890 Givilrechtspflege.
Bezug auf den Ägerisee kein Raum. Die Klage ist daher gemäss dem zweiten
Klagebegehren gutzuheissen
Welche gegenseitigen Befugnisse die beiden Gemeinden des ärgert
tals hinsichtlich des ihnen gemeinschaftlich zustehenden Fischereirechts
haben, ist im vorliegenden Prozesse, wo lediglich der Bestand des Rechtes
dem Staate gegenüber in Frage stand, nicht zu bestimmen. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt:
Der Einwohnergemeinde Unterägeri steht das Fischereirecht im ganzen
Ägerisee zu. Hiebei sind vorbehalten die Miteigentumsrechte, sei es der
Korporations-, sei es der Einwohnergemeinde Oberägeri, sowie allsällige
private Fischereigerechtigkeiten Dritter. Im übrigen ist die Klage
abgewiesen.
X. Civilstreitig-keiten zwischen Bund und Privaten. Difi'érends de droit
civil entre la. Confédération et des particuliers.
111. Arten vom 1. You-einher 1905 in Sachen geerntet Yberlaudbahuea
g).-®., KL, gegen Eidgenossenfflafl, Bekl.
Streitigkeit über die Auslegung einer Eisenbahnkonzession: Begriff des
Reinereîmges )) als Voraussetzung einer Tamredulctim. Unzu-siändr'gkeit
des Bundesgerichts, wenn and weil über die Tum- redaktion
konzessionsgemälss die Bundesversamming zu entscheideer hat. Eisenbak
ngfs. Art. 35 ; 3.9 Abs. 2; Art. 48 Ziff. 2 OG.
A. Die Konzession der Berner Oberlandbahnen vom 29. April 1887 enthält
in Art. 24 die Bestimmung: Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre
nacheinander einen 6 0/0 übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist
das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaren
verhältnismässig herabzusetzen. Kann diessalls eine Verständigung zwischen
dem Bundes-X. Civilstreitigkeiten zwischen Bund und Privaten. N° 111. 89}
rate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet
darüber die Bundesversammlung. Dieselbe Vorschrift findet sich
in der Konzession für die Schynige Platte-Bahn, die der Berner
Qberland-Bahngesellschaft gehört und von ihr betrieben wird. Über die
Anwendung dieser Konzessionsbestimmung ergab sich zwischen dem Bundesrat
und der Klägerin eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Frage,
wie das Wort Reinertrag auszulegen sei. Der Bundesrat wollte darunter
den Ertrag des Aktienkapitals verstanden wissen und erachtete, da in den
Jahren 1901, 1902 und 1903 von der Klagerin mehr als 6 0/0 Dividende
ansgerichtet worden war, die konzessionsmässige Voraussetzung für die
Taxreduktion als ergeben. Die Klägerin dagegen vertrat den Standpunkt,
dass mit dem Reinertrag der Bahnunternehmnng der Überschuss der
Betriebseinnahinen über die Betriebsansgaben nach Abzug der Verwendungen
in Abschreibungsrechnnng und unter Prozenten des Reinertrags das
Verhältnis des Einnahmeüberschusses zum konzessionsmässigen Anlagekapital
gemeint sei. Nach den Berechnungen der Klägerin blieb ihr Reinertrag in
diesem Sinn bisher unter 6 0/0.
B. Mit Klage vom 31. März 1905 haben die Berner Oberlandbahnen gegen den
schweiz. Bundesrat als Vertreter der-Eidgenossenschaft beim Bundesgericht
folgende Klagebegehren gestellt: ' Das Bundesgericht wolle erkennen: ·
1. Dass unter dem Reinertrag der Bahnunternehmung in Art. 24 der
Konzession der Klägerin vom April 1887 zu verstehen ist der Überschuss
ihrer Bahnbetriebseinnahmen über ihre Bahnbetriebsausgaben nach Abzug der
Verwendungeu in Abschreibungsrechnung, und unter den Prozenten dieses
Peinertrages das prozentuale Verhältnis dieses Einnahmeüberschusses zu
dem konzessionstnässigen Anlagekapital ·
2. Dass eine Reduktion der Taren von der Klägerifn erst verlangt werden
farm, wenn drei Jahre nacheinander ihre Bahnbetriebseinnahmen nach
Abng der Bahnbetriebsausgaben und der für die Erneuerung der Anlage
bezw. den Erneuerungsfondsgemachten Verwendung mehr als H 0/0 ihres
konzessionsmassigen Anlagekapitals abwerfen sollten. ,
Die Klägerin leitet die Kompetenz des Bundesgertchts zur Ver-
892 Ci Vllrechtspfl age.
handlung und Beurteilung der Klage aus Art. 39 Ab. 2 des
BG über Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember
1872 her.
C. Der Bundesrat hat beantragt, es sei die Klage wegen Jnkompetenz
abzuweisen, weil es sich nicht um eine privatrechtliche Streitigkeit im
Sinne des Art. 39 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes von 1872 oder des Art. 48
Biff. 2 des OG handle, und weil die Zuständigkeit des Bundesgerichts sich
auch nicht aus einer Spezialbestimmung ergebe, vielmehr in Art. 24 der
Konzession ausdrücklich die Bundesversammlnng als letzte entscheidende
Jnstanz in Bezug auf die Herabsetzung der Transporttaxen vorgesehen sei. '
D. u. E. (Formelles.)
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit der Klage verlangt die Klägerin, dass das Bundesgericht den Begriff
des Reinertrags der Bahnunternehmung im Sinne des Art. 24 der Konzession
dahin bestimme, dass damit der Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben nach Abzug der Verwendungen in Abschreibungsrechnung
zu verstehen sei, und durch Feststellungsurteil für den Bundesrat
(und eventuell die Bundesversammlung) verbindlich erkenne, dass
eine Taxrednktion ihr erst auferlegt werden kann, wenn der also
bestimmte Reinertrag während drei Jahren nacheinander mehr als 6 0/0
des konzessionsmässigen Anlagekapitals beträgt. Dies Kompetenz des
Bundesgerichts zur Beurteilung der Klage und zum Erlass eines solchen
Urteils leitet die Kiägerin aus Art. 39Abs. 2 des BG betr. Bau und Betrieb
der Eisenbahnen vorn 23. Dezember 1872 her, wonach alle privatrechtlichen
Streitigkeiten zwischen dem Bund und einer Eisenbahngesellschaft vor dem
Bundesgericht auszutragen find. Die Klägerin vertritt die Auffassung,
dass durch die Tarisbestimmungen der Konzession für sie ein Privatrecht
gegenüber dem Bunde und dessen Behörden aus Bezug der konzessionsmässigen
Taer begründet worden und dass eine Differenz zwischen dem Bundesrat und
ihr über die Auslegung der Konzession hinsichtlich der Voraussetzungen
der Tarisreduktion eine privatrechtliche Streitigkeit im Sinne der
letztgenannten Gesetzesbestimmung sei.X. Givilslreitigkeiten Zwischen
Bund und Privaten. N° 111. 893
2. Nun braucht die Frage hier nicht erörtert zu werden, ob
Tarisbestinnnungen einer Eisenbahnkonzession Überhaupt geeignet
sein können, ein Privatrecht des Konzessionärs zu bringen, das nicht
nur bei Eingrissen der Bundesveraltungsbehörden einen Anspruch der
Bahngesellschast auf Schadenersatz entstehen liessesondern auch gegen
diese Behörde in ihrer Eigenschaft als Aussichtsiustanz auf dem Civilweg
vor Bundesgericht direkt durchzusetzen ware. Denn wenn man auch diese
Frage bejahen wollte, {wie es z. B. Meili, Das Recht der modernen
Verkehrsund Transportanstalten, S. 27, zu tun scheint), so könnte doch
vorliegend die Zuständigkeit des Bundesgerichts nicht angenommen werden,
aus folgenden Gründen: In Art. 24 der Konzession der Klägerin ist
der Entscheid über die Herabsetzung der Transporttaer ausdrücklich der
Bundesversammlung vorbehalten, falls diesfalls eine Verständigung zwischen
dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden fami. Diese
Bestimmung könnte, auch wenn man sich aus den gedachten Standpunkt
stellen würde, doch unmöglich, wie es seitens der Klägerin geschieht,
dahin ausgelegt werden, dass nur das Mass der Herabsetzung, nicht aber die
Frage, ob die konzessionsmässigen Voraussetzungen für die Herabsetzung
gegeben seien, in die Kognition der Bundesversammlnng als entscheidende
Behörde fallen solle, und dass daher über die letztere Frage, insofern sie
streitig sein sollte, vorerst ein Urteil des Bundesgerichts provoziert
werden müsste. Eine solche Beschränkung der Entscheidungsbefuguis der
Bundesversammlung fände schon im Wortlaut der Konzession, nach welchem
der Entscheid über die Herabsetzung der Taren der Klägerin schlechthin
der Bundesversammlung anheimgestellt ist, keinerlei Stütze Dazu käme die
Erwägung, dass die Frage nach den konzessionsmässigen Voraussetzungen der
Tarreduktion und speziell nach dem Begriff des Reinertrags im Sinne des
am. 24 lediglich eine Vorsrage für den Entscheid über die Herabsetzung ist
und dass nach allgemeinem Grundsatz die in einer Sache kompeteute Behörde
auch befugt sein muss, die für den Entscheid präjudiziellen Vorfragen
zu lösen, wie denn auch z. B. in der schweizerischen Gerichtspraxis
(im Gegensatz zum französischen Recht) wohl allgemein anerkannt ist,
dass der Civilrichter eine öffentlich-rechtliche und der
894 Civilrechtspflege.
Administrativrichter eine privatrechtliche Vorfrage selbständig
beantworten kann. Es würde jeder Anhaltspunkt dafür fehlen, dass
vor-liegend abweichend von dieser Regel durch die Konzefsion die--
Vorsrage der Kognition der Bundesverfammlung als entscheidender
Jnstanz entzogen werden sollte, ganz abgesehen davon, dass eine solche
Einschränkung ihrer Entscheidungsbefugnisse auf das Mass der Tarreduktion
der Stellung der Bundesversammlung als der obersten Landesbehörde gewiss
nicht entsprechen würde-
3. Jst danach durch Art. 24 der klägerischen Konzession mit dem
endgültigen Entscheid über die Herabsetzung der Transporttaer auch
derjenige über die Frage nach den konzessionsmässigen Voraussetzungen der
Herabsetzung der Bundesversammlung anheimgegeben und erscheint daneben
nach der Konzefsion ein Prüfungsrecht des Bundesgerichts hinsichtlich der
letztern Frage selbstverständlich als ausgeschlossen, so möchte vielleicht
vom Standpunkt aus, dass die konzessionsmässigen Tarifbestimmungen ein
Privatrecht begründen können, noch der Einwand erhoben werben, dass
durch eine blosse Vorschrift der Konzession, also durch einen nicht
allgemein verbindlichen Bundesbeschluss der Klägerin der von Gesetzes
wegen bestehende Rechtsweg nicht verschlossen werden konnte. Allein
dieser Einwand würde auf einer unrichtigen Voraussetzung beruhen. Wenn man
nämlich auch annehmen wollte was hier, wie bereits bemerkt, dahingestellt
bleiben soll , dass konzessionsmässige Tarifbeftimmungen ein nach Art. 39
Abf. 2 Eisenbahngesetz auf dem Civilwege gegenüber dem Bunde, und zwar
direkt, nicht nur durch Schadenersatzklage verfolgbares Privatrecht
begründen können, so wäre doch keinenfalls anzuerkennen, dass solche
Bestimmungen unter allen Umständen ein Privatrecht in diesem Sinne
begründen müssen. Aus dem Eisenbahngefetz, das (in Art. 35) die Frage
der Transporttarife nur aus dem Gesichtspunkte der Tarifhoheit des Bandes
regelt, könnte dies sicherlich nicht gefolgert werben, und die Klägerin
stellt ja auch für das behauptete Privatrecht nicht auf das Gesetz,
sondern ausschliesslich aus die Konzeffion ab. Und was die Konzessionen
anbetrifft, so muss es dem Bunde bei deren Erteilung, natürlich im
Rahmen des Gesetzes, prinzipiell freistehen, welches Mass und welche Art
von Rechten und Befugnissen er dem KonzessionärX. Civikstreitigkeiten
zwischen Bund und Privatenss N° i. 895
verleihen will. Die Frage nach Art und Inhalt der verliehenen Rechte ist
daher immer zunächst eine solche der Auslegung der Konzession Jst nun
in dieser, wie vor-liegend in Bezug aus die Tarreduktion, der endgültige
Entscheid über Differenzen zwischen dem Bundesrat und der Bahngesellschast
hinsichtlich gewisser konzessionsmässiger Befugnisse der letztern der
Bundesversammlung vorbehalten, so ist damit gesagt, dass die fraglichen
Befugnisse der Bahngesellschaft nicht im Sinne eines eventuell im Wege
des Civilprozesses vor Bundesgericht (direkt) geltend zu inachenden
Rechts gewährt find. Durch Art. 24 der Konzession ist also der Klägerin
nicht der ihr von Gesetzes wegen hinsichtlich der Streitigkeiten über
die Voraussetzungen der Tarifreduktion allfällig offenstehende Rechtsweg
verschlossen, sondern es ist dadurch der Inhalt der fraglichen Befugnisse
der Klägerin in einer Weise bestimmt worden, welche die Annahme eines
Privatrechts im angegebenen Sinne und die Qualifikation des Streites über
die Voraussetzungen der Taxreduktion als privatrechtliche Streitigkeit
im Sinne des Art. 39 Abf. 2 Eisenbahngesetzes ausschliesst Ob im übrigen
durch eine Konzession die nach Gesetz bestehende richterliche Kompetenz
zu Gunsten derjenigen der politischen Bundesbehörden beseitigt werden
könnte, bedarf im vorliegenden Fall wiederum keiner Erörterung.
Nach diesen Ausführungen kann auf die Klage wegen Jnkompetenz des
Bundesgerichts nicht eingetreten werben.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Auf die Klage wird wegen Jnkompetenz des Bundesgerichts
nicht eingetreten.