160 B. Strafrechtspflege.

mise en circulation et en vente de la marchandise revétue de la marque
contrefaite constituait une sorte de concurrence déloyale à l'égard des
Peres Chartreux. 11 ne résulte pas du dossier que Barraud, tenancier du
Kursaal à Lausanne, ait su, alors qu'il acheta de la Chartreuse chez
Béchert, que cette liqueur ne provenait pas des Peres Chartreux; mais
il ent plus tard connaissance de ce fait, lors du séquestre de

cette marchandise dans son étahlissement sous date du

6 mai 1905, ce qui ne l'empéeha pas d'en continuer le débit, de telle
facon que lors de son audition du 21 juin suivaut, il .n'en existait
plus chez lui. Le prévenn Durand, à Montreux, ne parait pas non plus
avoir su, lorsqu'il acheta de la Char 'treuse de son co prévenu Légeret,
que cette marchandise n'avait pas été fabriquée par les Pères Chartreux,
mais il reconnaît, dans l'enquète, l'avoir appris dans des converse.tions
avec ses collègnes, ce qui ne l'a pas empéché de la mettre en vente.

11. En revanche, il n'existe, à la charge des prévenus Cottier,
Tzaut-Serex et Freymond, aucun indice d'ou l'on puisse inférer qu'ils
aient eu connaissance de l'origine de la marchandise; le premier,
tenancier du Café des deux Gares, à Lausanne, a recn sa Chertreuse de
l'ancien stock du sieur Légeret; le second, épicier à Clareus, la recevait
de Ma,nuel frères, qui la lui facturaient comme Chartreuse veritable;
Freymond, qui autrefois déteuait de la vraie Chartreuse, n'en a jamais
eu d'autre en magasin; il a renoncé à la vente de cet article. Aucun de
ces trois prévenus ne pou-vait s'apercevoir que la marque apposée sur
cette marchandise différait de celle employee par les Peres Chartreux, et
rien ne pouvait leur faire supposer que leurs vendeurs leur fournissaient
une marchandise autre que celle fabriquée par ces religieux.

Par ces motifs, La Cour de cassati on pénale du Tribunal fédéral

pronunce :

1. Il n'est pas entre en matière sur le recours, en tant que dirige contre
la décision du Tribunal d'accusation duIII. Erfindungspatente. N° 21. 161

canton de Vaud, du 23 mai 1905, autori'sant le Juge informateur du cercle
de Lausanne à exiger un cautionnement du plaignant G.-l-l. Rey.

2. L'arrèt de non-lieu rendu par le Tribunal d'accusation du canton de
Vaud, sons date du 5 octobre 1905, est déclaré qu et de nul effet en
ce qui concerne tous les prévenus, à l'exception des sieurs H. Cottier,
a Lausanne, C. Tzaut-Serex, & Glarens, et E. Freymond, à Vevey.

III. Erfindungspatente. Brevets d'invention.

:21. "giri-zii des gtassatiousljoses vom 13. Februar 1906 in Sachen
Halm-g Kassat.-Kl., gegen Perser-Wanz, Kassat.-Bekl.

;Bindende Kraft des die Patentuichtigkeitsklage aöweisenden Zivilurteus
fur den Strefrichter im Patentverletzungeprozesse. Art. 30 Abs. !,
Art. 10 Abs. 2 Pat.-Ges. Rechtskraft bundesgerichtlicher

Zévz'lussrteile. Art. 101 DG. Verletzung eidgenössischen Rechts.
Art. 563 OG.

A. Durch Urteil vom 15. November 1905 hat die IH. Appelkiilationiskammer
des Obergerichts des Kanten-Z Zurich über die Anklage-:

Bucher hat in den Monaten August und September 1903 Bei der Firma
R. Hachdanz in Offenburg 141 Stück Obstmühlen anfertigen lassen,
welche die kennzeichnenden Eigentüm,lichkeiten des eidgenössischen
Patentes Nr. 11,841 des Adolf ,Hasner, Mechaniker in Richter-Emil,
das folgenden Anspruch hat: Eine Obstmühle, dadurch gekennzeichnet,
dass der den Einfülltrichter und die Speisewalze enthaltende Oberteil
und der die Schuhe: enthaltende kastenförmige Unterteil scharnierbar mit
dem ,Arbeitswalzengestell verbunden sind, so dass sie zwecks Freilegung
wder inneren Bestandteile aufbezw. niedergeklappt und auch bei

,Herausnahme des Scharnierbolzens ganz vom Walzengeftell entAS se I 1906 u

182 B. Strafrechtspflege.

fernt werden können, enthalten, indem der. Fülltrichter und der Oberteil,
ersterer sür sich allein und beide zusammen um Le einen Scharnierbolzen
aufgeklappt werden können.

Von diesen Obstmühlen, die Bucher in derqoben angegebenen Zahl in zwei
verschiedenen Grössen (60 Stuck kleinere Sorte und 81 Stück grosse Sorte)
geliefert erhielt, hatt derselbe bis zum 23. Oktober 1903 in Niederwenigen
und auf seinen Filialen in Neunkirch, Bonstetten, Altstätten, Eschenbach,
Bazenheid, Egnach und Lachen 110 Stück verkauft. Hiedurch hat sich der
Angeklagte schuldig gemacht der Verletzung des Bandes-gesetzes über die
Erfindungspatente, Art. 24 Bin. 2 und 8; erkannt: _ .

Der Angeklagte ist eines Vergebens nicht schuldig und wirdfreigesprochen
' . .

B. Gegen dieses Urteil hat der Damnisikat rechtzeitig und, m richtiger
Form die Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 160 ff . OG)
eingelegt, mit dem Antrage, es sei zn erkennen:

1. Die Kassationsbeschwerde sei begründet und es werde demgemäss das
Urteil der III. Appellationskammer des Obergerichts vom 15. November
1905 aufgehoben.

2. Die Akten werden zu neuer Entscheidung an die kantonale Instanz
zurückgewiesen.

C .....

D. Der Kassationsbeklagte hat aus Abweisnng der Kassations-s beschwerde
angetragen.

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Der Kassationskläger, der Inhaber des schweizerischen Pa-tentes
Nr. 11,841 für eine schweizerische Obsimühle ist, reichte im September
1902 gegen den Kassationsbeklagten Strafanzeige wegen Patentverletzung
ein, die zu der in Fakt. A wiedergegebenen Anklage führte; der
Kassationskläger machte im Strasprozes ad-

häsionsweise einen Entschädigungsanspruch wegen Patentverletzung

geltend. In der Hauptverhandlnng vor dem erkennenden GerichteI. Instanz
(Bezirksgericht Dielsdorf), am 18. März 1903, stellte

der Vertreter des Kassationsbeklagten den eventuellen Antrag--

der Strafprozess sei zu sistieren bis nach Erledigung eines
gegenIII. Erfindungspatente. N° 21. 163,

den Kassationskläger am 5. März 1903 beim Friedensrichteramie
Richterswii angehobenen Zivilprozesses über die Frage der Richtigkeit
des Patente-Z. Das Bezirksgericht Dielsdorf beschloss hieraus, der
Strasprozess werde sistiert bis nach Erledigung des Zivilprozesses
betreffend Richtigkeit des Patentes des Kassationsklägers, und setzte
dem Kassationsbeklagten Frist an, um sich darüber auszuweisen, dass
die Zivilklage beim Handelsgericht eingereicht und an Hand genommen
worden sei; da das Handelsgericht sich nnzuständig erklärte, reichte
der Kassationsbeklagte die Nichttgkeitsklage beim Bezirksgericht
Horgen ein. Die Richtigkeitsklage wurde darauf gestützt, dass die
patentierte Erfindung zur Zeit der Anmeldung nicht neu und dass sie
überhaupt keine Erfindung sei. Das Bezirksgericht Horgen hat die
Nichtigkeitsklage mit Urteil vom 18. Dezember 1903 abgewiesen, und
das Bundesgericht hat dieses Urteil in der Hauptsache, in Abweisnng
der vom Nichttgkeitskläger (Kassationsbeklagten) dagegen ergriffenen
Berufung, bestätigt (mit Ausnahme des nicht mehr im Streite liegenden
Patentanspruches 2). (BGE 30 II Nr. 15 S. 108 ff.) Nach Erlass des
bundesgerichtlichen Urteils wurde das Strafverfahren wieder aufgenommen;
der Vertreter des Kassationsbeklagten trug in der Hauptverhandlung vom
25. Mai 1904 namentlich auf Aktenverdollständigung an und produzierte
eine Reihe neuer Akten, aus denen die Richtigkeit des Patentes des
Kassationsklägers hervorgehen sollte. Das Bezirksgericht Dielsdors
erklärte jedoch mit Urteil vom 24. August 1904 ohne Aktenvervollständigung
den Kassationsbeklagten der Patentverietzung schuldig und verurteilte
ihn zu einer Geldbusse von 200 Fr., unter Verweisung der Zivilansprüche
ad separatum. Über die beantragte Aktenvervollständigung führte dieses
Urteil aus: Auf das Begehren des Angeklagten (Kassationsbeklagten)
um neue Beweiserhebungen sei nicht einzutreten, denn es sei nach der
Aktenlage nicht einzusehen, dass für den Angeklagten eine wesentlich
günstigere Situation geschaffen würde, auch wenn ihm die angetragenen
Beweise gelingen würden. Bezüglich der Patentfähigkeit der Ersindnng
des Damnifikaten hätten sich die zuständigen richterlichen Behörden in
bejahendem Sinne ausgesprochen und daher die vom Angeklagten erhobene
Klage auf Richtig-

164 B. Strafrechtspflege.

erklärung des Patentes abgewiesen; dabei sei von beiden Jnstanzen die
Behauptung des Angeklagten, dass das, was der Damnifikat als Erfindung
geltend mache, gar nicht patentiert worden sei, als unzutreffend
zurückgewiesen worden, und ebenso hätten die Gerichte erklärt, es sei
nicht richtig, dass die Erfindung durch frühere Konstruktionen des
Angeklagten antezipiert sei. Das Vezirksgericht sei nach Prüfung der
Akten ebenfalls vollständig dieser Ansicht. Vor Appellationskammer,
an welche der Angeklagte (Kassationsbeklagte) die Hauptappellation
erklärte während der Kasfationskläger anschlussweise Gutheissung des
Schadenersatzanspruches beantragte trug jener eventuell auf Aktenergänzung
durch neue Expertise über die Frage der Neuheit und des Vorliegens einer
Erfindung an. Die Appellationskammer hat diesem Begehren entsprochen,
hat zweimalige Expertise angeordnet und ist hierauf, da die von ihr
als entscheidend betrachtete Expertise Ramel dahin ausfiel, es handle
sich beim Patente des Kassationstlägers nicht um eine Erfindung, zu dem
eingangs mitgeteilten freisprechenden Urteile gelangt.

2. Über das Verhältnis des bundesgerichtlichen Urteils, das
die Nichtigkeitsklage des Kassationsbeklagten abgewiesen hat, zum
Strafprozesse, und seine Stellung zu jenem Urteile führt das angefochtene
Urteil aus: Es ergibt sich die Frage, ob dieses Zivilurteil unter allen
Umständen für den Strafrichter bindend sei. Wäre die Nichttgkeitsklage
gutgeheissen worden, so könnte in dieser Beziehung ein Zweifel
nicht bestehen. Alsdann hätte das Strafverfahren ohne weiteres
eingestellt werden müssen, weil dann die Zivilgerichte in allgemein
verbindlicher Weise festgestellt hätten, dass das Patent nicht zu
Recht bestehe. Zweifelhaft ist die Frage im vorliegenden Falle, wo die
Zivilgerichte zur Abweisung der Nichtigkeitsklage gekommen sind. Hier kann
es sich fragen, ob nicht der Strafrichter die Frage der Richtigkeit einer
selbständigen Prüfung zu unterwerfen habe und ob er sie gegebenenfalls
im gegenteiligen Sinne entscheiden dfn-fe. Die Frage wird aber in
letzterem Sinne zu entscheiden sein, schon aus dem einsachen Grunde,
weil der Strafrichter berechtigt ist, jene Inzidentfrage selbständig zu
entscheiden. Zweckmässigkeitsgründe öffentlich-rechtlicher Natur mögen
allerdings dafür sprechen, dassIII. Ersindungspatente. N° 21. 165

der Strafrichter-, wenn immer möglich, den Entscheid des Zwilrichters
anerkenne und sich mit demselben nicht in Widerspruch sehr, aber auf das
Recht der selbständigen Aktenwürdigung darf er dann nicht verzichten,
wenn das Zivilurteil mit seiner eigenen Uberzeugung im Widerspruch steht,
und namentlich darf er dann nicht einfach auf das Zivilurteil abstellen,
wenn ihm ein anderes, vollständigeres Aktenmaterial zur Verfügung steht
als seiner Zeit dem Zivilrichter. Das letztere wird hauptsächlich
dann zutreffen, wenn, wie hier, es dem Nichttgkeitskläger aus rein
prozessualen Gründen nicht möglich war, dem Zivilrichter das gleiche
vollständige Aktenmaterial zur Verfügung zu stellen. Im vorliegenden
Falle war der Angeklagte in der Lage, nachträglich noch eine Anzahl
von Obstmühlen älterer Konstruktion beizubringen, hergestellt längst
vor der Patentierung der Obstmühle des Damnisikaten, bei denen sich
die Speisewalze ebenfalls schon im abhebbaren oberen Teil der Obstmühle
befindet, um damit darzutun, dass die Argumentation der Zivilinstanzen,
dass die patentierte Obftmiihle des Damnisikaten gerade in dieser
Beziehung eine originelle Konstruktion aufweise, unrichtig sei. Hier hatte
er im Zivilprozesse keine Gelegenheit, weil er nicht "darauf vorbereitet
war, dass diese angeblich originelle Konstruktion als Gegenstand des
Patentanspruches bezeichnet werden könnte. Die Strafinstanzen verfügen
also tatsächlich über ein reichhaltigeres Vergleichsmaterial, als es den
Zivilinstanzen zur Verfügung stund, und es musste deshalb dem Strafrichter
umsoeher gestattet sein, die Frage der Richtigkeit des Patentes einer
erneuten Prüfung zu unterwerfen. In dieser Argumentation erblickt
der Kassationskläger eine Verletzung des Patentgesetzes, speziell der
Art. 1 und 24 ff. Das Zivilurteil sei präjudiziell für den Strafrichter;
keine der beiden Parteien habe das bundesgerichtliche Urteil durch ein
Rechtsmittel mehr anfechten können; auch sei der Strafprozess ja gerade
zur Durchführung des Zwilprozesfes sistiert worden. Dem Kassationskläger
stehe daher die exceptio rei indicate-e zu. Demgegenüber führt der
Kassationsbeklagte aus, die Präjudizialität des Zivilurteils für den
Strafrichter werde mit Unrecht geltend gemacht: weder die zürcherische
noch die eidgenössische Gesetzgebung kenne eine die Präjudizialität

166 B. Strafrechtspflege.

vorschreibende Bestimmung; auch die heutige Doktrin und Praxis stehe
auf dem gegenteiligen Standpunkt Die Gutheissung der Richtigkeitsklage
wirke aus dem Grunde anders, weil dann das Patent gelöschi werden
müsse und also die Grundlage für die Patent-Rachahmungsklage wegfalle
Eventuell läge in der Nichtbeachtung des Grundsatzes der Präjudizialität
höchstens eine Verletzung eines Grundsatzes des Prozessrechtes, also
des kantonalen Rechtes, worauf eine Kassationsbeschwerde nicht gestützt
werden könne. Der Strafrichter sei vollständig frei, die Richtigkeit des
Patentes incidenter zu prùfen, trotz Vorhandenseins eines Zwilurteiles,
das sich darüber ausspreche Die Kassationsbeschwerde beschlägt sonach
die Frage, ob eidgenöffisches Recht dadurch ver letzt fei, dass die
Vorinstanz erklärt, das bundesgerichtliche Urteil vom 29. März 1904,
das die Patentnichtigkeitsklage des Kassationsbeklagten abgewiesen hat,
sei für sie, in ihrer Stellung als Strafrichter, nicht bindend, und
dass sie trotz jenem bundesgerichtlichen Zivilurteile neue Beweise über
die Frage der Richtigkeit des Patentes des Kassationskiägers -im Sinne
des Richtvorhandenseins einer Erfindung und des Mangels der Neuheit des
Patentes zugelassen und diese neuen Beweise als entscheidend angesehen
hat.

3. Zur Beurteilung dieser Frage ist vorab notwendig, Inhalt und Tragweite
jenes bundesgerichtlichen Zivilnrteils zu bestimmen. Nun hat dieses
Urteil die vom Kassationsbeklagten gegen den Kassationskläger auf
Nichttgerklärung des Patentes Nr. 11,841 gerichtete Klage, die als
negative Feststellungsklage zu charakterisieren ist, abgewiesen, mit
der Begründung, die vom damaligen Kläger (jetzigen KassationsbeklagtenJ
geltend gemachten Richtigkeitsgründe der Richtnenheit der Erfindung und
des Stichworhandenseins einer Erfindng treffen nicht zu. Dieses Urteil
ist erfolgt während der Suspension des vom Kassationskläger gegen den
Kassationsbeklagten angehobenen Strafprozesses wegen Patentverletzung,
und es ist damit eine Einwendung des Kassationsbeklagten abgewiesen
worden, welche er im Strafprozesse als Verteidigungsgrund geltend gemacht
hatte. Der Entscheid des Bundesgerichts, der die Richtigkeitsklage und
damit implicite jene Einwendung des Kassationsbeklagten als unbegründet
abgewiesenIII. Erfindungspatente. N° 21. 167

hat, ist in Rechtskraft erwachsen, und nach den allgemeinen
Grundsätzen Über die Rechtskraft eines Zivilurteils ist es nun
ausgeschlossen, dass unter denselben Parteien dieselbe Frage nochmals
zum Gegenstande des Rechtsstreites gemacht werde; dieselbe Frage-
bedeutet aber bei Patentnichtigkeitsklagen die Frage der Richtigkeit
des Patentes aus einem schon im frühern Prozesse geltend gemachten
Richtigkeitsgrunde. (Bergl. Kohler, Handbuch des deutschen Pat.-Rechts,
2. Aufl. S. 387.) Die Rechtskraft äussert sich materiell in der bindenden
Kraft des Urteilsinhaltes

nicht nur im entschiedenen Prozess, sondern in jedem Prozess vor

irgend einem Gericht zwischen denselben Parteien über die gleiche Sache;
sie hat die Wirkung, den Parteien die exceptio rei

sijudicatae zu verleihen, und die andere, dass das Entschiedene kraft

seiner bindenden Autorität als wahr entschieden zu gelten hat (res
judicassta pro veritate habetur); das in jenem Richtigkeitsprozess
Entschiedene kann nicht nochmals Gegenstand der Entscheidung
werden. Aus diesen Grundsätzen die als unbestritten gelten dürfen
folgt nun freilich nicht ohne weiteres-, dass auch Ader Strafrichter
im Patentverletzungsprozess schlechthin an das Zivilurteil über die
Richtigkeit des Patentes, zumal wenn die Nichttgkeitsklage abgewiesen
ist, in dem Sinne gebunden sei, dass ies für die Parteien im Strafprozess
die Wirkung einer rechtskräftig entschiedenen Sache haben müsse. Denn im
Strafprozess sind ja Parteien nicht der vormalige Patentnichtigkeitskläger
und dessen Prozessgegner, sondern der Staat und der Angeklagte; der
Patentnichtigkeitsbeklagte in casu der heutige Kassationskliiger ist
nur Geschädigter und höchstenfalls Privatstrafklägerz und der Anspruch,
der im Strafprozess verfolgt wird, ist der Strafanspruch des Staates,
nicht irgend ein Zivilanspruch Wohl ist jene Vorund Jncidentfrage der
Richtigkeit des Patente-s rechtskräftig entschieden für die Parteien des
dortigen Prozessesz aber fraglich ist, ob sie es auch sei für den Staat,
der den staatlichen Strafanspruch verfolgt. Hier, im Strafprozesse,
bildet die Vorfrage der Richtigkeit des Patentes nur ein notwendiges
Glied in der Entscheidungslette, die zur Bejahnng oder Verneinung des
Strafanspruchs führt: ein nichtiges Patent ist nicht fähig, Veranlasser
eines staatlichen Strafrechts zu werden (Kohler,

168 B. Strasrechtspflege.

S. 359 f.); und es erhebt sich nun das Bedenken, ob der Zwilrichter
dadurch indirekt über den Strafanspruch solle entscheidenkönnen, dass er
ein Urteil über eine Voraussetzung des Strafanspruches -die Gültigkeit
des Patente-Z mit bindender Kraft:

auch für den Strafrichter soll fällen können. Trotz dieses Be-

denkens führen aber folgende Erwägungen zur Annahme der bindenden
Kraft des Zivilurteils in Patentnichtigkeitsprozesseto für den über die
Pateutverletzung urteilenden Strafrichter. Zunächst ist zweifellos (und
wird auch von der Vorinstanz und derna Kassationsbeklagten zugegeben),
dass das die Nichttgkeitsklage gutheissende Zivilurteil allgemein,
gegen jedermann, wirkt, also auch-sbindend ist für den Strafrichter-;
denn die Richtigerklärung wirkt allgemein und hat die Löschung des
Patentes zur Folge. Die Abweisung der Richtigkeitsklage schafft
nun freilich Rechtskraftnur unter den Parteien und nur bezüglich der
geltend gemachten Nichtigkeitsgründe, und aus der bindendeu Kraft des die
Richtigkeitsklage gutheissendeu Urteils folgt daher nicht mit logischer
Notwendigkeit auch die bindende Kraft des Abweisungsurteils. Wohl aber
fällt folgendes ausschlaggebend in Betracht: Im vor-sliegenden Falle
ist der Strafprozess gerade zu dem Zwecke eingestellt worden, dass
vorerst über die zivilrechtliche Vorfrage derRichtigkeit des Patentes
vom zuständigen Zivilrichter entschiedenwerde; der Strafrichter hat sich
also der Zuständigkeit zur Prüfung dieser zivilrechtlichen Vorfrage
begeben, offenbar von ber" Erwägung ausgehend, dass die Zivilgerichte
besser in der Lageseien als das Strafgericht, jene Frage zu beurteilen,
und bessere Gewähr für eine richtige Beurteilung Bieten. Es handelt
sich ja auch in der Tat hiebei um eine rein zivilrechtliche Frage,
undErwägungen ähnlicher Natur haben bekanntlich manche Gesetzgebung
veranlasst, für die Nichtigkeitsfrage überhaupt nur den Zivilrichter
oder ein spezielles Forum zuständig zu erklären und dem Strafrichter den
(anident-) Entscheid darüber zu entziehen (S. insbesondere jetzt auch
das deutsche Recht; Kohler, a. a. O., S. 362"ff.) Das eidgenössische
Patentgesetz geht nun allerdings nicht so weit. Wohl schreibt Art. 30
Abs. I den Kantonen die Bezeichnung einer einzigen Instanz vor für die
zioilrechtlichen Streitigkeiten wegen Patentnachahmung und Art. 10 Abs. 2
verweist auch dieIII. Erfindungspatente. N° 21. 169

Nichttgkeitsklagen vor dieses Forum. Allein die bundesgerichtliche
Praxis hat stets angenommen, dass das Bundesgesetz der Beurteilungder
Nichtigkeitsfragen incidenter durch den Strafrichter nicht entge-
genstehe, wobei freilich der Entscheid nur für die betreffenden
Par-teien Recht schaffe-. Dort, wo die Verweisung der Richtigkeit-Z-
frage an den Zivitrichter (oder ein Spezialforum) und dessen
ausschliessliche Zuständigkeit Gesetz ist, muss nun mit Gewissheit
angenommen werden, dass das Zivilurteil über die Richtigkeit-Zfrage
auch für den Strafrichter bindend sein muss: würde doch andernfalls der
Zweck jener Gesetzesborschrift, die ausschliessliche Zuständigkeit des
Zivilrichters, nicht erreicht. (W eiss, Konnexe Sinis: und Strafsachen,
S. 538; vergl. auch Renouard, Traité des brevets d'inventîons, N° 216
p. 453 et suiv.) Jst das aber richtig, so muss auch die Verweisung der
Nichttgkeitsfrage an den Zivilrichter durch den Strafrichter selbst
die gleiche Wirkung haben; der Strafrichter will sich ja auch durch
dieseVerweisung dein Entscheide jener Frage gerade entziehen, und es ist
deshalb als sein Wille anzusehen, den Entscheid des Zwilrichters über
die Nichtigkeitsfrage als ihn bindend zu erachten, wobei gleichgültig
ist, ob die Richtigkeitsklage schon vor Anhebung des Strafprozesses
erhoben war oder nicht. Diese Bindung liegt aber auch und das ist
ausschlaggebend im Willen desPatentgesetzes selber. Denn indem es für die
Nichtigkeitsklage ein einziges Forum Vorschreibt (Art. 10 Abs. 2), geht
es von deinGrundgedanken aus, dass dieses Gericht ein Zivilgericht das
ordentliche zur Beurteilung der Richtigkeitsfrage zuständigeGericht und
die Entscheidung derselben durch das Strafgericht nur die Ausnahme sein
soll. Es muss daher dem Entscheide dieses ordentlichen Zivilgerichtes
auch für den Strafrichter dieselbe autoritative Kraft zuerkennen, die
er hätte, wenn die Nichttgkeitsfrage der Beurteilung des Strafrichters
gänzlich entzogen wäre. Es fällt endlich auch die Erwägung die in der
Theorie undPraxis zur Grundlage der freien Stellung des Strafrichters
gemacht wird : dass der Angeklagte ein Interesse daran habe, dass der
Strafrichter alle Voraussetzungen des Patentanspruchesi frei prùfe, in
den Fällen weg, wo der Angeklagte selbst (wie hier der Kassationsbeklagte)
die Zivilgerichte zur Beurteilung einer

170 B. Strafrechtspflege.

zivilrechtlichen Vorfrage angegangen hat. Die bindende Kraft des
Zivilurteils über die Nichttgkeitsklage, auch insofern es diese abweist,
für den Strafrichter ist somit aus dem eidgenössischen Patentgesetze
abzuleiten. Damit ist zugleich gesagt, dass in dem diesen Satz
misskennenden Urteil der Vorinstanz eine Verletzung eidgenössischen Rechts
liegt, und da diese für den Entscher der Vorinstanz kausal isf, so ist
die Kassationsbeschwerde begründet und das angefochtene Urteil aufzuheben

4. Jst in den bisherigen Erörterungen nur die Stellung des Strafrichters
und das Verhältnis des Strafprozesses zur Richtigkeitsklage in
Erwägung gezogen, so wird nun aber das gewonnene Resultat ganz
unabweisbar, wenn berücksichtigt wird, dass der Kafsationskläger nicht
nur Strafanzeige erstattet und fomit den Anstoss zu einer staatlichen
Straf-Anklage gegeben hat, sondern dass er auch als Zivilkläger gegen den
Kassationsbeklagten auftritt; der Umstand, dass das durch Adhäsion an den
Strafprozess geschah, schliesst nicht aus, dass der Kafsatidnskläger
als eigentlicher Kläger, der Kassationsbeklagte als eigentlicher
Beklagter in einem Zivilprozess anzusehen find. Als solche nun find
diese Parteien identisch mit den Parteien des Nichttgkeitsprozesses
(wenn auch mit umgekehrten Parteirollen), und es gilt daher hinsichtlich
der Rechtskraft des Urteils im Nichtigkeitsprozesse für diese Parteien
alles in Erwägung 3 eingangs gesagte; es steht somit fest, dass für diese
Parteien durch das bundesgerichtliche Urteil im Nichttgkeitsprozesse die
Nichtigkeitsfrage soweit es die dort geltend gemachten Nichtigkeitsgründe
betrifft rechtskräftig entschieden worden ist im Sinne der Verneinung der
Richtigkeit. Es würde somit der Rechtskraft dieses Urteils widerstreiten,
wenn der damalige Kläger in einem gewöhnlichen Zivilprozess über
Patentnachahmung die gleiche Frage der Richtigkeit des Patentes nochmals
aufrollen und, entgegen dem rechtskräftigen Urteile, neue Beweise für
die gleichen Nichttgkeitsgründe vorbringen würde: dem stünde zweifellos
die exceptio rei judicatae entgegen. Was aber für den gewöhnlichen
Zivilprozess gilt, muss ganz ebenso gelten für den im Adhäsionsprozess
vor dein Strafrichter geltend gemachten Zivilanspruchz an der Natur
des Anspruches wird ja durch die Adhäsion nichts geändert, und der
HI. Erfindungspatente. N° 22. 171

Geschädigte darf dadurch, dass er die Adhäsion ergreift, nicht schlechter
gestellt sein als wenn er einen selbständigen Zivilprozess neben oder
statt dein Strafprozess durchführen würde. Die Beiseiteschiebung des
rechtskräftigen Zivilurteils über die Richtigkeitsfrage durch die
Vorinstanz und die Zulassnng neuer Beweise gegen dasselbe bedeutet
daher eine Verletzung [der Rechtsnormen über die Rechtskraft von
Zivilurteiien. Diese Verletzung involviert aber ihrerseits sowohl da
es sich um ein Urteil in einem Patentnichtigkeitsprozesse handelt eine
Verletzung der sdem eidgenössischen Patentgesetze innewohnenden Normen,
als auch da das rechtskräftiges Urteil vom Bundesgericht ausgeht -eine
Verletzung der Normen über die Rechtskraft bundesgerichtlicher, in der
Berufungsinstanz erlassener Zivilurteile (Art. 101 QG), und nach diesen
beiden Richtungen eine Verletzung eidgenöfsischen Rechtes. Dass auch
letztere Verletzung mittelst der Kassationsbeschwerde gerügt werden kann,
ergibt sich aus Art. 163 OG, wonach Kassationsgrund die Verletzung jeder
eidgenössischen Rechtsvorschrift nicht nur einer materiellen ist. Jene
Verletzung muss aber ebenfalls zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
führen, und zwar in toto; wenn auch das Urteil nur den staatlichen
Strafanspruch verneint, und ein neuer,

selbständiger Zivilprozess über die Patentnachahmung dadurch wohl
ausgeschlossen wäre, so fusst es eben doch in toto auf einer Ver-

letzung der angeführten Rechtsnormen.

Demnach hat der Kassationshof erkannt:

Die Kassationsbeschwerde wird begründet erklärt, demgemäss das Urteil
der III. Appellationskammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom
15. November 1905 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an
diese Instanz zurückgetriesen
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 32 I 161
Date : 13. Februar 1906
Published : 31. Dezember 1907
Source : Bundesgericht
Status : 32 I 161
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 160 B. Strafrechtspflege. mise en circulation et en vente de la marchandise revétue


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OG: 160  163  563
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