B. STRAFRECHTSPFLEGE ADMINISTRATEON DE LA JUSTICE
PENALEI. Bundesstrafrecht. Code pénal fédéral.
17. guten des CCer-ssatienshofes vom 31. guata 1908 in Sachen Matti,
Angekl. n. Kass.-Kl., gegen Hkaaisanwaltsiimft Yeni, Ankl. u. Kass.-Bekl.
Beim Zusammentreffen eidgenòssischer und kantonaler Strafnormen auf eine
Straftat ist die Gesamtsimfe nach BStrR {Art. 33) zu bemessen. Bemessung
bei Konkurrenz von Fdlschung von Bundesakten und Zerstörung von solchen,
AmtspflicätverletzImg und Unterscàsslagng.
Der Kassationshof hat aus Grund folgender Prozesslage:
A. Durch Wahrsprnch vom 2. Dezember 1907 haben die Assisen des
I. bernischen Geschwornenbezirks den Angeklagten Alsred Matti, gewesenen
Posthalter in Kandersteg, unter Zubilligung Inildernder Umstände schuldig
erklärt:
1. Der Unterschlagnng von Geldern im Gesamtbetrag von 300 Fr.,
begangen seit dem Monat Juni 1907 in Kandersteg in seiner Eigenschaft
als Angestellter der schweizerischen Postverwaltungv zum Nachteil dieses
seines Dienstherrn, oder an Geldern, die er infolge amtlichen Auftrages zu
verwalten hatte, oder an Geldbezügen, die er infolge dieser Eigenschaft
zn machen batte, wobei er jedoch die unterschlagene Summe auf geschehene
Aufsorderung hin sofort vollständig ersetzte;
2. der Fälschung von Bundesakten, begangen dadurch, dass
erI. Bundesstrafrecht. N° 17. 119
am 27. Juli 1907 in der Einzahlungsrechnung des Postbureans Kandersteg
für den Monat Juli 1807 bei einem Posten von 8080 Fr. die Ziffer 8 in
Ziffer 7", oder bei einem Posten von 5247 Fr. die Ziffer 5 in Ziffer 4
abgeändert bat;
8. der Zerstörung von Bundesakten, begangen dadurch, dass er
folgende Monatsrechnnngen des Postbureaus Kandersteg für den "Monat
Juli 1907 unbefugter Weise zerstört Hat: die Passagierrechnung,
die Nachnahmerechnung, die Einzahlungsrechnung für interne Mandate,
die Auszahlungsrechnung für interne Mandate, die Rechnung von Fachund
Lagergebühren, die Selbstgutschrift und den Expertenscheinz
4. der Amtspslichtverletzung in fünf Fällen, begangen dadurch, dass
er als Beamter oder Angestellter des Bandes (Posthalter) in folgenden
Fällen absichtlich seine Amtspflicht verletzt hat:
a) indem er die in Ziffer 1 näher bezeichnete Unterschlagung Begins;
d) indem er die in Ziffer 2 näher bezeichnete Fälschnng von Bundesakten
beging;
c) indem er die in Ziffer 3 näher bezeichnete Zerstörung von Bundesakten
begingz
d) indem er am 27. Juli 1907 in der Einzahlungsrechnung "zwei Posten um
je 500 Fr. zu niedrig eingetragen hat;
e) indem er im Sommer 1907 wiederholt am Ende des Monat 3 eingelaufene
Mandatbeträge erst im folgenden Monat verrechnet bat."
Auf diesen Wahrspruch gestützt hat hierauf, durch Urteil vom gleichen
Tage, die Kriminalkammer des Kantons Bern als Assisengerichtshof des
I. Geschwornenbezirks den Angeklagten in Anwendung der Strafdrohungen:
einerseits der Art. 61 und 53 litt-f, in Verbindung mit den Art. Z und 7,
BStrR vom 4. Februar 1858 (bezüglich der Fälschung und Zerstörung von
Bundesakten Und der Amtspflichtverletzung), und anderseits, gestützt
auf am. 75 BStrR, der Art. 220 Abs. 1 und 221 bern. StrGB vom Jahre 1866
(bezüglich der Unterschlagung), und dazu der Strafkombinationsnorm des
Art. 33 BStrR verurteilt:
a) peinlich zu 16 Monaten Zuchthaus, abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft,
bleiben zu verbüssen 15 Monate Zuchthaus;
b) zu 5 Jahren Verlust des Aktivbürgerrechtsz
120 B. Strafrechtspflege.
c) zu den auf 203 Fr. 55 Cts. bestimmten Kosten des Staates.
Dabei hat das Gericht in den Motiven bemerkt, dass in der ausgesprochenen
Gesamtstrafe eine Strafe von 2 Monaten Korrektionshaus für die
kantonalrechtliche Straftat der Unterschlagung in Rechnung gebracht werde-
B. Gegen das vorstehende Urteil des Assisengerichtshofes hat Alfred Matti
rechtzeitig und formrichtig die Kassationsbeschwerde an den Kassationshof
des Bundesgerichtes erklärt und Aufhebungdes Urteils wegen Verletzung
der Art. 61, 53, 82, 33 und anderer- BStrR beantragt; -
in Erwägung:
1. Im vorliegenden Straffall, dessen Beurteilung, soweit Vergehen des
Bundesstrafrechts in Betracht kommen, dem kantonalen Richter durch
Verfügung des Bundesrates gemäss Art. 125 Abs2 OG überwiesen worden
ist, handelt es sich um die gleichzeitige Anwendung bundesrechtlicher
und kantonalrechtlicher Strafnormen. Denn die neben der Fälschung
und Zerstörung der Bundesaktens und der Amtspflichtverletzung im
Bundesdienste, welche das BStrR (Art. 61 beziehungsweise 53) mit Strafe
bedroht, vorliegende Unterschlagung beurteilt sich -da der im BStrR einzig
normierteSpezialtatbestand der Briefoder Schriftpaketunterschlagung
im Postdienste (Art. 54 litt-. &) darauf nicht zutrifft gemäss Art. 75
BStrR nach den einschlägigen kantonalen Straffatzungen, wie das kantonale
Gericht richtig angenommen hat. Dabei erhebt sichnun die Frage nach dem
gegenseitigen Verhältnis der aus den beiden Rechtsquellen fliessenden
Strafsanktionen: ob die Strafen, welche gestützt auf diese Strafsanktionen
bei Berücksichtigung jeder Rechtsquelle für sich allein auszusprechen
wären, beim gegebenen Zusammentreffen einfach zu knmulieren, oder aber
in bestimmter Weise zu kombinieren seien, und nach welchen Regeln,
insbesondere ob grundsätzlich gemäss eidgenössischem oder kantonalem
Recht, bei dieser zweiten Alternative die Verbindung der Strafen zu
erfolgen habe. Vor-liegend speziell ist auch die Beantwortung der
letzteren Frage von praktischer Bedeutung, indem das Bern. StrGB vom
Jahre 1866 beim Zusatnmentreffen mehrerer strafbaren Handlungen die Fälle
der sog. Jdealkonkurrenz und der sog. Realkonkurenz, deren beide hier
gegeben sind,unterscheidet und nur für den ]. Bundesstrafrecht. N°17. 121
letzteren Fall (Art. 59) die-Anwendung der der schwersten Strafrat an sich
entsprechenden Strafe unter Berücksichtigung der übrigen Straftaten als
Erschwernngsgrund, für den ersteren Fall dagegen (Art. 58) lediglich die
Anwendung der auf die schwerste Straftat entfallenden Strafe vorschreibt,
während das BStrR in Art· 33 Abs. 1 allgemein ohne jede Unterscheidung,
entsprechend dem Ari. 59 hern. StrGB bestimmt :
Wenn mehrere noch nicht bestrafte Übertretungen des gleichen Täters so
zur Untersuchung kommen, dass darüber in einem und deinselben Urteil
zu erkennen ist, so soll die Strafe des schwersten dieser Verbrechen
angewendet, die Übrigen aber als besondere Schärfnngsgründe berücksichtigt
werden
Der kantonale Richter hat nun auf diese eidgenössische
Straskombinationsnorm abgestellt, von der Erwägung geleitet, dass nach
der Schwere der hier massgebenden Strafdrohungen die Fälschnng und
Zerstörung von Bundesakten die Hauptstraftat darstelle, indem darauf
da es sich nicht um geringfügige Fälle handleZuchlhaus von 1 30 Jahren
(Art. 61 in Verbindung mit Art. 3 Abf. 4 BStrR) angedroht sei, während
die andere erhebliche-re Straftat der Unterschlagung selbst abgesehen
vom vorliegenden Strafmilderungsgrund des Wertersatzes {Art. 221
beru. StrGB) nur der Strafdrohung von Zuchthans bis zu 6 Jahren (Art.
220 Abs. î Bern. StrGB) unterstehe Er geht somit von der allerdings
nicht ausdrücklich formulierten Auffassung aus, dass die Rechts-quelle
der Strafkombinationsnorm jeweilen durch diejenige des zur Beurteilung
stehenden Hauptstraftatbestandes bestimmt werde. Der Kassationskläger
fusst ebenfalls hierauf, wendet jedoch ein, dass gegebenenfalls
das kantonalrechtliche Vergehen der Unterschlagung als die schwerste
strafbare Handlung anzusehen sei, weil es faktisch die Veranlassung der
anderweitigen Verfehlungen (die lediglich zum Zwecke seiner Verdeckung
begangen worden seien) gebildet habe, und dass deshalb die ihr an
sich zugemessene Strafe zwei Monate Korrektionshaus in Anwendung
der Strafkombinationsbestimmuugen des Bem. StrGB zur Grundlage der
Straffestsetzung zu nehmen sei. Allein jene Auffassung des kantonalen
Richters erscheint als grundsätzlich verfehlt. Das BStrR vom 4. Februar
1853 enthält eine ausdrückliche Weisung für die Strafausmessung bei
gleichzeitiger Anwendung eidgenössischer und
122 B. Strasrechtspflege.
kantonaler Strafbestimmungen nicht. Es sieht jedoch bereits wenigstens
die Möglichkeit dieses Zusammentreffens der Handhabung eidgenössischen
und kantanalen Strafrechts vor, indem sein Art. 76 den Bundesassisen
freistellt, bei gegebener Konnerität eidgenössischer und kantonaler
Straftaten, deren erstere in ihre ausschliessliche Kompetenz fallen,
gleichzeitig auch die letztern, statt sie dem hiefür an sich zuständigen
kantonalen Richter zu überweisen, selbst zu Beurteilen, und zwar,
gemäss am. 9 ibid., in Anwendung des massgebenden kantonalen Strafrechts
(Dazu ist dann seither, auf Grund des geltenden QG vom 22. März 1893,
noch eine anderweitige direkte Notwendigkeit solchen Zusammentreffens
gekommen, sofern nämlich der Bundesrat, wie vorliegend, im Falle der
Konnexität eidgenöfsischer und kantonaler Straftaten, deren erstere nicht
in die ausschliessliche Kompetenz der Bundesassisen fallen, sie gemäss
Art. 125 Abs. 2 QG zu kantonalgerichtlicher Beurteilung überiveist.) Hat
aberdemnach der Bundesgesetzgeber bei Erlass des BStrR die Eventualität
gleichzeitiger Anwendung eidgenössischen und kantonalen Strafrechts ins
Auge gefasst, so kann die Strafkombinationsnorm in Art. 33 daselbst,
welcher allgemein und vorbehaltlos von der gleichzeitigen Beurteilung
mehrerer strasbaren Handlungen des gleichen Täters handelt, nicht nur
auf den Fall des Zusainmentreffens mehrerer bundesrechtlicher Vergehen,
sondern muss auch auf denjenigen des Zusammentreffens bundesrechtlicher
und kantonalrechtlicher Straftaten bezogen werden.
Es ist also nach richtiger Auslegung des Bundesrechts, das als .-
solches den einschlägigen kantonalen Satzungen vorgeht, bei gleichzeitiger
Bestrafung von Vergehen eidgenössischen und kantonalen Rechts stets
und ausschliesslich die eidgenössische Strafkonibinationsnorm des
Art. 33 BStrR anzuwenden Zu diesem Schlusse führt übrigens auch die
allgemeine Erwägung, dass bei anderer Auffassung das Strafmass für die
jeweilen mitzubeurteilenden bundesrechtlichen Vergehen unter; gleichen
Verhältnissen je nach den Strafkombinationsgrundsätzen des eventuell
anwendbaren kantonalen Rechts wesentlich verschieden ausfallen würde,
was naturgemäss dem Wesen der betreffenden einheitlichen Straftatbestände
zuwiderlaufen wurde. Damit stehen die Ausführungen im Entscheide des
Kassationshofes vom 9. Juni 1904 i. S. Åschbacher (ILS 30 I Nr. 85 Erw. 3
und 4 S, 304 ff.) nicht im Widerspruche,[. Bundesstrafrecht. N° '17. 123
da dort lediglich die Zulässigkeit beziehungsweise Notwendigkeit
gleichzeitiger Anwendung eidgenösfischer und kantonaler Strasdrohungen auf
denselben Tatbestand beim Vorliegen sog. Idealkonkurrenz -festgestellt,
dabei aber nicht etwa die einfache Kumulation der beiderseitigen
Strafanfprüche gefordert, sondern die Frage speziell der bezüglichen
Strafausmessung gar nicht berührt worden ist.
2. Die Art und Weise der Anwendung des am. 33 BStrR seitens des
kantonalen Nicht-ers im gegebenen Falle dagegen ist in keiner Hinsicht
zu beanstanden. Einmal erscheint die Ausführung der Kriminalkammer,
dass das Vergehen der Fälschung und Zerstörung von Bundesakien als die
schwerste strafbare Handlung zu betrachten sei, als in allen Teilen
zutreffend, und es muss deshalb richtigerweife die Strafdrohung des
Art. 61 BStrR als Grundlage für die Bemessung der Gesamtftrafe im Sinne
jener bundesgesetzlichen Strafkombinationsnorm verwendet werden. Sodann
hat der kantonale Richter ebenfalls mit Recht angenommen, dass auch die
auf das Vergehen der Amtspflichtverletznng des Art. 53 litt. f. BStrR
angedrohte Geldbusse in die fragliche Gesamtsirafe einzubeziehen, dass
also auch dieses letztgenannte Vergehen bei Bemessung der durch am. 6i
VStrR bedingten Freiheits-(Zuchthaus)strafe zu berücksichtigen sei, da
in der Tat am. 33 BStrR abweichend von der gegenteiligen ausdrücklichen
Vorschrift des Art. 61 Bern. StrGB eine Ausnahme von der Absorbtion
der auf die anderweitigen Vergehen angedrohteu Strafen durch Strafe
des Hauptvergehens mit Bezug auf das Strafmittel der Geldbusse nicht
vorsieht Im übrigen aber entzieht sich die Festsetzung des streitigen
Gesamtstrafmasses, weil innerhalb der gesetzlichen Strafrahmen lediglich
Sache des richterlichen Ermessens-, der Nachprüfungskompetenz des
Kassaiionshofes Es kann somit von Verletzung einer der hier in Betracht
fallenden und zur Anwendung gebrachten Bundesstrafrechtsbestimmungen
durch das angefochtene Strafurteil nicht die Rede sein; -
erkannt: Die Kassationsbeschwerde wird abgewiesen.