86 civilreohtsptlege.

12. zwar vom 1. gnurz 1962 in Sachen Walker-Widmer, Kl. u. Ber.-Kl.,
gegen °%ofcxf, Bekl. u. Ver.-BLU.

Haftung des Aufsichtsrates einer Aktiengesellsohafè, Art. 671 Ziff. 2
und 3, 674 0.-R.; Art. 50 and.

A. Durch Urteil vom 18. Oktober 1901 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit den Anträgen:

1. Es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage
gutzuheissen, mithin der Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin 36,963
Fr. nebst Zins zu 50/0 seit 1. Januar 1898 zu bezahlen, abzüglich der
dem Kläger aus der Konkursmasse der Giesserei und Maschinensabrik Zürich
und des Heinrich Ernst, Architekt in Zürich zufallenden Konkursdividenden

2. Eventuell: Es sei die Abnahme der von der Klägerin vor der Vorinstanz
anerbotenen Beweise zu verfügen, insbesondere: a) durch Einvernahme der
angerufenen Zeugen, b) durch Anordnung einer Expertise in dem vor der
ersten Instanz beantragten Sinn."

G. Der Vertreter des Beklagten hat auf Abweisung der Berufung angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Am 17. Oktober 1896 wurde die Aktiengesellschaft Giesserei und
Maschinenfabrik Zurich in Altstetten-Zürich mit einem Grundkapital von
500,000 Fr., eingeteilt in 1000, laut den Statuten vom gleichen Tage,
angeblich voII einbezahlte Jnhaberaktien von 500 Fr., gegründet. Zweck
der genannten Gesellschaft war laut

§ 1 der _von Ernst als Präsidenten, und vom Beklagten als Protokollführer
unterschriebenen Statuten die Betreibung der

Giesserei und Maschinenfabrikation; laut § 13 Ziff. 2 der Statuten war
die Generalversammlung kotnpetent zur Beschlussfassung

über Erwerbung vorhandener Fabrikationsgeschäfte. Die
Subskrip-IV. Ohligationenrecht. N° 12. 87

tion auf das Aktienkapital erfolgte laut den gedruckten Scheinen an
Grundlage der Statuten, des Kaufvertrages und des Prospektes. Aus
einem solchen Schein zeichnete der Beklagte am 29. August 1896 zehn
Aktien. Für die entsprechende Summe von 5000 Fr. behändigte er H. Ernst
am 16. Oktober 1896 eine auf Sichi zahlbare Anweisung seiner Firma
Hofer & Burger auf die Schweizerische Volksbank, die am folgenden Tag
eingelöst wurde. Der Kausvertrag, auf den die Subskriptionsscheine Bezug
nahmen, datierte vom 17. Oktober 1896 und war namens der Giesserei und
Maschinenfaber Zürich von Sg. Ernst und CRabus unterzeichnet. Durch
denselben kaufte die genannte Aktiengesellschaft von Borner & Eie. in
Altsietten deren daselbst befindliche Fabrikanlage (Maschinenfabrik)
um 750,000 Fr., sowie deren Giesserei in Rorschach für 150,000 Fr.,
alles nebst den maschinellen Einrichtungen Vom gesamten Kauf-preis
von 900,000 Fr wurden der Aktiengesellschaft 617,500 Fr. an Hypotheken
zur Ubernahme überbunden (560,000 Fr. in Altstetten und 117,500 Fr. in
Rorschachsz 60,000 Fr. sollten durch Ablösung der bestehenden Kommandite
an A. L. La ältoche-Ts3ccssavanta und E. Veillon in Basel, 100,000 Fr. an
Sp. Ernst infolge Uberweisung bezahlt werden. Bezüglich des Restes von
62,500 Fr. wurde bemerkt, er sei unter den Kontrahenten verrechnet und
als bezahlt abzuschreiben.

Die konstituierende Generalversammlung der Giesserei Und Maschinenfabrik
game) wurde durch H. Ernst einberufen und sand unter seinem Vorsitz am
17. Oktober 1896 vormittags 10'1/2 Uhr statt. Bei dieser Versammlung
funktionierte der Beklagte als Protokollführer. Nach der vom zugezogenen
Notar Boller aufgenommenen Urkunde wurde von der Versammlung qaus
Grund der vorliegenden Subskriptionsscheine konstatiert, dass das
Gesamiaktienkapital, 1000 Stück, gezeichnet sei, und. dass 20 '),/0
desselben, also 100,000 Fr., einbezahlt worden seieanLaut dem vom
Beklagten verfassten Protokoll teilte Ernst mit, dass die Aktien mit 20
0/0 einbezahlt feiert. Der in den Statuten vorgesehene Verwaltungsrat
wurde bestellt aus Eduard Ktngfm Zürich II als Präsident, Emil Rabns
und dem Beklagten. Diese konstituierende Versammlung wurde laut dem
Protokoll um 12 Uhr

88 cirilrechtspilege.

geschlossen. Gemäss dem Protokoll des Verwaltungs-wies besammelte sich
dieser fofort nachher zur Erledigung einiger dringlicherTraktaiiden, unter
denen aber der Kausvertrag mit Borner & (Sie. nicht erwähnt ist. Noch
am gleichen Vormittag 12 Uhr wie das Protokoll einer am gleichen
Tage abgehaltenen NachmittagsWring" des Verwaltungsrates bemerkt,
unmittelbar nach der konstituierenden Generalversammlung -fand sodann
eine ausserordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Gesellschaft
stattzin der wiederum der Beklagte das Protokoll führte. Traktandum
war namentlich die Genehmigung des Kaufvertrages mit Vomer& (Cie.;
dieser wurde vom Präsidenten King vorgelesen, der Ver-waltnugsrat
stellte den Genehmigungsantrag, der von der Versammlung angenommen
wurde. Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgte am
25. November 1890.

Auf das Aktienkapital waren bis 17. Oktober 1896 in Wirklichkeit nur
38,000 Fr. bar einbezahlt moi-dem Am Erfindungstage selbst wurden dann
weitere 160,000 Fr. in der Weise ge-

leistet, dass die nach dem Kaufvertrage mit Borner an La Rothe-

und Veillon, sowie an Ernst zu leistenden Zahlungen von 60,000 Fr.
und 100,000 Fr. mit den von den Genannten geschuldeten Aktien-:
einzahlungen _ La Roche und Veillon hatten 60 Aktien, Ernst 328 gezeichnet
verrechnet wurden. Ernst hatte ferner alsShndikatsbeteiligterM 400
Aktien gezeichnet. Es hatte sich nämlich unter Führung des Ernst
für die Übernahme dieser 400 Aktien ein Syndikat gebildet, zum Teil
aus den bisherigen Aktienzeichuern, namentlich H. Ernst, bestehend,
und es hatte der Schweizerische Bankverein sich gegen Bürgschaft
von La Roche und(li. Veillon verpflichtet, diese 400 Aktien zum
Nominalwerte zu belehnen und namens des Syndikates die 200,000 Fr. der
Giesserei-, und Maschinenfabrik Zürich zur Verfügung zu stellen. Der
Rest des Aktienkapitals ist mit Ausnahme eines Betrages von 3200 Fr..
bis 16. Dezember 1896 voll einbezahlt worden.

Schon in der ausserordentlichen Generalversammlung vom. 17. Oktober 1896
hatte der Präsident King darauf hingewiesen,. dass das Betriebskapital
nicht genüge, sondern eine baldige Erhöhung desselben in Aussicht genommen
werden müsse. In der Verwaltungsratssitzung vom Li. Oktober 1896 verlangte
er:IV. Obligationenrecht. N° 12. 89

Aufschluss, ob das in Aussicht genommene Betriebskapital von 200,000
Fr. vorhanden sei und H. Ernst wies daraus nach, dass noch rund 50,()00
Fr. zur Verfügung seien; die Übrigen 150,000 Fr. waren nach seiner
Angabe von Ernst teils zur Übernahme von Vorräten bei Borner & Cie.,
teils zur Ablösung von Verbindlichkeiten letzterer verwendet worden;
Ernst, der inzwischen zum Vizepräsidenten gewählt worden war, stellte
in Ausfichi, dass letztere Summe in Bälde wieder eingehen und damit
das genannte Betriebskapital wieder erreicht sein merde. In der gleichen
Sitzung wählte der Verwaltungsrat einen besondern Ausschuss, bestehend aus
King, Ernst und Bot-nein Bis zum 19. Mai 1897 hielt nur dieser Ausschuss,
nicht aber der Verwaltungsrat Sitzung. Das Protokoll der Sitzung des
Ausschusses vom 6. Mai 1897 konstatiert: Hu Hofer weigert sich beständig,
in seiner Stellung als Mitglied des Verwaltungsrates zu unterzeichnen,
was den ganzen Verkehr ausserordentlich erschwert. Hr. Ernst beschwert
sich, dass ihm auf diese Art eine gewaltige Arbeit aufgelegt werde, so
dass er schliesslich vorziehen würde, von der Leitung ganz zuriickzutreten
Hofer ist insofern zu entschuldigen, als er nicht immer weiss, was geht,
und wird daher beschlossen, ihm zu den Sitzungen des Ausschusses jeweils
ebenfalls eine Einladung zugehen zu lassen. Karrer mahnt zum allseitigen
treuen Zusammenhalten, da bei dieser Sache nicht nur unsere Finanzen,
sondern auch unsere Ehre engagiert sind. In der Sitzung vom 13. Mai
1897 erschien dann der Beklagte und das Protokoll berichtet folgendes:
Im Anschluss daran (nämlich an die Verlesung des Protokoll-Z der Sitzung
vom 6. Mai) erklärt Sgr. Hofer einen Protest gegen den Passus, in welchem
ihm vorgeworfen wird, er habe sich beständig geweigert, Schriftstücke für
die Gesellschaft zu unterzeichnen. Es sei das seines Wissens nur einmal
vorgekommen, Und dazu habe er allen Grund gehabt, weil er nicht wusste,
ob der Obligo, um den es sich handelte, an Stelle eines früheren trete,
oder ob mit demselben wieder ein neues Schuldverhältnis begründet werden
sollte. Er könne sich niemals dazu hergeben, blindlings zu unterschreiben,
wenn er nicht genau sich Rechenschaft geben könne. Seine diesfällige
Anfrage sei unbeantwortet geblieben Er wünscht daher und stellt den
bestimmten

90 Civilrechtspflege.

Antrag, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates durch Zustälung
monatlicher Bulletins über den Stand des Geschäfte-s immer unterrichtet
werden, namentlich aber dann, wenn den einzelnen Mitgliedern persönliche
Verpflichtungen zugemutet werden . . . . Im Prinzip wird festgestellt,
dass aus den verschiedensten Gründen dem Antrag des Hm Hofe-: keine
Folge gegeben werden könne

Jn der Sitzung des Verwaltungsrates vom 17. Juni 1897 wurde konstatiert,
dass für den nächsten Zahltag kein Geld vorhanden fei; der Verwaltungsrat
nahm in Aussicht, dass a}. Ernst und Notar Karrer für die Gesellschaft
Wechselverbindlichkeiten eingehen werden, in der Meinung, dass dieses
vor allem ans den Därliger Aecepten gedeckt werden muB.

Jn seiner Sitzung vom 30. Juli 1897 lag dem Verwaltungsrat als
dringendstes Traktandnm vor, die Beschaffung von 20,000 Fr. für den
morgigen Zahltag, man ging aber darüber ratios auseinander-L

In der Verwaltungsratssitzung vom 25. August 1897 bildete wieder die
Beschaffung des Zahltages für den kommenden Zahltag im Betrage von
1900 Fr. das Haupttraktandum, ferner waren der Thurgauer Kantonalbank
12,0()0 Fr. einzuzahlen. Diese Zustände wurden als geradezu unhaltbar
bezeichnet. Der Verwaltungs-rat beschloss aber, alles aufzubieten, um eine
Aquidation zu vermeiden. Am 26. August gab H. Ernst von einer Zuschrift
der Thurgauischen Kantonalbank Kenntnis, womit diese bis 10. September
für 110,000 Fr. Deckung als Betrag von Nullerwechseln und unaeceptierten
Tratten verlangte- Hofer (der Beklagte) entschlug sich schriftlich jeder
weitern Mithülfe für Geldbeschasfungilz wieder fehlte es am Geld für
den Zahltag.

Am 18. September 1897 wurde zur Deckung einer fälligen von Ernst und
Karrer behufs Beschaffung von Mitteln für den Zahltag nnterzeichneten
Tratte zwei Wechsel trassiert, worunter ein solcher von 10,000 Fr. auf
die Gemeinde Därligen. In der Sitzung vom 28. September 1897 trat der
Beklagte als Mitglied des Verwaltungsrates zurück. Am 20. November 1897
wurde unter vielen Schwierigkeiten mittelst eines von Ernst, Karrer und
Hofer verbürgten Wechsels auf den SchweizerischenIV. Obligationenrecht. N°
12. 91

Bankverein Geld aufgebracht und den Genannten hiefür Buffon:
geländer verpfändet; in ähnlicher Weise ergaben sich stets neue
Zahlungsverlegenheiten Am 29.November 1897 wurde mitgeteilt, dass der
Schweizerische Bankverein nun keine Wechsel der Maschinenfabrik mehr
diskontiere

Die hieran vom Verwaltungsrat einberufene erste ordentliche
Generalversammlung vom 8. Dezember 1897 konstatierte auf Grund der
Bilanz auf dem Gewinnund Verlustkonto einen Passivsaldo von 94,230
Fr. 16 Cis. Ferner wurde hervorgehoben, dass sich unter den Aktiven
dubiose Guthaben von 93,419 Fr. 33 Cfs. befinden, so dass gegen die
Existenzfähigkeit des Geschäftes grosse Bedenken erhoben werden muszten.
Auf den Antrag des Vicepräsidenten Ernst wurde eine Privatliquidation
des Geschäftes beschlossen, der Konkurs sollte durch Bürgschaft von
Aktionären abgewendet werden. In dieser Generalversammlung wurde ferner
der zurückgetretene Beklagte im Verwaltungsrat ersetzt. Am gleichen Tage
wurden einigen Verwaltungsräten, die für den Zahltag Geld vorschossen,
worunter H. Ernst (nicht aber dem Beklagten) als Gegenwert hiefür
Forderungen auf die Gemeinde Därligen als-getreten

Am 13. Dezember 1897 wurde von den Gläubigern ein sechsmonatliches
Moratorium verlangt, um die freihändige Liquidation zu ermöglichen;
die Zustimmung war aber nur teilweise erhältIick). Am 6. Januar 1898
erörterte der Verwaltungs-rat die Frage der Umwandlung des Geschäftes in
eine Ziegelei, der Plan wurde aber wieder fallen gelassen. Am 13. Januar
1898 wurde beschlossen, den Gesellschafts-gläubigem zur Tilgung
ihrer Forderungen Prioritätsaktien anzubieten, was aber auch nicht den
gewünschten Erfolg hatte. Am 24. Januar 1898 beantragte ein Mitglied des
Verwaltungsrates die Konkurserklärung und am 9. Februar gl. Is. beschloss
der Verwaltungsrat, sofort die Jnsolvenzerklärung einzureichen.

2. Der Klägerin war von der Giesserei und Maschinenfabrit .Zürich die
Erstellnng der für die von der genannten Gesellschaft für die Gemeinde
Därligen, Kanton Bern, zu bauende Ziegelei nötigen Ofenbauten und
Zubehörden zum Gesamtpreis von 59,300 Fr. übergeben worden, und zwar
schon durch mündliche

92 Civilrechtspflege.

Vereinbarung vor dem 17. Juni 1897 (der schriftliche Vertrag datiert
vom 3. September gl. sè.). Im Konkurse über die Gesellschaft meldete
die Klägerin ihre Restsorderung von 36,963 Fr. nebst Zins zu 50J0
seit 1. Januar 1898 an; in diesem Konkurse ist eine Dividende von 5695
Fr. 20 Cte}. erhältlich Die Mage: rin verlangte sodann für den an der
Gesellschaft erlitteuen Schaden im Betrage von 36,983 Fr. nebst Zins à
50/0 seit 1. Januar 1898 mit Klage vom 10. Januar/22. Februar 1899 Ersatz
von dem Präsidenten des Verwaltungsrates, Ernst, über den am 25. November
1899 der Konkurs eröffnet wurde. In diesem Konkurse anerkannte das
Konknrsarnt die Forderung der Klägerin wegen Mangels eines Interesses
der Konkursmasse an der Prozesssiihrung, da die unversicherten Gläubiger
der V. Klasse in keinem Falle etwas erhalten.

Mit der heutigen im Juli 1901 eingeleiteten Klage belangt die Klägerin den
Beklagten, als angeblichen Gründer der Aktiengesellschaft Giesserei und
Maschinensabrik Zürich und als gewesenes Mitglied ihres Verwaltungsrates,
auf Zahlung ihres Verlustes an der genannten Aktiengesellschaft im oben
bezifferten Betrage, abzüglich der im Gesellschaftskonkurse, sowie
im Konkurse Ernst erhältlichen Dividende als Schadenersatz auf Grund
des Art. 671 Biff. 2 und 3, in Verbindung mit Art. 619, sowie gemäss
Art. 674 D.M.

3. Die Klägerin hat ihre Schadenersatzklage folgendermassen begründet:

a) Mit Bezug auf Art. 871 Ziff. 2 und Z des O.-R. machte sie geltend:
Der Kauf des Fabrikgeschäftes von Borner & Cie. qualifiziere sich als
eine Übernahme von Vermögensstücken im Sinne des Art. 619 Abs. 1 Q.-R.,
d. h. als Apportgeschäft; entgegen dieser Vorschrift sei aber diese
Machenschaft in den Statuten nicht erwähnt und der konstituierenden
Generalversammung nicht zur Beschlussfassung vorgelegt worden. Bei der
ganzen Gründung habe es sich nur darum gehandelt, dem H. Ernst, der aus
der Altstetter Liegenschaft von Borner & Cie. Hypotheken im Betrage von
423,000 Fr., ferner solche auf der Filiale in Norschach, sowie bei jener
Firma ein erhebliches laufendes Guthaben namentlich aus Wechselengagements
gehabt habe, hiefür zu decken,IV. Obligationenrecht. N° 12. 93

da Borner & Cie. damals vor dem Konkurse gestanden seien; hiefür wurden
eine Reihe von Zeugen angerufen. Die Erfindungsversammlung vom 17, Oktober
1896 habe allerdings vormittags 111,72 Uhr aufgehört, um 11 3/4 Uhr sei
aber eine Fortsetzung derselben erfolgt und hiebei sei der Kausvertrag mit
Borner & Cie. genehmigt worden, was aus dessen Unterzeichnung durch Ernst
und Rabus namens der Aktiengesellschaft hervorgehe; dies beweise auch,
dass der Beklagte vom genannten Apport Kenntnis gehabt habe, Übrigens
wäre dessen Unkenntnis unerheblich. Die Konstatierung des Notar Boiler,
dass bei der Konstituierung der Aktiengesellschaft am 17. Oktober 1898
20 0/0 des Aktienkapitals eingezahlt gewesen seien (Art. 671 Ziff. 3
D.M.), sei unwahr; denn damals sei noch gar nichts einbezahlt worden;
Boller sei hierüber von Ernst getäuscht worden. Hiefür verwies die
Klägerin an die Wren, besonders auf Akt. 17, einen im Konkurs der
Aktiengesellschaft angefertigten Buchauszug über die Aktienunzahlungen,
der dem Aktieneinzahlnngstonto entspricht, sowie Akt. 27, Kontokorrent der
Aktiengesellschaft bei H. Ernst, der aber hierüber ebenfalls nichts neues
enthält. Ferner berief sie sich hiefür auf einzufordernde Rechnungsauszüge
des Bankvereins, von Burkhard & (Cie., der Thurgauischen Hypothekenbank,
sowie auf die Bücher von Ernst, welche zeigen werden, dass dieser
seinen Syndikatsanteil gar nicht einbezahlt habe, letzterer vielmehr auf
andere Weise gedeckt worden sei, endlich aus Expertise und auf A. Boma-,
E. Robus, gewesene Verwaltungsräte, O. Camenzind, und Volliger, gewesene
Buchhalter der Gesellschaft, als Zeugen. Nicht als Einzahlungen, weil
nicht in barem Gelde bestehend, seien insbesondere zu betrachten die
Einlagen von La Roche und Veillon mit 60,000 Fr.; mit den Genannten sei
nämlich vereinbart worden, dass sie ihre Komrnandite bei Borner & Cie. mit
der Aktieneinzahlung verrechnen, wofür Beweis angeboten werde; man habe
einfach den Kaufpreis um 00,000 Fr. erhöht, um La Rache und Veillon für
ihr verlorenes Kommanditkapital Deckung zu verschaffen. Ähnlich verhalte
es sich bei H. Ernst bezüglich der von ihm persönlich gezeichneten 328
Aktien. Ernst habe für sein Guthaben von 100,000 Fr. aus Borner sich
zunächst durch den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis decken

94 Givilrechtspflege.

lassen und habe dann dieses Guthaben auf das Kaufsobjekt als Einlage
eingeworfen, durch eine Rückdatierung vom 5. November 1897 auf den
80. Juni 1897 seien diese 100,000 Fr. ihm im Aktionärkonto gutgeschrieben
worden (für 200 Aktien). Diese 200 wie auch seine übrigen Aktien habe
Ernst überhaupt nicht einzuzahlen beabsichtigt, vielmehr von vornherein
zum Teil mit seinem Guthaben kompensieren wollen. Auch Borner, der als
Mitglied des Syndikates Aktien übernommen habe, sei auf ähnliche Weise
begünstigt worden, indem der Verwaltungsrat in der Nachmittagssitzung
vom 1'7. Oktober 1896 Von ihm an Stelle der Barzahlung für die Aktien
Waren u. dgl. im Betrage von 62,500 Fr. entgegengenommen habe. Solche
Verrechnungen seien nach Art. 618 des O.-R. unstatthaft, wie sie auch im
Konkurse unzulässig seien. Auch in den eben genannten Vorgängen seien
Apports im Sinne des Art. 619 O.-R. gelegen, die der statutarischen
Festsetzung und des Beschlusses der konstituierenden Generalversammlung
bedurft hätten. In allen diesen Richtungen habe der Beklagte den
Sachverhalt gekannt. Der Prokurist des Geschäfte-Z der Klägerin,
Architekt Müller, habe sich vor Abschluss des Geschäfte-Z betreffend die
Osenbaute über die Giesserei und Maschinenfabrik Zürich beim Direktor
der Gewerbebank Zürich informiert. Dieser habe ihm geantwortet, man
könne das Geschäft schon machen, es sei noch eine junge Gesellschaft
da, und diese besitze nach den Statuten und der Ausschreibung ein
bar einbezahltes Aktienkapital von 50(),000 Fr., also müsse Geld
vorhanden sein. Wäre nun die Sache bei der Gründung der Gesellschaft
und ihrer Weitersühruug richtig behandelt worden, so wäre die Klägerin
voraussichtlich bezahlt worden, da sich alsdann das am 21. Oktober 1896
noch vorhandene Betriebskapital von 50,000 Fr. um die Apports von La
Roche, Veillon und Ernst auf 160,000 Fr., somit auf 210,000 Fr. erhöht
hätte und Ende Oktober 1897, zur Zeit als die Klägerin mit ihren Arbeiten
fertig geworden sei, statt des damals konstatiert-en Defizites von 94,230
Fr. 16 Cts. ein Aktiosaldo von 115,769 Fr. vorhanden gewesen ware.

b) Unter Berufung auf Art· 674 O.-R. hat die Klägerin ausgeführt: Schon
am 21. Oktober 1896 sei konstatiert gewesen, dass anstatt des vorgesehenen
Betriebskapitals von 200,000 Fr-IV. Obligaiionenrecht. N° 12. 95

nur ein solches von 50,000 Fr vorhanden gewesen sei. Von Anfang an habe
die Gesellschaft sich nur durch Wechselreiterei über Wasser halten
können. Zur Jllustration hiesiir verwies die Klägerin lediglich auf
verschiedene Faszikel von zusammen 147 Brieer zwischen H. Ernst, ©,
Borner und der Aktiengesellschaft, sowie eine Notiz im Protokoll der
Generalversammlung vom 8. Dezember 1897, dass bis s. Juli 1897 für
Diskonto 6608 Fr. 41 Cts. ausgegeben worden seien; die Nullerwechsel"
seien bei der Thurgauischen Kantonalbank diskontiert worden. Nachdem
sodann am 17. Juni 1897 ber Mangel an Deckung für den Zahltag konstatiert
worden sei, und die Gesellschaft wofür Expertise auf Grund der Bücher-,
Geschäftspapiere und des Konkursinventars angerufen wurde damals
insolvent gewesen sei, hätte der Verwaltungs-rat sofort eine Bilanz
ziehen, eventuell eine Sanierung versuchen oder der Generalversammlung
die Frage der Jnfolvenzerklärung vor-legen oder das Gericht im Sinne
des Art. 657 Abf. 2 O.-R. benachrichtigen sollen. Diese Pflicht sei
speziell auch dem Beklagten als Mitglied des Verwaltungsrates obgelegen;
im genannten Falle aber wäre sehr wahrscheinlich der Vertrag mit der
Klägerin nicht abgeschlossen worden und hätte diese den eingeklagten
Schaden nicht erlitten. Die Klägerin berief sich auf die erwähnten Zeugen
und Expertife dafür, dass am 17. Juni 1897 schon mehr als die Hälfte des
Aktienkapitals verschwunden gewesen sei; in allen Fällen habe der Beklagte
inden genannten Richtungen grobe Pflichtverletzungen begangen. Es sei
aber von seiner Seite, wie des Verwaltungsrates überhaupt, gerader dolos
gewesen, damals mit der Klägerin über die Ofenlieferungen zu unterhandeln
und diese zur Kreditierung eines Betrages von 59,300 Fr. zu veranlassen,
den Gegenwert aber von der Gemeinde Därligen einzuziehen. Vollends sei
der Abschluss des Vertrages mit der Klägeriu, am 3. September 1897dolos
gewesen, nachdem am 25. August vorher die Lage der Gesellschaft als
unhaltbar erklärt worden sei. Die Zahlungen der Gemeinde Därligen seien
sueeefsive zu leisten gewesen; dieselben seien bei Eingang vorweg in
die Taschen der Verwaltungsräte und so auchdes Beklagten geflossen,
auf Grund der von ihnen für die Aktien gesellschaft gezeichneten, bei
den Banken diskontierten Wechsel Der

96 civilrechtsptiege.

Beklagte hafte wegen dieses Benehmens auch gemäss Art. 50 ff. D.M., da er
in gewinnsüchtiger Absicht auf eine Schädigung der Kiägerin ausgegangen
sei; eventuell hafte er endlich wegen culpa in contrahendo.

4. Der Beklagte hat, unterstützt durch feine Litisdenunziaten King und
Karrer, Abweisung der Klage beantragt. In erster Linie erhob er die
Einrede der Verjährung, da die einjährige Verjährungsfrift des Art. 69
O.-R. zur Anwendung komme (Zeit: schrift für Schweizerisches Recht,
Bd. 15, S. 489). In der Sache selbst hat der Beklagte eingewendet:

a) Bei der Gründung der Giesserei und Maschinenfabrik Zürich seien
Apports im Sinne des Art. 619 nicht vorgekommen Der Kaufvertrag mit
A. Borner & Eie. sei ein solcher nicht; denn er sei erst nach der
Konstituierung der Aktiengesellschaft in der von ihr am 17. Oktober
nachmittags unter dem Vorsitz von King abgehalteneu, teilweise aus
andern Leuten zusammengesetzten ausserordentlichen Generalversammlung
kontrahiert worden auf Grund eines vorläufigen, inzwischen vom
Verwaltungs-rat abgeschlossenen Vertrages. Die Firma Borner & Cie.,
Eigentümerin des gekauften Etablissements, sei nie Aktionärin gewesen,
ebensowenig A. Berner persönlich, dagegen habe letzterer allerdings
dein Shu: dikat für die 400 Aktien angehört. Es sei durchaus zulässig,
eine Aktiengesellschaft mit dem zum voraus bekannten Zwecke des Ankaufes
und Betriebes eines bestimmten Etablisfements zu gründen, bezw. sofort
nach der Gründung ein derartiges Geschäft zu erwerben. Im übrigen sei
die Bornersche Fabrik durchaus preisroürdig gewesen, sie sei später
im Konkurs mit einer den Kaufsoreis übersteigenden Summe eingeschätzt
worden. Ernst, der zur Zeit der Gründung noch durchaus solvent gewesen,
sei für seine Zeichnung von 328 Aktien belastet worden; dagegen seien ihm
die laut dem Kaufvertrag mit Borner & Cie. auf Rechnung des Kaufpreises
auszurichtenden 100,000 Fr. gutgeschrieben worden. Ausserdem seien dem
Sg. Ernst gegenüber seiner Einzahlungspflicht seine im Laufe des Jahres
1896 an die Giesserei und Maschinensabrik set mt; durch Vorschüsse
erworbenen Gathaben im Betrage von 111,975 Fr. 20 Ets. zur Kompensation
zugestanden, und in der Sitzung des Verwaltungsrates vom 18. Januar
1897IV. Obligationeurecht. N° "12. 97

habe daher konstatiert werden können, dass er seiner (ZS-ixizahiungs=
pflicht vollständig uachgekommen fei. Zin übrigen sei die Klage, soweit
sie auf die angeblich unstatthaer Kompensation der100,000 Fr. durch
Ernst gestützt werde, nicht mehr zulässig, weil dieser Anspruch durch
die von der Klägerin gegen Ernst resp. dessen Konkursmasse erhobene
Klage erschöpft worden fei. Die Konstatierung des Notars, dass bei
der Gründungsverfammlung 20 00 des Aktien-kapitals einbezahlt gewesen
seien, entspreche der Wahrheit Die 400 vorn Syndikat übernommenen Aktien
haben nämlich, weil vom Bankverein voll belehnt, als voll einbezahlt
angesehen werden können. Dieser habe bis 26. November 1896 laut dem
Aktieneinzahlungskonto 104,50? Fr. 90 Ets. einbezahlt. Ebenso habe Ernst
vor der konstituierenden Generalversammlung seine Einzahlungspflicht
sicher gestellt durch Hinterlegung eines Schuldbriefes von 100,000
Fr. bei Burkhardt & (Sie. und die letzteren haben dann für ihn successive
71,000 Fr. einbezahlt mit Einschluss der 5000 Fr. des Beklagten; mittelst
seiner Arrepte habe Ernst der Gesellschaft ferner 93,800 Fr. verschafft
Alles dies sei dem Notar Voller in der Gründungsversammlung klargelegi
worden. Im Sinne des Art. 018 Q:??? habe es an der vorhandenen Deckung an
Stelle der Einzahlung genügt. Zweifellos sei die Kompenfation letzterer
gleichzustellen, da sie nur eine Abkürzung der gegenseitigen Zahlungen
involviere und die Korn-pensation vorn Gesetz Überhaupt, vorbehaltlich
der in Art. 132 des O.-Ji. genannten Ausnahmen, gestattet weirde,
ausgenommen im Konkurs (Art. 136 Q.-R. und Art. 210 Schuldbetr.und
KonkGes.). Am 21.November 1896, bei der Eintragung ins Handels register,
seien 181,622 Fr. 40 Ets. und mit Einrechnung der durch Kompensation
getilgten 160,000 Fr. 341,622 Fr. 40 Ets. einbezahlt gewesen. Sofern
aber auch zur Zeit der Konstituierung der Aktiengesellschaft die 20
'),]o des Grundkapitals nicht vollständig seiubezahlt gewesen wären, so
sei dies für die Klage gleichgültig, da späterhin das ganze Aktienkapital,
ausgenommen eine Reftanz von 8200 Fr. (bei dem zahlungsunfähig gewordenen
Scheuersimeier) einbezahlt worden sei; Art. 671 O.-R. habe eine Verkürzung
des Aktienkapitals zur Voraussetzung Weiterhin stehe der eingeklagie
Schaden mit der angeblichen Missachtung des

xxvm, 2. 1902 7

98 Civilrechtspflege.

Art. 618 O.-R auch deswegen nicht im Kausalzusaminenhang, weil die
bei der Gründung vorhanden gewesenen Mittel späterohnedies für die
Erwerbung des Etablissements, die Tilgung der im Kaufvertrag übernommenen
Verbindlichkeiten bei Ernst, La Roche und Veillon, sowie für den Betrieb
des Unternehmens verausgabt worden waren, insbesondere auch für die
Tilgung der Vorschüsse der Verwaltuiigsräte, welche ein Fünftel des
Aktienkapitals weit überstiegen haben, jener ursprüngliche Fonds also
der Klägertn keine Deckung mehr verschafft hätte. In jedem Falle aber sei
der Klagegrund deswegen nicht gegeben, weil der Beklagte von allfälligen
Unregelmässigkeiten bei der Gründung nichts gewusst habe. Er sei von
Architekt Ernst mit Rücksicht ans Familienbeziehnngen in diese Sache
hineingezogen worden, Ernst habe damals noch grosses Ansehen genossen,
sei in derartigen Dingen versiert gewesen; er habe dein Beklagten
versichert, dass er finanziell nichts zu riskieren habe. Die ganze
Finanziernng sei von Ernst besorgt worden, der Beklagte habe sich um
dieselbe nicht bekümmert; da er seine Aktien sofort liberiert, habe er
angenommen, dies sei auch seitens der übrigen Aktionäre geschehen. Er
sei nicht Gründer im Sinne des Gesetzes gewesen, während nur solche,
nicht aber die blossen Aktienzeichner, gemäss Art. 671 haften; seine
Mitwirkung habe sich auf die Anwesenheit bei der Gründungsversammlung
beschränkt Zu Ernst habe er blindes Vertrauen gehabt, derart, dass er
später für die Aktiengesellschaft für bedeutende Summen Bürgschaften
und Wechselverbindlichkeiten eingegangen habe. Über die Vorgänge bei der
Gründung und die Finanzierung des Unternehmens sei er im einzelnen nicht
unterrichtet gewesen; die Verantwortlichkeit nach Art. 671 setze aber
nicht bloss objektive Unregelmässigkeiten, sondern ein Wissen von den
dort genannten Thatsachen voraus, auch blosse Fahrlässigkeit vermöchte
die Klage nicht zu begründen

b) Irgend ein Verschulden im Sinne des Art. 674 O.-R. treffe den Beklagten
nicht, Der schlechte Ausgang des Unternehmens beruhe wesentlich darauf,
dass das Grundkapital von Anfang an durchaus unzulänglich gewesen sei
und sodann auf einer unrichtigen kaufmännischen und technischen Leitung;
im übrigen wäre dasselbe lebensfähig gewesen, wie durch verschiedene
Gutachten, die vor derIV. Obligationenrecht. N°12. 99

Gründung bei E. King, Jngenieur A. Jegher Und Maschineningenienr Schmid
eingezogen worden seien, dargethan sei. Beim Abschlusse des Vertrages
sei die Gesellschaft keineswegs insolvent gewesen, vorübergehende
Geldverlegenheiten kommen auch bei soliden Unternehmungen vor; der
Zusammenbruch des Geschäftes habe damals nicht vorausgefehen werden
können und eine Verpflichtung zur Abgabe der Jnsolvenzerklärung sei
daher nicht vorgelegen. Der Vorwurf der Wechselreiterei werde als
unwahr zurückgewiesen, nur Wechsel mit richtigem Schuldverhältnis,
hauptsächlich Kundenwechsel, seien diskontiert worden Auch später
seien die Voraussetzungen, unter denen laut Art. 657 O.:JÎ. eine
Generalversammlung einzuberufen und dem Gericht von der Sachlage Kenntnis
zu geben gewesen ware, nicht vorhanden gewesen; laut der Jahresbilanz sei
nur ein verhältnismässig unbedeutender Teil des Aktienkapitals verloren
gewesen. Die Verwaltungsräte haben immer noch geglaubt, das Unternehmen
halten zu können, dies gehe aus dem grossen Umfang der Verpflichtungen
hervor, die sie in dieser Hoffnung für das Geschäft gebracht haben; so
habe der Beklagte selbst für die Gesellschaft gemeinsam mit King, Ernst
und Karrer am 10. April 1897 bei der Kantonalbank Weinfelden Bürgschaft
für 60,000 Fr., am 18. August 1897 gemein: iam mit Karrer, Ernst, Rabus
und Borner bei Burkhardt & Cie. Bürgschaft für 84,500 Fr. und noch am
19. November 1897 gemeinsam mit Ernst und Karrer beim Bankverein solche
für 18,000 Fr. geleistet und er habe überall die auf ihn entfallenden
Beträge zahlen müssen. Ein eigenes Urteil über den Wert der Fabrik habe
der Beklagte nicht gehabt und sich daher auf das fachmännische Urteil
des Präsidenten King verlassen müssen; erst im Laufe der Zeit habe
er einen Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Unternehmens
bekommen, die ersten Kenntnisfe über dessen Stand habe er erst gegen
Ende September 1897 erhalten; dies habe ihn veranlasst, am 28. September
als Mitglied des Verwaltungsrates zurückzutreten. Ganz unrichtig sei,
dass der Verwaltungsrat die Zahlungen der Gemeinde Därligen für sich
verwendet habe, dieselben seien vielmehr stets für den Geschäftsbetrieb
verwendet worden, der Beklagte habe keinen Rappen davon erhalten. Die
von der Klägerin behaupteten Informationen werden

100 Civilrechtspflege.

bestritten, eventuell, dass sie für die Klägerin das Motiv zum
Vertragsabschlusse gewesen seien; sie wären gar nicht schlüssig dafür
gewesen, dass das Aktienkapital damals noch intakt gewesen sei.

5. Die Klägerin hat die Einrede der Verjährung in jeder Richtung
bestritten und insbesondere geltend gemacht, dass nicht die einjährige
Verjährung des Art. 69 D.:-N., vielmehr die gewöhnliche zehnjährige
Verjährung in Anwendung femme, da es sich bei der Klage um vertragliches
Verschulden handle. Endlich hat sie bestritten, dass die Klage mit Bezug
auf die Kompensation der 100,000 Fr. durch Ernst verwirkt sei, indem
nach Art. 671 O.-R. jeder Gläubiger seinen Schadenersatz selbständig
einklagen könne; übrigens habe die gestellte Klage im wesentlichen ein
anderes Fundament.

6. Die Vorinstanz hat die Einrede der Verjährung mit Bezug auf
die Klage aus Art. 674 O.-R. als unbegrtindet erklärt, da es sich
hier jedenfalls um einen vertraglichen Anspruch handle und also die
zehnjährige Verjährungsfrist zur Anwendung femme, und sie mit Bezug
aus Art. 671 nicht entschieden, da sie überall zur sachlichen Abweisung
der Klage gelangte. Soweit diese Entscheidung sich aus die rechtliche
Natur des Anspruches aus Art. 674 O..-R stützt, ist ihr ohne weiteres
beizustimmen. Dieser Anspruch stellt sich, wie das Bundesgericht mehrfach
entschieden hat (vgl. zuletzt Urteil vom 25. November 1898 in Sachen
Borel und Kons. gegen Renaud und Kons., Amtl. Sammlung, Bd. XXIV,
2. Teil, S. 816 f., Erw. 3), als Anspruch vertraglicher Natur dar;
er beruht aus der vertraglichen Stellung der Mitglieder der Verwaltung
zur Gesellschaft, auf der Verletzung der vertraglichen Pflichten der
Mitglieder der Verwaltung und Kontrolle als solcher, und enthält eine
gesetzliche Ausdehnung der Wirkungen dieser vertraglichen Stellung
gegenüber den einzelnen Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern. Was
sodann die Verjährung nach Art. 671 O.-R. betrifft, so empfiehlt es sich,
diesen Punkt zunächst ebenfalls unentschieden zu lassen und die materielle
Begründetheit der Klage aus diesem Klagefundament zu prüfen, weil die
für die Entscheidung der Frage in Betracht kommenden Tatsachen durch
die Vorinstanz nicht festgestellt sind.[V. Ohhgationeurecht. N° 12. _ 101

7. Was nun zunächst die auf Art. 67l O.-.R gestiitzte Klage im allgemeinen
anbelangt, womit der Beklagte als .Gritnder der Aktiengesellschaft
Giesserei und Maschinensabrik Zürich belangt wird, so kann es fraglich
sein, ob auf den Beklagten die Eigenschaft eines Gründers oder wenigstens
einer bei der Gründung tätigen Person zutrifft. Die tatsächlichen
Anbringen der Klagerin sind in dieser Beziehung sehr ungenügend und zum
Teil ist darüber kein Beweis erhoben worden. Würde man die Frage bejahen
müssen, so würde der Beklagte der Klägerin als Gesellschaftsgläudigerin
für Schadenersatz haften, wenn er wissentlich dabei mitgewirkt hat,
dass eine Einlage oder die Übernahme von Vermögens-stricken oder
eine Begünstigung einzelner Aktionäre oder anderer Personen entgegen
der Bestimmung des Art. 619 Abs. 1 in den Statuten verschwiegen oder
verschleiert worden ist (Art. 671 Biff. 2), sowie, wenn er wissentlich
dazu beigetragen hat, dass die Eintragung der Aktiengesellschaft im
Handelsregister auf Grund einer Bescheinigung oder Urkunde vorgenommen
worden ist, welche tatsächlich unwahre Angaben enthält (eod. Ziff. 3). Der
Beklagte würde danach, wenn seine Eigenschaft als Gründer konsta-

' tiert wäre, der Klägerin haftbar sein, wenn erstens objektiv der

Tatbestand der vorher citierten Ziff. 2 und 3 des Art. 671 O.-R.
hergestellt ist; wenn ihn zweitens ein wissentliches Mitwirken bei diesen
Handlungen trifft und wenn drittens durch diese Handlungen der Klägerin
Schaden verursacht worden ist.

8. Mit Bezug aus die Klage aus Art. GM Biff. 3 O.-R., die sie zuerst
untersucht hat, stellt nun die Vorinstanz zunächst fest, dass vor und
bis zum 17. Oktober 1896 Fr. 38,600 wirklich einbezahlt worden sind. Sie
nimmt demnach an, dass die Angabe im Protokoll des Notars Voller, 20 0/0
der Aktien seien einbezahlt, im Momente der Ausstellung der Erklärung
nicht richtig gewesen sei. Dagegen gelangt sie dann dazu, zu erklären,
diese Erklärung sei für den Abend des 17. Oktober 1896 richtig gemesen;
Bei der sogenannten Verrechnung der 120 Aktien von La Roche und Veillon
handle es sich in Wirklichkeit um eine von diesen beiden Aktionären
zur Tilgung ihrer Aktieneinzahlungsverbindlichkeit an die Gesellschaft
erteilte Anweisung auf Borner & (Sie.; diese Anweisung sei aber, da sie
völlig sicher gewesen,

102 Civilrechtspflege.

einer Barzahlung gleichzustellen Das nämliche gelte auch für die
der Aktiengesellschaft durch den Kausvertrag zur Zahlung an Ernst
,;überwiesenen 100,000 Fr., die nach der Angabe der Parteien sofort
an die Einzahlung der vom genannten persönlich subskribierten 328
Aktien angerechnet worden seien. Damit ergebe sich für den Abend des
17. Oktober 1896 eine an das Aktienkapital einbezahlte Gesamtsumme von
198,000 Fr., also weit mehr als der in Art. 618 O-R. verlangte Fünftel
des Aktienkapitals Nun set aber die Gründung der Aktiengesellschaft erst
durch die Genehmigung des Kaufvertrages perfekt geworden, so dass der
Kauf mit zur Gründung gehöre. Im sernern sei jedenfalls nicht erwiesen,
dass der Beklagte wissentlich zur Aufnahme einer unwahren Angabe über
die Einzahlung in der notariellen, bei der Konstituierung erhobenen
Urkunde mitgewirkt habe. Denn der Beklagte habe jedenfalls in gutem
Glauben annehmen können, dass der Kauf mit zur Konstituierung gehöre und
die 160,000 Fr. daher als Einzahlung auf das Aktienkapital anzurechnen
seien. Endlich stellt die Vorinstanz zum Schlusse noch darauf ab, dass
es· für die Klage aus Art. 671 Abs. 3 O·-R. an dem hiesür erforderlichen
Nachweise eines ursächlichen Zusammenhanges des der Klägerin entstandenen
Schadens mit einer unwahren Angabe in der mehrerwähnten notariellen
Urkunde überall fehle.

GNun mag dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der Vorinstanz über
die Perfektion der Gründung der fraglichen Aktiengesellschaft und über
die Einzahlung von 198,000 Fr. überall richtig sind. Es mag einzig daran
erinnert werden, dass nach Art. 618 Q.-R. 20% aus jede Aktie einbezahlt
fein sollen, weil verhindert werden will, dass Aktien in den Verkehr
gebracht werden, auf welche nichts einbezahlt ist. Ausschlaggebend für
die Entscheidung erscheinen die von der Vorinstanz in zweiter und dritter
Linie angeführten beiden Gründe: dass der Beklagte nicht wissentlich zu
einer unwahren Angabe in der notariellen Urkunde mitgewirkt hat, und
dass es am Kausalzusammenhange des der Klägerin entstandenen Schadens
mit der unwahren Angabe fehlt. Was den ersten Punkt betrifft, so ist
durch das vom Beklagten gesührte Protokoll der ersten Generalversammlung
festgestellt, dass Ernst es war, der mitgeteilt hat, 209/0 seien
einbezahlt. DieIV. Ohiigationenrecht. N° 12. 103

Annahme liegt nun sehr nahe, dass sich der Beklagte lediglich auf diese
Mitteilung verlassen hat und dass er nicht weitere Nachforschungen darüber
angestellt hat, ob diese Mitteilung der Wahrheit entsprach. Mag nun auch
in einem derartigen Vertrauen eine Fahrlcissigkeit erblickt werden, so
liegt doch nichts dafür vor, dass der Beklagte wissentlich, d. h. mit dem
Bewusstsein der Unwahrheit, zu jener Feststellung mitgewirkt hätte Dies
ist umsoweniger anzunehmen, als der Beklagte die von ihm gezeichneten
Aktien voll einbezahlt hatte. Übrigens trifft die Verantwortlichkeit
aus Art. 671 Ziff. 3 O.-R den Beilagten nicht in seiner Eigenschaft
als Zeichner, sondern nur in derjenigen als Gründer; soweit er daher
nur als Zeichner teilgenommeu und am Beschlusse mitgewirkt hat, trifft
seine Verantwortlichkeit nicht zu. Auf das Verhalten des Beklagten
bei der Eintragnng der Aktiengesellschaft aber hat die Klägerin nicht
abgestelit. Der Mangel des Kausalzusammenhanges des Schadens der Klägerin
mit der unrichtigen Angabe in der mehrerwähnten notariellen Urkunde
sodann ist von der Vorinstanz in so zutreffender Weise dargethan worden,
dass lediglich auf ihre Ausführungen verwiesen werden farm.

9. Zur Klage aus Art. 671 Ziff. 2 O.-R. führt die Vorinstanz zunächst
aus, die Ausrichtungen von 60,000 Fr. und 100,000 Fr. auf Grund des
Kaufvertrages an La Roche, Veillon und Ernst stellen sich nicht als
Begünstigung bezw. Einräumung irgend eines besondern Vorteils an die
genannten Aktionäre bar, haben vielmehr lediglich einen Bestandteil des
von der Aktiengesellschaft an Borner & (Cie. zu vergütenden Kauspreises
gebildet; hieran werde dadurch nichts geändert, dass die genannten Summen
den letztern nicht direkt ausgerichiet, sondern in ihrem Einverständnis
und aus ihren Wunsch zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten bei den
Genannten verwendet worden seien. Für die Aktiengesellschaft aber stehe
die Entgegennahme dieser Anweisungen der Barzahlnng für die Aktien, wie
schon ausgeführt, gleich; in dieser Operation könne daher auch nicht eine
Einlage jener Aktionäre auf Rechnung ihrer Aktien im Sinne des Art. 619
O.-R. erblickt werden. Dass aber der Kaufpreis der Bornerschen Fabrik
lediglich im Interesse von Ernst, La Roche und Veillon um die Summe von
160,000 Fr. erhöht worden sei, entbehre jeden Nach-

104 Civih'echtspflege.

weises und jeder Wahrscheinlichkeit; die Klägerin habe ja selbst

nicht behauptet, dass der Kaufpreis Über-setzt gewesen sei. Eine

Übernahme von Vermögensstücken im Sinne der Art. 671 Biff. 2 und 6i9
O.-R. könne dagegen vielleicht im Anknufe des Bornerschen Geschäftes
überhaupt gefunden werden, wenn man davon ausgehe, dass der Kaufvertrag
gleichzeitig mit der Konstituierung der Aktiengesellschaft abgeschlossen
worden sei; dennBorner & Cie. seien offenbar bei der Gründung der
Aktiengesell-

schaft beteiligt gewesen Nun sei aber klar, dass der eingeklagte

Schaden mit jenem Erwerb in keinem ursächlichen Zusammenhange
stehe. Zweifellos sei nämlich die Tatsache, dass die Statuten von der
Übernahme des Bornerschen Geschäftes nichts enthalten, für die Klägerin
in keiner Weise die Veranlassung zum Abschlusses des sie in der Folge
schädigenden Lieserungsvertrages gewesen. Es sei ja klar, dass die
Klägerin wusste, dass die Aktiengesellschaft- Inhaberin des Bornerschen
Geschäftes sei, da sie mit ihr überhaupt nur wegen dieser wirtschaftlichen
Stellung in Beziehung getreten sei. Das Stillschweigen der Statuten über
diesen Apport erscheine somit für die Klage als völlig unerheblich,
und das nämliche wäre auch zu sagen, wenn in der Generalversammlung
vom 17. Oktober 1896 die Genehmigung des Kaufvertrages nicht mit der in
Art. 619 O.-R. vorgeschriebenen qualifizierten Mehrheit beschlossen worden
sein sollte, was übrigens von der Klägerin nicht einmal behauptet wurde.

Auch hier mag wiederum dahingesiellt bleiben, ob sämtlichen Ausführungen
der Vorinstanz beigeireten werden könnte; zum mindesten zweifelhaft
erscheinen die Ausführungen im Eingang betreffend die Überweisungen an
Ernst und an La Roche und Veillon Dagegen ist auch hier entscheidend,
dass es am Kausalznsammenhang zwischen den Gründungsvorgängen und dem
der Klägeriu entstandenen Schaden fehlt. Die Klägerin kann nicht geltend
machen, dass besondere Tatumstände vorliegen, die den Schaden verursacht
haben, wie betrügerische Vorspiegelungen u. dgl. beim Abschluss des
Vertrages Die Klägerin will durch Informaîionen zum Abschluss des
Werkvertrages veranlasst worden sein. Allein dieses Anbringen wird
dadurch widerlegt, dass sie im Momente des Vertragsabschlusfes magie,
dass die Aktiengesellschaft-IV. Obligationenrecht. N° 1:2. · 105

ein grosses Fabrikgeschäft in Altstetten und Rorschach erworben hatte;
es war ihr also bekannt, dass das Aktienkapital in eine andere Substanz
umgesetzt sei. Sie hat nun ganz unterlassen, nachzuweisen, dass das
Grundkapital eine Verminderung erlitten, oder dass die erworbene
Fabrik nicht den ihr im Kaufvertragvbep gelegten Wert besitze, dass
mit andern Worten der Kaufpreis abersetzt sei, oder dass andere Momente
miiunterlaufen seien, die eine Schädigung bewirkt haben (wie z. B. zu
hohe Angabe der Hypotheken). Allerdings liegt eine gewisse Schwachung
der finanziellen Leistungskraft der Aktiengesellschaft darin, dass
das Aktienkapital nicht, wie es in den Statuten angegeben war, ganz bar
einbezahlh sondern zum Teil durch Verrechnung getilgt wurde. Allein sobald
feststeht, dass der Kaufpreis der Fabrik als realer angesehen werden
mnfz, kommt ans diesen Umstand für den der Klagerin erwachsenen Schaden
nichts an. Da sonach Abweisung der Klage ausdiesem Grunde des mangelnden
Kausalzusammeiihangs zwischen dem eingeklagten Schaden und den Vorgängen
bei der Grundung erfolgen muss, können die von der Klägerin anerbotenen
Beweise für das Wissen des Beklagten ausser Betracht bleiben. .

10. Aus Art. 674 O.-R. ist der Beklagte der Klägerin,
als Gesellschaftsgläubigerin, direkt haftbar, sofern ihr durch
absichtliche Verletzung der dem Beklagten obliegenden Verwaltungsund
Aufsichtspslichten der eingeklagte Schaden entstanden ist; denn dass
der Beklagte wenigstens während einer gewissen Zeit und speziell
zur Zeit des Vertragsabschlnsses mit der Plage-ein Mitglied des
Verwaltungsrates der Klägerin war, ist festgestellt, und er haftet daher
für diese Zeit sowie für die Wirkungen seiner Handlungen nach der Zeit
seines Austrittes aus dein Yerwfalinngsrate Zu prüfen ist vor allem,
ob dem Beklagten absichtliche Pflichtverletzung zur Last gelegt werden
forme. Absichtliche Pflichtverletzung im Sinne des Art. 674 O.-R. ist nun,
wie das Bundesgericht in seinem Entscheide vom 12.,-18. Oktober 1886 in
Sachen Solothurn gegen Kaiser, Amd. SammL, Bd· XIV, S. 696,-grundlegend
ausgesprochen hat, nicht jeder wissentliche Verstosi gegen gesetzliche
oder reglementarische Pflichten, sondern nur ein im 51Bewusstsein der
schädigendeu Kausalität der Handlung erfolgter Jerstoss; der Handelnde
muss den Eintritt eines Schadens als Folge

106 Givilrechtspfîege.

seiner Handlung vorausgesehen und daher, wenn auch vielleicht
bloss eventuell, gewollt, beabsichtigt haben, während allerdings die
Vorinstanz wohl zu weit geht, wenn sie geradezu ein arglistiges Verhalten
fordert. Zur Hastbarerklärung des Beklagten genügt aber namentlich
nicht blosse fahrlässige Pflichtverletzung, auch wenn sie in grober
Fahrlässigkeit bestehen würde. Nachgewiesen müsste vielmehr sein, dass
die Klägerin durch Handlungen, in denen absichtliche Pflichtverletzungen
des Beklagten liegen, zur Eingebung des Liefernngsvertrages bestimmt
worden ist, oder dass der Beklagte nach Abschluss des Vertrages
durch absichtliche Pslichtverletzungen die Befriedigung der Forderung
der Klägerin vereitelt hatte. Weder vom einen noch vom andern kann
hier die Rede sein. Allerdings kann nicht bestritten werden, dass die
Aktiengesellschaft von Anfang an nicht Über genügende Mittel verfügte,
dass sich bald Geldverlegenheiten zeigten, sowie offenbar auch, dass
in gewissem Masse Wechselreiterei getrieben wurde. Allein alle diese
Tatsachen sind von der Vorinstanz richtig dahin gewürdigt worden,
dass eine Verpflichtung zur Jnsolvenzerklärung nicht vorgelegen
habe und namentlich, dass nicht erwiesen sei, dass der Beklagte den
vollen Einblick in den Stand des Unternehmens gehabt habe und dass
er vorausgesehen habe, dass durch den Abschluss des Vertrages mit der
Klägerin dieser ein Schaden, wenn auch nur eventuell, entstehen könne. Der
von der Klägerin auch vor Bundesgericht wieder beantragte Beweis dafür,
dass die Gesellschaft schon am 18. Juni 1897 insolvent gewesen sei, ist
nicht abzunehmen, weil dadurch die entscheidende Tatsache: dass dieser
Stand dem Beklagten bekannt gewesen sei, noch nicht bewiesen würde,
und weil im Gegenteil eine ganze Reihe in den Akten liegender Momente
für den guten Glauben des Beklagten sprechen. So zunächst die Tatsache,
dass der Beklagte nicht Fachmann in Finanzsachen und in technischen
Angelegenheiten von der Art der von der Aktiengesellschast betriebenen
Fabrik ist und daher in den Gang des Geschäftes nicht den vollen richtigen
Einblick hatte; so die weitere, aus diesen Umständen sich ergebende,
dass er sich in finanziellen Dingen völlig auf den in dergleichen Sachen
nach Feststellung der Vorinstanz vollständig versierten und damals noch
allgemeines Vertrauen geniessenden Verwaltungsrat Ernst, und in den
technischen Ange-IV. Obligationenrecht. N° 12. 107

Iegenheiten auf King verliess. Sodann weiter die Tatsache, dass der
Beklagte vor und nach Eingebung des Vertrages der Gesellschaft mit der
Klägerin bedeutende Jntereessionen zu Gunsten der Gesellschaft eingegangen
ist. Endlich fällt in Betracht, dass in der Verwaltungsratssitzung vom
21. Oktober 1896 ein spezieller Ausschuss gewählt wurde, dem der Beklagte
nicht angehörte, so dass er vom 10. Dezember 1896 bis zum 13. Mai 1897 an
den Verwaltungsratssitzungen nicht teilzunehmen hatte, und dass ans den
Protokollen dieses Ausschusses vom 6. und 13. Mai 1897 -(die in Erw. 1
in den hier in Betracht kommenden Partieen wörtlich mitgeteilt find)
klar hervorgeht, dass der Beklagte über den Stand des Geschäfte-Z nicht
genügend unterrichtet war, dass er aber mehr Einsicht und zu diesem
Zwecke monatliche Bulletins verlangte. Speziell aus diesen Tatsachen
geht der volle gute Glaube des Beklagten hervor, so dass von einer
Begründeterklärung der Klage aus Art. 674 O.-R. nicht die Rede sein kann,
soweit die Eingehung des Liesernngsvertrages in Betracht kommt. Und für
die spätere Zeit muss gesagt werden, dass gar nichts dafür vorliegt, dass
der Beklagte die Klägerin im Bewusstsein der Insolvenz der Gesellschaft
um ihre Forderung hätte bringen wollen.

11. Was endlich noch die von der Klägerin zur Begründung der Klage
ebenfalls herangezogenen Art. 50 ff. O.-R. betrifft, so ist allerdings
richtig, dass den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsglänbigern
gegenüber den Mitgliedern der Verwaltung und Aussicht neben der
vertraglichen, in ihren Voraussetzungen eng Umschriebenen Klage aus
Art. 674 Q.-R. auch die Klage aus widerrechtlicher Handlung zusteht; dies
dann, wenn den Aktionären und Gesellschaftsgläubigern Schaden entsteht
dadurch, dass die Mitglieder der Verwaltung und der Aufsicht abgesehen von
ihren vertraglichen Pflichten als solchen Verletzungen der Rechtsordnung
begehen (wie z. V. bei betrügerischen Vorspiegelungen); vgl. Urteil des
Bundesgerichts vom 9. Juli 1897 in Sachen Spar: und Leihkasse Bern gegen
Berner, Umts. Samml., Bd. XXIII, S. 1074, Erw. 5. In dieser Beziehung hat
die Klägerin dem Beklagten einzig vorgeworsen, er habe, mit den andern
Verwaltungs-täten, die Zahlungen der Gemeinde Därligen in seine eigenen
Taschen gesteckt. Allein von der Vorinstanz ist festgestellt einmal,
dass die

108 Civilrechtspflege.

Überweisung der Därliger Aeeepte an gewisse Mitglieder der Verwaltung
erfolgte zur Deckung der von diesen für die Gesellschaft gleichzeitig
eingegangenen Jutercessionen, und sodann, dass überhaupt nicht erwiesen
ist, dass dem Beklagten eine derartige Deckung zugekommen wäre.

12. Erscheint sonach die Klage nach allen Richtungen materiell als
unbegründet, und können die von der Klägerin angetragenen Beweise
an diesem Resultate nichts ändern, braucht auf die (in Erw. 6 offen
gelassene) Frage der Verjährung des Anspruches aus am. 671 O.-R., sowie
auf die Frage der Konsumtiouder Klage mit Bezug auf die Kompensation
der 100,000 Fr. durch Ernst durch deren frühere Erhebung seitens der
Konknrsmasse der Aktiengesellschaft nicht eingetreten zu werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

_ Die Berufung wird abgewiesen und somit das Urteil des Handelsgerichts
des Kantons Zürich vom 18. Oktober 1901 in allen Teilen bestätigt.

V. Erfindungspatente. Brevets d'invention.13. Art-sit vom 28. Februar
1902 in Sachen Erobwyleu Kl. u. Ber.-Kl., gegen (,finger-ältere Erdem
Bekl. u. Ber.-Bekl.

Werkveriragg, Dienstvertmg, oder Verkauf einer Erfindung und
eines Erfindungspatentes? Umfang der Gewährleistzmgspflicht des
Verkäufers. Geléendmachung der Kaufpreis Foederung. Einrede
cle-r Nichäneuheét der Erfindung, bezw. der Nichzigkeîîz des
Erfieedungsprazesses. Stettin-W des B zmdesgere'chts gegenüber Expertisen
ein Patentstreit'égkeizen.

. A. Durch Urteil vom 27. November 1901 hat die
II. Apellattonskammer desObergerichtes des Kantons Zürich die Klage
abgewiesen. Y. Erfindungspatente. N° 13. . 109

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in richtiger Form
die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit den Anträgen:

1. Die Beklagten seien zu verpflichten, die Forderung des Klägers
gegenüber dem Nachlasse Guyer-Zeller im Betrage von 20,000 Fr. nebst Zins
zu ö G0, von 10,000 Fr. seit Ende Februar 1899 und von 10,000 Fr. seit
Ende August 1899, anzuerkennen und den ihrer Erbquote entsprechenden
Teil derselben zu bezahlen.

2. Eventuell seien die Beklagten zu verpflichten, eine Forderung des
Klägers an den Nachlass Guyer-Zeller in einem gerichtlich festzusetzenden
Betrage unter 20,000 Fr. nebst Zins anzuerkennen und davon den ihren
Erbquoten entsprechenden Betrag zu bezahlen.

3. Weiter edentuell sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zur Aktenvervollftändigung an die Vorinstanz zurückzuweisen,
speziell durch Anordung einer Oberexpertise und Einvernahtne der Zeugen
Schmid und Rinderknecht darüber, dass bei den Unterhandlungen mit
Guyet-Zeller der Betrag Von 20,000 Fr. nicht siir die Patentfähigkeit
des zu konstruierenden Regulators versprochen worden sei, sondern für
die Herstellung eines Regulators zu dem ganz speziellen Zweck, bei dem
Guyet-Zeller gehörenden Aerogengasapparat ein gleichmässiges ruhiges
Brennen des Aerogengases zu bewirken.

C. In der heutigen Verhandlung wiederholt und begründet der Vertreter
des Klägers diese Berufungsanträge

Der Vertreter der Beklagten trägt auf Abweisung der Bernfung an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Erblasser der Beklagten, A. Guyer-Zeller, der für einen
Aerogengasapparat Patente in der Schweiz und in Italien erworben
hatte und Ende des Jahres 1898 praktische Versuche mit einer solchen
Aerogengas-Einrichtung machte, trat zu dieser Zeit mit Maschineningenieur
Schmid in Beh-ich, bei dem der Kläger als Werkführer angestellt ist, in
Verbindung, zur Konstruktion einer Vorrichtung, durch welche der Zufluss
von Gasolin zum Apparat reguliert werden sollte. Das Resultat der Bespre-
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 28 II 86
Date : 01. Januar 1902
Published : 31. Dezember 1903
Source : Bundesgericht
Status : 28 II 86
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 86 civilreohtsptlege. 12. zwar vom 1. gnurz 1962 in Sachen Walker-Widmer, Kl. u.


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