46 A. staates-rechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

erhalten hat, dass das beansprucht-: Rechtsmittel daselbst nicht
eristiere, und im dritten in Betracht kommenden Rechtsgebiet, nämlich
in Deutschland, als dem Wohnsitz der Gegenpartei, von der Rekurrentin
ein Versuch der Anfechtung des Schiedsspruchs noch gar nicht gemacht
worden ist.

3. Auf den eventnell gestellten Antrag, es sei der Schiedsspruch durch das
Bundesgericht wegen Willkür aufzuheben, kann nicht eingetreten werden,
weil derselbe kein kantonales Urteil im Sinne von Art. NS Ziff. 2 des
OG ist (AS 31 I Nr. 15), ganz abgesehen davon, dass in dieser Beziehung
die Beschwerde längst verspätet ware.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen

Vergl. auch Nr. 14 u. 16.

II. Doppelbesteuerung. Double imposition.

7. Eli-teil vom 24. Januar 1906 in Sachen Jenaer-Hatten gegen
Finanzen-ebnen giurie).

Steue-rdomiziè für das non rietEhefrau in die Ehe gebrachte Vermögen
bei Geistergemeinschaft und faktr'sckmn Getrenssutleben def Ehegatten.

. Die Rekurrentin, Luise Fenner geh. Sutter, ist die Ehefrau des
Professors Fenner an der Kantonsschnle in Frauenfeld. Die Eheleute
Fenner stehen unter thurgauischem ehelichem Güterrechi, wonach das
beidseitige Vermögen das eheliche Gemeingut bildet, an welchem dem Manne
das unbedingte Dispositions-recht und die Nutzung zustehen. (PG des
Kantons Thurgau § 67 ff.) Die Rekurrentin lebt zur Zeit in saktischer
Trennung von ihrem Ehemann und wohnt seit zirka einem Jahr in Winterthur
beiII. Doppelbesteuerung. N° 7. 47

einem Sohne aus erster Ehe, August Schmid, Commis in einem
Geschäftshause. Die betreffende Wohnung ist von Schmid aus seinen Namen
gemietet. Darin befindet sich ein Mobiliar im Wert von zirka 17,000 Fr.,
das gemäss einer wiederum auf den Namen des Schmid lautenden Police
vom 17. September 1904 versichert ist. Früher war dieses Mobiliar in
Frauenfeld und daselbst auf den Namen der Rekurrentin versichert. Die
letztere crklärl diese Tatsache in der Weise, dass das Mobiliar ans
ihrer frühern Ehe stamme und bei der Erbteilung über den Nachlass des
Vaters des August Schmid diesem zugefallen sei und dass die Rekurrentin,
solange sich der Sohn im Ausland befunden habe, den Gewahrsam und die
Nutzniessung daran ausgeübt habe. Die Rekurrentin hat am 8. September
1904 beim KontrollbureauZWinterthur als Ausweisschriften hinterlegt
einen Heimatschein der Gemeinde Tübendorf und einen Familienschein. Jm
Schriftenempfangschein ist bemerkt, dass die Rekurrentin ohne eigenen
Haushalt sei.

Der Ehemann Fenner versteuert das eheliche Gemeinschaft-Zvermögen,
also auch das von der Frau eingebrachte Gut, in Frauenfeld. Die
Reknrrentin, von der Steuerbehörde Winterthur zur Selbsttaration
aufgefordert, erklärte, dass sie von ihrem Mann nicht geschieden und
daher nicht verpflichtet sei, in Winterthur Steuern zu bezahlen. Sie
wurde hieraus von der Gemeindesteuerkommission als grundsätzlich in
Winterthur steuerpflichtig erklärt und es wurde ihr steuerpflichtiges
Vermögen aus 28,000 Fr. tariert. Diese Verfügung beruhte auf folgenden
Erwägungen: Die Rekurrentin habe in aller Form in Winterthur Domizil
genommen in der offenbaren Absicht, daselbst dauernd zu verbleiben und
ihrem Sohne die Haushaltung zu führen· Sie habe daher ihr Steuerdomizil
in Winterthur, wenn auch ihr Rechtsdomizil nach am. é Abs. 1 BG
betr. zivilr. V. d. N. u. A. Frauenser sein möge. Das am letztern
Orte versteuerte Vermögen von 25,'-)00 Fr. gehöre grösstenteils der
Rekurrentin, die schon W ihrer Verheiratung 23,000 Fr. versteuert
habe. Bei der Versteuerung in Frauenfeld handle es sich lediglich um
einen Versuch, der Besteuerung in Winterthur, wo die Steuern höher seien,
zu enîgehen. Ubsr diese Verfügung beschwerte sich die Rekurrentin

48 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt, Bundesverfassung.

bei der Finanzdirektion des Kantons Zürich, die durch Entscheid vom
17. Oktober 1905 die Beschwerde abwies, wobei sie sich wesentlich auf die
nämlichen Gründe, wie die Gemeindesteuerkotnmission Winterthur, stützte,
und auch noch darauf abstellte, dass die Rekurrentin in Winterthur
Hausrat im Wert von zirka 17,000 Fr. besitze.

B. Gegen den Entscheid der Finanzdirektion hat Frau Fenner den
staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag,
es sei der Entscheid, weil gegen das bundesrechtliche Verbot der
Doppelbesteuerung verstossend, aufzuheben; eventuell soll sich der Rekurs
gegen eine Mitteilung des Finanzdepartements des Kantons Thurgau an die
Rekurrentin richten, laut der der Kanten Thurgau an der Besteuerung des
gesamten gemeinschaftlichen Vermögens der Ehelente Fenner in Frauenfeld
festhält. Die Begründung stellt im wesentlichen darauf ab, dass die
Rekurrentin nach Art. 4 Abs. 1 BG betr. zivitr. V. d. N. u. A. ihr
rechtliches Domizil trotz der faktischen Ehetrennung in Frauenfeld habe
und dass die eheliche Güter-gemeinschaft der Eheleute Fenner nach wie
vor zu Recht bestehe. Es wird bemerkt, dass die faktische Ehetrennung
keineswegs als dauernde gedacht und dass nicht ausgeschlossen sei, dass
die eheliche Gemeinschaft früher oder später wieder ausgenommen merde.

C. Die Finanzdirektion des Kantons Zürich hat aus Abweisung des Reknrses
angetragen und ausgeführt, dass nach der ganzen Sachlage ein Steuerdomizil
der Returrentin in Winterthur in Bezug auf ihr Frauengut anzunehmen sei.

D. Das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Finanzdepartement des
Kantons Thurgau hat erklärt, dass der Kanten Thurgau an der Steuerpflicht
der Eheleute Fenner in Bezug auf das gesamte Gemeinschaftsvermögen
festhalte

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1 Die Eheleute Fenner stehen unbestrittenermassen unter der nach
thurganischem Rechte (PG § 67 ff) geltenden Gütergemeinschaft. Das
von der Reknrrentin in die Ehe gebrachte Gut ist daher zum ehelichen
Gemeingut geworden, an welchem dem Ehemann der Gebrauch und Genuss und
die unbedingte Dispositionsbefugnis zustehen. Diese Gütergemeinschaft
besteht rechtlich auch heute noch; denn es wird nicht behauptet, dass
die EheleuteIl. Doppelbesteuerung. N° 7. 49--

Fenner Gütertrennung vereinbart hätten oder dass die Rechte des
Ehemannes in Bezug aus das von der Rekurrentin eingebrachte Vermögen
sonstwie dahingefallen seien, weil etwa der sEhemann der Pflicht, für
den Unterhalt der Rekurrentin zu sorgen (I. c. § 72), nicht nachgekommen
wäre. Jndem die Gemeinde Winterthur das Vermögen der Rekurrentin und zwar
offenbar das Kapitalvermögen und nicht etwa das dortige, auf ben Namen
des August Schmid als Eigentümer versicherte und nach der Behauptung der
Rekurrentin diesem gehörige Mobiliar zur Steuer heranzieht, besteuert sie
Vermögenswerte, die prinzipiell Bestandteil des ehelichen Gemeingutes
find, welches der Ehemann Fenner bereits an seinem Wohnorte Frauenfeld
versteuert. Nun ist aber ohne weiteres klar, dass, wenn (in inter:
kantonalen Verhältnissen) der Ehemann nach dem ehelichen Gütersrecht
am (ursprünglichen) Frauenvermögen, als Bestandteil des ehelichen
Gemeingutes, die Verwaltung und Nutzniessung hat, das Vermögen abgesehen
natürlich von Immobilien auch vom Ehemann an seinem Wohnort zu versteuern
ist. Zn der bundesgerichtlichen Praxis betreffend Doppelbesteuerung
steht ja fest, dass bewegliches Nutzungsgut am Orte des Nutzniesser-Z
und nicht des Eigentümers der Steuer unterliegt (s. z. B. AS 30 II
S. 285); umsomehr muss das in der Dispositionsund Nutzungsbefugnis des
Ehemannes stehende eheliche Gemeingut, auch soweit es aus ursprünglichem
Frauenvermögen besteht, am Orte des Ehemannes versteuert werden. Dass die
Ehefrau vom Mann faktisch getrennt lebt und sich in einem andern Kanton
aufhält, vermag, sowenig es an der Ordnung der Güterrechtsverhältnisse
grundsätzlich etwas ändert, eine Verschiebung der Steuerhoheiten zu
bewirken, und auch dem blossen Umstand, dass vder Ehemann vielleicht
zeitweilig zu Gunsten der von ihm faktisch getrennt lebenden Frau die ihm
in Bezug aus das (ursprüngliche) Frauenvermögen gesetzlich zustehenden
Befugnisse nicht ausübt, was übrigens hier keineswegs dargetan ist, könnte
für die Frage der Steuerhoheit kein Gewicht beigelegt werben, sofern,
wie vorliegend, feststeht, dass der Ehemann das Recht auf Verwaltung und
Nutzung des fraglichen Vermögens hat, von welchem Rechte er natürlich
jederzeit Gebrauch machen farm. AS 32 l 1906 4

50 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

2. Nach diesen Ausführungen muss die Beschwerde über die Verfügung der
zürcherischen Finanzdirektion gutgeheissen und derangefochtene Erlass
als gegen das bundesrechtliche Verbot der Doppelbesteuerung verstossend
aufgehoben werden. Hiehei soll die Frage unberührt bleiben, ob im übrigen
unter Umständen nicht dadurch, dass eine Ehefrau vom Ehemann faktisch
getrennt in einem andern Kanton wohnt, ein Steuerdomizil der Ehefrau
am betreffenden Orte begründet werden kann, sei es hinsichtlich eines
Sondergutes oder des Vermögens überhaupt bei anderweitiger Ordnung des
Güterrechts (z.B. Gütertrenuung), sei es hinsichtlich des Erwerbs der
Ehefrau an jenem Orte.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Beschwerde gegen die Verfügung
der zürcherischen Finanzdirektion vom 17. Oktober 1905 wird gutgeheifzen
und die genannte Verfügung aufgehoben.

8. Arten vom 8. Februar 1906 in Sachen Taverna gegen Hin-ich
u. girauben.

Anerkennung der Steuerhoheit eines Kantons durch freiwillige emd'
eorbehatttese Zahlung der Steuer. Steuerdomizi! für einen Bevormundeten
{hinsz'chièe'ch der Besteuerung des beweglichen Vermögens): es
befindet sich am Orte der tatsächlichen Ausübung der Vormundschaft. -BG
bet-r. Sit-ih. ,V. d. N. MA., Art. 17; 4, Abs. 2; 9; zii-roh. PGB §§
733 lf. {rechtliche Stellung der Mutter des ,Minderjährigen nach dem
Tode des Vaters}.

A. Dem am 17. April 1886 gebornen Rekurrenten, Martin Taverna von Davos,
war nach dem Tode seines Vaters von der Vormundschaftsbehörde Davos
als Vormund ©. Valär in Davos bestellt worden. Im Oktober 1902 zog der
Rekurrent mit seiner Mutter, Witwe Stein, nach Winterthur. Im Jahre 1903
waren. Mutter und Sohn sechs Monate von Winterthur abwesend, indem sie
sich, wie es scheint, auf Reisen befanden; seit dem Oktober 1903 wohnen
sie ununterbrochen in Winterthur, woselbstII. Doppelbesteuerung. N° 8. 51

der Refin-rent das Technikum besucht. Am 31. Oktober 1903 wurde dem
Vormund von der Steuerkommission Winterthur eine Steuertarationsanzeige
für den Rekurrenten, der ein bewegliches Vermögen von 60,000 Fr. besitzt,
zugestellt. Nachdem der Vormund die Steuerpflicht des Rekurrenten im
Kanton Zürich bestritten hatte, weil der Kanion Graubünden die Besteuerung
des Vermögens für sich beanspruche, verfügte die Finanzdirektion
des Kantons Zürich unterm 12. April 1904, dass der Rekurrent für fein
bewegliches Vermögen pro 1903 und die Folgezeit- in Winterthur staatsund
gemeindefteuerpftichtig sei. Gegen diese Verfügung stand dem Vormund, wie
im Dispositiv ausdrücklich erwähnt ist, binnen 14 Tagen von der Mitteilung
an der Rekurs an den Regierungsrat offen, von welchem Rechtsmittel jedoch
kein Gebrauch gemacht wurde. In der Begründung führt die Finanzdirektion
aus, dass der offenbar mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde Davos
vorgenommene Domizilwechsel den Übergang der vormundschaftlichen
Verwaltung an die Behörden von Winterthur und damit ein Steuerdomizil
des Rekurrenten am letzteren Orte begründet habe, und dass der Kenton
Graubünden nicht gestützt auf die blosse tatsächliche Ausübung der
Vormundschast Steueransprüche geltend machen könne. Im Juni 1904 verlangte
die Waisenkommifsion Winterthur von der Vormundschaftsbehörde Davos
die Übertragung der Vormundschaft über den Rekurrenten. Die letztere
Behörde wies das Gesuch ab, der Kleine Rat des Kantons Graubünden
entschied dagegen unterm 25. April 1905 (mitgeteilt am 4. Mai 1905) auf
Begehren des Regierungsrates von Zürich, dass die Vormundschaftsbehörde
Davos pflichtig sei, die Vormundschaft über den Rekurrenten an die
Waisenkommission Winterthur zu übertragen Hiebei nahm der Kleine Rat an,
dass der Rekurrent, der mit seiner .Mutter als Inhaberin der elterlichen
Gewalt und im Einverständnis der Vormundschaftsbehörde nach Winter-thut
gezogen sei und dort eine Niederlassungsbewilligung erhalten habe,
seinen ordentlichen Wohnsitz in Winterthur habe, weshalb die dortigen
Behörden zur Führung der Vormundschaft zuständig seien. Am 4. September
1905 wurde dem Steuerbureau Winterthur für den Rekurrentendie Staatsund
Gemeindesteuer pro 1903 und 1904 und die Gemeindesteuer
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 32 I 46
Date : 24. Januar 1906
Published : 31. Dezember 1907
Source : Bundesgericht
Status : 32 I 46
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 46 A. staates-rechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. erhalten


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