700 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

quenz sei; aber welche Konsequenz aus seinem Standpunkt noch im Sinne
des Gesetzes sich hält, vermag er nicht zu sagen. Die Beschränkung auf
zwei Jahre ist durchaus willkürlich und braucht von den Steuer-behörden
nur so lange beobachtet zu werden, als es ihnen beliebt. Die Auffassung
des Regierungsrates, wonach bei der Einkommenssteuer jederzeit und ohne
Rücksicht auf die Steuerveranlagung die gesetzliche Steuerpflicht geltend
gemacht werden kann, führt also dazu, dass der fragliche Steueranspruch
nicht nach festem Rechtssatz, sondern nach freiem Ermessen und Gutfinden
der Steuerbehörden erhoben wird, was durchaus dem aus dem Wesen des
Rechtsstaates folgenden Postulat der gesetzlichen Grundlage jedes
Steueranspruchs widerspricht.

Nach dem gesagten bedeutet der angefochtene Entscheid einen Versuch,
adminiftrative Willkür an Stelle der festen gesetzlichen Regelung zu
setzen. Er muss daher wegen Verletzung von Art. AiD BV aufgehoben werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Retan wird gutgeheissen und
damit der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 25. April
1907 aufgehoben.

113. glrteis vom 13. Eilet-einher 1907 in Sachen Hebweizerisckje
Bunde-bahnen gegen Kstatuten gt. Gatten

Legitimation der Bufidesbahnen, d. h. des Bundes, zum staavtsrecht-Sich en
Hefe-ars wegen Verfassemgsverletzmrg. Art. 4175 Ziff. 3 netzt i78 Z in. 2
OG. Anfechtbae'e-r Entscheid, Art. i 78 Ze'fi". i eod. Anwendbarkeit der
Bestimmungen über die gewerblichen Schieds-gerichte auf die Bandesbahnm
(Streitigkeiten. zwischen Personal und Verwaltung). Art. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 3 Kantone - Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.
BV ; Art. 12
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen - Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.

Rückkaufsges., Art. 65 Abs. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 65 Statistik - 1 Der Bund erhebt die notwendigen statistischen Daten über den Zustand und die Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Forschung, Raum und Umwelt in der Schweiz.33
1    Der Bund erhebt die notwendigen statistischen Daten über den Zustand und die Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Forschung, Raum und Umwelt in der Schweiz.33
2    Er kann Vorschriften über die Harmonisierung und Führung amtlicher Register erlassen, um den Erhebungsaufwand möglichst gering zu halten.
Ver-meiner-gdazu.. Arl. 4 BV. Arl. 80 K
V wn St. Gallen. Art. 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
, 26
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 26 Eigentumsgarantie - 1 Das Eigentum ist gewährleistet.
1    Das Eigentum ist gewährleistet.
2    Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt.
' BV ; Art. 29 KV von St. Gallen.

A. Nach Art. 80 der KV von St. Gallen kann die Gesetzgebung für
die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern allgemein verbindliche Schiedsgerichte aufsteilen Aus dem
gestützt auf diese Verfassungsnorm erlassenen[. Rechtsverweigcrung und
Gleichheit vor dem Gesetze. N° HZ. 701

Gesetz betreffend die gewerblichen Schiedsgerichte vom 16. Mai 1904 sind
hier folgende Bestimmungen hervorzuheben:

Art. 1 Abs. î: Die sachliche Zuständigkeit der gewerblichen
Schiedsgerichte erstreckt sich auf die Zioilstreitigkeiten, welche
gzivischen den Inhabern von Gewerben, Handelsund Fabrikationsgeschäften
und den bei ihnen beschäftigten männlichen und weiblichen Angestellten,
Arbeitern und Lehrlingen aus dem Dienst-, bezw. Lehrverhältnisse
entstehen, sofern der Streitwert den Betrag von 300 Fr. nicht überfteigt.

Art. 2 : Die Einführung der gewerblichen Schiedsgerichte kann für das
Gebiet einzelner Gemeinden durch Beschluss der Bürgerversammlung mit
Genehmigung des Regierungsrates für eine aber mehrere Berufsarten oder
Berussgruppen erfolgen. Es können sich zwei oder mehr Gemeinden zur
Einführung eines gemeinsamen gewerblichen Schiedsgerichts vereinigen-E

Art. 3: Die gewerblichen Schiedsgerichte bestehen aus dem Präsidenten
und zwei für jede Sitzung in bestimmter Kehrordnung einzuberufenden
Schiedsrichtern, nämlich einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer der
betreffenden Berufsarh bezw. Berufsgruppe.

Art. 5 Abs. 2 und ö: Die Bildung der Berufsgruppen wird vom
Regierungs-rate auf dem Verordnungswege bestimmt. Über Anstände betreffend
die Führung der Stimmregisier entscheidet der Regierungsrat-

B. Die Gemeinden St. Gallen, Tablat und Straubenzell haben sich
für die Einführung eines gemeinsamen gewerblichen Schiedsgerichts
vereinigt. Gemäss einer regierungsrätlichen Verordnung hatte eine
Delegation der drei Gemeinderate die nach Berufsgruppen geordneten
Stimmregister für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erftellen. Dabei
wurde, am 19. Oktober 1905, verfügt, dass das Personal der Schweizerischen
Bundesbahnen unter der Gruppe VIII Verkehr und Transport in die
gewerblichen Schiedsgerichte einzubeziehen und somit auf die Stimmregister
aufzunehmen sei. Hierüber beschwerte sich die Kreisdirektion IV der
Bundesbahnen beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen, in der Hauptsache
mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Bestandes eines Gewerbes
bei den Bundesbahnen, als einer

?02 A. Staatsrechtliehe Entscheidungen. !. Abschnitt. Bundesverfassung.

Staatsbahn, fehlen. Der Regierungsrat wies mit Beschluss vom7.
November 1905 die Beschwerde ab, indem er erkannte, dass das Personal
der Bundesbahnen nach Massgabe der Bestimmungen des Gesetzes über die
gewerblichen Schiedsgerichte, unter Gruppe VIII (Verkehr und Transport),
als stimmund wahlfähig in die Stimmregisier aufzunehmen sei. Die
Generaldirektion der Bundesbahnen teilte daraus dem Regierungsrat
mit Schreiben vom 28. Dezember 1905 mit, dass sein Beschluss zu
keinen Bemerkungen Anlass gebe, soweit er sich auf die Werkstätteund
Taglohnarbeiter beziehe, dass dagegen seine Ausdehnung aus die Beamten
und Angestellten, d. h. auf diejenigen Bediensteten der Bundesbahnen,
welche durch die Generaldirektion oder die Kreisdirektion IV ernannt
werden, dem Sinn des Gesetzes betreffend die gewerblichen Schiedsgerichte
zuwiderlause, und ersuchte ihn demgemäss, den Beschluss vom ?'. November
1905 in Wiedererwägung zu ziehen und dahin abzuändern, dass die Beamten
und Angestellten der Bandes-bahnen in die Stimmregisier der Gewerbe
gerichte nicht einzubeziehen seien. Unterm 6. Februar 1906 lehnte der
Regierungsrat ein Zürückkommen auf seinen Beschluss ab. Gegen diesen
Bescheid ergriff die Generaldirektion gleichzeitig den staatsrechtlichen
Rekurs ans Bundesgericht und den Rekurs an den Grossen Rat des Kantons
St. Gallen. Auf den staatsrechtlichen Rekurs trat das Bundesgericht mit
Erkenntnis vom 20. Februar 1907 wegen Verspätung nicht ein.

Beim Grossen Rat stellte die Generaldirektion neben dein Hauptbegehren
auf Aufhebung des angefochtenen regierungsrätlichen Beschlusses noch
das Eventualgesuch, der Grosse Rat möchte das Gesetz betreffend die
gewerblichen Schiedsgerichte in dem Sinneerläutern, dass sich die
Zuständigkeit dieser Gerichte nur auf dieZivilstreitigkeiten erstrecke,
welche aus einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis herrühren. Dem
Grossen Rat erstattete die mit der Vorberatung des Rekurses beauftragte
Kommission am 23. Mai 1907 schriftlichen Bericht, mit dem Antrag, den
Rekurs in dem Sinne abzuweisen, dass nach durchgeführter Organisation der
Gruppe VIII (Verkehrund .Transportwesen) das gewerbliche Schiedsgericht
selbst auf allfällige bezügliche Einrede hin über seine Kompetenz zu
entscheiden habe, und in dem weitern Sinn,l. Rechtsverweigerung und
Gleichheit vor dem Gesetze. N° 113. 7%

dass diese Kompetenzsrage abschliesslich von den weiter zuständigen
Gerichtsinstanzen, auf allfälliges Parteibegehren hin, zu erledigen
sei. Der Grosse Rat erhob diesen Antrag in der gleichen Sitzung zum
Beschluss.

Am 7. Juli 1907 fanden die Wahlen in die Gruppe VIII (Verkehr und
Transport) für das gewerbliche Schiedsgericht der Gemeinden St. Gallen,
Tablat und Straubenzell statt. Von den Beamten und Angestellten der
Bundesbahnen wurden die drei Kreisdirekioren und ein Oberingenieur als
Arbeitgeber und zehn sonstige Beamte und Angestellte aus verschiedenen
Dienstzweigen als Arbeitnehmer gewählt. Die Verwaltung der Bundesbahnen
als solche beteiligte sich an diesen Wahlen nicht.

C. Gegen den ihr am 2. Juni 1907 mitgeteilten Grossvatsbeschluss hat die
Generaldirektion der Bundesbahnen am 31. Juli 1907 den staatsrechtlichen
Rekurs ans Bundesgericht erklärt mit dein Antrag, das Bundesgericht
möge erkennen, dass die Bundesbahnen und ihre Beamten und Angestellten
nicht auf die Stimmregister der gewerblichen Schiedsgerichte des Kantons
St. Gallen zu setzen seien und demgemäss 1. den Beschluss des Grossen
Rates des Kantons St. Gallen vom 23. Mai 1907 aufheben, und .I. die
Wahlen vom 7. Juli 1907 für die Gruppe VIII (Verkehr und Transport)
des gewerblichen Schiedsgerichts für die Gemeinden St. Gallen, Tablat
und Straubenzell für nichtig erklären, soweit sie sich auf Beamte und
Angestellte der Bundesbahnen beziehen. Der Rekurs wird auf die Art. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 3 Kantone - Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.
,
4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
, 26
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 26 Eigentumsgarantie - 1 Das Eigentum ist gewährleistet.
1    Das Eigentum ist gewährleistet.
2    Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt.
und 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV und auf die Art. 29 (Garantie des verfassungsmässigen
Gerichtsstandes, Verbot der Ausnahmegerichte) und Art. 80 KV gestützt. Zur
Begründung wird ausgeführt: Die Beschwerde sei eine solche eines Privaten
über einen kantonalen Entscheid wegen Berletzung versassungsmässiger
Rechte nach Art. 175
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
Biff. 3 und 178 OG. Wenn auch der angefochtene
Beschluss die Frage der Zuständigkeit der gewerblichen Schiedsgerichte
für Streitigkeiten zwischen den Bundesbahnen und ihren Beamten und
Angestellten aus dem Dienstverhältnis dem Entscheide des Schiedsgerichts
selber und eventuellen Rekursinsianzen vorbehalten habe, so sei doch
durch die Aufnahme der Beamten und Angestellten der Bundesbahnen in die
Stimmregister der gewerblichen Schiedsgerichte

TM A. Siaatsrechtlic'ne Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

deren Zuständigkeit für die erwähnten Streitigkeiten indirekt bereits
bejaht worden, und jedenfalls seien die Bundesbahnen berechtigt,
sich schon gegen die blosse Aufnahme der Beamten und Angestellten in
die Wahlregister als eine Rechtsverletzung zur Wehre zu setzen. Art. 65
Abf. 5 der Vollziehungsverorduung zum Rückkaufsgesetz vom 7. November 1899
lautet Gegenüber der verftigten Dienstkündigung oder Entlassung bleibt
dem Betroffenen die Anrufuug des Richters vorbehalten, jedoch nur in
der Beschränkung, dass demselben im Falle unberechtigter Dienstkündigung
ober Entlassung das Recht auf Entschädigung gewahrt "wird. Der Bund sei
befugt-, die Bedingungen des öffentlichrechtlichen Staatsdienervertrages
für seine Beamten, insbesondere die Voraussetzungen für ihre
Anstellung und ihre Entlassung einseitig und erschöpfend festzusetzen
Den Bundesbahnbeamten und Angestellten sei -Verglichen mit den übrigen
Bundesbeamten insofern eine privilegierte Stellung eingeräumt, als ihnen
im Falle der verfügten Dienstkündigung oder Entlassung bezüglich der Frage
einer eventuellen Entschädigung gestattet sei, den Richter anzurufen. Wer
dieser Richter sei, werde im Art. 65 Abs. 5 der ' Vollziehungsverordnung
nicht gejagt. Bedenke man aber, dass Ausnahmebestimmungen stets reftriktiv
zu interpretieren seien, und dass es sicherlich nicht angehe, aus der
angeführten Verordnungsbestimmung auch auf die Absicht des Bundesrates
zu schliessen, die Bundesbahnverwaltung für derartige Prozesse einem
Spezialgerichtsstand zu unterwerfen, so könne man darüber nicht im Zweifel
sein, dass in Art. 65 Abs. 5 der Verordnung lediglich der ordentliche
Richter gemeint sein könne, d. h. der Richter, welcher zur Entscheidung
der Rechtsstreitigkeiten im allgemeinen zuständig sei. Dagegen lasse sich
nicht einwenden, im Art. 12 Abs. 6 des Rückkaufsgesetzes seien für die
Behandlung und Beurteilung von Zivilstreitigkeiteu mit den Bandes-bahnen
die bestehenden cid: genösfischen und kantonalen Gesetze vorbehalten, und
den Kanto: nen komme es darnach frei zu, den Richter für die Beurteilung
der Ansprüche der Beamten und Angestellten der Bundesbahnen aus Art. 65
Abs. 5 der Vollziehungsoerordnung zu bezeichnen. Wie der Bund befugt sei,
zu bestimmen, wie weit er sich für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis
seiner Beamten überhaupt der kantonalen Gerichtsbarkeit Unterwerfen wolle,
könne er auchI. Rechtsverweigerung und Gleichheit rotdem Gesetze. N°
3. 705

bei-ordnen, welche Art von Gerichtsbarkeit er in dieser Beziehung gelten
lasse und insbesondere gewisse Spezialgerichte ausschliessen Dass Art. 65
Abs. 5 der mehrfach zitierten Verordnung einen solchen Ausschluss speziell
für gewerbliche Schiedsgerichte enthalte, sei um so mehr anzunehmen, als
es dem Charakter und der Zusammensetzung der gewerblichen Schiedsgerichte
widersprechen würdewenn man sie zur Beurteilung heranziehen würde von
Ansprüchen, die für die Bundesbahnbeamten und Angestellten aus dem
Staatsdienervertrag hervorgehen. Die gewerblichen Schiedsgerichte im
Kanton St. Gallen beruhten auf dem Gedanken, eine möglichst rasche,
billige und fachverständige Beurteilung der in ihre Kompetenz fallenden
Streitigkeiten zu erzielen. Es fei aber nicht ersichtlich, wieso die
Schiedsgerichte über die nötigen Fachkenntnisse verfügen sollten,
Um Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis zwischen den Beamten und
Angestellten der Bundesbahnen und der Verwaltung dieser richtig zu
entscheiden, welche Streitigkeiten

nicht nach Privatrecht, den Bestimmungen des OR über den

Dienstvertrag, sondern nach dem allgemeinen eidgenössischen Be-amtenrecht,
der Bundeseisenbahngesetzgebung und der verschiedenen eins chlägigen
Verwaltungsreglemente der Bundesbahnoerwaltung, zu beurteilen seien. Die
Fachkenntnis für die fraglichen Anstände wäre dem gewerblichen
Schiedsgerichte dann nicht abzusprechen, wenn bei der Beurteilung
eines konkreten Streitfalles auf der Seite der Arbeitgeber einer der
drei Kreisdirektoren oder der ebenfalls als Schiedsrichter gewählte
Oberingenieur und aus der Seite der Arbeitnehmer einer der andern als
Schiedsrichter gewählten Beamten zu Gericht sitzen könnte. Allein nach
Art. T des Gesetzes betreffend die gewerblichen Schiedsgerichte fänden
bezüglich der gesetzlichen Ausstandspflicht die Bestimmungen betreffend
die Zwilrechtspflege sachgemässe Anwendung und nach Art. 67 Biff. 1 des
Zivilrechtspflegegesetzes dürfe niemand in eigener Sache Richter fein. Es
sei deshalb anzunehmen, dass jedenfalls auf Seite des Arbeitgebers für
die der Bundesbahnverwaltung angehörenden Schiedsrichter ein gesetzlicher
Unfähigkeitsgrund gegeben wäre. Niemand könne aber ernstlich behaupten
wollen, dass die übrigen in der Lisie der 30 Schiedsrichter ausgeführten
Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine besondere fachmännische Ausbildung
für die AS 33 l 1907 46

TOS A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Beurteilung von Streitigkeiten über die Entschädigungsbegehren von
Bundesbahnbeamten erfahren haben und somit eine weiterreichende Garantie
für eine fachmännische sachgemässe Beurteilung prästierten, als sie der
ordentliche Richter leiste. Nach dem dermaligen Stand der Gesetzgebung
sei es der ordentliche Richter, der die relativ beste Gewähr dafür biete,
dass solche Streitigkeiten eine angemessene und gerechte Beurteilung
und nicht von einseitigen zivilistischen Gesichtspunkten aus finden
können. Aus dem ge-

sagten solge, dass die Unterstellung der Beamten und Angestellten--

der Bundesbahnen unter die gewerblichen Schiedsgerichte in St. Grillen
nicht nur bundesrechtswidrig sei, sondern auch dem-. kantonalen
Recht, speziell dem Gesetz über die gewerblichen Schiedsgerichte,
dnrchaus widerspreche, das bei richtiger, nicht willkürlicher,.
Auslegung aus das Verhältnis der Bundesbahnen zu ihren Beamten und
Angestellten keine Anwendung finde. Dazu komme, dass Art. 80 KV den
Gesetzgeber zur Aufstellung von gewerblichen Schiedsgerichten nur für
Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ermächtige,
worunter vernünftigerweisenur der privatrechtliche Arbeitsvertrag, nicht
aber das öffentlichrechtliche Staatsdienstverhältnis, wie es zwischen
den Bandes-bahnen und den Beamten bestehe, verstanden werden könne.

D. Der Regierungsrat des Kantons St. Gatten hat aus Ab-: weisung des
Rekurses angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Bundesbahnen sind keine mit eigener juristischer Persönlichkeit
ausgestattete Anstalt, sondern als blosser Zweig der Bundesverwaltung mit
dem Bunde rechtlich identisch (AS 29 I S. 193 Erw. 1). Als Rekurspartei
erscheint daher vorliegend in Wahrheit der Bund als Eisenbahnverwaltung
unter dein Namen der Bundesbahnen, vertreten durch die Generaldirektion
der letztern (Art. 25 Ziff-. 1 des Rückkaussgesetzes, s. auch Art. 12
ihm.). Der Bund ist ohne Frage legitimiert, wie andere Korporationen
und wie Private gegen ihn betreffende kantonale Erlafse und Verfügungen
den Schutz des Bundesgerichts wegen Verfassungsverletzung anzurufen
nach Art-. 175 Bis-f. 3 und Art. 178
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
OG. Der Rekurs bezeichnet sich
nun ausdrücklich als staatsrechtlicheBeschwerde im Sinne der genannten
Bestimmungen Er ist daherI. Rechtsverweigemng und Gleichheit vor dem
Gesetze. N° 113. 707

auch ausschliesslich als Beschwerde dieser Art zu behandeln und zu
beurteilen, ohne Rücksicht darauf, ob er vielleicht nicht richtiger auf
einen andern Boden gestellt worden ware. Es handelt sich somit nicht
um einen Streit zwischen dem Bund und dem Kanton Si. Gallen als Trägern
von Hoheitsrechten über den Umfang und die Abgrenzung der beiderseitigen
Befugnisse, sondern um die Anfechtung eines kantonalen Entscheides wegen
Verletzung verfassungs-mässiger Rechte, die hier der Bund wie eine andere
Korporation oder wie ein Privater in Anspruch nimmt.

2. Der angefochtene grossrätliche Beschluss enthält eine neue materielle
Entscheidung über die zwischen den Bundesbahnen und den st. gallischen
Behörden geführte Streitigkeit, ob die Bundesbahnen mit ihrem Personal
an Beamten und Angestellten sich an der Organisation der gewerblichen
Schiedsgerichte in St. Gallen zu beteiligen haben. Der Entscheid
muss daher auch selbständig wegen Verfassungsverletzung angefochten
werden können, was rechtzeitig geschehen ist (Art. 178
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
Biff. 3 OG). Die
Tatsache, dass der frühere staats-rechtliche Rekurs der Bundesbahnen, der
sich gegen den die Wiedererwägung des Entscheides vom 7. November 1905
ablehnenden Beschluss des Regierungsrates vom 6. Februar 1906 richtete,
wegen Verspätung von der Hand gewiesen worden ist, steht somit dem
Eintreten auf die vorliegende Beschwerde nicht entgegen.

3. Der Beschluss des Grossen Rates vom 23. Mai 1907 will nach der
Formulierung des dadurch angenommenen Kommissionsantrages den Entscheid
dai-fiber, ob allfällige Streitigkeiten zwischen den Bundesbahnen
und ihren Beamten und Angestellten aus dem Dienstverhältnis (mit
einem Streitwert bis zu 300 Fr.) in die Kompetenz der gewerblichen
Schiedsgerichte fallen können, dem Schiedsgerichte selber im einzelnen
Fall vorbehalten. Damit ist der Grosse Rat der Frage, zu deren Lösung er,
wenn er überhaupt auf den Rekurs der Bundesbahnen eintrat, berufen gewesen
wäre, aus dem Wege gegangen. Denn der Inhaber und das Personal eines
Betriebs können doch nur dann verhalten werden, sich an der Organisation
der gewerblichen Schiedsgerichte in einer bestimmten Gruppe zu beteiligen,
wenn alle oder doch gewisse Anstände zwischen Inhaber und Personal aus
dem Dienstverhältnis

708 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

als in die Zuständigkeit der gewerblichen Schiedsgerichte fallend
betrachtet werben. Über die Bildung der Berussgruppen und die
Unterstellung der Betriebe unter die einzelnen Gruppen entscheiden
nach dem Gesetz die Verwaltungsbehörden, speziell der Regierungsrat.
Die Einbeziehung eines Betriebs in eine Gruppe der gewerblichen
Schiedsgerichte sollte nun die Bejahung jener allgemeinen Kompetenzsrage
in sich schliessen, und das Gericht sollte normalerweise, wenn einmal
ein Betrieb dergestalt der Institution unterstellt ist, hieran gebunden
sein. Der angefochtene Entscheid misst sich selber ausdrücklich diese
Bedeutung nicht bei. Darnach wären die Bundesbahnen im Verhältnis zu ihren
Beamten und Angestellten dem gewerblichen Schiedsgerichte nur vorläufig
unterstellt und würde es vom Entscheide des Gerichts selber abhängen,
ob diese Unterstellung eine definitive sein wird. Sollte das Gericht
seine allgemeine Zuständigkeit für Klagen des genannten Personals gegen
die Bundesbahnen aus dem Dienstverhältnis verneinen, so würden damit die
mit der vorläufigen Unterstellung verbundenen Vorkehren Aufnahme in die
Stimmregister und bereits vollzogene Wahlen hinfällig werden. Indessen ist
anzuerkennen, dass schon die vorläufige Einbeziehung der Bundesbashnen
unter die betreffende Gruppe der gewerblichen Schiedsgerichte deren
Rechtsstellung berührt, einmal weil damit die Verpflichtung, sich an
der Organisation der Gerichte zu beteiligen, verbunden ist, und sodann,
weil es keineswegs sicher ist, ob nicht der Richter, entgegen der
Bedeutung des grossrätlichen Beschlussesdie allgemeine Kompetenzfrage
als bereits entschieden und die Unterstellung der Bundesbahnen als eine
definitive ansehen wird. Die Bundesbahnen müssen deshalb berechtigt
sein, den Gross-ratsbeschluss trotz seines Vorbehalts hinsichtlich der
allgemeinen Kompetenzfrage wegen Verfassungsverletzung anzufechten.

4. Der Rekurs macht in erster Linie geltend, dass der angesochtene
Beschluss gegen Art. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 3 Kantone - Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.
BV verstosse, also einen Übergriff des
Kantons St. Gallen in die Souveränität des Bundes enthalte. Zu einer
Beschwerde aus Art. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 3 Kantone - Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.
BV ist nach der Praxis auch der durch die angebliche
Überschreitung der Hoheitsschranken verletzte Private berechtigt (s. AS 24
I S. 227; 29 I S. 418); die Bundesbahnen sind daher aus dem Boden, auf den
der RekursI. Rechtsverweigemng und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 113. 709

sich stellt siehe Erw; i hiervor zur Anrufung des Art. 3 an sich
befugt. Der Ubergriff in die Sonderänitätsrechte des Bundes soll
darin liegen, dass der Grosse Rat die (vorläufige) Unterstellung der
Bundesbahnen unter die gewerblichen Schiedsgerichte für das Verhältnis zu
ihren Beamten und Angestellten verfügt hat, obgleich nach Art. 65 Abs. 5
der bundesrätlichen Verordnung zum Rückkanssgesetz (in Verbindung mit
am. 12 dieses Gesetzes) für Entschädigungsansprüche der Beamten und
Angestellten wegen unberechtigter Dienstkündnng oder Entlassung der
Rechtsweg in der Meinung vorbehalten sei, dass darüber der ordentliche
kantonale Richter und nicht ein Spezialgericht, wie es die gewerblichen
Schiedsgerichte sind, zu urteilen habe. Es braucht nun nicht erörtert zu
werden, ob der behauptete Widerspruch des Grossratsbeschiusses mit den
angeführten bundesrechtlichen Bestimmungen sich als Verletzung des am,
3 BV darstellen würde, oder ob man es nicht vielmehr mit einer blossen
Verletzung von sonstigem Bundesrecht zu tun hatte; denn einerseits
wäre auch bei der letztern Annahme die Kompetenz des Bundesgerichts
gegeben, da es sich um eine Gerichtsstandsfrage oder doch um eine den
Gerichtsstandfragen ähnliche Frage handeln würde (Art. 189 Abs. 3),
und andererseits liegt ein solcher Widerspruch überhaupt nicht vor.

Nach Art. 65 Abs. 5 der bundesrätlichen Verordnung zum
Rückkaufsgesetz steht den Beamten und Angestellten der Bundesbahnen
ftir Entschädigungsansprüche wegen unberechtigter Dienstkündung oder
Entlassung der Rechtsweg offen. Solche Forderungen sind daher, auch
wenn man sie als öffentlichrechtliche qualifizieren will, Nechtssache,
Zivilprozesssache, und somit vor dem kantonalen Zivilrichter (oder
bei einem Streitwert von 30,000 Fr. und mehr vor dem Bundesgericht
als Zivilgerichtshof, Art. 12 letzter Absatz des Rückkaussgesetzes)
zu verfolgen. Was die Bestimmung des kantonalen Richters anbetrifft,
so stellt die Verordnung einfach auf die kantonale Gerichtsorganisation
ab, und es sind keine hin- länglichen Anhaltspunkte dafür vorhanden,
dass der Rechtsweg nur in dem Sinn vorbehalten sein sollte, dass bloss
der ordentliche Richter zu entscheiden habe, und den Kantonen verwehrt
sein soll, die Kompetenzansscheiduug zwischen dem ordentlichen Richter
und einem Spezialzivilgerichte so vorzunehmen, dass die fraglichen

710 ,. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Streitigkeiten in die Zuständigkeit des letztern fallen (ganz
abgesehen von der Frage, ob durch bundesrätliche Verordnung den
Kantonen eine solche Beschränkung auferlegt werden könnte). Zwar ist
den Bundesbahnen ohne weiteres zuzugeben, dass die Unterstellung eines
monopolisterten Staatsbetriebes, wie es die Bundesbahnen find, unter
die st. gallischen gewerblichen Schiedsgerichte für das Verhältnis zu
den Beamten und Angestellten kaum zweckmässig ist, weil man es hier
nicht mit einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag nach OR, sondern mit
einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zu tun hat, das durch das
eidgenössische Beamtenund Eisenbahnrecht geregelt ist, und weil die
für die gewöhnlichen Anstände zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
bestimmten Schiedsgerichte für die sachgemässe Beurteilung von
Streitigkeiten aus diesem Verhältnis entschieden weniger Gewähr Bieten,
als die ordentlichen Gerichte, zumal ja auch, wie im Rekurs mit Recht
hervorgehoben ist, von vorneherein kaum möglich sein wird, bei Klagen von
Beamten und Angestellten gegen die Bandes-bahnen die Arbeitgeberseite des
Gerichtes fachmännisch zu besetzen. Allein diese Erwägungen berechtigen
doch nicht, in § 65 der Verordnung eine Beschränkung hineinzulegem für
welche die Verordnung -keinerlei Anhaltspunkte enthält. Eine nicht ganz
zweckmässige Ausscheidung der Kompetenzen der kantonalen Gerichte in
Ansehung der in Frage stehenden Streitigkeiten darf beim Stillschweigen
der Verordnung noch nicht als durch § 85 ausgeschlossen betrachtet werden
Ebensowenig kann ein solcher Ausschluss aus den allgemeinen Bestimmungen
des Art. 12
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen - Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.
des Rückkaufsgesetzes gefolgert werben, was nach dem gesagten
keiner nähern Ausführung mehr bedarf.

5. Auch die Beschwerde aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV erweist sich als unbegründet. Die
(vorläusige) Unterstellung der Bundesbahnen unter die gewerblichen
Schiedsgerichte kann nicht als ungleiche Behandlung angefochten werden,
weil nicht behauptet ist, dass allsällige andere Betriebe mit analogem
Charakter anders behandelt worden seien. Auch von einer willkürlichen
Auslegung des kantonalen Rechts (Rechtsverweigerung) kann nicht
die Rede sein. Der Wortlaut des Gesetzes betreffend die gewerblichen
Schiedsgerichte, wonach Zivilstreitigkeiten zwischen Inhabern von Gewerben
u. s. w.!. Rechtsverweigerung und. Gleichheit vor dem Gesetze. N° H3. 711

mtb ihrem Personal aus dem Dienstverhältnis von den Schiedszgerichten zu
beurteilen (Art. t) und die Parteien als Arbeitgeber und Arbeitnehmer
charakterisiert sind, schliesst keineswegs absolut aus, dass die
Entschädigungsansprüche des Personals der BundesLahm-en, für die in §
65 der zitterten Verordnung der Rechtsweg zugestanden ist, darunter
gebracht werden, wenn er auch, namentlich gestützt auf die in Erwägung
4 erwähnten Zweckmässigkeits.momente, sehr wohl mit der Rekursschrift
im gegenteiligen Sinn ausgelegt werden kann.

In diesem Zusammenhang mag denn auch noch die Beschwerde aus Art. 80
KV erledigt werden. Diese Bestimmung enthält eine Anweisung an den
Gesetzgeber und begründet keine Individualrechte, die im Wege des
staatsrechtlichen Rekurses nach Art. 175
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
Biff. 3 OG verfolgt werden
könnten. Wenn es Übrigens in Art. 80 heisst, dass die Gesetzgebung
für bie Entscheidung von Rechtsstreitigteiten zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern all-. ,gemein verbindliche Schiedsgerichte aufstellen kann,
so liegt hierin seine ganz allgemeine Ermächtigung an den Gesetzgeber-,
gewerbiliche Schiedsgerichte einzurichten, durch welche Ermächtigung
die Idol-liegend streitige Frage noch nicht als präjudiziert betrachtet
werden kann; der Ausdruck Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann sehr wohl
auch auf das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Personals eines
Staatsbetriebe-Z bezogen werden.

6. Aus den bisherigen Ausführungen folgt ohne weiteres, dass auch
die übrigen in der Rekursschrift geltend gemachten Be!schwerdegründe
-Entng des verfassungsmässigen Richters -.-(Art. 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV und Art. 29 KB),
Verletzung des Art. 26
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 26 Eigentumsgarantie - 1 Das Eigentum ist gewährleistet.
1    Das Eigentum ist gewährleistet.
2    Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt.
BV, wonach die Gesetzgebung über den Bau und
Betrieb der Eisen-bahnen Bundessache ist sich als unzutreffend darstellen.

7. Durch den angesochtenen Beschluss des Grossen Rates ist iimpljcite
auch das Gesuch der Bundesbahnen um authentische Interpretation
des Gesetzes betreffend die gewerblichen Schiedsgerichte abgewiesen
worden. Es ist nicht ersichtlich, dass in dieser Beziehung irgend eine
Verfassungsverletzung vorliegen würde, da ja selbstverständlich die
authentische Gesetzesinterpretation im freien Ermessen des Gesetzgebers
liegt und niemand einen Rechtsanspruch daran haben kann, dass eine
authentische Interpretation erfolge.

712 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen

Vergl. auch Nr. 121.

II. Doppelbesteuerung. Double imposition.

114. git-teu vom 30. Oktober 1907 in Sachen JF. Zuergeuthaler & gie. und
Zuersenthaler gegen am; und Wirtin

Sleuerhaheit bei Vorliegen des allgemeinen Geschdftsdomizils [m einen,
eines bee-andern Gesckdftsdomz'zils in einem andern Kanton. Kriterien für
ein steuerrechtliches Spezialdomz'zél. Steue-rpflicht des am letzte-m
Ort domizilierten Gesellschafters. Verwirkuflg des Rel-'-kurses wegen
Doppelbesteuemng infolge Zak-lung und Nicktanfech-ss Sung der Steuemuflage
innert Rekm'sfrist.

A. I. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 30. April 1907

haben die Rekurrenten beim Bundesgericht folgende Anträge ge-

stellt: 1. Es sei zu erkennen, in der Besteuerung des Vermögens
undEinkommens der Rekurrenten, der Kollektivgesellschaft F. Mor-

genthaler & (Sie. bezw. F Morgenthalers Erben in Bern, und

Ernst Otto Morgenthaler in Zurich, durch die Kautone Bern , und Zürich
und durch die Einwohnergemeinde der Stadt Bern und der Stadt Zürich
für die Jahre 1902 bis und mit 1907, liege eine bundesrechtswidrige und
deshalb unzulässige Doppelbesteuerung bezw. rechtsungleiche Behandlung der
Rekurrenten; eventuell: Das Bundesgericht möge bestimmen, ob und wobezw.
zu welchen Teilen die Rekurrenten für die Zeit von 1902 bis 1907 und
in Zukunft, für ihr bezügliches Einkommen undVermögen die Staatsund
Gemeindesteuer-n zu entrichten haben- Il. Doppelbesteuerung-· NO 114. 713

L. Soweit in der Besteuerung des Vermögens und des Einkommens der
Rekurrenten für die Jahre 1902 bis und mit 1907 eine unzulässige
Doppelbesteuerung liegt, sei dieselbe aufzuheben

3. Soweit die von den Rekurrenten an die Rekursbeklagten in den Jahren
1902 bis und mit 1906 bezahlten Einkommensund Vermögenssteuern von diesen
zu Unrecht bezogen wurden, seien sie zur Rückerstattung anzuhalten

H. Die Regierungsräte von Bern und Zürich haben beantragt, es sei der
Rekurs, soweit er sich jeweilen gegen ihren Kamen richtet, zu verwerfen

B. In tatsächlicher Beziehung ergibt sich aus den Akten:

Die Kollektivgesellschaft F. Morgenthaler & (Sie., die seit 1902 die
IJiechtsnachfolgerin der Firma F. Morgenthalers Witwe ist, betreibt
in Bern die Fabrikation von Billards und der dazu gehörigen Utensilien
und besorgt auch Reparaturen von Billards· In Zürich hat die Firma in
einem Ladenlokal ein ständiges Lager von Billards, dessen Inventar für
zirka 100,000 Fr. gegen Feuer versichert ist Der eine Gesellschafter,
Otto Morgenthaler, der zu Geschäftsabschlüssen berechtigt ist, hat
seinen Sitz in Zürich, von wo aus er die Nordund Ostschweiz für die
Firma bereist. Das Lager in Zürich ist in der Hauptsache Musterlager;
nur in dringenden Fällen werden daraus Billards abgegeben, im Jahre
etwa 2 bis 4 bei einem Gesamt-Jahresverkauf der Firma von 70 bis 100
Stück. Ausserdem werden in Zürich Uteusilien, namentlich Billardstöcke
und Kreide, verkauft und in kleinem Masse auch Reparaturen besorgt. Die
Bestellungen, die Otto Morgenthaler in Zürich auf Grund des Musterlagers
entgegenitimmt, werden also meistens von Bern aus ausgeführt Auch die
Fakturen werden meist von Bern aus ausgestellt. In Zürich werden Zahlungen
für das Geschäft entgegengenommen; doch wird, nach den Angaben der Firma,
der Jnkasso für Billardsiieferungen von Bern aus besorgt, abgesehen von
kleinen Lieferungen aus dem Zürcher Lager. Soweit es die Bedürfnisse
des zürcherischen Geschäftsbetriebs erfordern, wird dort eine eigene
Buchhaltung geführt. Ein weiteres Personal als der Gesellschafter Otto
Morgeuthaler befindet fichdaselbst nicht. Die von Otto Morgenthaler
in Zürich und auf seinen Reisen erzielten Geschäftsabschlüsse betragen
jeweilen zirka 50 0/0 des Gesamt-Jahresumsatzes der Firma.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 33 I 700
Date : 19. Januar 1907
Published : 31. Dezember 1908
Source : Bundesgericht
Status : 33 I 700
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 700 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. quenz sei;


Legislation register
BV: 3  4  12  26  58  65
OG: 175  178
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