104 Givilrechtspflege

15. Arten vom 27. Februar 1903 in Sachen Eiseuhui, Kl. u. Hauptber.-Kl.,
gegen Drohnen Beri. u. Ansehn-Bernh

Agenturvertrag. Klage des Agenten gegen dem Geschcîftsherm auf '

Auszahlung der Provision. Entstehung und Fälligkeit des
Provi-se'onsaezspruches. Auslegung des Vertrages ,gesetzle'che Rechte
des Agenten auf die Provision bei Veree'äelung des proeisionspflicktiyeu
Geschäftes durch den Gesckdflsherm.

A. Durch Urteil vom 18. Dezember 1902 hat das Kantons: gericht des
Kantons St. Gallen erkannt:

Die Klage ist im Betrage von 3481 Fr. 50 Cfs. nebst 5 0X0 Zins seit
12. August 1901 geschützt, im übrigen abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger in gesetzlicher Form und Frist
die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit den Anträgen:

1. Das kantonsgerichtliche Urteil sei hinsichtlich Ziffer 1 der
klägerischen Prozessrechnung, wonach vom Kläger 3024 Fr10 W. Provision
auf 2000 Stück vermittelten Plattstichstickereien gefordert werden,
zu bestätigen.

2. Dasselbe sei abzuändern hinsichtlich Ziffer 2 der klägerischen
Prozessrechnung im Sinne der Zusprache der geforderten Provisionssumine
von 9072 Fr. 40 Cis-. auf weitere 8000 Stücke derselben Ware.

3. Hinsichtlich Ziffer 3 der klägerischen Prozessrechnnng sei die volle
geforderte Provisionssumme von 7128 Fr. 35 Cis. an weitere 6000 Stück
statt der vom Kantonsgericht zugesprochenen reduzierten Summe von nur
3000 Fr. zuzusprechen; "alles Wert 1. Mai 1901z die Verrechnung der
Teilzahlung von l,25-12 Fr 80 Cis bleibe unbestritten

C Der Beklagte hat sich der Berufung innert nützlicher Frist angeschlos
sen und den Antrag gestellt, die Klage sei nur im Betrage von 452 Fr. 10
Cis. nebst 50/0 Zins seit 12. August 1901 gutznheissen, nämlich:

a. Pos. I der klägerischen Prozessrechnung sei mit 2994 Fr70 Cte. zu
schützen unter Abzug der vom Beklagten hieranIII. Obligationenrecht. N°
15. 105

bezahlten 2542 Fr. 60 Cfs. und in diesem Sinne das famous; gerichtliche
Urteil abzuändern

b. Pos. II der klägerischen Prozessrechnnng sei in Bestätigung das
kantonsgerichtlichen Urteils gänzlich abzuweisen;

c. Pos. III der klägerischen Prozessrechnung sei in teilweiser Abänderung
des kantonsgerichtlichen Urteils gänzlich abzuweisen.

D. In der heutigen Verhandlung erneuern die Vertreter der Parteien ihre
Berufungsanträge und tragen wechselseitig auf Abweisung der gegnerischen
Berufung an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Mit Brief vom 2. Januar 1900 offerierte der Kläger (Kaufmann in
St. Galleth dem Beklagten (Stickereifabrikant in Rebstein) seine
Vermittlerdienste für den Verkehr nach Manchester mit Exporthäusern
allerersten Range-Z, welche innert 20 Tagen "nach Empfang der Ware
reglieren. In der folgenden Korrespondenz übergab der Kläger dem
Beklagten die Ideen für die Lieferungen nach England in Form von
Musterabrieben, die von Alfred Tenner in Manchester gelief fert wurden
(gestickte Plattstiche sogenannte Nollenartikel) Am 16 gl Mrs ersuchte der
Klager den Beklagten brieflich um Bestätigung folgenden Übereinkomtnens:
Lant Unserer Vereinbarung bestätige ich Ihnen die Bedingungen, welche
als Basis unseres einzuleitenden Verkehrs gelten: Jch liefere die Ware
franko Manchester an die Kundschast, welche allerersten Rang-es sein und
spätestens 10 resp. 20 Tage nach (Empfang der Ware reglieren soll. Ich
vergüte Ihnen folgende Provisionen: 5 0/0 auf gestickte Platjstiche
(Stoff inbegriffen), 10 Ü/0 aus gestickte Plattstiche (Fa(;on-Ware), 3
0J9 aus gewöhnliche Stickereien und eventuelî auch ans andere Artikel.
Diese Provisionen beziehen sich auf sämtliche Geschäfte, welche durch
Ihren Manchester Freund vermittelt werden. Letzterem vergùte ich
..... Die Auszahlung der Provision geschieht jeweilen am Ende eines
Monats und erstreckt sich auf die bis 511 jenem Zeitpunkte eingegangenen
Faktnrabeträge. Der Beklagte bestätigte den Empfang dieses Brieer mit
Schreiben vom 28. Januar. Am 20. gl. Mrs. schrieb der Beklagte dem Kläger:
Da mein Geschäftssreund sich nicht zu einem festen Preise für

106 Civilrechtspflege.

das ganze Jahr verpflichten will, sondern die Ware variiereweise zu
im Verhältnis des übrigen Stickereimarktes stehenden Preisen beziehen
möchte, notierte ich mir Ihre Bemerkung beim legten Hiersein gerne,
dass Sie bei effektivem Verluste an einer Ordre aus Ihre Kommission
verzichten wollten Der Kläger erklärte sich mit diesem Schreiben laut
Brief vom 30. Januar einverstanden. Der Kläger setzte zunächst auf Grund
des Vertrages vom 16/23. und 29. Januar eine Bestellung von 8000 Stück
54 Grey Spots 40 yards zu 5%d von 2000 Stück 54 Spot Muslin 40 yards zu
Td von Alfred H. Midwood auf, am 16. Januar 1900. Eine weitere, durch
den Kläger und dessen Geschäftssreund in Manchester, Alsred T. Jenner,
vermittelte Bestellung von Midwood & Cie. erfolgte am 15. Februar 1900,
und zwar auf 6000 Stück Grey Spots 54 zu 5 Vzd per yard. Der Beklagte
schrieb mit Bezug auf diese Bestellungen an Tenner am 5. März 1900:
"Bez. Ordres von Alsred Sg. Midwood & Eie. acceptiere ich die Aufträge
dieses Kunden ans 2000 Pes. datiert Januar 16., wie auch solche auf
6000 Pes. datiert Februar 15.; gleichzeitig machte er dem Kläger von der
Annahme dieser Bestellungen Mitteilung Tenner antwortete dem Beklagten am
10. März, wobei er ihm die Originalbestellung (vom 16. Januar) übersandte,
und bemerkte, sie sei von 8000 Pes. auf 6000 Pes. reduziert worden. Der
Beklagte übermittelte hieraus Tenner mit Begleitschreiben vom 16. März
die Ordrebestätigungen vorn 16. Januar über: _

2000 Pes. 54 Spot Muslin à 42 43 yards à 'Îd; und

6000 Pes. 54 Grey Spots . . . . . . à 5'2 01.

Der Kläger seinerseits hatte in einem Briese an den Beklagten vom
3. März 1900 von einer Bestellung von 16,000 Stück gestickte Rollen
gesprochen. Am 19. Mai 1900 schrieb der Beklagte an Midwood & Cie., bei
Inangriffnahme der Ordre aus Spots erzeige sich, dass der Ausführung
derselben ausserordentliche Schwierigkeiten entgegenstehen; er müsse
daher mitteilen, dass die Ausführung kaum möglich sein merde. Die
hiedurch entstandene Differenz zwischen Midwood & Cie. einerseits,
dem Beklagten anderseits wurde in dem Sinne erledigt, dass erstere
die Bestellung der 6000 Stück zu 51/2 Pence annullierten, der Beklagte
einelll. Obligatiunenrecht. N° 15. 107

Belastungsnote der Besteller anerkannte und schnellste Lieferung der 2000
Stück 54 Spots zu 7 d versprach. Während dieser Unterhandlungen zwischen
Midwood & (Sie. und dem Beklagten hatte der Kläger der durch Tenner von
der Sachlage in Kenntnis gesetzt worden war sich gegenüber dem Beklagten
verwahrt. Mit Schreiben vom 3. Juni 1900 gab er dem Beklagten Kenntnis
von folgenden Ansprüchen: 5 00 Provision aus Bestellung vom 17. Januar
1900 über 10,000 Stuck 42'1/3 yards Nollen (2000 Stück ä. '? und 8000
Stuck a {fi/& per yard), sowie auf Bestellung vom 15. Februar 1900 uber
6000 Stück 424/3 yards Rollen à òi/2 per yard, ferner ?) 0/0 Provisiou von
weiteren Bestellnngen, die Ihnen ans diesen Plattstichartikeln eventuell
durch Alfred T. Tenner zugekommen sind. Ferner beanspruche ich 3 lo
Provision von sämtlichen Bandesund Entredeux-Bestellungen, die Sie aus
Manchester Werhalten, resp. Geschäften, die Sie mit Manchester gemacht
haben und zwar gleichviel, ob solche durch A. T. Tenner oder einen andern
Ageuten vermittelt worden. Der Beklagte anerkannte diese Ansprüche nicht;
er schrieb dem Kläger am 10. Juli 1900, über nicht getiefert werdende Ware
habe er keine Provtsion zu bezahlen. Am 10. September 1901 übersandte der
Beklagte dem Kläger einen (Check über den Betrag von 2542 Fr. 60 (StB.
per Saldo des Prozessguthabens. Der Kläger quittierte indessen nur auf
Rechnung, nicht per Saldo.

2. Mit der vorliegenden, im September 1902 eingereichten Klage hat nun
der Kläger vom Bektagten ursprünglich die Bezahlung von 17,117 Fr. 90,
nebst 50J0 Zins seit 12. September 1901, verlangt, gestützt aus folgende
Prozessrechnung:

1. 2000 Stück à 42% yards == 84,666, à '? = £ 2469.86 ä. Fr. 25.25 =
Fr. 62,353. Sconto 3%) 1,870.60 Fr. 60,482.40

5 0/0 Provision : Fr. 3024.10, Wert 1. Mai 1901.

2 8000 Stücke421x3 yzkds=338,660, not- = £ 7408.6.4 à Fr. 25.25 =
Fr. 187,060. Sconto sog 5,611.80 Fr. 181,448.20

' 5 0/0 Provision = Fr. 9072.40, Wert 1. Mai 1901.

108 Civilrechtspflegu .

3. 6000 Stück à 424,13 yards : 254,000, à 54/2 = £ 5820 . 16.8 äFr. 25.25
= Fr. 146,976. Sconto 30/0 1409.30 Fr. 142560785 % Provision =
Fr. 7128.35, Wert 1. Mai 1901. 4. 3 % Provision auf die durch Whitfield
Bros. verkauften Bandes und Entredeux laut folgender Aufstelkung:
Fol. 41 Fakturenbuch des Beklagten £ 48.184

57 48 . ? . 0 II 68 10-10-8 £ 107 . 15 . 9

30/0 Provision = £ 3.4.8 à Fr. 25.25 = Fr. 81.65, Wert 1. Mai 1901.
Rekapitulatiou:

1.. . . Fr. 3,024 10 È' ° " 3,3282 32 Wert 1. Mai 1901. ' ' ' -

4 ' 81 65

Ö. .

354 für Zins bis 12. September 1901,

Fr 19,660 50 ab 2,542 60 Zahlung vom 12. September 1901.

Fr. 17,117 90 Wert 12. September 1901."

Der Beklagte hat in der Antwort auf Abweisung der Klageangetragen. Die
Vorinstanz hat in ihrem eingangs mitgeteilten Urteile Klageposten 2 und
4 als unbegründet abgewiesen, ersteren, weil das betreffende Geschäft gar
nicht zustande gekommen sei, letzteren, weil der Kläger die betreffenden
Geschäfte nicht vermittelt habe; Klageposten 3 hat sie im Sinne eines
Schadenersatzanspruches gemäss Art. 110 ff. D.:LR. im Betrage von 3000
Franken gutgeheissen, endlich Klageposten 1 im vollen Umfange zugesprochen
Von der so sich ergebenden Summe von 6024 Fr. 10 Cts. hat sie die Zahlung
der Beklagten von 2542 Fr. 60 Cts. in Abzug gebracht. Die Begründung
des vorinstanzlichen Urteils sowie der Anträge der Parteien im einzelnen
sind aus den nachfolgenden Erwägungen ersichtlich.

' 3. Die Klage ist gerichtet auf Auszahlung von Provisionen

*=III. Obligationenrecht. N° 15. 109

Streitig sind heute noch Posten 1 3 der klägerischen Prozessrechnung, und
zwar Posten 1 dem Masse, Posten 2 und 3 dem Bestande nach; ziffermässig
sind die geforderten Ansätze nicht bestritten. Die Klage stützt sich
auf ein Vertragsverhältnis der Parteien, das seine Grundlage hat in den
Brieer des Klägers vom 16. Januar 1899, denjenigen des Beklagten vom
23. und 29. gl. Mis endlich demjenigen des Klägers vom 80. Januar. Auf
Grund der in diesen Schreiben getroffenen Vereinbarungen ist die Natur des
zwischen den Parteien abgeschiossenen Vertragsverhältnisses zu beurteilen
und ist insbesondere zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen und wann
der Anspruch auf Provision verdient ist. Die Vorinstanz nennt das durch
jene Korrespondenz geschaffene Vertragsverhältnis einen Agenturvertragz
die Parteien sprechen von Kommission, Mäklerund Agenturvertrag. Nun
ist allerdings richtig, dass der Ausdruck Agent im Handelsverkehre in
mehrdeutigem Sinne gebraucht wird und an sich kein bestimmtes juristisches
Vertragsverhältnis bezeichnet (Vgl. Hafner, Komm. zum Obligationenrecht,
2. Aufl., Art. 429 Anm. 8 und dort citierte bundesger. Urteile) Allein
in der neueren Literatur und Rechtsprechung hat sich ein besonderer
juristischer Begriff des Handelsagenten und des Agenturvertrages
herausgebildet, und die darüber geltenden Rechtsanschauungen haben nun
auch im neuen deutschen Handelsgesetzbuch, §§ 84 ff., ihren Niederschlag
gefunden. Danach kann als Agenturvertrag der Vertrag bezeichnet
werdengemäss welchem jemand für das Handelsgewerbe eines andern
dauernd oder ständig Geschäfte bemittelt oder abschliesst, ohne dass
er in einem Dienstverhältnisse zu diesem Handlungshause stünde. Dieser
juristisch-technische Begriff des Agenturvertrages, der abgegrenzt ist
einerseits vom Dienstvertrage im engern Sinne (wobei der Bevollmächtigte
oder Beauftragte nicht selbständiger Gewerbetreibender bleibt, sondern
in ein Dienstverhältnis zum andern Mile, dem Handlungshause, tritt),
anderseits vom Mattervertrag, bei dem der Mäkler nur einzelne Geschäfte
vermittelt und zu keiner der Parteien in einem Vertragsverhältnisfe steht,
findet vollständig Anwendung auf das vorliegende Vertragsverhältnis
zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Denn hienach hat der Kläger auf
Grund eines Vertragsverhältnisses für den

110 Civilrechtspflege.

Absatz bestimmter Waren des Beklagten in England (Manchester) zu sorgen,
den Abschluss von Geschäften nach England ständig zu vermitteln, ohne
dabei seine Stellung als selbständiger Handelstreibender aufzugeben
und zu dem Beklagten in ein Dienstverhältnis zu treten. Wenn nun
auch das schweizerische Obligationenrecht den Agenturvertrag im
gedachten Sinne nirgends speziell behandelt, so ist doch klar, dass
dieses Vertragsverhältnis auch nach diesem Gesetze einen besonderen,
rechtsgültigen Vertrag bildet; nur sind die Rechtssätze über diesen
Vertrag in Ermangelung besonderer Vorschriften zu suchen, soweit möglich,
an Hand anderweitiger verwandter Vertragsverhältnisse, und weiterhin
an Hand der bewährten Lehre der Wissenschaft und der Rechtssprechung.
Hiebei ist nach dem dem schweizerischen Obligationen- recht innewohnenden
Grundsatze der Vertragsfreiheit zunächst auszugehen von der Vereinbarung
der Parteien selbst. Streitig ist nun in dieser Hinsicht im vorliegenden
Prozesse die Entstehung und Fälligkeit des Provisionsanspruches. Der
Beklagte macht geltend, die Provision sei erst verdient, entstanden, nach
beidseitiger Erfüllung der vermittelten Verträge, insbesondere nach der
Zahlung des Kaufpreises; der Kläger dagegen vertritt den Standpunkt, die
Proviston sei auf jedem vermittelten Geschäfte verdient und zwar schon mit
der Vermittlung, gleichgültig, ob es zur Perfektion oder gar zur Erfüllung
gekommen sei. Die Vorinstanz hat sich keiner der beiden Ansichten ganz
angeschlossen, sondern angenommen, die Provision sei verdient in dem
Zeitpunkte, in dem das betreffende Geschäft perfekt geworden sei. Über
diese grundsätzliche Frage ist zu bemerken: Die Vereinbarungen zwischen
den Parteien, wie sie in der eingangs dieser Erwägung ausgeführten
Korrespondenz festgestellt sind, normieren ausdrücklich folgende Punkte:
Der Kläger sollte Provisionsanspruch haben für alle Geschäfte, die durch
seinen Manchesterfreund (Alfred Tenner) vermittelt" würden. Die Auszahlung
der Provision soll jeweilen geschehen am Ende eines Monates und sich
auf die bis zu jenem Zeitpunkt eingegangenen Fakturabeträge erstrecken;
bei effektivem Verlust an einer Ordre verzichtet der Kläger auf eine
Provision. Nach diesen vertraglichen Bestimmungen ist zunächst das eine
klar, dass der Kläger Provisionsanspruch hat nur für solche Geschäfte, die
durch ihn bezw. durch seinen Manchester-Ill. Obiigationenrecht N°15. 111

freund vermittelt wurden; mit Recht hat daher der Kläger vor Bundesgericht
Klageposten 4 fallen gelassen, da bei den Geschäften; auf die sich
dieser Anspruch bezog, eine Vermittlung durch den Ktäger überhaupt
nicht stattgefunden hat. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden,
welches der Wille der Parteien im übrigen, für die Frage des Zeitpunktes
der Entstehung und der Fälligkeit der Provisionsforderung war. In der
Bestimmung betreffend Auszahlung der Provtston ist nun zunächst nur die
Auszahlung als solche, d. h. die Fälligkeit der Provision, geregelt. Ein
derartiger Zahlungsmodus muss der Natur der Sache nach von den Parteien
vereinbart werden, da eine Auszahlung und Fälligkeit jeweilen bei der
Entstehung des Anspruches für beide Teile unpraktisch und speziell für
den Prinzipal belästigend wäre. (Vergl. Staub, Komm. z. [a.] D. H.M.-B.,
3. u. 4. Aufl-, S. 143 § 8 f.) Entscheidend für die Frage, wann
der Provisionsanspruch entstehen sollte, ist nicht diese Klausel,
sondern wiederum diejenige im Briefe vom 16. Januar 1900, lautend:
Diese Provisionen beziehen sich auf sämtliche Geschäfte, welche durch
Jhren Manchester Freund vermittelt werden. Danach werden Geschäfte
vorausgesetzt; es genügen also nicht blosse Bestellungen, sondern
es muss ein wirklicher Vertrag vorliegen, wie das auch der Natur des
Agenturvertrages entspricht. Anderseits wird aber auch nicht verlangt,
dass diese Geschäer ausgeführt und erfüllt seien; es genügt nach dem
Wortlaute der Bestimmung der Abschluss der Geschäfte, d. h. also der
Vertragsabschluss. Die Bestimmung über die Auszahlung der Provision stellt
sich danach a fortiori als blosse Festsetzung der Fälligkeit dar. Die
Klausel endlich, bei essektivem Verluste verzichte der Ktäger auf seine
Provision, verstärkt die hier vertretene Auslegung: wäre die Provision
entstanden erst nach Eingang des Kauspreises, so wäre eine solche
Bestimmung überflüssig, weil selbstverständlich, gewesen. Von dieser
Vertrags-auslegung aus sind nunmehr die einzelnen Klagesorderungen, soweit
sie noch streitig sind, d. h. Nr. 1 3, auf ihre Begründetheit zu prüfen.

4. Die erste Klageforderung ist heute nur noch dem Masse nach
streitig, da der Beklagte sie nunmehr im Betrage von 2994 Fr. 70
W. anerkennt. (Ausführung, dass das Urteil in diesem Punkte auf Grund
tatsächlicher Feststellungen zu bestätigen sei.) -

112 Givilrechtspflege.

5. (Ausführung, dass Klageforderuug 2 nicht begründet sei, weil das
betreffende Rechtsgeschäft gar nicht zum Abschlufse gebracht worden sei.)

6. Mit der dritten Klageforderung verhält es sich dagegen so,
dass das betreffende Geschäft abgeschlossen, perfekt geworden ist,
dass es dagegen in der Folge auf dem Wege des Vergleiches annulliert
wurde. Nach dem in Erwägung 3 über den Vertragswillen der Parteien
ausgeführten kann diese nachträgliche Annallierung den Provisionsansp
ruch des Klägers nicht vernichten, da dieser Anspruch eben mit dem
Abschlusse des Geschäftes zur Entstehung gelangt ist. Schon daraus
ergibt sich die Gutheissung dieser Prodisionsforderung Zum gleichen
Resultate führt aber noch eine andere Erwägung, wenn entgegen der in
Erwägung 3 vertretenen Vertragsauslegung angenommen werden wollte,
die Provisionsfordernng solle erst entstehen mit der Erfüllung des
Geschäftes, d. h. mit der Bezahlung des Kaufpreises (vgl. Art. 440
Abs. 1 O.-R. für das Kommissionsgeschäftz § 88 des D. H.-G.-B.; Staub,
a. a. O. §§ 8 8d): Auch wenn das der Vertragswille der Parteien wäre, wäre
der Anspruch auf Provifinn im vorliegenden Falle gleichwohl, trotz der
Nichtentstehung der Kanfpreisforderung, entstanden, denn es steht fest,
dass das fragliche Geschäft annulliert wurde einzig und allein infolge des
Verhaltens des Beklagten (vgl. dessen Brief an die Besteller Midwood &
Cie. vom 19. Mai 1900), und zwar infolge eines schuldhasten Verhaltens,
indem der Beklagte aus reiner Willkür die Nichtaussührung der Bestellung
ankündigte In einem solchen Falle, wo den Prinzipal Verschulden an der
Nichtausführung des provisionspslichtigen Geschäftes triffl, gelangt
nun aber der Provisionsanspruch des Agenten zur Entstehung, obschon die
Kauspreisforderung nicht existent wird. (Vgl. Staub, a. a. O. § 8 c;
Hafner, Komm. Art. 440 Anm. 3 mit Bezug aus das Kommissionsgeschäft.) Es
ist nicht erforderlich, dass geradezu ein Dolus auf Seite des Prinzipals
vorliege, dass dieser die Nichtausführung herbeiführte, um den Agenten
um seinen Provisionsanspruch zu bringen; in diesem Falle wäre klar, dass
die Provision verdient ist auf Grund des Art. 1î6 O.-R. (Vgl. Urteil des
Bundesgerichtes vom 1. Dez. 1900 i. S. Coeytaux gegen Frey, Ath Samml.,
Bd. XXVI, 2, S. 776.) Die Sachlage ist in der Regel

lll. Obligationenrecht. N° 15. .113

in, dass entweder der Prinzipal gegenüber dem Dritten dem Be{keller einen
Rechtsanspruch hat; dann darf er nicht auf Kosten des Agenten auf diesen
Rechtsanspruch verzichten; oder dass er einen Rechtsanspruch nicht hat;
dann ist dies aus sein schuldhastes Verhalten zurückzuführen, und der
Agent soll ein solches Risiko nicht tragen, unter diesem schuldhaften
Verhalten des Prinzipals nicht Schaden leiden. Auch von diesem
Gesichtspunkte aus erscheint daher Klageforderung 3 als begründet. Bemerkt
sei nur noch, dass die von der Vorinstanz getroffene Entscheidung: an
Stelle des Provisionsanspruches eine -reduzierte Schadenersatzsumme zu
sprechen, der Konsequenz und Logik widerspricht und juristisch völlig
unhaltbar ist: der Kläger macht einen Provisionsanspruch geltend; dieser,
und nichts au-deres, ist streitig, und er ist entweder begründet oder
nicht begründet; dagegen darf nicht an dessen Stelle etwas anderes
gesetzt werden. In diesem Punkte ist somit das vorinstanzliche Urteil
zu Gunsten des Klägers abzuändern.

7. Klageforderung 4 wird, wie bemerkt, nicht mehr aufrecht gehalten.

8. Danach ist die Klage gutzuheissen im Betrage von 3024 Fr.
10 Cis. + 7128 Fr. 35 Ets zusammen 10,152 Fr. 45 Ets. Hievon kommen
unbestrittenermassen in Abzug die vom Beklagten bezahlten 2542 Fr. 60
Cts., so dass zu Gunsten des Klägers ein Saldo von 7609 Fr. 85 Cis
verbleibt Dieser Betrag ist somit dem Kläger zuzuerkennen. Zins ist
gleich der Vorinstanz Vom 12. August 1901 zu sprechen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung des Klägers wird teilweise begründet erklärt, die
Anschlussberufung des Beklagten dagegen abgewiesen. Demgemäss wird der
Beklagte, in Abänderung des Urteils des Kantonsgerichtes des Kantons
St. Gallen vom 16. Dezember 1902, verurteilt, dem Kläger 7609 Fr. 85
(Staz. (3024 Fr. 10 Ets. s 7128 Fr. 85 Yes., abzüglich bezahlte 2542
Fr. 60 CW.), nebst 5 % Zins seit 12. August 1901 zu bezahlen.

xxxx, 2. um 8
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Document : 29 II 104
Date : 27. Februar 1903
Published : 31. Dezember 1903
Source : Bundesgericht
Status : 29 II 104
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 104 Givilrechtspflege 15. Arten vom 27. Februar 1903 in Sachen Eiseuhui, Kl. u.


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