278 A. Siaaisrechtliciie Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

II. Doppelbesteuerung-. Double imposition.

42. guten vom 12. Juni 1907 in Sachen guaranteed-de Montes und Genossen
gegen Franken Mandi und Bauten Yom.

Being-nes eines Kantons zur Erhebung der Erbschaftssteuer. Kriterien
für den Wohnsiäz des Bisses-reseer und für die bessere Berechtigung des
einen oder andern Kantons zur Erhebung tierSteuer.

A. Die Rekurrenten sind die Erben ihres Bruders Viktor de Montet. Dieser
war Bürger von Vevey und hatte auch daselbst gewohnt, bevor er sich vor
einer Reihe von Jahren in Frankreich niederliess. Im Jahre 1905 hatte
er sein Domizil in Frankreich aufgegeben und war in den Kanton Waadt
zurückgekehrt Er hielt sich einige Zeit bei seinem Bruder Emanuel de
Montet auf dessen Gut in Chardonne bei Vevey auf. Am 14. Oktober 1905
nahm er Wohnung in der Pension Comte in La Tour de Peilz bei Vevey;
seine Möbel brachte er in einem zu diesem Zwecke gemieteten Zimmer
in Vevey unter. Sein Vermögen bestand ans Liegenschaften in der Nähe
von Vevey und aus Wertschriften, die zum grössten Teil (zirka 109,000
Fr.) auf einer Bank in Vevey und zum kleinern Teil (zirka 25,000 Fr.) auf
einer solchen in Bern deponiert waren. Anfangs Dezember 1905 begab sich
Viktor de Montet auf Besuch zu seiner Schwester Frau Marcuard in Bern,
wobei er nach Aussage des Personals der Pension Comte in La Tour de
Peilz nur die für eine kurze Reise erforderlichen Effekten mitnahtn
und sich ein Zimmer für seine unmittelbar nach Nenjahr in Aussicht
gestellte Rückkehr reservieren liess. Während des Aufenthalts in Bern
erkrankte Viktor de Montet und starb daselbst am 26. Dezember 1905. Auf
Betreiben der Rekurrenten wurde die Erbschaft in Vevey durch den dortigen
Friedensrichter eröffnet und die Rekurrenten in deren Besitz eingewiesen.

Vom beweglichen Nachlass des Viktor de Montet beanspruchten die Kantone
Bern und Waadt die Erbschaftssteuer. Bern stützte sich auf § L seines
Erbschaftssteuergesetzes, wonach die Erbschafts-

ll. Doppelbesteuerung. N° 4:2. 279

steuer zu erheben ist, wenn der Erblasser beim Absterben im Kanton
Bern seinen Wohnsitz oder beim Mangel eines solchen daselbst seinen
Aufenthalt gehabt hat, und machte geltend, Viktor de Montet habe in
Bern zur Zeit seine Todes gewohnt; eventuell habe er überhaupt keinen
Wohnsitz in der Schweiz, speziell auch nicht in Vevey, gehabt, und dann
sei Bern als Aufenthaltskanton zur Zeit des Todes zur Erbschaftsfteuer
berechtigt. Waadt stützt sich auf das Gesetz vom 28. Dezember 1901 sur la
perception du droit de mutation (Art. 2), wonach der Handänderungssteuer
droit de mutation u. a. unterliegen les successions des personnes
domiciliées ou en résidence dans le canton, et les successions dont
les bénéficiaires demandent l'ouverture dans le canton.

B. Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 11. Februar 1907 haben die Rekurrenten
beim Bundesgericht das Begehren gestellt: Es möchte das Bundesgericht
feststellen, an welchen der beiden Kaninne Waadt oder Bern die Rekurrenten
die Erbschaftssteuer für das ihnen aus dem Nachlasse ihres Bruders
zugefallene Vermögen bestehend in Wertschriften im Betrage von zirka
130,000 Fr. zu bezahlen haben. Es wird ausgeführt: die Rekurrenten seien
bereit, die Erbschaftssteuer vom Nachlass ihres verstorbenen Bruders zu
bezahlen, allein nur an einen der beiden Kantone Waadt und Bern. Das
Bundesgericht möge feststellen, welcher Kanton zur Erbschaftsfteuer
berechtigt sei.

C. Der Kanton Bern hat beantragt, er sei als berechtigt zu erklären,
die Erbschaftssteuer vom beweglichen Nachlass des Viktor de Montet zu
beziehen. Die Begründung geht dahin, der Erblasser habe beim Tode in
Bern Domizil gehabt, eventuell habe er überhaupt kein sestes Domizil in
der Schweiz gehabt, und zwar speziell nicht in Veber), weil nichts dafür
vorliege, dass er beabsichtigt habe, dort zu bleiben; dann sei aber Bern
als Aufenthaltskanton befugt, die Erbschaftssteuer zu beziehen.

D. Der Kanton Waadt hat beantragt, er sei als berechtigt zu erklären, die
Erbschaftssteuer (droit de mutation) vom beweglichen Nachlass des Viktor
de Montet zu beziehen, weil der Erblasser bei feinem Ableben sein Domizil
in Vevey gehabt habe und weil auch dort die Erbschaft eröffnet worden fei.

AS 33 1 _ 190? 19

280 A. Staatsrechiliche Entscheidungen. !. Abschnitt. Bundesverfassung

Das Bundessgericht zieht in Erw a g un g :

1. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist im interkantonalen Verhältnis
derjenige Kanten zur Erbschaftssteuer berechtigt, in welchem der
Erblasser zur Zeit des Todes seinen Wohnsitz hatte (s. z. B. AS 27
I S. 41). Die Lösung des Vorliegenden Streites ist daher zunächst
von der Frage abhängig, ob der Erblasser Viktor de Monter bei seinem
Ableben in Vevey oder in Bern gewohnt hat Sollte es sich herausstellen,
dass der Erblasser einen eigentlichen Wohnsitz in keinem der beiden
Kantone hatte, so müsste dennoch der Konflikt, behufs Vermeidung von
unzulässiger Doppelbesteuerung zu Gunsten des einen oder andern Kantons
entschieden werden. Die Rekurrenten anerkennen ja auch ausdrücklich,
dass sie in einem der beiden Kantone erbschastssteuerpflichtig sind, und
sie verlangen vom Bundesgericht nur, dass es den zur Steuer berechtigten
Kantou bezeichne. In diesem Falle könnte mangels eines eigentlichen
Domizils des Erblassers nur darauf abgestellt werden, zu welchem
Kanton der Erblasser zur Zeit seines Todes wenigstens in derartigen
Beziehungen stand, welche die Annahme eines Erbschaftssteuerdomizils für
den vorliegenden Fall gestatten, m. a. W. welcher Kanton im Verhältnis
zum andern als der besser berechtigte erscheint.

2. Zunächst kann kein ernstlicher Zweifel darüber bestehen, dass der
Erblasser beim Tode sein Domizil nicht in Bern gehabt hat. Er hielt
sich dort lediglich vorübergehend zum Besuch bei einer Schwester auf
und hatte die Absicht, den Ort nach kürzester Frist wieder zu verlassen.

Dagegen kann angenommen werden, dass der Erblasser seinen Wohnsitz
in Vevey bezw. in dem mit Veber) zusammenhängenden La Tour de Peilz
hatte. Dahin hatte er nach Aufgabe seines Domizils in Frankreich seine
Möbel verbracht; dort hatte er in einer Pension Wohnung genommen und
sich daselbst auch für die Zeit seiner Rückkehr von Bern ein Zimmer
reserviert-; dort befand sich der grösste Teil seines beweglichen
VermögensZieht man ferner in Betracht, dass der Erblasfer in der Nähe
von Vevey seine Liegenschaften hatte, dass er Bürger von Vevey und
früher schon daselbst niedergelassen war, so ist der Schluss zulässig,
dass er die Absicht hatte, wenn auch vielleicht nicht für

Il. Doppelhesteuernng. N° 42. 281

alle Zukunft, so doch aus unbestimmte Zeit, bis damals noch unbekannte
Umstände eine Änderung seines Aufenthalte-Z veranlassen sollten, in
Beben-Les Tour zu verbleiben (BG betr. zivilr. V. d. N. n. A· Art. 3
Abs.';1). Der Umstand, dass er daselbst keine Schriften deponiert und
keine eigentliche Niederlassung genommen hat, spricht nicht hiegegen;
einmal scheint es nach den Erklärungen in der Rechtsschrift des Kantons
Waadt solcher Formalitäten für Waadtländer nicht zu bedürfen, und sodann
schliesst deren Nichterfüllung vor der Abreise nach Bern nicht aus, dass
der Erblasser bereits damals die Absicht hatte, dauernd in Beben-Im Tour
zu verbleiben. Hatte aber der Erblasser darnach im Herbst 1905 Wohnsitz
in Beben-LaTour genommen, so ist dieses Verhältnis selbstverständlich
nicht dadurch aufgehoben worden, dass er sich zu ganz vorübergehende-u
Besuche nach Bern begab.

Z. Wollte man aber auch Bedenken haben-. einen eigentlichen Wohnsitz
in Beben-Im Tour anzunehmen, so wären doch die angeführten Faktoren
insofern von Bedeutung, als durch sie in ihrer Gesamtheit Beziehungen
des Erblassers zum letztgenannten Ort von gewisser Intensität und Dauer
geschaffen wurden, die unter den vorliegenden Umständen, im Verhältnis
zum Kanten Bern, zur Anerkennung eines Erbschaftssteuerdomizils daselbst
führen müssten, wie sie ja auch in ganz natürliche-: Weise die Eröffnung
der Erbschaft in Vevey zur Folge gehabt haben. Jndem der Erblasser in
seiner Heimatgemeinde (bezw. in Le. Tour), wo auch sein Vermögen zum
grössten Teil sich befand, Wohnung genommen hat, ist mit Rücksicht auf
die hervorgehobenen Momente jedenfalls ein tatsächliches Verhältnis zu
dieser Gemeinde von gewisser Bedeutung begründet worden, das durch den
blossen Besuch in Bern nicht unterbrochen wurde und vor dem die durch
den Besuch geschaffenen rein zufälligen Beziehungen zu Bern gänzlich in
den Hintergrund treten. Der Kanton Waadt erscheint daher vom Standpunkte
des Bundesrechts aus ungleich besser berechtigt zur Erbschaftssteuer vom
Nachlass des Viktor de Montet als der Kanten Bern, weshalb der vorliegende
Konflikt, auch wenn kein eigentliches Domizil des Erblassers im Kamen
Waadt angenommen wird, zu seinen Gunsten zu lösen ist.

282 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird in dem Sinne
gutgeheissen, dass der Kanton Waadt als berechtigt erklärt wird, vom
beweglichen Nachlass des Viktor de Montet die Erbschaftssteuer zu erheben.

43. get-teil vom 26. Juni 1907 in Sachen Rächer-links gegen Regierungsrat
Dritten

Steuerdomizil und out-entstehen Wohnsitz (Au-t..? Abs. 1 BG bet-r.
zio-ile. V. d. N. te. A.).

A. Die Rekurrentin, Witwe Louise Wäckerling geh. Zweifel, hatte
nnbestrittenermassen bis Juni 1904 in Höngg bei Zürich gewohnt. Auf den
genannten Zeitpunkt verliess sie Springs. Am 5. September 1904 mietete
sie in Interlaken bei einem H.Sterchi für ein Jahr eine dreiziinmerige
Wohnung um einen jährlichen Mietzins von 522 Fr. Sie verbrachte dahin ihre
Möbel Und erwirkte auch eine Aufenthaltsbewilligung in Interlaken. Jm
Winter 1904/1905 hielt sie sich wiederholt bei ihrer Tochter in Höngg
aus, nämlich vom 10. bis 27. November, vom 3. bis 29. Dezember, vom
3. bis 30. März, vom 3. bis 28. April und vom Z. bis 27. Mai. Die
Rekurrentin scheint den Sommer über in Jnterlaken gewesen zu sein. Jm
August 1905 verliess sie wegen Differenzen mit dem Hauseigeutümer Sterchi
die bisherige Wohnung und bezog ein möbliertes Appartement zum Preise
von 150 Fr. pro Monat, indem sie ihre Möbel noch in der alten Wohnung
beliess. Am 21. August 1905 nahm die Rekurrentin formell Niederlassung
in Jnterlaken. Für die Zeit vom 1. Oktober 1905 bis 1. März 1906
mietete sie daselbst bei Landjäger Frntiger ein Zimmer, wo sie ihre
Möbel unter-brachte Gleichzeitig (am 28. September 1905) mietete sie
bei Frutiger auf 1. März 1906 in einem damals noch in Bau begriffenen
Haufe für unbestimmte Zeit eine vierzimmerige Wohnung zum Preise von
700 Fr. Die Rekurrentin bezahlte auch in Interlaken die Steuern für die
Jahre 1905 und 1906. Ende September oder

II. Doppelhesteuerung. N° 43. 283

Anfangs Oktober 1905 begab sich die Rekurrentin wieder nach Höngg zu ihrer
Tochter, wo sie mit zahlreichen Unterbrüchen bis Anfangs Mai verblieb;
sie war jeweilen drei bis vier Wochen in Höngg und dann drei bis vier Tage
an einem andern Orte. Von da an wohnte die Rekurrentin in Interlaken. Jm
Frtihjahr 1906 wurde der Tochter Wäckerling in Höngg wegen Nichtbefolgung
der polizeilichen Vorschriften über die Anmeldung in Vezug auf die
Rekurrentin eine in der Folge gerichtlich bestätigte Busse auferlegt

Die Gemeinde Höngg beanspruchte von der Rekurrentin die Gemeindesteuer vom
Vermögen für das IV. Quartal 1905 und das I. Semester 1906, also für die
Zeit vom 1. Oktober 1905 bis 30. Juni 1906, weil sie während dieser Zeit
ihr Steuerdomizil in Höngg gehabt habe. Die hiegegen von der Rekurrentin
erhobene Einsprache wurde letztinstanzlich vom Regierungsrat Zürich durch
Entscheid vom 21. Februar 1907 abgewiesen. Der Regierungsrat geht davon
aus, dassdie Rekurrentin in Interlaken nur ein Scheindomizil habe, um
sich der Steuerpflicht im Kanton Zürich zu entziehen. Man brauche daher
nicht einmal anzunehmen, dass die Rekurrentin im September bis Oktober
1905 in Höngg ein neues Steuerdomizil begründet habe, was eventuell zu
bejahen wäre; sondern dass sie einfach an ihren regelmässigen, nicht
ausgegebenen Wohnsitz zurückgekehrt sei.

B. Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat Witwe Wäckerling den
staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag,
es sei derselbe, weil eine bundesrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung
involvierend, aufzuheben. Es wird ausgeführt, dass die Rekurrentin während
der Zeit, für welche Höngg die Steuer beansprucht, ihren ordentlichen
Wohnsitz und damit auch ihr Steuerdomizil in Interlaken gehabt habe.

C. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat auf Abweisung des Rekurfes
angetragen. In der Begründung wird an der Ansicht festgehalten, dass die
Rekurrentin in der kritischen Zeit unter allen Umständen bis in den Mai
1906 ihr Steuerdomizil in Höngg gehabt habe.

D. Der ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Regierungsrat von Bern
hat sich dem Rekursantrag der Rekurrentin angeschlossen und der Meinung
Ausdruck gegeben, dass die Rekurrentin
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 33 I 278
Date : 12. Juni 1907
Published : 31. Dezember 1908
Source : Bundesgericht
Status : 33 I 278
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 278 A. Siaaisrechtliciie Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. II. Doppelbesteuerung-.


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