sie eine Amtshandlung, nämlich die Ausfällung des angefochtenen
Wiedererwägungsentscheides, nicht hätte vornehmen sollen, indem sie dazu
gesetzlich wegen der Unabänderlichkeit des frühem, in Wiedererwägung
gezogenen Entscheides für sie nicht befugt gewesen sei. Es handelt
sich also in Wirklichkeit um Anfechtung eines Entscheides wegen
Gesetzwidrigkeit nach Abs. l des Art. 19. Dass nun aber die in dieser
Bestimmung vorgesehene zehntägige Rekursfrist nicht innegehalten und in
dieser Beziehung der Rekurs verspätet ist, steht nach den Akten ausser
Frage und wird vom Rekurrenten selbst nicht in Abrede gestellt.
Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt:
Der Rekurs wird abgewiesen.
62. Entscheid vom 17. Ell-it 1905 in Sachen Gassen
Untergang eines, durch Aufnahme einer Beimtionsewkemde gesicherte re
Rezentionsrechts (des Vermieters) durch tatsacierttctee Fortschafizmg
der reist-merken Gegenstände durch, den Schuldner, ohne Verzicht des
Gèdub-igers auf sei-n Reéentiomrecht ? Rompete-nz: der Aufsichtsbehörde-n
und der Gerichte.
I. Auf Begehren des Gottfried Baur wurde bei seinem Mieter Gais-er,
dem heutigen Rekurrenten, vom Betreibungsamte Nidau am 21. Juli 1904
für eine Mietzinsforderung eine Retentionsurkunde aufgenommen Am
2. August leitete der Gläubiger Vetreibung ein, gegen welche Gasser
Nechtsvorschlag erhob. Durch Entscheid vom 22. März 1905 verurteilte
der Gerichtspräsident III Von Bern den Betriebenen zur Bezahlung der in
Betreibung gesetzten Forderung Gestützt hierauf stellte Baur am 30. März
das Verwertungsbegehren, wovon das Betreibungsamt dem Schuldner am
{./6. April Mitteilung machte.
Nunmehr reichte Gasser Beschwerde ein mit dem Antrage: Die Mitteilung des
Verwertungsbegehrens und überhaupt die ganze Folgegebung aus dasselbe
als ungesetzlich aufzuheben. Zur Begründung wurde angebracht: Der
Beschwerdeführer sei bereits imund Konkurskammer. N° 62. 339
August 1904 aus den gemieteten Räumlichkeiten fortgezogen und zwar unter
Mitnahme der in der Retentionsurkunde verzeichneten Gegenstände Ob dies
mit Recht oder Unrecht geschehen, sei nicht zu erörtern. Tatsache sei,
dass sich keine Gegenstände mehr im Gewahrsam des Gläubiger-s bezw. des
Betreibungsamtes befinden, an denen dem Gläubiger ein Retentionsrecht
zustehen würde. Die Fortsetzung der angehobenen Betreibung auf
Psandverwertung sei also ungesetzlich und es bleibe dem Gläubiger,
nachdem er die Wegnahme der Gegenstände nicht faktisch verhindert habe,
nur noch der Weg der ordentlichen Betreibung offen.
II. Mit Entscheid vom 2(). April 1905 wies die kantonale Aufsichtsbehörde
die Beschwerde ab, im wesentlichen von der Erwägung aus, dass über
die Frage, ob ein Retentionsrecht für eine in Betreibung gesetzte
Forderung bestehe, nicht die Betretbungs-·, sondern, nach Erhebung
des Rechtsvorschlages durch den Betriebenen, die Gerichtsbehörden zu
beurteilen hätten.
Il]. Diesen Entscheid zieht Gassen unter Festhaltung an dem gestellten
Rechts-begehren, mit seinem nunmehrigen, innert Frist eingereichten
Rekurse an das Bundesgericht weiter.
Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Der Rekurrent bestreitet nicht, dass die fraglichen Gegenstände
seinerzeit dem Retentionsrechte des betreibenden Gläubigers als Vermieter
unterstanden sind und dass dieses Retentionsrecht in gültiger Weise
amtlich gewahrt worden ist durch die Aufnahme der Retentionsurkunde vom
21. Juli 1904. Die Beschwerde stützt sich vielmehr darauf, dass das früher
bestandene und durch die Aufnahme der Retentionsurkunde sichergestellte
Reteutionsrecht nachträglich wieder untergegangen sei. Dabei wird als
Grund dieses behaupteten Rechtsverlustes lediglich die tatsächliche
Fortschassung der Objekte durch den Rekurrenten aus den Mietsräumen
angegeben, d. h. eine vom Rekurrenten einseitig und eigenmächtig bewirkte
Abänderung des bisher vorhandenen Zustandes. Nun kann allerdings vor
Ausnahme der Retentionsurkunde ein derartiges Vorgehen des Mieters den
Untergang des Retentionsrechtes zur Folge haben, wenn der Vermieter nicht
rechtzeitig in der durch Art. 284
SR 281.1 Loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP) LP Art. 284 - Les objets emportés clandestinement ou avec violence peuvent être réintégrés avec l'assistance de la force publique, dans les dix jours de leur déplacement. Sont réservés les droits des tiers de bonne foi. Le juge tranche en cas de contestation.506 |
340 B. Entscheidungen der Schuldhetreibungs--
schaffung der Objekte in die Mietsräume mit amtlicher Hülfe den vorherigen
Zustand wieder herstellt. Anders aber, wenn die Renntionsgegenstände
bereits gemäss Art. 283 Abs. 3 amtlich verzeichnet worden find:
Alsdann fragt es sich nicht mehr bloss, ob der Schuldner vor irgend
einer behördlichen Jntervention auf das zwischen ihm und dem Gläubiger
bestehende zivilrechtliche Verhältnis einzuwirken vermöge, sondern daneben
und in erster Linie ob er im Stande sei, von sich allein aus das durch den
amtlichen Akt der Aufnahme der Retentionsurkunde geschaffene prozessuale
Verhältnis zu seinen Gunsten zu alterieren. Nun bezweckt der amtliche
Retentionsbeschlag eine Sicherung des Retentionsrechtes in Hinsicht
auf dessen bevorstehende Realisierung, eine Beschütznng desselben
gegen nachteilige Einwirkungen des Retentionsschuldners. Hievon
ausgegangen muss man aber annehmen, dass der Reimtionsschuldner
die einmal dem Retentionsbeschlage unterstellten Objekte nicht mehr
einseitig, ohne Erlaubnis des Amtes oder des Gläubigers, mit der Wirkung
fortzuschaffen vermag, diese Fortschaffung dann gegenüber dem Gläubiger
(ihre Bedeutung in Bezug auf Dritte steht hier ausser Frage ) geltend
machen zu können als einen Grund für den Untergang des Retentionsrechtes
und damit für die Aufhebung des amtlichen Retentionsverfahrens. Denn sie
charakterisiert sich als ein Zuwiderhandeln gegen die in der Aufnahme der
Retentionsurkunde liegenden amtlichen Anordnungen zur Aufrechterhaltung
des bestehenden ZUstandes. Eine solche Missachtung genannter
Anordnungen aber kann unmöglich zur Folge haben, den Rechts-verlust,
den dieselben vermeiden wollen, zu bewirken. Jst also der Schuldner in
der erwähnten Weise zur Fortschasfung der Objekte geschritten, so muss
dem Betreibungsamt gegenüber dem seinem Befehl Zuwiderhandelnden die
Macht zustehen, ohne weiteres das frühere Gewahrsamsoerhältnis (oder
eventuell ein anderes-, die gläubigerischen Jnteress en im gleichen
Masse sicherndes) zwangsweise wiederherzustellen Aus dem gesagten
erhellt auch, dass über den Grund, den der Reknrrent sür den Untergang
des Retentionsrechtes geltend macht, die Aufsichtsbehörden und nicht
die Gerichte zu erkennen haben. Denn derselbe ist im wesentlichen
exekutionsrechtlicher Natur; es handelt sich um eine Frage nach der
rechtlichen Bedeutung undund Kankurskammer. N° 62. 341
Wirkung des amtlichen Retentionsbeschlages, indem die Behauptung
des Schuldners, das Retentionsrecht sei durch die Fortschassung der
Objekte untergegangen, besagt, es sei trotz des Reitentionsbeschlages
untergegangen und dieser selbst müsse infolgedessen dahinfallen.
Wie es sich verhalte, wenn der Schuldner auf einen andern als den
erörterten Erlöschensgrund des amtlich gesicherten .Retentionsrechtes
abstellt, namentlich aus eine ausdrückliche oder stillschweigende
Verzichtserklärung des Gläubigers, steht hier nicht zur Entscheidung
Denn das Vorhandensein eines solchen ·Grundes hat der Rekurrent nicht
behauptet, noch weniger des bestimmter-n substanziiert.
2. Durch die obigen Erwägungen erfährt bereits auch das fernere übrigens
erst vor Bundesgericht angebrachte Argument seine Widerlegung, der
Rekurrent habe durch seine Rechtsvorschlagserklärung nicht bloss die in
Betreibung gesetzte Forderung verneint, sondern auch den derzeitigen
Bestand des für sie beanspruchten Retentionsrechtes in einer die
Betreibung auf Pfandverwertung hemmenden Weise bestritten. Selbst wenn
aus seiner Rechtsvorschlagserklärung tatsächlich eine Bestreitung auch
in dieser letztern Richtung entnommen werden müsste, so wäre eben ·der
Bestreituugsgrund ein rechtlich unstichhaltiger, indem sich aus ihm der
Untergang des Retentionsrechtes nicht ergibt.
Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt:
Der Rekurs wird abgewiesen.