554 B. Strafrechtspflege.

sein mögen) muss hier als verantwortlich, namentlich auf für die
Überwachungspflicht des Art. 7 Abs. 5, erklärt werden der leiteude
Direktor. Ganz ähnlich aber muss es sich überall dort verhalten,
wo nicht der Fabrikbesitzer selber die Leitung hat, sondern hiermit
ein besonderer Angestellter betraut ist. An diesen, den Fabrikleiter,
werden in der Regel die schriftlichen Anweisungen der Aufsichtsbehörden,
von denen Art. 19 FG spricht, gerichtet sein; er ist zur Handhabung der
Ordnung in der Fabrik, im weitesten Sinne des Wortes, berufen, an ihn
richtet sich auch das Gebot des Art. 7 Abs. 5 in seinem ganzen in Erw. 3
umschriebenen Umfange. Und zwar ist hierbei nicht einmal notwendig,
dass der betreffende Angestellte alleiniger Leiter fei; es kommt nur
darauf an, ob er in gewissen Richtungen tatsächlich die-Stellung eines
Leitenden eingenommen hat, denn jenes Gebot muss sich an Jeden richten,
der irgendwie eine leitende Stelle tatsächlich einnimmt.

5. Es fragt sich daher nur noch, ob dem Kassationskläger in der Fabrik
seines Vaters in der Tat eine derart Ieitende Stellung zugekommen sei,
dass er als Fabrikbesitzer im Sinne der eben gemachten Ausführungen,
also als Fabrikleiter, angesehen werden könne. Die tatsächlichen
Voraussetzungen, auf denen sich dieser Schluss auszubauen hat, sind
nun aber vom Kassationshof nicht zu überprüfen. Dem Bundesgericht
als Kassationsbof in Strafsachen kann die Überprüfung von Tatfragen
jedenfalls nicht weiter zukommen als ihm diese Überprüfung zusteht
als Berufungsinitanz in Zivilsacheu; da das Bundesgericht dort, als
Berufung-Zinstanz, auf die Prüfung der Aktenwidrigkeit der Tatsachen
beschränkt ist, falls diese behauptet und gehörig geltend gemacht ist,
kann ihm als Kassationsinstanz unmöglich eine weitere Kognitionsbefugnis
hinsichtlich der Tatfragen zukommen. Die vom Kassationskläger in
der Kassationsschrift angeführten Umstände: er sei in der Regel auf
dem Bureau mit kaufmännischen Augestellten beschäftigt gewesen und
habe wenig mit den Arbeiterinnen zu verkehren gehabt, auch sei er
einfacher Angestellter-, nicht einmal employé interesse-, vermögen die
Feststellungen der Worinstanz nicht umzustossen, sie sind aber auch nicht
geeignet, die Anwendbarkeit des Art. '? Abs. 5 auf den Kassationskläger
aus-II. Bundesstrafrecht. N° 79. 555

zuschliessen. Auch ein Direktor kann blosser salarierter Angestellter,
ohne Gewinnbeteiligung (Tantieme), sein, und doch richtet sich die
mehrziiierte Norm zweifellos an ihn. Aus den von der Vorinstanz
unanfechtbar festgestellten Tatsachen aber folgt der Schluss darauf,
dass der Kassationskläger als Fabrikbesitzer im Sinne des Art. 7 Abs. 5
FG anzusehen sei, ohne weiteres-.

Demnach hat der Kassationshof

erkannt: Die Kassationsbeschwerde wird abgewiesen.

II. Bundesstrafrecht. Code pénal fédéral.

79. guten vom 17. Juli 1906 in Sachen Yandesanwalttchaft, Km.-KL, gegen
,mim, Frass-Bett

Fäischung von Bundesakten, Art. 61 BStrR. Ein Eismbah-nabonfragment der
schweiz. Baudert-atmen e'si eine Beeeedesakte.

A. Durch Urteil vom 30. April 1906 hat das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt über folgende Anklage:

Die Angeklagte benützte betrügerischerweise ein von der
Bundesbahnverwaltung auf ihre Mutter, die Frau Weider, ausgestelltes
Abonnementsbillet dritter Klasse für 50 Hinund Rückfahrten auf der
Strecke Basel-Zurich, gültlig bis 15. April 1906, für folgende Fahrten:

Basel-Zürich am 2. u. 6. November 1905 Zürich-Basel am 3. u. 7. November
1905.

Der eingetretene Schaden beträgt 18 Fr. 60 Ets.

Am 9. November 1905 verfälschte die Angeklagte in der Bahnhofhalle Basel
dasselbe Billet, indem sie sowohl an der Jnhaberangabe als auch an der
Unterschrift des Abonnenten das Wort Frau in Fräul. abänderte.

Von diesem verfälschten Billet machte sie auf den Fahrten

Basel-Zürich am 9., is., 16., 20. u. 23. November 1905 und auf den Fahrten

556 B. Strafrechtspflege.

Zükich-Basel am 10., M., 17., 21. n. 24. November 1905 (Hebra-uck). ,

Hier beziffert sich der Schaden auf 87 Fr. 20 Cts., sodass die
Schweizerischen Bundesbahnen, die wegen Betruges Strafantrag stellen,
eine Gesamtentschädigungsforderung von 55 Fr.80 (Els. geltend machen.

"Anna Weider wird demgemäss des Betruges und der Fälschung von Bundesakten
nach §§ 150 152, 1381, 1452 StGB, Art. 61, 8 BStR, § 293 GO angeklagttlz -

erkannt :

Es wird das erstinstauzliche Urteil bestätigt.

Das erstinstanzliche Urteil hatte gelautet:

Anna Lindner-Weider wird des Betrags und der Privatmkundenfälschung in
gewinnsüchtiger Absicht schuldig erklärt und gemäss den §§ 150-152, 1384,
69, 703l und 45 des Strafgesetzes zu 3 Tagen Gefängnis unter Aufschub
der Vollstreckung, und zu einer Entschädigung von 5 Fr. 80 Cis. an die
Schweizerischen Bundesbahnen verurteilt.

B. Gegen das appellationsgerichtliche Urteil hat die schweigerische
Bundesanwaltschaft rechtzeitig die Kassationsbeschwerde an den
Kassationshof des Bundesgerichts beim Regierungsrat des Kantons
Basel-Stadt eingelegt. In feiner die Kassationsbeschwer-de begründenden
Kassationsschrift stellt der Bundesanwalt den Antrag : Das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, soweit durch dasselbe die Anklage wegen Fälschung
einer Bundesakte verneint wurde, und die Sache zu neuer Entscheidung im
Sinne des Art. 172 OG an die kantonale Behörde zurückznweisen.

Er hat der Kassationsbeschwerde u. a. beigelegt ein Schreiben der
Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen vom 26.Januar
1905 an das eidgenössische Postund Eisenbahndepartement, und ein
solches der gleichen Behörde an die Bundesanwaltschaft vom 18. Mai
1906,. in welchen beiden die Ansicht ausgesprochen ist, dass die von
der Bundesbahnverwaltung ausgegebenen Billete Bundesakten seien, was
aus Art. 12 Rückkaufsgesetz folge.

C. Der Ehemann der Kassationsbeklagten ersucht in seiner
Antwort datum, das Bundesgericht möge die Angelegenheit ruhen
lasseu.ll. Bundesstmfrecht. N° 79. 557

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

:t. Die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der
Kassationsbeschwerde erheblich find, ergeben sich aus Fakt. A u. B.

2. Für den Kassationshof kann es sich nur fragen, ob in der, von
der Kassationsbeklagten zugestandenermassen vorgenommenen Fälschung
des Eisenbahnabonnements ( der zweimaligen Abänderung des Wortes
Frau in Frani/') eine Fälschung einer öffentlichen Urkunde und zwar
einer Bundesakte, nach Art. 61 BStR, liege, bezw. ob darin, dass die
kantonalen Jnstanzen diese Frage verneint haben, eine Verletzung einer
eidgenössischen Rechtsvorschrift (Art. 163 OG) zu finden sei. Die erste
Instanz ist zur Verneinuug dieser Frage gelangt von der Erwägung aus,
massgebend dafür, ob ein Eisenbahnbillet eine öffentliche Urkunde sei,
könne nicht der zufällige Umstand sein, dass die das Billet ausgebende
Bahnverwaltung im staatlichen oder privaten Betrieb stehe, sondern nur
der Charakter der Urkunde selbst. Die zweite Instanz geht davon aus,
als Bundesakte seien nur öffentliche, d. h. von einem Bundesbeamten in
seiner amtlichen Eigenschaft als Urkundsperson ausgestellte Urkunden
zu verstehen; nun handeln aber die Angestellten der Bundesbahnen bei
der Ansstellung von Eisenbahnbilleten nicht als Organe des Staates
als Jnhabers der öffenttichen Gewalt. Es sei zu unterscheiden
zwischen dem Staat als Inhaber des staatlichen Jmperiums und als
Träger rein privatrechtlicher Rechte Und Pflichten. Soweit Beamte nur
privatrechtliche und privatwirtschaftliche Funktionen ausWen, fallen
sie nicht als Träger der öffentlichen Gewalt in Betracht, und finden
privatrechtliche Grundsätze aus sie Anwendung; sie seien demnach auch
nicht Urkundspersonen Das gelte speziell für den Gewerbebetrieb des
Bundes, also auch für den Eisenbahnbetrieb. Die von den Bandes-bahnen
abgeschlossenen Transpvrtverträge seien nicht öffentlichrechtlicher,
sondern privatrechtlicher Natur-; mithin stehen Bundesbeamte, sofern
sie solche Verträge abschliessen, unter denselben privatrechtlichen
Bestimmungen wie Angestellte von Privatbahnen, und auch von ihnen bei
Abschluss privatrechtlicher Verträge ans-gestellte Urkunden können keine
darüber hinansgehende Bedeutung und Tragweite gewinnen; sie seien nicht
öffentliche Urkunden. Das Appellationsgericht verweist end-

558 B. Strafrechtspflege.

lich auf den im OR Art. 64, 115 am. 1 sich findenden Gegensatz zwischen
gewerblichen Verrichtungen und amtlichen Verrichtungen der öffentlichen
Beamten. In dieser Auffassung erblickt die Kassationsklägerin eine
Verletzung eidgenössischen Rechts, insbesondere des Art. 61 BStR. Die
Kassationsbeschwerde verweist namentlich auf die Art der Herstellung
der Bundesbahnbillete und aus den Charakter der Bundesbahnen als
Berwaltungszweig der Bundesverwaltung und somit der Bundesbeamten als
föffentlichen Beamten.

3. Dass die Bundesbahnbeamten zu der Aussiellung von Villers wie
sie hier in Frage stehen, berechtigt waren, steht ausser Zweifel;
ebenso dass auch der Name des Trägers des Billets zu dein vom Beamten
auszufertigenden Inhalt der Urkunde gehört, während dies allerdings für
die Unterschrift des Trägers selbst zweifelhafter ist. Die Entscheidung
der Kassationsbeschwerde hängt daher einzig davon ab, ob ein derartiges
Billet eine Bundesakte im Sinne des Art. 61 BStR sei. Das Bundessirafrecht
enthält keine Definition des Begriffes der Bundesakten, oder, was
offenbar dasselbe bedeutet, Bundesurkunden; dieser Begriff ist daher
aus der gesamten Bundesgesetzgebung abzuleiten, wobei insbesondere auf
die bisherige Praxis der Bundesbehörden Gewicht zu legen, ferner die
Zweckbestimmung des erhöhten Strasschutzes, den das Bundesstrafrecht der
Bundesurkunde gewährt, zu berücksichtigen ist, endlich die Doktrin und
Praxis des deutschen Strafrechts, mit weichem das Bundesstrafrecht in
einem historischen und geistigen Zusammenhang steht, mitheranzuziehen
find. Nun hat was zunächst die Praxis der Bundesbehörden betrifft, der
Bundesrat ais Fälschung von Bundesakten n. a. aufgefasst Fäischung von
Eisenbahnfahrkarten durch Änderung von Stempeln, Unterschriften oder
Datum zu betrügerischen Zwecken- (BBl 1905 I S. 734 sub 10 d); ferner
Fälschungen von postalischen Urkunden ais: Mandatroupons, d. h. Beifügung
von Unterschriften der Adressaten zc. (cod. sub f), ferner früher schon
vor dem Postregalgesetz vom 5. April 1894 die Fälschung von Postwerts
zeichen (Salis, Bundesrecht, 2. Aufl. IV Nr. 1679), mit der Begründung:
diese Marien seien Quittungen einer Bundesbehörde, nämlich Quittungen der
Postverwaltung, für geleistete Entschädi-II. Bundesstrafrecht. N° 79. 559

gungen (Frankaturbetrag) für die von ihr vorzunehmende Leistung
(Transportleistung), also Bundesakten im Sinne des flirt. (Zi BStR. Diese
Auffassung des Bunde-states ist nun freilich fur das Bundesgericht
nicht bindend, sondern der Charakter der Eisenbahnfahrkarten der
Bundesbahnen in Hinsicht auf die Frage-, ob sie Bundesakten seien,
ist vom Bundesgericht frei zu prufen. Zweifellos ist hiebei zunächst,
dass die von der zuständigen Stelle ausgestellten Fahrkarten ausgehen
von einer Amtsstelle des Bundes. Denn die Bundesbahnen bilden, wie das
Bundesgericht in fest- stehender Rechtsrechpung anerkannt hat (siehe
zuerst AS d. bg. (EUR. 29 S. 193 ff. E. 1) und worüber übrigens kein
Zweifel bestehen kann, einen Bestandteil der Bundesverwaltung, und die
Bahnbeamten und Angestellten der Bundesbahnen, auch diejenigen, die
die Fahrkarten auszustellen und auszugeben haben, sind Bundesbeamte
und Angestellte-. Dass die Beamten Hoheitsrechte, ohngkeitliche
Gewalt, ausüben, ist zu ihrer Qualifikation als Bundesbeanite nicht
notwendig. (HS. Escher, Schweizerisches Bundesbeamtenrecht, S. 8,
speziell bei Anmerkung 6.) Nach ihrer-Entstehung also kann den von
den Bundesbahnbeamten in Ausubung ihres Geschäftskrrises ansgestellten
Urkunden der Charakter von öffentlichen Urkunden, Bundesakten, nicht
abgesproschen werden. Auf die Entstehung der Urkunde, auf die Qualitat
des Ausstellers aber ist abzustellen, wenn die Frage der Offentlichkeit
einer Urkunde entschieden werden soll. Denn hierauf stellt ab Art. 166
BZP, der den Begriff der öffentlichen Urkunde allgemein, nicht nur für
den Zivilprozess festsetzt; es kommtnaus die Qualifikation des Beamten
ais einer besondere Glaubwurdigfeit geniessenden Person an. (Analog
für das deutsche Recht: Binding, Lehrbuch, Bes. T. II. Hälfte,
1. Abt. [i. Aufl.] S. 180} auch Olshausen, Kommentar-, Aum.5 zu §
287, II S:10667. [5. Anfl.]) Nach der in deutscher Wissenschaft und
Praxis herrschenden Ansicht (Binding, a. a. Q, Olshausen, a. a. O.,
und dort git.) kommt es auf den Inhalt der Urkunde nicht an; namentlich
kann diese auch ein privatrechtlicher Akt sein. Nicht ausschlaggebend
ist daher die (von der Generaldirektion in ihrem sub Fakt. B erwähnten
Schreiben erörterte) Frage, ob'der Transportvertrag mit den Bundesbahnen
ein Vertrag offentlichrechtlicher

560 B. Strafrechtspflege.

oder aber privatrechtlicher Natur sei. An Hand dieser Grundsätze
hat das deutsche Reichsgericht mehrfach (Entscheid in Strafsachen 8
S. 1009 f.; 28 S. 42 f.; s. ferner Olshausen, u. a. O., Anm. 8 sub IIIi
[S. 1069] und sub IV [S. 1070]; vergl. ferner Riedel, im Gerichtssaal
39 [1887] SUO) ausgesprochen, dass eine von der zuständigen Stelle der
Eisenbahnverwaltung innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse und in
der vorgeschriebenen Form aus-gestellte Fahrkarte geeignet erscheine,
eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 267 StGB darzustellen, mit
der Einschränkung, dass diese Eigenschaft nur so weit reiche, als die
Aussiellung seitens der Behörde erfolgt sei. Demgegenüber vertritt Binding
a. a. O. S. 182 (2. Auflage S. 213) die Ansicht, es komme darauf an,
ob die Beurteilung zum öffentlichen Vernfskreis der Behörde gehöre; alle
Behördenurkundem die sozusagen fungibel seien und im Leben jeder Behörde
vorkommen können (Unterzeichnung eines Mietkontraktes, Bestellung von
Schreibmaterialien) können regelmässig nicht als öffentliche betrachtet
werden, und namentlich können, führt Binding aus, Urkunden über Rechte
aus spezifische Leistungen einer Behörde, die sie selbst ausstellt,
falls die Beurkundung nicht als solche zu ihrem Geschäftskreis gehört,
öffentlich nicht sein; deshalb sei gegen die Annahme zu entscheiden, dass
Eisenbahnbillets von Staatsbahnen oder Postscheine zur Personalbeförderung
öffentliche Urkunden seien; ob die Bahn gegen Billet oder ohne Billet
befördere, sei ganz gleichgültig, und das Billet der Privatbahn habe
genau die gleiche Beweiskraft, wie das der Staatsbahn: wenn echt,
beweisen beide voll das Recht des Inhabers auf Beförderung, sie können
also keinen verschiedenen Beweiswert als Urkunden besitzen. Diese
Ausführungen, so bestechend sie an sich ihrer praktischen Konsequenzen
wegen sein mögen, vermögen jedoch für das schweizerische Bundesrecht nicht
durchzndriugen. Die Einschränkung auf Behörden, zu deren öffentlichem
Berufskreis die Beurkundung gehört, hat im Gesetze keinen Boden; übrigens
gehört die Ausgabe von Billeten und die Beurkundnng der Leistung des
Reisenden, die in der Ausfertigung, Abstempelung und Ausgabe des Billets
liegt, gewiss in den Beurkundungskreis der Bundesbahnbeamten. Auch das
letzte Argument Bindings: demII. Bundesstrafrecht. N° 79. 561

Billet der Privatbahn komme die gleiche Beweiskraft zu wie dem Billet
der Staatsbahn, entfällt, wenn, als entscheidend, auf die Qualität
des Ausstellers abgesteckt wird, als petitio principii. Aus diesen
Ausführungen ergibt sich auch schon, dass die von der Vorinstanz
gemachte Unterscheidung zwischen Ausübung des Imperiums und gewerblichen
Verrichtungen des Beamten ohne Bedeutung für die Qualifikation der
von ihm ausgestellten Urkunde ist. Der erhöhte Rechtsschutz wird der
öffentlichen Urkunde verliehen wegen der Person ihres Ausstellers,
wegen ihrer Entstehung, nicht wegen ihres Inhalts Der Hinweis auf das
Obligationenrecht ist ganz unstichhaltig: Die Unterscheidung in Art. 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste.

OR will lediglich den Vorbehalt kantonalen und andern Bundesrechts
möglichst beschränken zu Gunsten des Obligationenrechts; grundsätzlich
würde einer Gleichftellung aller Beamten auch bezüglich der Haftung
für amtliche Verrichtungen nichts entgegenstehen, insbesondere soweit
es die Bundesbeamten betrifft; jedenfalls kann diese Gleichstellung
der Beamten in gewerblichen Verrichtungen mit Privatbeamten nicht
dazu führen, dass nun auch in anderer Hinsicht, speziell hinsichtlich
der Qualifikation als Urkundspersom ihr Beamtencharakter ignoriert
wird; die erhöhte Glaubwürdigkeit des Beamten kann nicht bestritten
werden aus dem Grunde, dass er gewerbliche Verrichtungen verübe. Zu
diesen, für die Natur der von den Bundesbahnen ausgegebenen Billets
als Bundesakten sprechenden Erwägungen kommt endlich noch hinzu,
dass Art. 38 des Postregalgesetzes die Fälschung von Postwertzeichen
ausdrücklich dem Art. 61 BStR unterstellt, obschon es sich doch auch
bei der Post um ein gewerbliches Unternehmen des Bundes handelt. Es
kann nicht argumentiert werden, es handle sich hiebei um eine smguläre,
an sich nicht gerechtfertigte Unierstellung, sondern es ist daraus auf
den Willen des Gesetzgebers zu schliessen, auch Beurkundungen auf dem
Gebiet solcher gewerblicher Verrichtungen allgemein als Bundesakten
zu qualifizieren; eine Unterscheidung zwischen Postwertzeichen und
Eisenbahnbillets hinsichtlich ihrer Qualifikation als öffentliche Urkunden
wäre innerlich nicht begründet. Nicht zu verkennen ist freilich, dass die
durch die hier vertretene Auslegung geschaffene Unterscheidung zwischen
Bundesbahnund Privatbahn-Billeten Unzu-

562 B. Strafrechtspflege.

kömmlichkeiten schafft wie namentlich die erst , . e Jnftan utre d
Zag-no???? hat. Allem gegenüber dem Wortlautezuitd gîîsi e ee e vermö
en die ' ' schlagen g se praktischen Bedenken nicht durchzu4. Beruht
sonach das angefochtene Urt ' '

' ed aus einer Verl un des Bundesrechts, Indern es das fragliche
Eisenbabnabonnfeitenk ntcht als Yundesakte" Im Sinne des Art. 61 BSlR
angesehen und aus diesem Grunde diese Strasbestimmung nicht zur Anwendung
gebracht Hat, so ist es im Sinne des Art. 172 OG

aufzuheben und die Sache u neuer E t ' . _ stanz zurückznweisen ' z U
schexdung an dre Vorm-

Demnach hat der Kassationshof D erkannt: ie Kassationsbeschwerde wird be
" " ' · · grundet erklart das Urt il d s Appellanonsgerlchts des Kantons
Basel-Stadt isswm 30.eAp:i[

1906 aufgehoben und die Sache u neu · * er E . Gericht zurfidîgewiesen,
z Utschetdung an diesesC. Entscheidungen der Schuldhetreibungsund
Konkurskammer. Arréts de la Chambre des poursuites et des faillites.

80. Entscheid vom 3. Juli 1906 in Sachen Jahr-·

Anfechtung von Wahlen und Beschlüssen der ersten Gfàubfgerversammfung,
Art. 239 SehKG. Statthafssz'gkez't der Beschwerde gegen Zulassung
oder Nichtzulassung eines angeblichen Gläubigers. Art. 17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
,235 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 235 - 1 In der ersten Gläubigerversammlung leitet ein Konkursbeamter die Verhandlungen und bildet mit zwei von ihm bezeichneten Gläubigern das Büro.
1    In der ersten Gläubigerversammlung leitet ein Konkursbeamter die Verhandlungen und bildet mit zwei von ihm bezeichneten Gläubigern das Büro.
2    Das Büro entscheidet über die Zulassung von Personen, welche, ohne besonders eingeladen zu sein, an den Verhandlungen teilnehmen wollen.
3    Die Versammlung ist beschlussfähig, wenn wenigstens der vierte Teil der bekannten Gläubiger anwesend oder vertreten ist. Sind vier oder weniger Gläubiger anwesend oder vertreten, so kann gültig verhandelt werden, sofern dieselben wenigstens die Hälfte der bekannten Gläubiger ausmachen.
4    Die Versammlung beschliesst mit der absoluten Mehrheit der stimmenden Gläubiger. Bei Stimmengleichheit hat der Vorsitzende den Stichentscheid. Wird die Berechnung der Stimmen beanstandet, so entscheidet das Büro.432

SchKG. Endgültige Entscheidungsbe {ugnis des Bemdesgerichés, oder
Bückweisung, wenn die Vorinstanz die Beschwerdegrùinde nur teilweise
geprüft hat und dadurch zur Gutkeéssung der Beschwerde gelangt ist,
das Bundesgericht als Rekurse'nstcmz aber die von der Vorinstanz
gutgeheissenen Beschwerdegrande für umtichfaaltig ansz'eht? Veräwtu-ng
wesGlcknbigsergmppen im Gläubigeraussch-uss. Kompetenz der ersten
Gldubigerversammlung, den freihàndîgen Verkauf von Aktiven zu
beschliessen. Art. 238; 256 Abs. i SchKG.

I. In dem vom Konkursamt Baselstadt gesührten Konkurse des Karl Schmutz
fand am 22. Mai 1906 die erste Gläubigerversammlung statt. Anwesend
oder vertreten waren 13 Gläubiger, die sich in zwei Interessengruppen
schieden. Der einen gehörten 7 Gläubiger an, nämlich: der Rekurrem Zahn
(vertreten durch Advokat Roulet), Karl Fr. Fleischer (vertreten durch
Dr. Knörr), Heckle, Büchler & Sie, die Kantonalbank Neuenburg, Advokat
Guinand und Stenger; der andern Interessengruppe die 6 Gläu-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 32 I 555
Datum : 17. Juli 1906
Publiziert : 31. Dezember 1907
Quelle : Bundesgericht
Status : 32 I 555
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 554 B. Strafrechtspflege. sein mögen) muss hier als verantwortlich, namentlich auf


Gesetzesregister
BZP: 166
OG: 163  172
OR: 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 64 - Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste.
SchKG: 17 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
235
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 235 - 1 In der ersten Gläubigerversammlung leitet ein Konkursbeamter die Verhandlungen und bildet mit zwei von ihm bezeichneten Gläubigern das Büro.
1    In der ersten Gläubigerversammlung leitet ein Konkursbeamter die Verhandlungen und bildet mit zwei von ihm bezeichneten Gläubigern das Büro.
2    Das Büro entscheidet über die Zulassung von Personen, welche, ohne besonders eingeladen zu sein, an den Verhandlungen teilnehmen wollen.
3    Die Versammlung ist beschlussfähig, wenn wenigstens der vierte Teil der bekannten Gläubiger anwesend oder vertreten ist. Sind vier oder weniger Gläubiger anwesend oder vertreten, so kann gültig verhandelt werden, sofern dieselben wenigstens die Hälfte der bekannten Gläubiger ausmachen.
4    Die Versammlung beschliesst mit der absoluten Mehrheit der stimmenden Gläubiger. Bei Stimmengleichheit hat der Vorsitzende den Stichentscheid. Wird die Berechnung der Stimmen beanstandet, so entscheidet das Büro.432
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • frage • kassationshof • unterschrift • basel-stadt • stelle • privatbahn • charakter • vorinstanz • fahrkarte • beweiskraft • fabrik • tatfrage • zweifel • anklage • strafsache • schaden • betrug • wille • unternehmung
... Alle anzeigen
BBl
1905/I/734