408 B. Entscheidungen der Schuidbetreibungs-

richtigen Auffassung über den Begriff des Gewahrsams im Sinne des
Betreibnngsgesetzes ausgegangen sei, ist nicht ersichtlich. Insbesondere
ist es Unrichtig, wenn der Reknrrent das frühere Verhalten der Eheleute
Stöckli ihm gegenüber beiziehen und daraus herleiten will, dass ihm
gegenüber der Ehemann als im Gewahrsam befindlich angesehen werden
müsse. Denn es kommt hiebei, wie die kantonale Aufsichtsbehörde in ihrer
Vernehmlassung richtig bemerkt, einfach auf die tatsächlichen Verhältnisse
im Zeitpunkte der Pfändung an. Im übrigen aber ist die Frage eine solche
tatsächlicher Natur, und die Feststellung der Vorinsianz, dass die Ehefrau
den Gewahrsam ausübe, kann mit einer blossen Bestreitung nicht erschüttert
werden; vielmehr müsste dar-getan sein, dass dieselbe aktenwidrig sei,
was auch durch die Behauptung, die Vorinstanz habe übersehen, dass das
Haus dem Ehemann Stbckli gehöre, nicht erstellt isf. Hinsichtlich des
weitern Vorgehens muss es deshalb bei der Anordnung der Vorinstanz, dass
hinsichtlich der Eigentumsansprache der Ehefrau nach Art. 109 vorzugehen
sei, sein Bewenden haben.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Reknrs wird im Sinne und Umfang der Erwägungen für

begründet erklärt.

99. Entscheid vom 23. Dezember 1902 in Sachen Stächelin

Art der Betreibung. Betrachtme gegen einen Sofidarsshuidner für
eine Forderung, für die der andere Salidarschuldner ein Pfand
bestellt hat. Ist die Beto-eiòzmg auf dem Wege der Pfaezdverevertemg
durchzufiéézrffl? Ari. 41 Abs. 1 3631. H. K.-Ges.

I. Gregor Stächelin in Basel hob gegen Elias Maier-Meier daselbst
für eine Wechselfordemng von 2500 Fr. ordentliche Betreibung an. Der
Schuldner beschwerte sich hiegegen, weil die betriebene Forderung seine
und des Louis Sagnol gemeinsame Schuld und durch zwei dem Gläubiger als
Faustpfand übergebene Aecepteund Konkurskammer. N° 99. 409

des Freiherrn v. Manteufsel in Seuzach im Betrage von je 5000 Fr.,
die später durch zwei Accepte des nämlichen von je 5100 Fr. ersetzt
worden, gesichert sei; demgemäss müsse er, Maier, auf Pfandverwertung
betrieben werben, eventuell könne der Gläubiger erst dann die ordentliche
Betreibung verlangen, wenn die als Faustpfand gegebenen Accepte auf
Verfall (15. September) nicht oder nicht ganz eingelöst würden. Der
Gläubiger antwortete: Er sei durch das Jndossament eines Dritten Inhaber
des Wechsels von 2500 Fr. geworben; der Aussteller Maier könne ihm daher
nur die Einreden, die aus dem Wechselrechr selbst hervorgehen und ihm
Unmittelbar gegen den betreibenden Gläubiger zustehen, entgegen halten
(Art. 811 O.-R.); aus dem Wechsel ergehe sich für das Bestehen eines
Faustpfandes nichts, und das Verhältnis des Beschwerdesührers zu den
übrigen Wechselschuldnern berühre den betreibenden Gläubiger nicht. Maier
habe mit der Faustpfandbestellnng an den beiden Aecepten nichts zu tun;
Faustpfandbesteller sei einzig L. Sagnol. Die Faustpfandbestellung
sei auch noch für andere Forderungen des betreibenden Gläubigers gegen
L. Sagnol erfolgt. Maier könne auch als Solidarschuldner des Sagnol und
eines Jndossanten nicht auf Pfandverwertung betrieben werden, Es werde
bestritten, dass die ursprünglichen Faustpfänder durch neue ersetzt
worden seien.

Die Aufsichtsbehörde des Kantons Baselstadt hiess mit Entscheid vom
5. Juli 1902 die Beschwerde des Elias Mater gut und hob die gegen
ihn gerichtete Betreibung (Nr. 23,886) auf mit folgender Begründung:
Es wird nicht bestritten, dass die beiden Aecepte von 5000 Fr. als
Pfand für die betriebene Schuld, für welche zugestandenermassen Mater
und Sagnol Solidarschuldner Stächelins waren, gegeben wurden. Die
Forderung ist dadurch zur pfandversicherten geworden und zwar nicht nur
dem pfandbestellenden Schuldner, sondern auch dem solidarisch haftenden
Mitschuldner gegenüber-. Es hat daher der Glänbiger auch diesem gegenüber
gemäss Art. 41 B.-G. auf dem Wege der Psandbetreibnng Vorzugehen; denn
diese Gesetzesbestimmung, die dem Schuldner uneingeschränkt das Recht
einräumt, vom Gläubiger zu verlangen, dass er sich vorerst an das Pfand
halte, steht (entgegen dem Entscheid des Bundes-

xxvm, i. 1902 28

410 B. Entscheidungen der Schuldhetreibungs--

,rates, Archiv II, Nr. 100 und 140) nicht tm Widerspruch zune,Civilrecht;
sie bestimmt nur, wie der Gläubiger befriedigt wer:den soll, und dies zu
bestimmen ist Sache des Vollstreckungsverfahrens. Da der Gläubiger zugibt,
dass das Pfandrecht an den alten Wechseln noch zu Recht bestehe, so hat
Ier den Schuldner auf Pfandverwertung zu betreiben und es fallt dabei
nichtin Betracht, ob die betriebene Forderung eine Wechselforderung ·
der ni t

MIEI? Gegenchdiesen Entscheid hat Gregor Slächelin den Rekurs an
das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Aufhebung desselben
und Abweisung der Beschwerde des EliasMaieu Es wird behauptet, der
angefochtene Entscher beruhe aus einer un-: richtigen Anwendung des
Art. 41 des Betreibungsgesetzes, der keine civilrechtliche Bedeutung
babe, sondern nur bestimme, mwelcher Reihenfolge das Pfand als Teil des
aschuldnerischen Vermögens in Anspruch genommen werden renne; werdef
hrevan. ausgegangen, so sei klar, dass Elias Mater sich nicht ifauf die
Faustpfandbestellung berufen könne daldiese don Sagnol ausgegangen sei;
handle es sich aber umkeinen Grundsatz. des Circrechtes, so kämen auch die
Grundsätze des . Obligationenrechtes speziell Art. 811 zur Anwendung,
was wiederum idazn fuhren würde, dass Maier nicht verlangen könne,
auf Pfandoerwertung

betrieben zu werden. ' _ III. Elias Maier antwortete hierauf: Die
Pfandbestellung

durch Sagnol sei in Gegenwart des Gläubigers und des Mit-

schuldners Mater erfolgt, und es sei der Wille der Parteien ge-

xeen da das and für die Forderung hafte, gleichgültig,
obzlitzrst,derssSchull?Ier Sagnol oder Mater für den Wechselbetrag in
Anspruch genommen würde. Die Unterschrift des Pater seit überhaupt eine
Gefälligkeitsunterschrift gewesen. Es Yonne somit ruhig behauptet werden
dass Sagnol in diesem Falle das Pfand-

zu Gunsten seines Mitschuldners bestellt habe. Art. él des Be-

treibungsgesetzes schreibe die Betreibung auf Pfaudverwertunglvoy ohne
Unterschied, ob das Pfand vom Schuldner oder von einem-

Dritten bestellt sei.und Konkurskammer. N° 99. 411

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Die Solidarobligation, die objektiv, in Hinsicht auf den Gegenstand
der Leistung, einheitlich ist, löst sich subjektiv, in Hinsicht
auf die Schuldner, in ebenso viele einzelne Verpflichtungen auf.
Jm Zwangsvollstreckungsverfahren tritt die subjektive Seite der
Solidarobligation in den Vordergrund, indem es sich hiebei darum
handelt, die bestehenden Verpflichtungen in das Vermögen der einzelnen
Solidarschuldner zu erequieren. Demgemäss ist jeder Solidarschuldner
besonders zu betreiben und kommt es auch bei der Frage nach der Art der
Betreibung, ob Betreibung auf Pfändung oder aus Konkurs, ob ordentliche
Konkursoder Wechselbetreibung, ob Betreibung auf Pfandverwertung oder auf
das ganze Vermögen, auf die persönlichen Verhältnisse jedes einzelnen
Schuldners bezw. aus die Art s ein er Verpflichtung an. Was speziell
die Frage betrifft, ob der betriebene Solidarschuldner verlangen könne,
dass die Betreibung auf Pfandverwertung gehe, so liesse allerdings
die Fassung von Art. 41 des Betreibungsgesetzes eine andere Auslegung
zu, nämlich die, dass es darauf ankomme, ob die Solidarforderung als
solche durch Pfand gedeckt sei, gleichviel, von wem und zu wessen
Gunsten das Pfand bestellt wurde. Allein das Gesetz konnte und will
auch bloss die Zwangsvollstreckung für Forderungen in das Vermögen
des oder der Schuldner ordnen; es kann daher, wenn es in Art. 41
von pfandversicherten Forderungen spricht, nur die zu exequierende
Forderung, bei Solidarforderungen also die subjektive Verpflichtung
der einzelnen betriebenen Schuldner im Auge haben. Es muss sich daher
in Solidarverhältnissen bei jedem einzelnen der in Betreibung gesetzten
Schuldner fragen, ob seine Verpflichtung durch ein Pfand versichert sei
oder nicht. Im vorliegenden Falle ist erstellt, dass die Pfänder für die
Wechselsorderung des Gregor Stächelin einzig von Louis Sagnol bestellt
worden sind. Da die Faustpfandverschreibung nicht erwähnt, dass sie auch
für Mater erfolge und da auch sonst bestimmte Anhaltspunkte dafür fehlen,
dass Sagnol die Psänder auch für die Verpflichtung seines Mitschuldners
Mater geben wollte, muss angenommen werben, dass er mit der Verpfändung
nur seine Verpflichtung sicherstellen wollte. Der

412 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

Mitschuldner Maier kann sich deshalb im Exekutionsverfahren nicht daraus
berufen, dass seine Verpflichtung ebenfalls durch Pfand gesichert sei,
und seine Beschwerde erweist sich danach als unbegründet.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der RekUrs wird gutgeheissen und in Aufhebung des Entscheides der
kantonalen Aufsichtsbehörde die Beschwerde des Elias Mater abgewiesen

100. Entscheid vom 23. Dezember 1902 in Sachen Solothurner Kantonalbank.

Nachlassvssrtrag; Abtretung eines Waremlagers zeer Liquidation gemäss
einem Kollolcatiansplane. Anfechtemg dieses Kollekatissnsplanes.
Inkompetenz der Aufsichtsbehörden, weit es sich um ein privat-rechtliches
Verhältnis zwischen den Gläubigern und dem Konkursami mmm.

I. Am 17. März 1902 bestätigte das Amtsgericht Solothurn: Lebern als
Nachlassbehörde den von August Flückiger, Handelsmann in Solothurn,
vorgelegten Nachlassvertrag, nach welchem der Nachlassschuldner seinen
Gläubigern sein auf 58,700 Fr. geschätztes Warenlager überliess,
damit dasselbe liquidiert und der Erlös den Glänbigern nach Mitgabe
eines bereits aufgestellten Kollokationsplanes zugeteilt werde. Die
Liquidation sollte durch das Konkursamt Solothurn nach den Vorschriften
des Bundesgesetzes Über Schuldbetreibung und Konkurs vorgenommen
werden. Die Solothurner Kantonalbank hat in diesem Nachlassverfahren eine
Bürgschaftsansvrache von 11,092 Fr. 30 Cis. angemeldet. Gleichzeitig
wurde über den Hauptschnldner der Konkurs durchgeführt, und die
Solothurner Kantonalbank hat auch hier ihre Forderung angemeldet Diese
war vfandversichert, und es wurde davon im Konkurse des Hauptschuldners
der grösste Teil aus den Pfändern gedeckt; als ungedeckte Verlustsumme
blieb ein Betrag von 2905 Fr. 25 Età. übrig. Das Konkursamt hat nun in
der Verteilungsliste zum Nachlassvertrag des Bürgen August

und Konkurskammer. N° 100. 413

Flückiger in Anwendung von Art. 218 des Betreibungsgesetzes gleichwohl die
volle Summe von 11,092 Fr. 30 (été. aufgenommen. Hiegegen beschwerte sich
die Solothurner Kantonalbank, weil sie sich als Gläubigerin einer andern
Forderung dadurch benachteiligt glaubte, bei der Solothurner kantonalen
Aufsichtsbehörde mit dem Antrag: Es möchte in der Verteilungsliste und
Schlussrechnung des August Flückiger, Jakobs sel., Kaufmann von und in
Solothurn, der Forderungsbetrag von 11,092 Fr. 30 Cts. aus die Summe
von 2905 Fr. 25 Età. reduziert werden."

II. Laut Entscheid vom 22. November 1902 trat die Aufsichtsbehörde auf
die Beschwerde wegen Jnkomvetenz nicht ein, mit folgender Begründung:
"Nach dem oben festgestellten Tatbestande liegt der Beschwerde die Frage
zu Grunde-, in welchem Umfange die Forderung der Solothurner Kantonalbank
im Nachlassvertrag des August Flückiger zur Geltung gelangen soll. Es
liegen also Beziehungen materiellrechtlicher Natur des einen Gläubigers
zu dem andern Gläubiger im Nachlassvertrage der vorliegenden Beschwerde
zu Grande, welche Verhältnisse vom Richter zu beurteilen sind Und nicht
den Gegenstand einer Beschwerde nach Art. i? B.-G. über Schuldbetreibung
Und Konkurs bilden können.

III. Gegen diesen Entscheid hat die Solothurner Kantonalbank den Rekurs an
das Bundesgericht ergriffen und den vor der kantonalen Aufsichtsbehörde
gestellten Antrag erneuert. Die Kompetenz betreffend wird ausgeführt:
Die Anfechtung einer Verteilungsliste habe im Konkurse nach der
Praxis auf dem Beschwerdewege zu erfolgen. Es frage sich somit blog,
ob im vorliegenden Falle eine Beschwerde deshalb nicht zulässig sei,
weil es sich hier nicht Um eine Verteilungsliste im Konkurse, sondern
in einem Nachlassverfahren ausser Konknrs handle. Diese Frage sei zu
verneinen, wofür auf die im kanionalen Entscheide angeführte Stelle des
bundesgerichtlichen Entscheides, Bd. XXV, 2, Seite 953,* sowie auf die
Tatsache verwiesen wird, dass das gesamte Nachlassverfahren über August
Flückiger nach dem Inhalte des gerichtlich bestätigten Nachlassvertrages
durch das Konkursamt Solothurn nach Massgabe der Bestimmungen des
Konkursverfahrens durchzuführen gewesen und durchgeführt worden sei.

* Sep.-Ausg. II, S. 362.
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Document : 28 I 408
Date : 23. Dezember 1902
Published : 31. Dezember 1903
Source : Bundesgericht
Status : 28 I 408
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 408 B. Entscheidungen der Schuidbetreibungs- richtigen Auffassung über den Begriff


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