ZIVILREGHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTIGE GIVILEA. Entscheidungen
des Bundesgerichts als oberster Zivilg'eriehtsinstanz. Arrèts rendus
par le Tribunal fédéral comme instance de reeours en matière civile.

(Art. 55 , 56 is., 86 ff., 89 ff., 95 &. OG.)I. Zivilstand und Ehe. Etat
civil et mariage.

1. aus-zag ans dem an,-tet! vom 19. Februar 1908 in Sachen gm,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen gg., Kl. u. Ver.-BM.

Ehesoheîdung. Ehebruch als Ehescheieiungsgrumi,A1-t. 46 Zitt. a, ZEG.
Kiagverjährung (oder wes-inweng speziell bez" Durchfssiéàmmg einer
Strafklage wegen Ehebruches. Die Strafklage untm'brt'cht die Klagefz'ist
nicht.

Tatbestand: Der Kläger leitete gegen seine Ehefrau, die während
ihrer Abwesenheit vom ehelichen Domizil ein Kind geboren hatte,
einen Statusprozess, sowie Ende Dezember 1905 Strafklage wegen
Ehebruches ein. Das Strafverfahren endigte am 8. Juni 1906 mit der
Schuldigerklärung der Ehefrau. Am 18. November 1906 reichte alsdann der
Kläger Ehescheidnngs-

AS 34 H 1908 I

2 A. Entscheidungen des Bundesgerîchts als oberst-er Zivilgerichtsinstanz.

klage, u. a. gestützt auf Art. 46 litt. a BED, ein. Im Gegen satz zum
Obergericht des Kantons Luzern hat das Bundesgericht die Klage als
verwirkt erklärtzmit folgender Begründung:

Art. 46 litt. a ZEG schreibt vor, dass die Ehe an Begehren eines der
Ehegatten wegen Ehebruchs getrennt werden muss, sofern nicht mehr
als sechs Monate verflossen find, seitdem derbeleidigte Teil davon
Kenntnis erhielt (so auch § 1571 desdeutschen BGB und Art.137 des neuen
schweizerischen ZGB).. Aus der Tatsache der Einreichung seiner Strafklage
aber ergibtsich ohne weiteres und ist übrigens nicht bestritten, dass der
Kläger bereits Ende Dezember 1905 somit mehr als sechsMonate vor der am
10. November 1906 erfolgten gerichtlichen Anhebung des Scheidungsbegehrens
vom geltend gemachten-; Ehebruche der Beklagten Kenntnis hatte. Nun
wendet der Klägerallerdings ein, und der kantonale Richter ist ihm
hierin beige treten, dass die gesetzliche Scheidungsklagefrist durch
die Anhebung der Strafklage wegen Ehebruchs unterbrochen worden sei,
dass sieerst mit dem Abschluss des Strafprozesses mit der Zustellung des
obergerichtlichen Strafurteils, am 15. Juni 1906 wieder zu laufen begonnen
habe und deshalb mit der vorliegenden Klage eingehalten sei. Allein
diese Argumentation ist weder mit dem. Wortlaute, noch mit dem Sinn und
Zweck des Gesetzes vereinbar. Die Frist des Art. 46 litt. a ZEG bezieht
sich unzweifelhaft nur auf die bundesrechtliche Scheidungsklage selbst,
denn mit dieser allein kann, gemäss Art. 43 des Gesetzes, das Begehren
des durch den Ehebruch verletzten Ehegatten unt Trennung derEhe geltend
gemacht werden, und für irgendwelche Beeinflussung der Frist durch ein
wegen des Ehebruchs kantonalrechtlich gegebenes Strafverfahren bietet der
Gesetzesiext keinerlei Anhaltspunkt.. Das Motiv, worauf das Obergericht
zur Begründung seiner abweichenden Gesetzesauslegung abstellt, dass
nämlich der Ansetzung

jener Klagesrist offenbar die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde

liege, für den Fall ihrer Nichtbeachtung im Interesse des Fort-bestandes
des ehelichen Verhältnisses eine Vermutung der Verzeihung des Ehebruchs zu
schaffen, welche durch das ihr widersprechende Verhalten der Einleitung
und Durchführung des Strafverfahrens mit der Wirkung der Unterbrechung
des Fristenlaufest. Zivilstand und Ehe. Ni i. z

entkräftet werde, geht zudem auch sachlich fehl. Denn die vorbehaltlose
Befristung des fraglichen Scheidungsauspruchs rechtfertigt sich aus der
legislativpolitischen Erwägung, dass bei der Einfachheit der Scheidung
auf Grund des blossen Nachweises des Ehebruchs eine absolute Beschränkung
der Zulassung derselben auf eine bestimmte, verhältnismässig kurze Zeit
als geboten erscheint, derart, dass der Fortbestand der Ehe lediglich
zufolge der objektiven Tatsache des Ehebruchs eines der Gatten als solcher
unter keinen Umständen länger, als während der gesetzten Klagefrist,
gefährdet sein soll. Die Zulässigkeit einer Erftreckung dieser Frist aus
dem subjektiven Grunde dermangelnden Verzeihung, speziell im Falle der
Anhebung und Verfolgung eines Strafverfahrens wegen Ehebruchs seitens
des verletzten Ehegatten, wie die obergerichtliche Gesetzesauslegung sie
zur Folge hätte, müsste im Gesetze ausdrücklich vorgesehen sein Sie darf
um so weniger vermutet werden, als danach angesichts der verschiedenen
strafrechtlichen und auch strasprozessualen Behandlung des Ehebruchs in
den Kantonen (vergl. Stooss, Grundzüge des schweizerischen Strafrechts 2
S. 272 ff.) die Einheit der bundesrechtlichen Scheidungsnorm des Art. 46
litt. a, ZEG durchaus illusorisch wàre. Übrigens dürfte die Durchführung
eines Strafprozesses wegen Ehebruchs vor erfolgter Scheidung der Ehe aus
diesem Gesichtspunkte dem Wesen des ehelichen Verhältnisses überhaupt
nicht gerecht werden, wie denn auch die Gesetzgebungen mehrerer Kantone,
gleich dem deutschen RStrGB (Art. 1172), das Gegenteil, d. h. die
Erwirkung der Ehescheidung als Voraussetzung des Strafklagerechts,
ausdrücklich vorschreiben (vergl. Stooss, a. a. O., S. 274 f. und 277).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 34 II 1
Datum : 19. Februar 1908
Publiziert : 31. Dezember 1908
Quelle : Bundesgericht
Status : 34 II 1
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : ZIVILREGHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTIGE GIVILEA. Entscheidungen des Bundesgerichts


Gesetzesregister
OG: 55  56
ZGB: 137
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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