vergl. AS 30 II
S. 584; 35 II S. 338) die Richtigkeit einer Marke, die das Markenrecht
ines andern verletzt, eine absolute ist, so dass nicht nur der verletzte
Markeninhaber, sondern jeder Jnteressent sich darauf berufen kann.

5. Im weitern muss die Schellersche Wortmarke Eitrovin als schutzfähig
gelten. Sie ist längere Zeit vor der angesochtenen Marke der Beklagten
eingetragen worden, womit dieser gegenüber die ferner erforderliche
Priorität auch des Gebrauches laut dem am. 5 MSchG zu vermuten ist,
Diese Vermutung hat die Beklagte nicht durch Gegenbeweis entkräftet Sie
beschränkt sich auf die Behauptung, dass sie ihre Marke schon vor ihrer
Eintraguug vom 12. März 1909 und vor der Übertragung der Schellerschen
Marke an den Kläger vom 15. April 1909 benutzt habe und dass die
Schellersche Marke in der Schweiz nicht verwendet worden sei. Allein
abgesehen davon, ob diese Behauptungen erstellt seien, ist zu sagen, dass
die Verwendung der Schellerschen Marke in Deutschland für ihre Priorität
genügt (vgl. AS 26 II S. 650 Erw. 5; 35 II S. 339/40), diese Verwendung
aber, wie nicht bestritten ist, weiter als die der gegnerischen Marke
zurückgeht. Von einer Verwirkung des gesetzlichen Schutzes nach Art. 9
MSchGB. Bemfungsu. Kassatîonsinstanz : 4. Fabrikund Handelsmarken. N°
42. 259

lässt sich endlich bei der Marke Citrovin schon deshalb nicht sprechen,
weil seit ihrer Eintragung in der Schweiz noch nicht drei Jahre
verstrichen find.

6. Was nun die Frage der täuschenden Ähnlichkeit anbetrifft, so kann
zunächst dem Umstande kein erhebliches Gewicht beigelegt werden, dass
die Mar-ke der Beklagten ausser dem Wort Citrogen, wegen dessen sie
angefochten wird, noch andere Bestandteile enthält (nämlich die mit den
Randbändern versehene Rechtecksigur, den Namen des Fabrikanten und die die
Verwendbarkeit der Ware rühmende Aufschrist). Alle diese Elemente treten
vor dem Worte Citrogen" als dem wesentlichen Bestandteile der Marke so
zurück, dass sie eine Änderung des Gesamteindruckes nicht zu bewirken
dermögen. Denn einmal erscheinen sie dem Auge gegenüber jenem Worte, das
in der Mitte angebracht und durch grosse und ausfällige Lettern scharf
hervorgehoben ist, als nebensächliches Beiwerk; _ unb es mag denn auch der
Beklagten selbst nicht um die Verwendung der Marke in ihrem Gesamtbild zu
tun sein, da auf der Verpackung ihres Fabrikats diese Nebenbestandteile
mit denen der eingetragenen Marke nicht übereinstimmen und noch weniger
zur Geltung kommen. Sodann aber ist vor allem zu sagen, dass bei
einer Kombinationsmarke dieser Art der Phantasiename gegenüber andern
Elementen überhaupt in der Regel hervorragende Bedeutung hat und die
übrigen Bestandteile dominiert; denn er wirkt aus das Erinnerungsvermögen
nicht nur durch die äussere sinnliche Form ein, sondern auch durch seinen
Charakter als selbständige Wortbildung, mit besonderer Klangwirkung für
das Ohr und mit besonderer begrisslicher Bedeutung. Das Publikum muss hier
zum vornherein annehmen, dass vor allem durch die Phantasiebezeichnung aus
die Herkunft der Ware hingewiesen werden wolle, während es sich anderseits
nicht immer Rechenschaft darüber geben wird, ob und wieweit noch andere
Bestandteile mit zum Markenbild gehören (vergl. auch AS 24 II S. 127
und 28 II S. 127). Bei der Marke der Beklagten sind diese Nebenteile
übrigens noch besonders ungeeignet zur Erzieiung eines einheitlichen
vom Wortbestandteil unterschiedenen Gesamteindruckes, da das figürliche
Element in einer, jeder Originalität entbehrenden Flächenanordnung besteht
und die beiden Sätze (für Gesunde und Kranke- und der Essig der Zu-

260 A. Oberste Zivilgerichtsjnstanz. [. Materielirechuiche Entscheidungen.

kunst) sich ebenfalls nicht durch eigenartigen Inhalt dem Gedächtnis
einprägen. Die Herkunftsbezeichnung Dr. Bleiers aber vermag als
Markenbestandteil keine distinktive und individualisierende Wirkung
zu entfalten, sofern hinsichtlich der Worte Citrovin und Citrogen die
Verwechslungsmöglichkeit gegeben ist. Vielmehr kann sie alsdann nur
verwirrend wirken, nämlich die irrtümliche Meinung erwecken, dass
Dr. Bleier auch der Fabrikant des (mit dem Citrogen verwechselten)
Citrovins sei oder geworden sei (vergl. Allseld, Kommentar S.664).

7. Somit hängt die Entscheidung des Falles davon ab, ob sich das Wort
Citrogen, unabhängig von jenen Bestandteilen betrachtet, genügend von
dem Worte Citrovin unterscheide. Hiebei kann sich die Beklagte zunächst
nicht darauf berufen, dass der Ausdruck Citra, Citrone für die in
Frage stehenden Waren, namentlich den Zitronenessig, Sachbezeichnung
und daher Freizeichen sei, so dass als schutzfähiger Bestandteil der
klägerischen Marke nur noch die Silbe vin verbleibe, die mit der Silbe
gen ihrer Marke keine Ähnlichkeit aufweise. Auch wenn nämlich diese
Freizeicheneigenschast des Wortes "Citra besteht, ist zu sagen, dass
bei der Prüfung der Ähnlichkeit beider Wortmarken das Gesamtwort nicht
in dieser Weise in das gleichlautende Stammwort und das anders lautende
Endwort gespalten werden kann (wie es freilich die Warenabteilung des
deutschen Patentamtes auf deren Praxis die Beklagte verweist, getan
hat, namentlich in dem Entscheid in Bd. VI S. 206, der die Wortmarken
Lucia-, Lucin, Lucinde als unähnlich .erklärt). Vielmehr muss in
Übereinstimmung mit der Praxis der Beschwerdeabteilung des genannten
Amtes, die in ihrem Entscheide in den Blättern für Patentrecht XII
S. 312 jene Auffassung der Warenabteilung als ein-e Überspannung der
sogenannten Theorie der freien Wortstämme bezeichnet und besonders
in Band XIV S. 302 ihren gegenteiligen Standpunkt scharf zum Ausdruck
gebracht hat davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen durch die
Verbindung der beiden Worte ein neues einheitliches Wort zustande kommt,
das nach seiner sigürlichen ErscheinungTseiner Silbenlänge, Betonung und
Klangwirkung und seiner begrifflichen Bedeutung ein selbständiges Ganzes
mit eigenem Gesamteindruck darstellt Auf den Gesamteindruck abzustellen
entsprichtB. Berufungsu. Kassationsinstanzz 4. Fabrikund Handelsmarkeu. N°
432. 26}

allein den allgemeinen bundesrechtlichen Grundsätzen über die Ähnlichkeit
von Warenbezeichnungen. Vergleicht man nun die beiden Marken von diesem
Gesichtspunkte aus so lässt sich die Übereinstimmung der Stammsilbe
Citro und ihrer allfälligen Freizeichen- eigenschaft nur noch eine
untergeordnete Bedeutung beimessen, und anderseitsgwird dann die
EVerschiedenheit der Worte oui und gen dadurch abgeschwächt, dass sie
zu unbetonten Endsilben des einheitlichen Wortes werden. Die beiden
Gesamtworte Citrovin und Citrogen aber, als solche betrachtet, gleichen
sich sowohl in. ihrer äussern Form, nach Silbenund Buchstabenzahl, als
in ihrem Eindrucke aus das Ohr. Dabei hätte die Beklagte angesichts der
verfügbaren sprachlichen Mittel die Endsilbe leicht unter Beibehaltung
des Wortes "Cirro so wählen können, dass ein Phantasiewort von ganz
anderem Charakter als das klägerische entstanden ware. Berücksichtigt
man noch, dass als Käufer der fraglichen Waren namentlich Hausfrauen und
Dienstboten in Betracht fallen, also Abnehmen bei denen keine besondere
Aufmerksamkeit in der Prüfung der Markenunterschiede vorausgesetzt werden
kann, und dass es sich auch um keine Warengattung handelt, bei der, wie
etwa bei den Medikamenten (vergl. AS 27 11627), eine genauere Prüfung
ihrer Herkunst nahe liegt, so muss man die Verwechslungsmöglichkeit im
markenrechtlichen Sinne als gegeben ansehen (vergl. auch den Entscheid
des deutschen Patentamtes Bd. VI S. 253, der die Marken Citrolin und
Citronin als übereinstimmend erachtet). Schliesslich mag auch darauf
verwiesen werden, dass die Beklagte die Marke von Fritz Schellers Söhne
vor der Eintragung der ihrigen gekannt und sich damals um die Vertretung
der Interessen dieser Firma, soweit es sich um den Vertrieb des Citrovins
in der Schweiz handelt, bemüht hat und dass sie also bei der Schaffung
ihrer Marke allen Anlass hatte, aus eine gehörige Verschiedenheit von
der Schellerschen Bedacht zu nehmen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird gutgeheissen und damit das Begehren des Klägers um
Löschung der Marke Nr: 25,140 der Beklagten ge-

schützt
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 36 II 255
Date : 22. Januar 1910
Published : 31. Dezember 1910
Source : Bundesgericht
Status : 36 II 255
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 254 A. Oberste Zivilgerichtsinsîanz ]. Hatcriellrechtliche Entscheidungen nicht


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