266 A Entscheidungen des Bundesgerichis als oberster Zivilgerichlsinstanz.

30. guten vom 2. guai 1908 in Sachen gasbeleuchtungggesellschaft xman,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen 33mm, KL, Ver-Beil n. Anschl.-Ber.-Kl.

Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR : Haft des Gesehàftsherm. Unfall infolge ungenügender
Beleuchtung und Absperrng eines Strassengmhens. Tatsäch-- tiche
Feststellungen Erfordernisse des sogen. Entlastungsòewee'ses.
Heike des Sahadgns (Beinbru ch) : Momente für Verminderung der
Erwerbsfdlzssigkeit. Mitverschulzlen ,Abzug für Kapitalahfindlmg.

A. Durch Urteil vom 25. Januar 1908 hat das Obergericht des Kantons
Aargau erkannt:

Die Beklagte ist schuldig dem Kläger zu bezahlen:

a) 5100 Fr. nebst Zins zu 5% seit 8. Dezember 1905,

b) 1000 Fr. nebst Zins zu 50/0 seit 11. Juni 1906.

B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig und formrichcig die
Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Abweifung
der Klage. Der Kläger hat sich d_er Berufung rechtzeitig und formrichtig
angeschlossen mit dem Antrage:

Es sei die beklagte Partei schuldig zu erklären, dem Kläger zu bezahlen:

a) 6600 Fr., eventuell 6300 Fr., plus Zins à 5% seit 8. Dezember 1905,

b) ausserdem 1250 Fr. samt Zins à 5 0/9 seit 11.Juni 1906.

C. In der heutigen Verhandlung haben die Vertreter der Parteien je
Gutheissung der eigenen und Abweisung der gegnerischen Berufung beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Am 8. Dezember 1905, abends gegen 6 Uhr, fiel der Klager, als er,
Von dem Geschästslokal der Firma Dumper .Se Eie. kommend, gegen die
Metzgergasse zuging, in einen von Arbeitern der Beklagten ausgeworfenen,
zirka 80 Em. tiefen Graben. Die Stelle war weder abgesperrt noch
speziell beleuchtet.Der Kläger brach beim Sturze beide Knochen des
rechten llnterschenkels. Er war bis Ende Januar gänzlich arbeitsunfähig
und konnte auch im Früh-III. Obligationenrecht. N° 30. 267

jahr die ihm obliegenden Geschäftsreifen noch nicht ausführen.
Die bleibende Folge des Unfalls ist eine Verkürzung des rechten Beines
um 33 Mm.

Eine auf Veranlassung des Klägers gegen den Direktor der Beklagten wegen
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eingeleitete Strafunterfuchung
endigte mit dem Freispruch des Beanzeigten durch Urteil des Obergerichts
vom 10. November 1906; ebenso wurden, letztinstanzlich durch Urteil des
Obergerichts vom 24. April 1907, auch die beiden Arbeiter freigesprochen,
welche zur Zeit des Unfalls am Graben beschäftigt waren und die Anbringung
eines Signallichtes unterlassen hatten.

Inzwischen hatte Biland auch die vorliegende Zivilklage erhoben, mit
welcher er ursprünglich folgende Entschädigungen verlangte:

2025 Fr. für vorübergehende Arbeitsunfähigkeit;

12,000 Fr. für dauernde Verminderung der Arbeitsfähigkeit;

404 Fr. für ärztliche Behandlung und Kurkosten.

Jn rechtlicher Beziehung wird die Klage aus Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
und 67
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 67 - 1 Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39
1    Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39
2    Besteht die Bereicherung in einer Forderung an den Verletzten, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Bereicherungsanspruch verjährt ist.
OR gestützt;
ferner auch auf % 11 Abs. 1 der Konzession der Beklagten, welcher [anteit

Alle in den Strassen vorzunehmenden Arbeiten, wie Aufzbrücha
Erdbewegungen, Absperrungen usw., dürfen nur nach rorheriger Anzeige an
die Polizeibehörde und soweit sie banlicher Natur find, unter Aussicht des
städtischen Bauamtes ausgeführt werden und es hat sich die Gesellschaft
den polizeilichen Anordnungen mit Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit
und eine ungesäumte Wiederherstellung des unterbrochenen oder beschränkten
Verkehrs zu unterziehen; sie ist auch für allen Schaden, welchen die
Anlagen für die Gasabgabe und jede mit ihr in Verbindung stehende Arbeit
verursachen, verantwortlich.

Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Abweisung der Klage wird damit
begründet, dass die Beklagte alle erforderliche Sorgfalt zur Vermeidung
von Unfällen angewendet habe und dass der dem Kläger zugestossene Unfall
auf Selbstverschulden zurückzuführen fei, da der Kläger im kritischen
Zeitpunkt nach feiner eigenen Aussage nicht auf die Strasse, sondern
nach den Häufern hinauf geschaut habe.

268 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgerichtsinstanz.

2. In Bezug auf die tatsächlichen Umstände, unter denen sich der Unfall
ereignet hat, enthalten die beiden Strafurteile des Obergerichts, sowie
das heute angefochtene Zivilurteil folgende Feststellungen :

Das Obergericht hat zunächst in seinem Strafurteil vom 10. November 1906
erklärt, es sei nicht üblich, Gräben von geringer Tiefe, welche bestimmt
seien, bald wieder eingedeckt zu werden abzusverrenz es habe denn auch der
städtische Bauderwalter, der die Arbeiten besichtigt hatte, eine solche
Absperrung nicht für nötig erachtet. Was die Beleuchtung betreffe, so sei
durch die Augenzeugen allerdings konstatiert, dass dieselbe ungenügend
war. Ansschlaggebend sei jedoch, dass die Arbeiter der Beklagteu vom
Direktor oder Gasmeister oder von den jeweiligen Monteuren allgemein
dahin instruiert worden waren, bei Grabungen auf Strassen Lichter
anzubringen, sofern die öffentliche Beleuchtung nicht ausreichend
sei. Auch sei der Kausalzusammenhang zwischen dem Nichtanbringen eines
Signallichtes einerseits-, und dem eingetretenen Unfall, anderseits-,
dadurch unterbrochen, dass der Kläger nach seiner eigenen Aussage es
nicht für nötig erachtet habe, seine Augen auf die Strasse zu richten,
sondern an die Häuser hinauf geschaut habe.

Jn seinem Strafurteil vom 24. April 1907 sodann hat das Obergericht
ebenfalls konstatiert, dass die Beleuchtung nicht eine hinreichende war.

In dem heute angefochtenen Zivilurteil endlich hat das Obergericht
erklärt, eine Absperrung sei mit Rücksicht auf die kurze Dauer der
Arbeiten nicht notwendig gewesen und sei in solchen Fällen wohl auch
nicht üblich. In Bezug aus die öffentliche Beleuchtung enthält das
angefochtene Urteil nur die Bemerkung, der vorliegende Fall beweise,
dass die Beleuchtung von den öffentlichen Bogenlampen her genügend war,
alle andern Passanten (mit Ausnahme des Klägers) Über die Situation
aufzuklären In Bezug auf das Verhalten des Klägers vor dem Unfall wird
in diesem Urteile auf jene Aussage des Klägers (er habe em die Häuser
hinauf- geschaut) kein entscheidendes Gewicht mehr gelegt; dagegen wird
konstatiert, dass der Kläger kurzsichtig war.

3. Über die Frage, welche tatsächlichen Feststellungen dem
Ur-.... Obligatiunenrecht. N° 30. 269

teile des Bundesgerichtes zu Grunde zu legen seien, ist folgendes
zu sagen: Grundsätzlich hat das Bundesgericht von den tatsächlichen
Feststellungen des angefochtenen Zivilurteiles auszugehen, wie denn auch
der Zioilrichter bei der Beurteilung der Frage, ob der Tatbestand des
Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
oder 67 OR vorliege, an die Beurteilung der strafrechtlichen
Seite des Falles durch den Strafrichter nicht gebunden ist. Soweit nun
aber im vorliegenden Falle das ange-

. fochtene Zivilurteil tiber einzelne Punkte keine ausdrücklichen tat-

sächlichen Feststellungen enthält, ist anzunehmen, der kantonale
Zivilrichter habe die von ihm selber einige Zeit vorher in seiner
Eigenschaft als Strafrichter konstatierten Tatsachen als der Wirklichkeit
entsprechend betrachtet, ansonst er seine Meinungsänderung zum Ausdruck
gebracht haben würde.

Darnach ist in tatsächlicher Beziehung davon auszugehen, dass die
Arbeiter der Beklagten ein für allemal dahin instruiert worden waren,
bei Grabnngen auf Strassen Lichter anzubringen, sofern die öffentliche
Beleuchtung nicht ausreichend sei; ferner, dass am Tage des Unfalls die
öffentliche Beleuchtung an der kritischen Stelle in der Tat nicht genügend
war, um die Anbringung einer Signallaterne überflüssig zu machen. Als
feststehend ist sodann auch zu betrachten, dass der Kläger kurzsichtig
war, sowie dass er unmittelbar vor dem Unfall nicht auf die Strasse,
sondern an die Häuser hinauf geschaut hatte.

Über die Frage, ob den beiden am Graben beschäftigten Arbeitern
speziell am Tage des Unfalls befohlen worden war, bei eintretender
Dunkelheit eine Signallaterne anzubringen, finden sich in den
verschiedenen eher-gerichtlichen Urteilen keine ausdrücklichen
Feststellungen. Entscheidend ist aber in dieser Beziehung, dass der
Direktor der Beklagten bei feiner Einvernahme in der Strafuntersuchung,
bei welcher Gelegenheit er alle zu Gunsten der Beklagten sprechenden
Momente hervorhob, selber nicht behauptet hat, eine soche spezielle
Instruktion habe stattgefunden. Er hat im Gegenteil damals erklärt,
der Unfall sei die Folge einer unglücktichen Verquickung verschiedener
Umstandes-J insbesondere des Umstandes, dass noch nach 4 Uhr Abends
Arbeiter von der kritischen Stelle weggenommen worden waren, worauf

270 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster
Zivilgeeîchtsinstanz.

es zurückzuführen sei, dass die Arbeit bis in die Dunkelheit dauerte.

4. Wird auf Grund dieses Tatbestandes die Anwendbarkeit von Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR
geprüft (diejenige von Art. 67 ist jedenfalls deshatb ausgeschlossen,
weil die Beklagte nicht als Eigentümer-in des allenfalls als Werk
aufzufassenden Grabens erscheint), so ist zunächst zu sagen, dass der
Unfall zum grössten Teil auf das Nichtanbringen eines Signallichtes
durch die beiden Arbeiter zurückzuführen ist. Diese Unterlassung war eine
schuldhaste, da festgestellt ist, dass den Arbeitern der Beklagten ein für
allemal befohlen worden war, bei eintretender Dunkelheit allfällig noch
nicht wieder aufgestellte Gräben mit einer Laterne zu versehen. Die beiden
Arbeiter waren sich denn auch der durch ihre Unterlassung geschaffenen
Gefahr bewusst; denn sie warnten die Passanten durch Achtungsrufe, den
Kläger allerdings zu spät. Es liegt somit jedenfalls ein Verschulden
der beiden Arbeiter vor und es braucht daher die Frage, ob Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR
ein Verschulden des Angestellten oder Arbeiters- voraus-setze anlässlich
des vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden.

5. Was sodann den in Art. 62 vorgenommenen Entlastungsbeweis betrifft,
so ist an denselben, wie sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt
(vergl. die Worte alle erforderliche Sorgfalt-X ein strenger Massstab
zu legen Jus-besondere ist die Frage, ob der Entlastungsbeweis erbracht
seiWer Frage zu identifizieren, ob den Prinzipal ein mit dem Schaden
k-ausales Verschulden treffe Wenn es also auch richtig ist, dass dem
Direktor eines Gaswerkes nicht zugemutet weiden kann, kleinere Arbeiten
auf dem Strassengebiet persönlich zu leiten oder persönlich zu überwachen,
wie das Obergericht in seinem Strasurteil vom 10. November 1906 betonte,
und wenn es auch denkbar ist, dass der Unfall sich trotz Anbringens eines
Signallichtes ereignet haben könnte, da der Kläger seinen Blick nicht
beständig auf die Strasse gerichtet hatte, so ist damit noch keineswegs
gesagt, dass der in Art 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR vorgesehene Entlastungsbeweis geleistet
worden sei Die Haftung des Geschaftsherrn zessiert nicht schon dann,
wenn die Unterlassung gewisser Vorsichtsmassregebl mit Ruckficht auf
besondere Berumstandungen entschuldigt werden

III. Obligationenrechi. N° 30. 271

kamt oder wenn es denkbar ist, dass der Schaden auch sonst einss

getreten wäre, sondern nur dann, wenn tatsächlich alle zur Ver-

meidung des schädigenden Ereignisses geeigneten Vorkehren gesi

troffen worden sind.

Wie nun der Direktor der Beklagten in der Strafuntersuchuug selber
erklärt hat, waren am Tage des Unfalls in später Nachmittagsstunde von
der kritischen Stelle Arbeiter weggenommen worden, sodass die Arbeit
bis in die Dunkelheit hinein dauerte. Den einen der beiden Arbeiter,
welche im Momente des Unsalls zugegen waren, hatte sogar der Direktor
persönlich auf den Platz geschickt. Unter solchen Umständen hätte
aber auf die Möglichkeit, dass die Arbeit vor Eiubruch der Dunkelheit
nicht beendigt sein würde, Rücksicht genommen und daher den Arbeitern
eine Signallaterne mitgegeben werden sollen; auch hätte der Direktor,
als er eine halbe Stunde vor dem Unfall in Begleit des städtischen
Bauverwalters vorbeikam (wie er selber bezeugt hat), die Arbeiter aus
die Notwendigkeit des Anbringens eines Lichtes aufmerksam machen können;
denn in diesem Momente stand das Einbrechen der Dunkelheit, wenn es
nicht bereits stattgefunden hatte, dochjedenfalls unmittelbar bevor.

Jst aber hienach seitens der Beklagten nicht allessgeschehen, was zur
Vermeidung des Unfalls geeignet gewesen ware, so erweist sich der in
Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR vorgesehene Entlastungsbeweis als gescheitert. Es hat daher
die Beklagte für die Folgen des dem Kläger zugestossenen Unfalles
grundsätzlich aufzukommen

Bei dieser Sachlage braucht auf die Erörterung der Frage, ob sich eine
Haftung der Beklagten auch aus § il ihrer Konzession ergeben hätte, und
ob gegenüber dieser Bestimmung ein Entlastungsbeweis zulässig gewesen
wäre, nicht eingetreten zu werden.

6. Was die Höhe des dem Kläger erwachsenen Schadens betrifft, so liegt
zunächst in Bezug aus die dauernde Verminderung seiner Erwerbsfähigkeit
keine Veranlassung vor, vom Befunde der gerichtlichen (Experten, welchem
sich beide Vorinstanzen angeschlossen haben, abzuweichen. Allerdings
isi, wie die Beklagte mit Recht betont, die hier zu entscheidende
Frage keine rein medizinische, da es sich dabei nicht, wie z. B. oft
in Bersicherungsprozessen (vergl. AS 32 II S. 660), nur darum handelt,
die Verminderung der

272 A. Entscheidungen des Bundesgerichis als oberster
Zivilgerichisinstanz.

körperlichen Validität und die daherige Verminderung der abstrakten
Erwerbsfähigkeit abzuschätzen, vielmehr eine Berücksichtigung der
konkreten Erwerbsverhältnisse, insbesondere der Berufstätigkeit des
Verletzten geboten ist. Die konkreten Erwerbsverhältnisse und der Beruf
des Klägers sind nun aber von den Experten, und mit ihnen auch von der
Vorinstanz, berücksichtigt worden, was unter anderm aus dem Schlusssatze
des Expertenberichtes, in welchem auf die Reisetätigkeit des Klägers
ausdrücklich Bezug genommen wurde, ersichtlich ist. Dass wirklich die
Behinderung des Klägers im Gebrauche seiner Beine für ihn zugleich eine
wesentliche Behinderung in der Ausübung seiner Berufstätigkeit bedeutet,
ergibt sich übrigens unter anderm auch aus der Zengenaussage des einen
Inhabers der Firma Gebr. Gerber, bei welcher der Kläger angestellt
ist. Darnach wurde einem andern Reisenden, welcher im Jahre 1907, wie
der Kläger, ein Salär von 3000 Fr. bezog, für das Jahr 1908 ein solches
von 4000 Fr. zugesichert, wobei jedoch der Zeuge ausdrücklich beifügte,
dieser andere Reisende sei aber sehr mobil und könne über Berg und Tal,
was beim Käseeinkauf wesentlich in Betracht falle.

Dass der Erwerb des Klägers tatsächlich seit dem Unfall nicht
zurückgegangen ist und dass dessen Prinzipale unter Umständen fogar
geneigt waren, sein Salär zu erhöhen (was sich aus der Aussage des Zeugen
Gerber ergibt), ist kein (Hr-und, die Verminderung der Erwerbsfähigkeit
in Abrede zu stellen. Denn nichts biirgt dem Kläger dafür-, dass er stets
bei seinen jetzigen Prinzipalen werde bleiben können. Jst er aber einmal
genötigt, sich eine andere Stelle zu suchen, so wird seine Invalidität
zweifellos nachteilig ins Gewicht fallen.

7. Liegt somit keine Veranlassung vor, die Verminderung der
Erwerbsfähigkeit des Klägers niedriger einzuschätzen, als die Vorinstanz
es getan, so ist anderseits auch dem Begehren des Klägers, es möchte
die Jnvaliditätsquote auf 14 iiatt auf 131/9 0/0 festgesetzt werden,
keine Folge zu geben. Denn wenn die (Experten die Verminderung der
Erwerbssähigkeit des Klägers aus Jst-is 14 0/0 geschätzt haben, so war
es für den Richter, sofern er die Erwägungen der Experten billigte,
in der Tat das natürlichste, seiner Rechnung den Ansatz von 312 0/0 zu
Grunde zu legen-III. Obligatmnenrecht. N° 30. 273

Es handelt sich hier so wie so um eine blosse Wahrscheinlichkeitsrechnung,
weshalb es durchaus gerechtfertigt war, beim Vorliegen zweier in gleicher
Weise auf Richtigkeit Anspruch erhebender Ziffern deren Durchschnitt
als massgebend zu wählen.

Dass der Kläger zur Zeit des Unfalls, Gratifikation und Unterhalt während
seiner Reisen inbegriffen, zirka 4000 Fr. per Jahr verdiente oder,
genauer gesagt, zu verdienen im Begriffe war, wird von den Parteien
übereinstimmend angenommen und entspricht auch den Feststellungen
der Vorinstanz. Irgend ein Grund zu der Annahme, dass der Kläger in
absehbarer Zeit bedeutend mehr oder bedeutend weniger verdient haben
würde, liegt nicht dor. Unbestritten ist sodann, dass der Kläger im
Momente des Unfalls gegen 4.1 Jahre alt war. Es ergibt sich somit bei
einer jährlichen Erwerbseinbusse von 540 Fr. (: 13 !I 0/0 von 4000
Fr.) nach Soldan, Tab.111 ein Kapital von 54X 157 Fr. 62 (Els. = 8511 Fr.

Von diesem Betrage hat die Vorinstanz mit Recht für die Vorteile
der Kapitalabfindung und für das allerdings nicht sehr grosse
Mitverschuldendes Klägers einen gewissen Prozentsatz abgezogen. Das
Mitverschulden des Klägers ergibt sich aus der im obergerichtlichen
Strafurteil vom 10. November 1906 festgestellten und im angefochtenen
Zivilurteile nicht als unrichtig bezeichneten Tatsache, dass der Kläger
es im Momente des Unfalls nicht für nötig erachtet hatte, seine Augen
auf die Strasse zu richten. Dabei ist zu bemerken, dass der Kläger mit
Rücksicht auf seine Kurzsichtigkeit zu Anwendung vermehrter Aufmerksamkeit
Anlass hatte.

Der von der Vorinstanz für Mitverschulden gemachte Abzug von 20 % mag
vielleicht etwas hoch erscheinen, denn der Kläger durfte in Ermangelung
irgendwelcher zur Wahrung geeigneter Vorrichtungen annehmen, es sei
die öffentliche Strage, auf welche er sich, aus einem beleuchteten
Geschäftslokal heraustretend, soeben begeben hatte, gangbar und
ungefährlich. Doch fällt anderseits in Betracht, dass der Kläger seit dem
Unfall nun schon zirta zwei Jahre denjenigen Gehalt bezieht, welcher ihm
vor dem Unfall vertraglich zugesichert worden war, sodass er also während
diesen zwei Jahren tatsächlich keine Erwerbseinbusse erlitten hat. Ferner

AS 34 u tgos 18

274 A. Entscheidungen des Bundesgeriohts als oberster
Zivilgeriehtsinstanz.

ist von der Vorinstanz unter dem Titel der Entschädigung für
vorübergehende Arbeitsunfähigkeit u. a. ein Betrag von 200 Fr.
für Verdienstausfall im Dezember 1905 berechnet worden, walzrend doch
keineswegs feststeht, dass der Kläger damals, d. h. unmittelbar vor dem
Zeitpunkt, auf welchen er bei Gebr. Gerber eintreten sollte, tatsächlich
einen Verdienst hatte.

Wäre hienach die dem Kläger vorinstanzlich zugesprocheneIGk
samtentschädigung von 6100 Fr. einerseits etwas zu erhehert, anderseits
aber etwas herabzusetzen, so rechtfertigt es sich mit Rücksicht darauf,
dass es sich bei der Festsetzung der Entschuldigung überhaupt nur um
eine approximative Richtigkeit handeln tanu, das Urteil der Vorinstanz
in seinem Dispositiv zu bestätigen. Denn in Bezug auf die übrigen Posten
der Schadensrechnung (400 Fr. Heilungskosten, 250 Fr. Verdienstausfall
im Januar 1906, 150 Fr. Verdienstausfall im Februar-, 250 Fr Wegfall
der Frühlingsreisetour, während welcher der Kläger aus Kost und Logis
Anspruch gehabt hatte) liegt keine Veranlassung vor, vom Urteile der
Borinstanz abzuweichen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufungen beider Parteien werden abgewiesen und das Urteil des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 25. Januar 1908 bestätigt.

31. Arrèt du 9 mai 1908 dans la cause Oberson, dem. et rec., contre
Galley, déf. et int.

Art. 50 et suiv. GO : mort d'une personne, survenue en cours deroute,
à la suite d'une congestion cerebrale et pulmonaire causeepar le froid;
responsabilité du compagnon de route.

A. Le 1" mars 1906, Joseph Oberson, fermier à Grangettes et Simon Galley,
propriétaire à La Neirigue, s'étaient trouvés ensemble à la foire de
Bulle. A leur retour, le meme soir, ils se retrouvèrent, entre 5 et 6
heures, à l'auberge de la Couronue à Säles, où ils se mirent à. boire
en compagnie deill. Obligationenrecht. N° 31. 275

piusieurs autres personnes. Il fut convenu que Galley profiterait du
char d'Oberson pour rentrer par Estérenens et Grangettes. Entre 7 4/2
et 7 3/4 heures, ils se mirent en route par une raffale de pluie et de
neige. Oberson, quoiqu'il fùt dans un état d'ivresse assez prononcé,
prit les rénes et "les conserva jusque dans le voisinage de la mécanique
Charrière. Là, Galley dut, dit-il, les prendre lui-meme par le motif
qu'Oberson, vn son état d'ivresse, s'endormeit et n'était plus 5. meme
de conduire. Le vent soufflait en tempéte, accumulant la neige dans les
chemins. A un moment donné, au somissnet de la rampe qui se trouve à. la
sortie du territoire de Rueyres, du còté d'Estévenens, à un endroit où le
chemin est encaissé et, des lors, particulièrement exposé à l'accumulation
de la neige, le Cheval s'embarrassa, et refusa d'avancer. Galley raconte
qu'à ce moment tous deux descendirent du char, et qu'après de longs
efiorts inutiles, il proposa lui-meme à Oberson de dételer le cheval et
de l'emmener à la, maison, vu l'impossibilité de' dégeger le char ce
soir-là. Il ajoute qu'Oberson, au lieu de suiere ce conseil, s'irrita
et se mit à frapper son Cheval à coups redoublés. Ge que voyant, Galley
partit seul à pied en emportant la pèlerine d'Oberson et la couverture
du Cheval. Quoi qu'il en soit, à 9 heures, Galley frappeit à la parte de
la. maison de Joseph Oberson, ffeu Cyprien, dit à Sulpice, à Estévenens,
et priait celui-ci d'aller au secours de son compagnon. Joseph Oberson à
Sulpice alla lui-meme quérir l'aide deson voisin et cousin Louis Oberson,
avec lequel il se rendit sur les lieux. Galley, de son còté, partii;
dans la direction de Grangettes, mais non sans avoir insisté auprès de
Joseph Oberson à Sulpice pour que celui-ci prétàt réellement le secours
demandé. Galley allait directement à Grangettes annoncer a la famille
d'Oberson la détresse où se traut-alt son chef.

Pendant ce temps, soit quart d'heure après leur départ, d'Estévenens,
Joseph Oberson à Sulpice et Louis Oberson arrivèrent à l'endroit indiqué
par Galley. Il trouvèrent le char d'Oberson renversé et le cheval
couché sur le dos dans ses limonières brisées. Ils n'aperqurent pas,
tout d'a'oord, Oberson
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 34 II 266
Datum : 02. Januar 1908
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 34 II 266
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 266 A Entscheidungen des Bundesgerichis als oberster Zivilgerichlsinstanz. 30. guten


Gesetzesregister
OR: 62 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
67
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 67 - 1 Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39
1    Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39
2    Besteht die Bereicherung in einer Forderung an den Verletzten, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Bereicherungsanspruch verjährt ist.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aargau • aids • annahme des antrags • arbeitnehmer • arbeitsunfähigkeit • ausgrabung • beendigung • beklagter • berechnung • berg • bewilligung oder genehmigung • bezogener • bundesgericht • dauer • eigenschaft • entlastungsbeweis • entscheid • erwachsener • erwerbsausfall • frage • freispruch • gaswerk • gewicht • gratifikation • inserat • kapitalabfindung • kausalzusammenhang • leiter • mais • obliegenheit • rampe • reis • richterliche behörde • richtigkeit • sachverhalt • schaden • selbstverschulden • stelle • strafuntersuchung • sturz • tag • treffen • uhr • uno • verhalten • vorinstanz • vorteil • weiler • zeuge • zins