Tendenz haben leiten lassen, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen,
dass die Beamten bezw. Angestellten bei ihren Amtsverrichtungen durch
keinerlei persönliche Interessen beeinflusst werden, so hat doch
diese Erwägung nicht soweit führen können, den genannten Personen deu
Abschluss eines den Verwertungsgegenstaud betreffenden Rechtsgeschäftes
vorbehaltslos zu verbieten-, d. h. ohne Rücksichtsnahme auf den mit
dem Geschäftsabschlusse verfolgten wirtschaftlichen Zweck auch in
Fällen vorliegender Art, wo der betreffende Beamte bezw. Angestellte
darzutun bet-mag, dass es sich für ihn ausschliesslich oder doch in
erster Linie darum handelt, ein in der bezeichneten Weise einwandfrei
erworbenes Privatrecbt im Betreibungsverfahren zu wahren bezw. zu
realisieren. Unter diesen Umständen besteht die Gefahr oder auch nur der
Anschein eines amtlich inkorrekten Handelns nicht mehr. Sodann aber würde
hier das fragliche Verbot nicht nur eine durch das amtliche Interesse
gerechtfertigte Beschränkng der Handlungsfreiheit des Betreffenden
bedeuten, seiner Möglichkeit, sich wie ein sonstiger Bürger zur Erwerbung
neuer Rechte im Rechtsverkehr zu beteiligen; sondern das Verbot würde,
darüber hinaus-, eine Gefährdung seines bereits gegebenen Rechtsbestandes
bewirken, indem es das vom Beamten bezw. Angestellten erworbene
Recht schutzlos stellt. Man käme zu der eigentümlichen Situation,
dass einerseits der Beamte bezw. Angestellte nach Art. 10 Biff. il zum
Ausstande verpflichtet wäre, weil er am Verwertungsobjekt ein dingliches
Recht besitzt Und es sich also bei der Verwertung und namentlich beim
Zuschlag um seine eigene Sache handelt, und dass er anderseits die
Steigerung untätig vor sich gehen und-eine Schädigung seiner Interessen
sich stillschweigend gefallen lassen müsste. Eine solche Konsequenz darf
man in Bezug auf den Abschluss des Gantkaufes, als eine die Vollstreckung
seines Rechtes betreffende Massnahme um so weniger ziehen, als ja der
Beamte bezw·" Angestellte zweifelsohne gesetzlich befugt ist, seinen
Anspruch im Perfahren als Beteiligter durch Anmeldung, Bestreitung des
Lastenverzeichnisses ze. geltend zu machen, und dass er sogar laut Gesetz
(Art. 139) regelmässig von der Abhaltung der Steigerung noch
besonders zu benachrichtigen ist. Nicht als durchschlagend kann ·
dem gegenüber der Einwand gelten, der Beamte bezw. Angestellte-und
Konkurskammer. N° 88. 527
der sich in der genannten Beziehung freie Hand schaffen wolle, vermöge
dies durch Rücktritt von seiner Stellung. Vor eine solche Alternative
hat ihn das Gesetz nicht zu stellen brauchen und also auch füglich nicht
stellen wollen, da ja durch die blosse Verpflichtung zum Ausstande in
Fällen dieser Art der Zweck einer von Privatinteressen unbeeinflussten
Durchführung des Verfahrens völlig erreicht wird. Und zudem liesse sich
fragen, ob ein solcher Rücktrittsgrund, der ja auch dem staatlichen
Interesse an einer Vermeidung unzeitiger Vakanzen in der Besetzung des
Personals der Ämter zuwiderläuft, als gesetzlich anerkannt betrachtet
werden könnte
Aus all diesen Gründen kommt man dazu, in Abweichung der im
Bundesratsentscheide in Sachen Tanner vertretenen Rechtsauffassung
unter restriktiver Auslegung des Art. 11 und in Berücksichtigung seines
Zusammenhanges mit Art. 10 Ziff. 1 den angefochtenen Zuschlag an den
Rekursgegner bezw. den Gantkauf als gültig zu erklären und damit den
Nekurs zu verwerfeu.
Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird abgewiesen
88. Entscheid vom 14. Heptentber 1905 in Sachen Gasund Basler-werte
der-staat gut. Guam.
Aktive Beireibungsfähigkeii eines Verwaltungszweiges einer
politischen Gemeinde. Der Umstand, dass die Betreten-irgzu Gunsten des
Verwaltungs-Zweiges anstatt zu Gunsten der Gemeinde eingeleitet wird,
bildet keinen Kassationsgrund. Einwand, die Betreibzmg richte sich
gegen eine mich?? mehr bestehende Kallektivgesellschaft; Legitimation
zur Geltffldmashung dieses Besseres-ereilen-
1. Die Gasund Wasserwerke St. Gallen (städtischer Verwaltungszweig) hatten
im Jahre 1900 bei der Firma Gebrüder Fichmann Bauarbeiten ausgeführt Ende
1904 stellten sie hiefür an L. Fichmaanrnstein zn Handen der Gebrüder
FichmannRechnung im Betrage von 183 Fr. 10 Ets. Als keine Zahlung
525 G. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-
erfolgte, hoben mit Zahlungsbefehl vom 6. Mai 1905 die "Gas: und
Wasserwerke St. Gallen für den genannten Betrag beim Betreibungsamte
St. Gallen Betreibung an gegen Gebrüder Fichmann, Scheffelstrasse
9 (Sgr. Fichmann-Ornstein, Hier)". Der Zahlungsbefehl blieb ohne
Rechtsoorschlag, worauf . am 22. Juni das Fortsetzungsbegehren gestellt
wurde. Am 26. Juni vollzog das Betreibungsamt in der fraglichen Beireibung
bei Fichmann-Ornstein die Pfändung
Mit Beschwerde vom gleichen Tage verlangte Fichmann-Ornftein aus folgenden
zwei Gründen die Aufhebung dieser Betreibung: Einmal erisiiere die Firma
Gebrüder Fichmann, nach im Jahre 1900 erfolgter Auflösung, nicht mehr,
und könne also auch nicht betrieben werden; und es richte sich die
Betreibung auch nicht etwa gegen den Beschwerdeführer persönlich als
ehemaligen Sozius dieser Firma. Sodann seien die Gasund Wasser-werte
der Stadt St. Gallen weder eine juristische Persönlichkeit noch
eine Persönlichkeit öffentlich-rechtlichen Charakters, sondern eine
Unternehmung der Gemeinde St. Gallen. Sie könnten deshalb auch nicht
betreibender Gläubiger sein und als Gläubiger der behaupteten Forderung
könne nur die Gemeinde St. Gallen gelten.
II. Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde als unbegründet
ab; die kantonale Aufsichtsbehörde dagegen schützte sie mit Entscheid
vom 31. Juli 1905 und hob die Betreibung auf. Dabei führte sie, unter
Gutheissung des in zweiter Linie geltend gemachten Beschwerdegrundes, aus:
Die Gasund Wasserwerke, welche der Zahlungsbefehl und die Pfändungsurkunde
als Gläubiger nenne, seien kein gesetzlich zulässiges Betreibungssubjekt,
sondern sie resp. deren Kasfier, welchem gemäss Dienstvorschriftenf
für dieses Unternehmen der Einzug der Gasund Wasserrechnungen überbunden
sei, können nur als Vertreter der politischen Gemeinde St. Gallen
Betreibungen anheben. Die Gemeinde sei Gläubigerin und müsse in den
Betreibungsurkunden als solche genannt sein.
III. Diesen Entscheid haben nunmehr die Gasund Wasserwerke St. Gallen
resp. die politische Gemeinde St. Gallen mit rechtzeitigem Rekurse an das
Bundesgericht weiter-gezogen mit dem Antrage auf Abweisung der Beschwerde
des L. Fichmann-Ornstein. und Konkurskammer. N° 88. 529
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat von Gegenbemerkungen zum Rekurse
Umgang genommen.
Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht iu Erwägung:
1. Der Rekursgegner Fichmann geht, und zwar nach der gegebenen Sachlage
zweifellos mit Recht, davon aus,das3 Gläubiger der in Betreibung
gesetzten Forderung soweit diese materiell begründet sei nur die
politische Gemeinde St. Gallen sein könne. Zu Unrecht stellt er sich
dagegen auf den Standpunkt, diese Forderung werde nicht von ihrem
wirklichen Gläubiger, di). der genannten Gemeinde (durch ein Organ
derselben) betreibungsweise geltend gemacht, sondern es trete ein gar
nicht existierendes Rechtssubjekt, die Gas: und Wasser-werte der Stadt
St. Gallen", als betreibender Gläubiger auf: Sind die letztern, wie der
Rekurrent zutreffend annimmt, ein blosser Verwaltungszweig jener Gemeinde
und wird also mit dem Ausdruck Gas: und Wasserwerke der Stadt St. Gallen
nur ein bestimmtes Gebiet der Wirksamkeit der Gemeinde als Korporation
bezeichnet, so ist flak, dass, wenn sie in den Betreibungsurkunden
als betreibende Partei sigurieren, damit eben dasjenige Rechtssubjekt
gemeint werden will, welches sonst (wenn es in seinem gesamten Wesen und
namentlich auch soweit es am Rechtsoerkehr teilnimmt, in Betracht kommt)
den Namen politische Gemeinde St. Gallen führt Die Frage kann also nur
die sein, ob die in den Betreibungsurkunden sich vorsindende mangelhafte
Bezeichnung des betreibenden Gläubigers (Gasund Wasser-werte der Stadt
St. Gallen" statt Politische Gemeinde St. Gallen") einen Grund zu der
anbegehrten Aufhebung der Betreibung abzugeben vermöge. Nun bietet aber
das Betreibungsgesetz und speziell dessen Art. 67 Biff. i und Art. 69
Ziff.1 keinen Anhaltspunkt dafür, einen solchen formellen Mangel,
lediglich für sich allein, als hinreichenden Grund zur Kassation eines
ergangenen Betreibungsaktes anzusehen, und es würde eine derartige
strenge Auffassung auch mit der Natur des Betreibnngsoerfahrens und
dessen praktischen Zwecken sich nicht vereinbaren lassen. Vielmehr muss
in einem solchen Falle mindestens dargetan sein, dass der Betriebene
durch die mangelhafte Bezeichnung des betreibenden Gläubiger-s (weil
530 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-
sie Anlass zu einer Verwechslung gegeben hat ze.) bei Aufrechthaltung der
Betreibung in seinen Interessen geschädigt wîire. Dergleichen hat aber
hier der Rekursgegner, und wohl mit Grund, nicht behauptet. Er trägt auch
nicht aus nachträgliche genauere Bezeichnung des betreibenden Gläubiger-s
in den bisherigen Betreibungsurkuuden und richtige Vernrkundung in den
spätern an, weshalb auf diesen Punkt nicht einzutreten isf.
Dass die Betreibung nicht von den zuständigen Organen der
Gemeinde anbegehrt sei und geführt werde Orts-besondere weil den im
Verwaltungszweige der Gas: und Wasser-merke funktionierenden Organen die
erforderliche Zuständigkeit abgehe), hat der Rennes: gegner ebenfalls
nicht geltend gemacht und liesse sich auch nach dem Vorentscheide nicht
annehmen.
2. In Bezug auf den zweiten für die Ungültigkett der angefochtenen
Betreibung angeführten Beschwerdegrund: dass nämkich die Betreibung sich
gegen eine nicht mehr eristierende Kollektivgesellschaft richte, fehlt
es dem Rekursgegner an der Legitimation zur Beschwerdeführung Wie er
selbst erklärt, ist er persönlich nicht betrieben und, weil also nicht im
Betreibnngsverfahren stehend, auch nicht befugt, die Rechtsbeständigkeit
desselben durch Beschwerde anzufechten. Sofern er finder, dass die
Pfändung vom 26. Juni 1905 unrichtiger Weise ihm gehörendes Vermögen
ergriffen hat, bietet das Widerspruchs-verfahren der Art. 106 ffSchKG
den geeigneten Weg zur Wahrung seine Rechte. Darüber endlich hat er sich
nicht beschwert, dass er als zur Entgegennahme der Betreibungsurkunden
verpflichteter Vertreter der betriebenen Firma behandelt wird.
Nach all dem ist der vorliegende, auf Abweisung der Beschwerde gerichtete
Rekurs gutzuheifzen '
Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird begründet erklärt und damit unter Auf-
hebung des angefochtenen Entscheides die in Frage stehende Betreibung
aufrecht erhalten.WWp- o-m..-u . .
und Konkurskasnmer. N° 89. 531
89. Entschetd vom zt. Zeptemöer 1905 in Sachen Des-Entstehn
Verwertung gepfändeter Sachen. Verkauf aus freier Hand. Voraussetzungen
hiefeîér nach Art. 130 Ziff. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 130 - An die Stelle der Versteigerung kann der freihändige Verkauf treten:258 |
|
1 | wenn alle Beteiligten ausdrücklich damit einverstanden sind; |
2 | wenn Wertpapiere oder andere Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, zu verwerten260 sind und der angebotene Preis dem Tageskurse gleichkommt; |
3 | wenn bei Gegenständen aus Edelmetall, für die bei der Versteigerung die Angebote den Metallwert nicht erreichten, dieser Preis angeboten wird; |
4 | im Falle des Artikels 124 Absatz 2. |
? Auch ein Gmppengld'uòiger, drer oorcmssicktlick kei-ne Befriedigung
erhält, weil der Erlös nicht zur Deck-ung der im Range unt-geltenden
Gläubiger ausreichen wird, gehört da:-ee.
I. Der Rekursgegner C. E. Stirnemann betrieb den Rekurrenten Friedrich
Hess-Miiller beim Betreibungsamt Zürich V für eine Forderung von
8175 Fr. 10 (tits. An die vom Gläubiger erwirkte Pfändung erhielt
die Ehefrau des Rekurrenten Anschluss für eine Weibergutsforderung
und zwar laut Angabe des Rekurrenten im gerichtlich festgestellten,
zur Hälfte privilegierten Betrage von l9,941 Fr. Der Rekurrent stellte
das Begehren um sreihändigen Verkauf der Pfändungsobjekte. Hiegegen
protestierte der Rekursgegner, indem er selbst ein Verwertungsbegehren
stellte und Durchführung der Verwertung auf dem Wege der öffentlichen
Versteigerung verlangte. Das Betreibungsamt beschied darauf das Begehren
des Rekurrenten um freihändigen Verkauf wegen mangelnden Erfordernisses
der Zustimmung aller Beteiligten (Art.130
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 130 - An die Stelle der Versteigerung kann der freihändige Verkauf treten:258 |
|
1 | wenn alle Beteiligten ausdrücklich damit einverstanden sind; |
2 | wenn Wertpapiere oder andere Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, zu verwerten260 sind und der angebotene Preis dem Tageskurse gleichkommt; |
3 | wenn bei Gegenständen aus Edelmetall, für die bei der Versteigerung die Angebote den Metallwert nicht erreichten, dieser Preis angeboten wird; |
4 | im Falle des Artikels 124 Absatz 2. |
Hiegegen führte der Rekurrent Hess Beschwerde, indem er geltend
machte: Der Erlös der Pfändungsobjekte werde unter keinen Umständen
einen Überschuss über den zur Deckung der privilegierten Hälfte der
Frauengutsforderung nötigen Betrag ergeben. Der Gläubiger Stirnemann sei
also kein interessierter Beteiligter bei der Verwertung, könne dieselbe
nicht verlangen und komme als Gruppengläubiger nicht in Betracht.
II. Beide kantonalen Jnstanzen wiesen die Beschwerde als unbegründet ab-
Den unterm 24. August 1905 ergangenen Entscheid der obernkantonalen
Aufsichtsbehörde hat Dess-Müller mit seinem nunmeheigen Rekurse innert
Frist an das Bundesgericht weitergezogen, indem er sein Begehren
um Vornahme freihändigen Verkauer der fraglichen Pfändungsobjekte
erneuert. Er weist auf Entscheide zürcherischer Auffichtsbehörden hin,
wonach dem Gläubiger einer später-n Gruppe, der aus der Verwertung keine
Deckung erhalten