878 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

kung der Betreibung für das Gebiet des Kantons selbst handelt. Wenn man
nämlich dem Gläubiger der öffentlich-rechtlichen Forderung die Anhebung
der Betreibuug in feinem Kantone verweigert, so wird ihm damit in der
Regel derunmöglicht oder doch sehr erschwert, auf das im Kamen selbst
liegende Vermögen des Schuldners zu greifen. Denn muss er den Schuldner
an feinem ausserkantonalen Wohnsitz betreiben, so muss er ebenfalls hier
die Rechtsösfnung nachsuchen, selbst wenn es ihm bloss um das in seinem
Kantone befindliche Vermögen zu tun ware. Ein Rechtsöfsnungserkenntnis
ist aber alsdann für ihn wohl nur erhältlich, wenn der Wohnsitzkanton die
Vollstreckung auch auf seinem Gebiete gestattet, wozu er bundesrechtlich
nicht verpflichtet ist und was er freiwillig nur selten tun wird. Man
hat daher, um die öffentlich-rechtlichen Ansprüche gegenüber den
privatrechtlichen hinsicht- lich der genannten Exekutionsobjekte nicht
schlechter zu stellen,. einen Betreibungsort im betreffenden Kanton
zuzulassen. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Gläubiger der
öffentlich-rechtlichen Forderung auf schuldnerisches Vermögen ausserhalb
desKantons greifen will. Jhn auch insoweit gegenüber dem Gläubiger
der privatrechtlichen Forderung dadurch zu privilegieren, dass: man
dem Schuldner die Garantie des Art46 versagt, lässt sichfachlich nicht
rechtfertigen und mit dem SchKG nicht vereinbaren; das um so weniger,
als die privatrechtliche Forderung von Bundes wegen schlechthin in
der ganzen Schweiz vollstreckbar ist während die ausserkantonale
Vollstreckbarkeit der öffentlich-rechtlichen Forderung vom Willen der
andern Kanstone abhängt.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird gutgeheissen und das Requisitionsbegehreu des Betreibungsamtes
Baselsiadt vom September 1908 aufgehoben. und Konkurskammer. No 136 8782

136. Entscher vom 22. Dezember 1908 in Sachen Hurpertsberg

Unpfändbare Sachen' BerufSWerkz-eug Art 92 Z' _ . ff. (Schreebmaschine
eines Journalisten.) ' 3 SGhKGr

A. Der Rekurrent R Huppertsberg hatte durch das Beweibungsamt Meilen gegen
den Rekursgegner Si.-Weber eine Pfändung vollziehen lassen. Dabei erklärte
das Betreibungsamt eine Schreibmaschine System Mignon, als Kompetenzftück,
weil sie sur den Rekursgegner, der den Beruf eines Journalisten ausübt,
ein notwendiges Berufswerkzeug nach Art. 93 Ziff. 8
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG sei. Hiergegen
führte der Rekurrent Beschwerde, die von der unterm-Aufsichtsbehörde
gutgeheissen wurde, während die CantonaleAufsichtsbehörde auf einen
Rekurs des betriebenen Schuldners die betreibungsamtliche Verfügung mit
Entscheid vom 3. Dezember1908 wiederherstellte si

B. Diesen Entscheid hat nunmehr der Gläubiger Huppertsberg rechtzeitig
an das Bundesgericht weitergezogen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in (Erwägung:

i. Der Vorinstanz ist unter Abweisung der gegenteiligen Behauptung des
Rekurrenten darin beizustimmeu, dass eine Schreibmaschine im Grundsatze
für einen Journalisten ein unpfändbares Berufswerkzeug nach Art. 92
Ziff. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG sein kann. Wenn der Journalistenberus zu den liberalen
Berussarten gehört, so folgt daraus nicht, wie der Rekurrent meint, dass
bei ihm von keinen Berufswerkzeugen im Sinne der genannten Bestimmung
sich sprechen (asse. Denn die Ausübung auch solcher Berussarten kann in
grösserm oder geringerm Umsange die Benützung technischer Hülfsmittel
erfordern, die wirtschaftlich als Produktionsfaktoren die nämliche
Funktion versehen, wie das Werkzeug beim Handwerks-meisten

2. Zu weit geht dagegen der Vorentscheid, wenn er die Schreibmaschine ganz
allgemein als für die konkurrenzfähige Ausübung des Journalistenberufes
notwendig und damit schlechthin ais Kompe-

k880 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

tenzstück bezeichnet Vielmehr lässt sich nach der Lebenserfahrung,
namentlich in Hinsicht darauf, dass der Gebrauch der Schreibmaschine sich
nur allmählich im Journalistenstande eingebürgert hat und auch derzeit
noch nicht allgemein geworden ist, nur sagen, dass seine solche Maschine
geeignet sei, die Leistungsfähigkeit des betreffenden Journaliften
erheblich zu steigern, besonders wenn er nach seiner Betätigung möglichst
rasch Reinschriften in mehreren ExemPlaren erstellen muss. Daraus allein
ergibt sich aber die Unpfändvbarkeit noch nicht, sondern sie setzt
im weitern noch voraus, dass diese Steigerung der Leistungsfähigkeit
erforderlich ist, um dem Schuldner die Gewinnung des notwendigen
Lebensunterhaltes zu ermöglichen Ob dies zutreffe oder nicht, hängt ab
von der Gestaltung des einzelnen Falles, indem z. B. von Bedeutung sein
kann, dass der Schuldner eine zahlreiche Familie zu erhalten hat

oder sein Unterhalt aus besonderem Grunde kostspielig isf, dass er '

an Schreibkrampf leidet, dass er für seine Arbeiten nur kleine
Preise erzielt und sie daher quantitativ tunlichst vermehren muss
usw. Da nun die Vorinstanz den vorliegenden Fall nicht nach seiner
konkreten Beschaffenheit untersucht, sondern ihn kurzweg von jener zu
allgemeinen Erwägung aus erledigt hat, ist er zu neuer Beurteilung an
sie zurückzuweisen.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurstammer

erkannt: Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass die Sache zu

neuer Behandlung im Sinne der Motive an die Vorinstanz zurückgewiesen
wird.

137. Entscheid vom 26. Dezember 1908 in Sachen Bösen Eigentumsanspruch
im Kankurse. Art.22i,225,242,24SSchKG.

A. Im Konkurse des A. Jselin, Architekt in Gachnang, erhebt ber Rekurrent
Eigentumsanspruch auf das zur Masse gezogene landwirtschaftliche Inventar,
namentlich die 32 Häupter zählende Viehhabe, des Schlossgutes Gachnang. Er
bringt vor,und Konkurskammer, No 137, 881.

er habe zwar mit Jselin vor dem Konkursausbmch, am 17. August 1908,
einen Kaufvertrag über das Schlossguk samt Inventar kund Viehhabe
abgeschlossen; die Fertigung dieses Kauer sei aber nicht erfolgt und der
Rekurrent somit Eigentümer geblieben. Die Konkursverwaltung bestreitet
diesen Eigentums-anspruch, und es hat das Anlass zu den vorliegenden
zwei Beschwerden des Re-kurrenten (unter a und b) gegen sie gegeben:

a. Am 16. November 1908 teilte nämlich die Konkursver-

sswaltung dem Rekurrenten mit, der Gläubigerausschuss habe für

die Beaufsichtigung über die Vorkehreu auf dem Schlossgute Garb-

"snang den Gemeindeamann Müller in Gachnang betraut. Gleich-

zeitig erklärte sie dem Reknrrenten, er habe dem Arbeitsversonal

'feine Befehle mehr zu erteilen.

Der Rekurrent verlangte darauf durch Beschwerde die Aufhe-

bung dieser Verfügung mit der Begründung: Da er trotz des er-

wähnten Kaufvertrages Eigentümer des Schlosses und des zuge-

hörigen landwirtschaftlichen Inventars geblieben und als Grund-

eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen sei, könne die Masse
über die Verwaltung des Gutes keine Verfügungen treffen

und den Rekurrenten nicht vor die Türe stellen. Die angefochtene

Massnahme sei gesetzwidrig oder eventuell unangemessen. Die kantonale
Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Ent-

fvscheid vom 9. Dezember 1908 ab, indem sie in Erwägung zog:

Das Mobiliar des Schlossgutes sei zur Zeit der Konkurseröfsnung im
Gewahrsam des Gemeinschuldners Jselin gewesen, der

sich auf dem Gute befunden habe. Mit der Konkurseröffnung sei der

Gewahrsam an die Konkursverwaltung übergegangen, die ihn nun nach
den Art. 225
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 225 - Sachen, welche als Eigentum dritter Personen bezeichnet oder von dritten Personen als ihr Eigentum beansprucht werden, sind unter Vormerkung dieses Umstandes gleichwohl im Inventar aufzuzeichnen.
und 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
SchKG habe. Mit der Anerkennung der Verwaltung
des Rekurrenten würde der Gewahrsam ihm eingeräumt und vermöchten die
Parteirollen in dem durchzuführenden Viudikationsprozefse getäuscht
zu werden.

b. Gestützt aus einen Beschluss der Gläubigerversammlung ord.nete
der Gläubigerausschuss die Verwertung der Viehware an, swas die
Konkursverwaltung am 2. Dezember 1908 dem Rekrurenten mitteilte. Dieser
beschwerte sich daraus, indem er geltend machte, die Verwertung sei
unzulässig, da die Konkursverwaltung

behauptetes Dritteigentum nicht verwerten dürfe. Eventuell müsse
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 34 I 879
Date : 01. September 1908
Published : 31. Dezember 1908
Source : Bundesgericht
Status : 34 I 879
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 878 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs- kung der Betreibung für das Gebiet


Legislation register
SchKG: 92  93  225  242
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