678 A. Staatsreehtliehe Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

III. Glaubensund. Gewissensfreiheit. Kultusfreiheit. Religiöse Erziehung
der Kinder... Kultussteuern. Liberté de conscience et de croyance. Liberté
des cultes. Education religieuse des enfants.

Impöts en faveur d'un culte déterminé.

110. gir-leit vom 6. Oktober 1909 in Sachen Herstelgegen Ltirchgemeinde
Heerden

Kultussteuern bei gemischten Ehen. Auf Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV gestützter Hekurs
eines Protestanten, welcher mit Rücksicht auf die kat/w lische Konfession
seiner Ehefrau und seiner sieben Kinder zu 2/3. der katholischen
Kultussteuer herangezogen wurde. Unbegründetheit des Rekurses :

a) soweit die Kinder in Betracht kommen : weil es (nach Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
'
Abs. 3 BV) auf dem eigenen Willen des Hekurrenten beruht, wenn seine
Kinder katholisch erzogen werden und infolgedessen die Einrichtungen
der katholischen Kirche in Anspruch nehmen ;

b) soweit die Ehefrau in Betracht kommt: weil der Rekurrent nach dem
betr. kantonalen Rechte, als Verwalter des Fraueneermögens, die eheliche
Gemeinschaft vertritt und daher auch für die ökonomischen Folgen der
Zugehörigkeit seiner Ehefrau zu einer bestimmten Religionsgenossenschaft
aufzukommen hat.

Unerheblichkeit der Frage, wer prioatrechtlich als Eigentümer oder
Nutzniesser desjenigen Vermögens erscheint, von welchem die Steuer
berechnet wird.

A. Der Rekurrent lebt in gemischter Ehe in der solothurnischen Gemeinde
Seewen. Er ist Protestant, seine Ehefrau Katho-

likinz seine sieben Kinder (geb. 1901, 1902, 1903, 1904, 1905,

1907 und 1908) lässt er katholisch erziehen. Die katholische Kirch-

gemeinde Seewen zog nun den Rekurrenten im Jahre 1909 zur-

Kirchensteuer heran, wobei ihm jedoch mit Rücksicht darauf, dass er
selber Protestant ist, nur 2/3 der vollen Kirchensteuer auferlegt

wurde. Eine gegen diese Besteuerung gerichtete Beschwerde desRekurrenten
wurde am 11. Mai 1909 vom Regierungsrat desKantons Solothurn abgewiesen,
mit der Begründung, dass diesIII. Glaubensund Gewissensfreiheit. No
110. 679

gegenüber Gerster geltend gemachte Besteuerung gegenüber gemischten Ehen
im KantonSolothurn allgemein üblich sei; die meisten Steuerreglemente
der Kirchgemeinden regelten die Steuerpflicht bei solchen Ehen in
dieser Weise und seien stets anstandslos genehmigt worden. Wenn auch das
Steuerreglement der Kirchgemeinde Seewen keine speziellen Bestimmungen
Über die Besteuerung bei gemischten Ehen enthalte, so schliesse dies
nicht aus dass die Gemeinde diese Lücke in der Weise ausfülle, dass sie
die anderwärts üblichen Grundsätze entsprechend anwende. Allerdings sei
dabei vorauszusetzen, dass diese Grundsätze auf alle Fälle gemischter
Ehen in gleicher Weise angewendet werden, d. h. dass i3 der Steuer für
die Konfession, der nur der eine Elternteil angehöre, und 2/3 für die
Konfession, welcher der andere Elternteil und die Kinder angehören,
erhoben werde.

B. Gegen diesen Beschwerdeentscheid der Regierung erhob Gerster
rechtzeitig den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht. Er
stützt sich auf die Bestimmung der Bundesverfassung (Art. 49, Abs. 6),
dass niemand gehalten werden könne, Steuern zu bezahlen, welche speziell
für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft, der er nicht
angehöre, auferlegt werden; er macht geltend, dass nur der Vater, nicht
die Familie, steuerpflichtiges Subjekt sei; Frau und Kinder könnten
nicht besteuert werden, so lange sie kein eigenes steuerpflichtiges
Vermögen und Einkommen besitzen. Für den Fall, dass seine Beschwerde
vom Bundesgericht abgewiesen würde, wünscht er eine Mitteilung darüber,
welcher Eheteil, der Mann oder die Frau, für die Kirchensieuer belangt,
eventuell betrieben werden könne. In einem Postskriptum behauptet er,
der Regierungsrat des Kantons St. Gallen habe früher einen ganz ähnlichen
Fall zu seinen Gunsten entschieden.

C. Der Regierungsrat beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung
des Rekurses. Er wiederholt, dass es im Kanton Solothurn durchaus üblich
sei, die Steuerpslicht gegenüber Familien von verschiedener Konfession zu
teilen im Verhältnis von 1/2 zu 12 , wenn keine Kinder vorhanden seien,
im Verhältnis von °3/3 zu 1/3 wenn die Kinder in der einen der in Frage
stehenden Konfessionen erzogen werden. Er verweist auf einen ähnlichen
Rekursfall aus dem Jahre 1904 (Rechenschaftsbericht des Regie-

680 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

rungsrates für das Jahr 1904, S. 89 litt. d), in welchem die Teilung
der Steuerpflicht im gleichen Sinne bewilligt worden ist. Dem Entscheide
stehe auch der Umstand nicht entgegen, sagt die Regierung, dass Mutter
und Kinder kein eigenes steuerpflichtiges Vermögen besitzen und dass der
Vater vermögensrechtlich einzig handlungsfähig sei. Der Mann sei eben
gesetzlicher Vertreter der Frau und der Kinder; er müsse daher für sie
handeln und für deren Verbindlichkeiten einstehen. Die Steuer sei pro
rata vom ganzen Familienvermögen zu berechnen, gleichgültig ob dasselbe
vom Manne oder von der Frau stamme; denn es sei während der Dauer des
ehelichen Güterverhältnisses zu einer Einheit verbunden. Da die Frau und
die Kinder des Rekurrenten katholisch seien, könne in der Besteuerrung
zu 2/3 unmöglich eine Verletzung der Glaubensund Gewissensfreiheit liegen.

Die Kirchgemeinde Seewen hat keine Vernehmlassung eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung: _ 1. Der Rekurrent beschwert sich
darüber, dass ihm eine Steuer auferlegt werde, welche sich als eine
spezielle Kultussteuer darstelle, d. h. als eine Steuer, die nicht
vom Staate zur Deckung staatlicher Bedürfnisse, sondern von einer
Kirchgemeinde zur Bestreitung kirchlicher Auslagen erhoben werde. Ferner
macht er implicite geltend, dass die von ihm geforderte Steuer für
eigentliche Kultuszwecke erhoben werde. Nach diesen beiden Richtungen
hin erscheint seine Behauptung als richtig. Der Streit dreht sich in der
Tat um eine spezielle Kirchensteuer zu eigentlichen Kultuszwecken; denn
es handelt sich nicht etwa um die Erhebung einer allgemeinen kantonalen
und auch nicht um diejenige einer allgemeinen Gemeindesteuer, sondern
um eine Kirchensteuer, welche die Ausgaben der Kirchgemeinde decken
soll. Daher sind die objektiven Voraussetzungen, welche Art. 49 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.

BV an das Verbot der Kultusbesteuerung knüpft, erfüllt. Nach dieser
Verfassungsbestimmung ist niemand gehalten, Steuern zu bezahlen, welche
speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft,
der er nicht angehört, auferlegt werden.

Es ist darnach nur zu untersuchen, ob auch die subjektive Voraussetzung
der zitterten Verfassungsbestimmung erfüllt sei, d. h.lll. Glaubensund
Gewissensfreiheit. N° 110. 681

ob der Rekurrent von einer Religionsgenofsenschaft besteuert werde der
er nicht angehört. '

Obschon die Bundesverfassung die nähere Ausführung des eben erwähnten
Verfassungsgrundsatzes der Bandes-gesetzgebung vorbehalt, und obschon
diese Ausführung bis zur Stunde noch nicht stattgefunden hat, hat das
Bundesgericht doch in ständiger Praxis sich für verpflichtet gehalten,
den Verfassungsgrundsatz direkt anzuwenden, und demzufolge Rekurse wegen
Verletzung des Verbots der Kultusbesteuerung stets materiell behandelt
und entschieden. Vergl. Burckhardt, Kommentar zur BV, S. 501 unten und
speziell BGE 5 S. 430 ff. Erw. 1 und 2.

2. Bei der Prüfung des subjektiven Erfordernisse-s nun ist vor allem an
den Grundsatz zu erinnern, den das Bundesgericht stets aufrecht erhalten
hat und der auch in der staatsrechtlichen Theorie überall vertreten
wird, an den Satz nämlich, dass das Verbot der Kultusbesteuerung nichts
anderes als eine Konsequenz, ein Ausfluss der an die Spitze des Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.

BV gestellten Garantie der Glaubensund Gewissensfreiheit ist. Nur
weil und insofern m der Besteuerung für Kultuszwecke eine Verletzung
dieser Garantie liegt, kommt das Steuerverbot zur Anwendung. Wenn
niemand zur Teilnahme an einer Religionsgenossenschaft gezwungen
werden kanns weil darin ein bundesrechtlich unzulässiger Glaubensund
Gewissenszwang liegen würde, so kann auch niemand gezwungen werden,
für die Zwecke einer Religionsgenossenschaft, der er nicht angehört,
Steuern zu zahlen. Diese Argumentation hat denn auch bekanntlich zu der
Praxis geführt, nach welcher juristische Personen, denen Kirchensteuern
auferlegt werden, das Verbot des Art. 46 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV nicht für sich in
Anspruch nehmen können, weil sie keinen Glauben und kein Gewissen besitzen
und es infolgedessen undenkbar ist, dass sie irgend eine Massregel als
Glaubensund Gewissenszwang empfinden.

Im Vorliegenden Falle nun kann der Rekurrent als physische Person
allerdings die Garantie der Glaubensund Gewissensfreiheit zu seinen
Gunsten anrufen, und da er als Protestant von einer katholischen
Kirchgemeinde besteuert werden will, so könnte aufden ersten Blick seine
Beschwerde als materiell begründet erscheinen. Jndessen fällt vor allem
in Betracht, dass der Rekurrent

682 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

7 Kinder hat, von denen noch keines das 16. Altersjahr erreicht
hat, und dass nach seinen eigenen Angaben diese sämtlichen Kinder
römisch-katholisch erzogen werden. Dies kann, da er nach Art49 Abs. 3
BV als Inhaber der elterlichen Gewalt über die religiose Erziehung der
Kinder bis zum erfüllten 16. Altersfahre ausschliesslich zu verfügen
hat, nur geschehen, weil er selber die romischkatholische Erziehung
der Kinder angeordnet oder doch zugelassen hat. Weder die Mutter,
noch dritte Personen haben das Recht, gegen den Willen des Vaters
die Kinder katholisch erziehen zu lassen. Diese nehmen also mit dem
Willen des Rekurrenten die katholische Kirche und deren Einrichtungen in
Anspruch. Wenn aber die katholische Erziehung der Kinder das Gewissen oder
den Glauben des Rekurrenten nicht beschwert, so kann auch die Tatsache,
dass er zu einem Bruchteile für die Deckung der Auslagen der katholischen
Kirchgeineinde in Anspruch genommen wird, unmöglich eine Belastung
seines Gewissens oder seinesGlaubens herbeiführen. Denn die Besteuerung
bedeutet unter diesen ·Umständen für den Rekurrenten nicht einen Zwang
zur ökonomsschlen Beteiligung an einer Religionsgenossenschaft, welcher
er persönlich nicht angehört. Vielmehr trifft ihn die Kultussteuer
lediglich in seiner Eigenschaft als Inhaber der elterlichen Gewalt, in
deren Ausübung er die katholische Erziehung der Kinder selber verfugt
oder doch genehmigt hat; er wird als Vertreter seiner katholischen
Kinder zu dieser Steuer herangezogen, nicht als Protestant und nicht
für seine eigene Person; denn sonst hätte man ihm nicht bloss einen
Bruchteil, sondern die ganze Steuer auferlegt. _ Etwas anders liegen die
Verhältnisse hinsichtlich der Zugehorigkeit der Ehefrau des Rekurrenten
zur katholischen Kirche. Die ehemännliche Vormundschaft geht auch
nach solothurnischemlEhw recht nicht fo weit, dass der Ehemann über die
religiöse Betatigung seiner Ehefrnu zu verfügen hatte. Jnsoweit jedoch der
Ehemann verpflichtet ist, seiner Ehefrau Schutz und eine seinem Stande und
Vermögen angemessene Versorgnng zu gewähren- (§ 75 des solothurnischeu
Zivilgesetzbiiches), und insofern er als Verwalter des Frauenvermögens
die eheliche Gemeinschaft vertritt (§ 851.52.)kann er zweifellos für
die ökonomischen Folgen der konfessionellett Zugehörigkeit der Ehefrau
in Anspruch genommen werden, ohnelIl. Glaubensund Gewissensfreiheit. N°
110. 683

ycdass ihm dadurch ein verfassungswidriger Gewissenszwaiig auferlegt
würde. Denn auch hier, d. h. im Verhältnis zu seiner Ehefrau, wird
er durch die partielle Kultusbesteuerung nicht persönlich, sondern
nur in seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter seiner Ehefrau
in Anspruch genommen; es liegt in dieser Besteuerung also wiederum
nicht ein Zwang zur persönlichen Beteiligung an einer ihm fremden
Religionsgenossenschaft. Gerade darin, dass 13 der Steuer abgezogen wird,
liegt die Anerkennung der Tatsache, dass er persönlich zur ökonomischen
Beteiligung an der katholischen Glaubensgenossenschaft nicht gezwungen
werden kann.

Dabei ist im Gegensatz zu Reding, Über die Frage der Kul-tussteuern,
Basel 1885 S. 91 ff. zu betonen, dass die Frage, ob eine unzulässige
Kultussteuer vorliege, davon unabhängig ist, wer privatrechtlich als
Eigentümer oder Nutzniesser des Vermögens oder Einkommens, von welchem
die Steuer berechnet wird, erscheint. Ob der Ehemann und Vater für
das Frauenund Kindervermögen, das sich in seiner Verwaltung befindet,
besteuert werden könne, oder nicht, ist eine Frage des Steuerrechtes
und hat mit der Frage, ob die Besteuerung einen verfassungswidrigen
Gewissenszwang in sich schliesse, grundsätzlich nichts zu tun. Für
die Beantwortung dieser letztern Frage kommt es lediglich darauf an,
ob der Ehemann und Vater persönlich, oder aber nur als Vertreter seiner
andersgläubigen Ehefrau und Kinder mit der betreffenden Kultussteuer
belegt wird. Trifft die zweite dieser Eventualitäten zu, so kann vou einer
unzulässigen Gewissensbelastung auch da nicht gesprochen werden, wo die
Steuer vom eigenen Vermögen des Ehemannes und Vaters bezw. von dessen
persönlichem Einkommen berechnet wird; denn auch dieses persönliche
Vermögen oder persönliche Einkommen kann, da der Ehemann und Vater
grundsätzlich die Kosten des Haushaltes trägt, ssür die Kultusbedürsnisse
der Ehefran und der Kinder in Anspruch genommen werden.

Jm vorliegenden Falle kommt hinzu, dass der grösste Teil der dein
Rekurrenten zu 3/3 auferlegten Steuer (4 Fr.) eine Haushaltungssteuer
darstellt und nur ein verschwindend kleiner Teil

(60 Rp.) vom Vermögen des Rekurrenten berechnet wird, wäh-

rend sein Einkommen hier überhaupt ausser Betracht gelassen

684 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

wurde. Die Haushaltungsfteuer trifft nun aber ihrer Natur nachnicht
den Rekurrenten persönlich, sandern die Haushaltung in ihrer
Gesamtheit. Allerdings bildet der Rekurrent selber einen Teil seines
Hausstandes; dieser Tatsache ist aber gerade dadurch Rechnung getragen,
dass mit Rücksicht auf die protestantische Konfefsion des Rekurrenten
13 der Steuer, und zwar speziell auch der Haushaltungssteuer, in Abzug
gebracht wird.

3. Auf die Frage, ob das von der Kirchgemeinde Seewen

praktizierte Quotenverhältnis von 1/3 zu 23 haltbar sei, ist aus-

doppeltem Grunde nicht einzutreten. Einmal hat der Rekurrent sich über
die Ausscheidung der Steuerquoten in keiner Weise beschwert und sodann
handelt es sich hier in erster Linie doch bloss

um eine Frage des Steuerrechtes und nicht um eine solche der

Glaubensund Gewissensfreiheit.

4. Zum Schlusse mag, was das Hauptbegehren des Rekurrenten betrifft, noch
bemerkt werden, dass (vergl. Salis, Bundesrecht, 2. Aufl. III S. 75)
der bundesrätliche Entwurf zu einem den Art. 49 Abs. 6 ausführenden
Bundesgesetze vom Jahre 1875 in Art. 6 eine Teilung der Kultussteuern
bei paritätischen Familien ausdrücklich vorgesehen hatte, und zwar
durch folgende Vorschrift: Die Zahl derjenigen Familienglieder,
welche einer gegebenen Religionsgenossenschaft angehören, in Vergleich
gesetzt mit der Zahl sämtlicher Familienglieder, bestimmt den Teil
einer vollen Steuer, welcher für Kultuszwecke jener Genossenschaft
dem Familienhaupte auferlegt werden darf. Es wurde also damals kein
Anstand an einer solchen Behandlung genommen, wie sie in Solothurn
mit Genehmigung der Regierung praktiziert wird, und darin also auch
nicht eine Gewissensbelastung des bloss mit einem Bruchteil der Steuer
belegten andersgläubigen Familienhauptes erblickt. Das Teilungssystem
scheint denn auch gerecht und billig zu sein und ist jedenfalls weit
davon entfernt, eineVerletzung der verfassungsmässigen Garantie der
GlaubensundGewissensfreiheit darzustellen.

5. Als formell unzulässig erscheint das Eventualbegehren des Rekurrenten,
es möchte ihm mitgeteilt werden, welcher Eheteil, der Mann oder die Frau,
für die Kirchenfteuer belangt, eventuell betrieben werden könne. Das
Bundesgericht hat, wenn es sich umIII. Glaubensund Gewissensfreiheit. N°
M1. 685

die Verletzung verfassungsmässiger Rechte handelt, nach Art. 178
Ziff. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
OG nur gegenüber bereits vorliegenden kantonalen Verfügungen
oder Erlassen einzuschreiten, und es ist somit nicht seineAufgabe,
über eine möglicherweise in der Zukunft entstehende Streitigkeit ein
Gutachten abzugeben.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

111. Zweit vom 17. Yovember 1909 in Sachen Yilctett und Fteiwiclige
Million gegen Regierung-rat des Franken-guariti).

Verletzung der Glaubensund Gewissensfreiheit und zugleich der
Rechtsgleichheit durch ein den Anhängern einer bestimmten Sekte gegenüber
erlussenes, mit Strafandrohung verbundene-F Verbot des Kollektierens
anlässlich der Verteilung von Traktaten . Unzulässigkeit der Suòsumtion
dieses Tatbestandes unter den Begriff des Bettels, auch wenn erstellt
ist, dass die gesammelten Gelder von den kollektierenden Personen
teilweise zur Bestreitung des eigenen (bescheidenen) Lebensunter/taltes
verwendet werden. Vollmacht zur Vertretung juristischer Personen im
staatsrechtlichen Verfahren ; Art. 75
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
OG analog anwendbar?

A. In Zürich befindet sich eine Station der Freiwilligen Mission", einer
christlichen Vereinigung, die nach ihrer Erklärung im Gegensätze zur
Heilsarmee die religiöse Propaganda der sozialen Fürsorge voranstellt. Am
20. Januar 1909 wurde der Leiter der zürcherischen Station, Karl Wagner
von Wiesbaden, von der Justizund Polizeidirektion des Regierungsrates
des Kautons Zürich aus dem Kanton ausgewiesen, weil er seit längerer
Zeit als Evangelist der Freiwilligen Mission in Zürich und anderwärts
herumgebettelt habe. Als nun am 5. März 1909 die Kantonspolizei
rapportierte, dass Hermann Wilken von Jeddeloh in Oldenburg als Nachfolger
des ausgewiesenen Karl Wagner in Zürich Niederlassung genommen habe,
erliess die Direktion des Armenwesens am 9. März 1909 folgende Verfügung:
I. Der sogenannten
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 35 I 678
Datum : 06. Oktober 1909
Publiziert : 31. Dezember 1909
Quelle : Bundesgericht
Status : 35 I 678
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 678 A. Staatsreehtliehe Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. III. Glaubensund.


Gesetzesregister
BV: 46 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
OG: 75  178
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
frage • kirchgemeinde • bundesgericht • vater • weiler • bundesverfassung • kirchensteuer • regierungsrat • wille • mann • bruchteil • zahl • familie • gemeinde • dauer • mutter • gerste • eheliche gemeinschaft • elterliche gewalt • gesetzliche vertretung
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