606 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

69. glutei: vom 18. giovember 1908 in Sachen

Ferdinand von èn; Höhne, Bekl. u. Hauptber.-Kl., gegen Huld
Kl. u. Anschl.-Ber.-Kl.

Entschddigungsanspmch der Mutter bei Tod des unterstc'étzungspflichtigm,
ledigen Sohnes; Berechnung. Kapitalisierung der Unterstützungsrente. ZufaH
oder Verschulden des hafipflîchtigen Unternehmers? (Aussemcht-lasseez
von Schutzmassregeln.) Verzinsung der Haftpflichtentschädigung, speziell
bei vorbehaltlosem Anbieten einer Entschädigung.

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Prozesslage:

A. Durch Urteil vom 10. Oktober 1907 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn erkannt:

Die Beklagtschaft ist in Abänderung des Amtsgerichtsurteils von
Olten-Gösgen vom 17. Juli 1907 gehalten, der Klägerin zu bezahlen die
Summe von 3981 Fr. 80 Cts., nebst Zins zu 59/0 vom 21. Januar 1907.

B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig und formrichtig die
Berufung an das Bundesgericht erklärt mit den Anträgen:

1. Es sei in Aufhebung des oder-gerichtlichen Urteils zu erkennen,
das Klagebegehren sei ganz abgewiesen, eventuell soweit es den von der
Beklagten mit Schreiben vom 23. März 1907 der Klägerin zur Verfügung
gestellten Betrag von 1800 Fr. und die Entschädigung von 8 Fr. für
Beerdigungskoften übersteige.

2. Eventuell sei die Sache zur Aktenvervollständigung und zu neuer
Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen, in dem Sinne,
dass dasselbe-, vorgängig der Entscheidung, eine Expertise über die
mutmassliche Lebensdauer der Klägerin, sowie über die in Beweisfatz 18
der Duplik zum Beweise ver-stellten Tatsachen betreffend das Verschulden
der Beklagten, eventuell nach der einen oder nach der andern Richtung,
anzuordnen habe.

C. Die Klägerin hat sich dieser Berufung innert nützlicher
Frist angeschlossen und beantragt, das eher-gerichtliche Urteil
seiIH. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 69. 607

dahin abzuändern, dass die Beklagte ihr die eingeklagte Entschädigung von
4400 Fr. 80 CBS., nebst 50/0 Zins seit dem 21. Januar 1907, vollumfänglich
zu bezahlen habe, eventuell sei das obergerichtliche Urteil zu bestätigen.

D. In ihren Rechts-antworten haben die Parteien je auf Abweisung der
gegnerischen Berufung angetragen.

E. Während die Streitsache in der Berufungsinstanz hängig war, hat die
Beklagte beim solothurnischen Obergericht eine Neurechtsklage eingereicht,
mit den Begehren, das obergerichtkiche Urteil vom 10. Oktober 1907 sei
in der Weise abzuändern, dass

1. die darin gestützt auf Soldans Tabelle für gesunde Leben" ausgerechnete
Entschädigungssumme angemessen reduziert merde, da die Klägerin nicht
eine gesunde Person sei;

2. die Annahme eines Verschuldens der Beklagten verworfen und aus
diesem Grunde die zugesprochene Entschädigung um einen Zufallsabzug
gekürzt werde.

Es ist deshalb der Berufungsentscheid gemäss Art. 77 OG bis nach
Erledigung des Neurechtsverfahrens ausgesetzt worden.

Durch Urteil vom 26. September 1908 hat nun das Obergericht erkannt,
es seien nicht genugsam Gründe ins Recht geführt worden, um das Urteil
des Obergerichts vom 10. Oktober 1907 zu Gunsten der Revisionsklägerin
zu ändern.

F. Hieran hat die Beklagte in einem Nachtrag zur Berufungserklärung ihr
Berufungsbegehren dahin zu modifizieren erklärt, dass sie auf eine weitere
Expertise über die mutmassliche Lebensdauer der Klägerin verzichte, unter
dem Vorbehalt, dass bei Anwendung der Mortalitätstabelle für gefunde
Leben an der Entschädigungssumme mit Rücksicht auf die festgestellten
körperlichen Defekte der Klägerin aus Gründen der Billigkeit immerhin
ein erheblicher Abstrich zu machen sei.

Gr. Die Klägerin hat diesem Nachtrag gegenüber an ihrem Rechtsstandpunkte
festgehalten; ,

in Erwägung:

1. Gottlieb Huff, geb. 1884, der Sohn der am 30.April 1854 geborenen
Klägerin Wwe· Husj-V. Wartburg, erlitt als Zimmermann im Dienste des der
Gewerbehaftpflichtgesetzgebung unterstehenden Baugeschästs der beklagten
Firma Ferdinand Von Ar):

AS 34 n 1908 40

608 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

Söhne in Olten, am 21. Januar 1907 folgenden Unfall. Er war auf
einem 3 4 M. hohen Gerüst eines Neubaus in Olteu damit beschäftigt,
zirka 4 M. lange Laden, die von unten befindlichen Arbeitern aus der
Aussenseite des Gerüsts angelehnt wurden, zu sich heraufzuziehen, als er
kopfüber zu Boden stürzte und sich einen Schädelbruch zuzog, der seinen
augenblicklichen Tod zur Folge hatte. Die direkte Veranlassung seines
Sturzes ist nicht aufgeklärt, fest steht nur, dass das Gerüst mit etwas
Schnee bedeckt und deshalb glatt war, und dass sich darauf, hinter dem
Verunfallten gegen die Mauer gelehnt, mehrere Mansardenfenster (Oblichter)
von ziemlich grossem Gewicht befanden, deren eines nach dem Unfall
auf dem Gerüstboden lag. Das Gerüst hatte keine sogenannteBrustwehr,
die vor dem Herunterfalleu geschützt hätte-. Wegen dieses Unfalls ihres
Sohnes Gottlieb, der noch drei lebende Geschwister hat (Amalie, geb. 1879,
Jakob, geb. 1887, und Lisette, geb. 1892), hatdie Mutter Husi gegen seine
Arbeitgeberin gestützt auf Art.6
SR 611.0 Bundesgesetz vom 7. Oktober 2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) - Finanzhaushaltgesetz
FHG Art. 6 Jahresrechnung des Bundes - Die Jahresrechnung des Bundes umfasst:
a  ...
b  die Erfolgsrechnung;
c  die Investitionsrechnung;
d  die Geldflussrechnung;
e  die Bilanz;
f  den Eigenkapitalnachweis;
fbis  den Nachweis der Einhaltung der Schuldenbremse;
g  den Anhang.
FHG die mit ihrer Anschlussberufung
im vollen Umsange aufrecht erhaltene Entschädigungsforderung von 4400
Fr. 80 Cts., inklusive 8 Fr. Beerdigungskosten, eingeklagt-

2. Streitig ist nur die Höhe der der Klägerin gebührenden Entschädigung;
denn die Beklagte hat ihre Haftpflicht grundsätzlich anerkannt, indem
sie der Klägerin schon vor dem Prozessbeginn, mit Zuschrift vom 23. März
1907, unter ausdrücklicher Wahrung ihres Rechts, weitergehende Ansprüche
gerichtlich geltend zu machen, einen Entschädigungsbetrag von 1800
Fr. angeboten und dieses Angebot im Prozesse stets anfrechterhalten
hat. Zn diesem Sinne, d. h. mit Vorbehalt der danach als von Anfang an
ausser Streit befindlich betrachteten 1800 Fr., ist nämlich, laut der
Berufungsbegründung, auch das prinzipale Berufungsbegehren der Beklagten
um gänzliche Abweisung der Klage zu verstehenDie Differenzen der Parteien
betreffen die Grösse der als pflichtige Unterstützung zu betrachtenden
Verdienstquote, die Grundlage ihrer Kapitalisieruug, die Frage des
Zufallsabzuges und die Zinsberechnung.

a) In Anwendung des soloth ZGB, wonach (§ 510) die Kinder pslichtig
sind, ihre Eltern im Bedürfnisfalle nach ihrem Vermögen anständig
zu unterstützen, hat das Obergericht angenom-HI. Haftpflicht für den
Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 69. 609

men, dass der z. Zuseiues Todes 221,"I jährige, ledige Veruntallte mit
einem Jahresverdienst von 1232 Fr. (fùr 280 Arbeitstage zu 4 Fr. 40
Cts.) rechtlich verpflichtet gewesen ware, zunächst bis zu seiner
voraussichtlichen Verheiratung, deren Eintritt es mit der ersten
Instanz aus sein 29. Altersjahr angesetzt hat, 400 Fr., und hierauf
noch 200 Fr. per Jahr, an den Unter-halt der Klägenn beizusteuern. Die
Beklagte verlangt erhebliche Reduktion dieser heiden Ansätze und
Herabsetzung des Heiratsalters, während die Klagerin eine Erhöhung des
ersteren Ansatzes auf 440 Fr. mit Erstreckung bis zum 30.Altersjahr
des Verunfallten fordert. Nun kann aber dieser Unterscheidung einer
Periode vor und einer solchen nach der mutmasslichen Verheiraiung des
Getöteten mit zeitlich nbestimmter Abgrenzung und einmaliger Abstufung,
des Unterstutzungsansatzes auf den Zeitpunkt dieses Ereignisses,
überhaupt nicht beigepslichtet werden. Denn eine solche Unterscheidung
erscheint nicht nur in ihrer bestimmten Festlegung des voraussichtlichen
Heiratsalters des Verunsallten als durchaus willkürlich und unhaltbar,
weil in dieser Hinsicht jedes konkreten Anhaltspunites entbehrend,
sondern wird, mit der daran geknüpften einmaligen Abstufung des
Unterstützungsansatzes, den wirklichen Lebensvefhaltnissen auch
positiv nicht gerecht, indem die Unterstützungsmogtichkeit und damit die
Unterstützungspflicht eines Sohnes gegenuber seinen Eltern nicht mit dem
Eintritt seiner Verheiratung sosort auf das zukünftige Minimum sinkt,
sondern sich naturgemass von diesem Zeitpunkte an und mit der spätern
Vermehrung der neugegründeten Familie graduell vermindert. Die Vermeidung
augenscheinlicher Willkür in der Würdigung dieser ungewissen und genauer
Feststellung entzogenen Momente dürfte sich wohl am ehesten, wie bisher
üblich, durch Annahme eines, für die ganze mutmassliche Unterstützungszeit
einheitlichen Durchschnittsansatzes erreichen lassen, bei dessen Bemessung
der jeweiligen Möglichkeit der zukünftigen Verheiratung eines bei seinem
Tode noch ledigen Vernnfallten bloss in allgemeinem Sinne, gleich wie
den übrigen

dabei in Betracht fallenden Faktoren, Rechnung getragen wird,. Was die
Grösse dieses Ansatzes im gegebenen Falle betrifft, dürfte nach der
bisherigen Praxis, wenn berücksichtigt wird, dass der Ver-

dienst des Getöteten noch in etwelchem Masse hätte steigen können,

610 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

sowie auch, dass die neben ihm zum Unterhalt der Klägerin verpflichteten
drei Geschwister, nach den nicht aktenwidrigen Feststellungen des
kantonalen Richter-s über ihre Gesundheitsund Erwerbsverhältnisse, kaum
jemals erhebliche Unterstützungsbeiträge zu leisten imstande sein werden,
die Annahme einer Unterstützungsverpflichtung jenes von durchschnittlich
250 Fr. per Jahr, den Verhältnissen angemessen sein.

b) Was sodann die Kapitalisterung dieses jährlichen Unterstützungsbetrages
betrifft, macht die Beklagte geltend, dass die wahr- scheinliche
Lebensdauer der Klägerin mit Rücksicht auf deren bereits gestörte
Gesundheit nicht nach der nur für gesunde Leben geltenden Tabelle
bei Soldan (an welche die kantonalen Jnstanzen abgestellt haben)
bestimmt werden dürfe, sondern jedenfalls geringer (etwa, nach der
bei Karup,Handbuch der Lebensversicherung, dem die fragliche Sold
an'sche Tabelle entnommen sei, daneben aufgesührten Tabelle für
kranke Leben", auf bloss 16,5 statt, wie normal, auf 18,5 Jahre)
zu bemessen sei. Allein dieser Einwand wird ohne weiteres widerlegt
durch das im Neurechtsverfahren erhobene und vom Obergericht für die
Berufungsinstanz verbindlich berücksichtigte Erpertengutachten Denn die
Erperten haben ausdrücklich festgestellt, die bei der Klägerin vorhandenen
organischen Veränderungen (Lungenerweiternng leichten Grades, beginnende
Arterienverkalkung und eine geringe Veränderung an einer Herzklappe)
seien lediglich Alterserscheinungen, wie sie bei einer Grosszahl
von Menschen aufträten, und vermöchten wohl ihre Erwerbsfähigkeit zu
beeinträchtigen, dagegen sei unmöglich, vorauszubestimmen, dass dadurch
eine Verkürzung ihrer Lebensdauer bedingt werde. Es ist deshalb mit
dem kantonalen Richter die aus der Soldan'schen Tabelle ersichtliche
normale WahrscheinlichkeitsLebensdauer für die Klägerin, von rund 18
Jahren, in Rechnung zu setzen. Danach ergibt sich beim Rentenbetrag von
250 Fr. nach Soldans Tabelle II (zu 4%) ein Rentenkapital von 3164 Fr.
und mit Einschluss der 8 Fr. Beerdigungskosten ein Gesamtschadensbetrag
von 3172 Fr. --

e) Das Obergericht hat den von der Beklagten geforderten Zufallsabzug,
gemäss Art. 5 litt. a IHS, abgelehnt, indem es aus der Tatsache des
Fehlens einer Brustwehr an dem verhäng-IH. Haftpflicht' für den Fabrikund
Gewerbebetrieb. N° 69. 611

nisvollen Gerüst, dienach Biff. 10 einer Anleitung des eidg.
Fabrikinspektors zur Verhütung von Unfällen im Baugewerbe, vom 12. Februar
1898, erforderlich gewesen wäre und nach Annahme des Gerichts den
Absturz des Verunfallten verhindert hätte, ein Verschulden der Beklagten
abgeleitet hat. Demgegenüber behauptet diese in ihrer Berufungsbegründung,
die Anbringung einer solchen Brustwehr sei bei Gerüsten fraglicher Art
im Kanton Solothurn und speziell in Olten nicht üblich, die Brustwehr
wäre für die Arbeit des Verunfallten, bei welcher er abgestürzt sei,
hinderlich gewesen und hätte überdies den Unfall nicht verhindern
können, weil anzunehmen sei, dass sie durch das hinter dem Verunfallten
in Bewegung geratene schwere Oblicht, welches wohl die direkte Ursache
des Unfalls bilde, weggeschlagen worden wäre. Das Qbergericht hat jedoch
im Neurechtsverfahren gestützt auf die Aussagen der Zeugen Otto Nünlist
und Theodor Flury aktengemäss und für den Berufungsrichter verbindlich
festgestellt, dass die Arbeit des Verunfallten (Heraufziehen der Laden)
durch eine Brustwehr des Gerüsts weder verunmöglicht,noch auch nur
erschwert worden ware. Ferner hat es die angebliche Nichtüblichkeit
dieser Schutzvorrichtung angesichts der sie ausdrücklich vorschreibenden
Anordnung der zuständigen Aufsichtsbehörde mit Recht als unerheblich
erachtet. Und die zur Bestreitung der Kausalität des Fehlens einer
Brustwehr für den Unfall aufgestellte Behauptung, dass eine solche
Brustwehr durch das in Bewegung geratene Oblicht weggeschlagen worden
ware, fällt abgesehen von der Frage ihrer prozessualen Zulässigkeit, da
sie sich in dieser bestimmten Formulierung erst in der Verufungsbegründung
(Nachtrag) findet -jedenfalls deswegen ausser Betracht, weil keineswegs
feststeht, ob das nach dem Unfall auf dem Gerüstboden liegende Oblicht"
wirklich durch direktes Umstürzen (Umkippen) oder nicht vielmehr durch
blosses Ausgleiten seines Fusses auf dem schneebedeckten Gerüste, wobei
eine Berührung der Brustwehr wohl nicht möglich gewesen wäre, in diese
Lage gekommen ist. Es muss somit der obergerichtlichen Beurteilung der
Verschuldensfrage ohne weiteres beigetreten und die von der Beklagten
in diesem Punkte auch nachträglich noch verlangte Beweisergänzung als
überflüssig abgelehnt werden. Auch ein anderweitiger Abzug von

612 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichîsînstanz.

der festgestellten Schadenssumme rechtfertigt sich bei Bestimmung
der zuzusprechenden Entschädigung nach den Umständen des Falles
nicht. Jnsbesondere kann von einem solchen Abzug mit Rücksicht auf die
Kränklichkeit der Klägerin, wie ihn die Beklagte in ihrem Nachtrage zur
Berufungserklärung fordert, nicht die Rede sein, da dieses Moment nach dem
sub b oben ausgeführten überhaupt nicht als relevant erachtet werden kann.

d) Uber die Zinspflicht endlich ist zu bemerken: Die Verzinsung der
Haftpflichtentschädigung hat grundsätzlich vom Unfallstage an zu erfolgen,
weil es sich dabei nicht um einen Verzug-szins im Sinne des Art. 119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.

OR, sondern vielmehr um einen, nach Gesetz zum vollen Schadensersatz
gehörenden Schadenszins handelt (vergl. Hafners Kamm. zu Art.119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.

OR, Anmerkung 1b). Und zwar ist hiefür der bisher übliche Zinsfuss
von 5% zuzulassen, aus der Erwägung, dass der mangels sofortiger
Absindung vor deren Eintritt zu anderweitiger Geldbeschafsung genötigte
Entschädigungsberechtigte zur Zeit im allgemeinen wohl einen so hohen Zins
wird entrichten müssen. Danach aber kann der Entschädigungsberechtigte
diesen Schadenszins nicht fordern, wenn und so- weit er eine ihm
vorbehaltlos unbeschadet seiner vermeintlich weitergehenden Ansprüche
angebotene Anzahlung ablehnt, wie die Klägerin dies hinsichtlich der
ihr am 23. März 1907 zur Verfügung gestellten 1800 Fr. getan hat Für
solche Entschädigungsbeträge schuldet der Haftpflichtige vielmehr nur
den laufenden Geldzins, welcher hier auf 40Jz anzusetzen ist. In diesem
Sinne bedarf das obergerichtliche Zinsendispositiv der Berichtisung; --

erkannt:

Jn teilweiser Gutheissung der Hauptberusung der Beklagten wird die
von dieser an die Klägerin zu bezahlende Entschädigung, in Abänderung
des Dispositivs 1 des Urteils des soloth.Obergerichts vom 10.0ktober
1907, herabgesetzt ans insgesamt 3172 Fr., nebst Zins zu 50.-z: vom
21.Januar bis 23. März 1907, und seither zu 40/0 von 1800 Fr. und
zu 50/0 vom Restbetrage. Im übrigen wird das obergerichtliche Urteil
bestätigt.Il]. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° TO. 613

70. ger-teu vom 25. Vereins-er 1908 in Sachen Brauerei Watt-edi,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen gflüuer-Essommen KI. u. Ber.-Bekl.

Art. 4 Nov. 2. F HG, Hilfsarbel't. (Arbeit? am Eiswerk einer Brauerei.)

Das Bundesgericht hat da sich ergibt:

A. Durch Urteil vom 28. August 1908 hat das Appellationsgericht Baselstadt
erkannt:

Beklagte wird zur Zahlung von 3853 Fr. 45 Cts. nebst BO,-fo Zins seit
22. August 1908 an Kläger ver-urteilt.

Die erste Instanz, das Zivilgericht Baselstadt, hatte durch Urteil
vom 16. Juli 1908 die Klage im Betrage von 4053 Fr. 45 W. nebst Zins
gutgeheissen.

B. Gegen das Urteil des Appellationsgerichts hat die Beklagte die
Berufung ans Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag: Es sei die Klage
gänzlich abzuweisen

C. In der heutigen Berufungsverhandlung vor Bundesgericht hat der
Vertreter der Veklagten diesen Antrag wiederholt und begründet. Der
Vertreter des Klägers hat auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils angetragen; --

in Erwägung:

1. Der im Jahre 1878 geborene Kläger stand als Maler im Dienste der
Beklagten, der Brauerei Warteck, wo er mit andern ständig angestellten
Malern gewisse Malerarbeiten an den Liegenschaften der Beklagten, sowie
das Anstreichen von Jnventarstücken, Viiffets, Gartenmöbel, Eiskästen
usw. zu besorgen hatte. Als er am 17. Juni 1907 am neuen Eiswerk der
Beklagten mit dem Anstreichen des Dachgesimses beschäftigt war, brach
eine Sprosse der Leiter, auf der er stand; er stürzte infolgedessen hinab
und zog sich Verletzungen am rechten Fuss zu. Der Kläger belangte aus
diesem Unfall die Beklagte auf Zahlung einer Haftpflichtentschädigung
von 4932 Fr. nebst 5% Zins seit 17. Juni 1907. Die Beklagte wendete ein,
dass die Arbeit, bei welcher der Kläger
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Document : 34 II 606
Date : 18. Januar 1908
Published : 31. Dezember 1908
Source : Bundesgericht
Status : 34 II 606
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 606 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivilgerichtsinstanz. 69.


Legislation register
FHG: 6
OG: 77
OR: 119
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