404 B. Entscheidungen der Sehuldbetreibungs-

98. Entscheid vom 23. Dezember 1902 in Sachen Bornhauser.

Pfändung. Verlangen eines Gläubigen, dass Gegenstände, die vom
Schuldner als Eigentum eines Dritten bezeichnet werden, gepfdndet
werden. Gewahrsa-m. Art. 106/109 Sch. u. K .-Ges.

I. Für eine betriebene Forderung des Alfred Bornhauser in Zürich an
Stephan Stöckli, Bäcker in Muri, von 2904 Fr. und Zinsen nahm das
Betreibungsamt Muri am 2. Juni 1902 die Pfändung vor. Es wurden
Liegenschaften des Schuldners im Schatzungswerte von 21,170 Fr.,
auf denen Pfandrechte im Betrage von 18,000 Fr. hafteten, gepfändet
mit dem Vormerk: Pfand ungenügend. Auf der Pfändungsurkunde wurde
überdies bemerkt: Schuldner erklärt, kein bewegliches pfändbares Ver-
mögen zu besitzen. Das gesamte Inventar und Warenvorrat gehöre seiner
Ehefrau und wird die Bäckerei auf Rechnung der Ehefrau betrieben. Die
vorgewiesenen Fakiuren für Mehllieseewigen und quittierte Wechsel lauten
auf den Namen der Ehefrau. Es wird daher von Auszeichnung dieser Fahrhabe
Umgang genommen.

II. Gegen diese Pfändung beschwerte sich der Gläubiger Bornhanser
bei der untern kantonalen Aufsichtsbehörde und stellte die Begehren:
1. Das Betreibungsamt Muri sei anzuweisen, die sämtliegen pfändbaren
Mobilien, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, insbesondere
das Inventar der Bäckerei und die Warenderrate, in die Pfändungsurkunde
aufzunehmen und dem GläuBiger gemäss Art. 106 des Betreibungsgesetzes
eine zehntägige Frist anzusetzen, innert der er den Eigentumsanspruch der
Ehefrau des Schuldners bestreiten farm. 2. Ebenso sei das Bett-eibungsamt
anzuweisen, dem Gläubiger eine zehntägige Frist zur Bestreitung der auf
den Liegenschaften lastenden Verhastnngen der Ehefran einzuräumeti. Der
Gerichtspräsident von Muri hiess die Beschwerde gut und erkannte
mit Entscheid vom 30. August 1902: 1. Das Betreibungsamt Muri wird
angewiesen, die sämtlichen pfändbaren Mobilien, die sich im Gewahrsam
desund Konkurskammer. N° 98. 405

Schuldners befinden, insbesondere das Inventar der Bäckerei und die
Warenvorräte, in die Pfändungsurkunde auszunehmen und dem Gläubiger
gemäss Art 106 B.-G. eine zehntägige Frist anzusetzen, innert der er
den Eigentumsanfpruch der Ehefrau bestreiten fami. 2. Ebenso wird das
Betreibungsamt Muri angewiesen, dem Gläubiger eine zehntägige Frist zur
Bestreitung der auf den Liegenschaften haftenden Verhaftungen der Ehefrau
einzu,.,räumen. Gegen Dispositiv 1 dieses Entscheides rekurierte der
Schuldner Stöckli an die kantonale Aufsichtsbehörde; er verlangtedass
der Gläubiger diejenigen Gegenstände, welche nach seiner Meinung
Eigentum des Ehemanns Stöckli seien, zum Zwecke der Pfändung speziell
zu bezeichnen habe und dass nach Vornahme der Pfändung gemäss Art. 109
des Betreibungsgesetzes vorzugehen sei. Die kantonale Aufsichtsbehörde
erklärte diese Begehren für begründet Es ist nicht widerlegt, führt sie in
ihrem Entscheide vom 21. Oktober 1902 aus, dass der Ehemann Stöckli seit
dem Jahre 1888 im Konknrse liegt und seither nicht rehabilitiert worden
ist. Ebenso ist nicht nachgewiesen, dass Stephan Stöckii als falliter
Mann die Bäckerei auf seinen Namen und auf eigene Rechnung betrieben
habe. Aus den Akten und den vorgelegten Aus-weisen geht vielmehr hervor,
dass die Bäckerei auf den Namen und auf Rechnung der vermögensrechtlich
selbständigen Ehefrau Schrin betrieben worden ist, denn nach den
vorgelegten Faktnren th sie die nötigen Anschaffungen für den gesamten
Geschäftsbetrieb gemacht und dafür auch die Zahlungen geleistet. Es
ist daher anzunehmen, dass die Utensilien zum Geschäftsbetrieb und die
vorhandenen Warenvorräte im Besitz und Gewahrsain der (Sheitan Stöckli
sich befinden, weshalb nicht im Sinne des Art. 106, sondern gemäss
Art. 109 B.-G. vorgegangen werden muss.ist Demgemäss wurde erkannt:
Das Dispositiv 1 des Entscheides des Gerichtspräsidiums Muri ist im
Sinne der vorstehenden Erwägungen aufgehoben

III. Bornhauser hat gegen diesen Entscheid den Rekurs an das
Bundesgericht ergriffen mit demv Antrag ; JnAufhebung des Entscheides
der kantonalen Aussichtskommission sei das Disp-. 1 des Entscheides
des Gerichtspräsidenten von Muri wieder herzustellen, die sämtlichen im
Hause des Schuldner-s befindlichen Beweglichkeiten,

406 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

Unter allen Umständen aber das Inventar der Bäckerei und die Warenvorräte,
in die Pfändungsurkunde aufzunehmen und dem Gläubiger gemäss Art. 106
Betr.-Ges. eine zehntägige Frist anzusetzen, innert der er den
Eigentumsanspruch der Ehefrau bestreiten kann. Eventuell wäre dem
Gläubiger statt der Bestreitungsfeist eine Klagsrist gemäss Art. 109
Betr.-Ges. anzusetzen.

Es wird daran festgehalten, dass die sämtlichen Beweglichkeiten,
jedenfalls aber das Geschäftsinventar und die Vorräte im Gewahrsam des
Ehemannes Stöckli seien. Zudem habe dieser dem Rekurrenten gegenüber
stets im eigenen Namen verhandelt und sich ihm gegenüber mit Wissen und
Zustimmung der Ehefrau für den Inhaber des Geschäftes erklärt. Hievon
könnten die Eheleute nicht nachträglich abgehen, um den Rechts-trieb
fruchtlos zu machen. Die kantonale Aufsichtsbehörde habe auch übersehen,
dassdas Haus dem Ebemann Stöckli gehöre, woraus geschlossen werden müsse,
dass sich unter allen Umständen das Inventar und die Vorräte in seinem
Gewahrsam befinden müssen. Auch wenn die kantonale Aufsichtsbehörde die
Gewahrsatnssrage anders löste, so hätte sie es bei der Anordnung der
untern Aufsichtsbehörde, dass die Mobilien, insbesondere das Inventar und
die Vorräte in die Psändungsurkunde aufzunehmen seien, bewenden lassen
sollen, da nur so der Gläubiger zu seinem Rechte gelangen könne. Für
das Verlangen, dass der Gläubiger die zu pfändenden Objekte speziell zu
bezeichnen habe, fehle denn auch die gesetzliche Grundlage. Der Beamte
habe, wenn das unbestrittene Eigentum des Schuldners nicht hinreiche,
alle Gegenstände zu psänden, die er beim Schuldner vorfinde, gleichviel
ob dieser sie für das Eigentum seiner Frau erkläre und gleichviel, ob
nachher das Verfahren nachArt. 106 oder das Verfahren nach Art. 109 des
Betreibungsgesetzes einzuschlagen sei.

IV. Tie kantonale Aufsichtsbehörde begnügt sich in der Vernehmlassung
mit der Bemerkung, dass für den Entscheid über die Frage des Gewahrsams
nicht frühere Rechtshandlungeu der Ehefrau Stöckli massgebend sein können,
sondern dass in dieser Hinsicht der Zeitpunkt der Vornahme der Pfändung
massgebend sei.-

und Konkurskammer. N° 98. 407

Die Schuldbetreibuugsund Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Voraussetzung für die Einleitung des Avisierungsnnn
Bereinigungsverfahrens der Art. 106 und 107 bezw. 109 des
Betreibungsgesetzes ist das Vorhandensein einer Pfändung Es muss der
Gegenstand, den der Schuldner als Eigentum oder Pfandeines Dritten
bezeichnet oder der von einem Dritten als Eigentum oder Pfand beansprucht
wird, in die Psändungsurkunde aufgenommen sein, bevor jenes Verfahren
eingeleitet werden kann.. Deshalb srägt es sich im vorliegendem Falle
vor allem aus, ob das Mobiliar, speziell das Geschäftsinventar, und die
Vorräte, die vom Schuldner als Eigentum seiner Frau bezeichnet worden
sind, zu psänden seien oder nicht. Die Frage des Gewahrsams spielt hiebei
zunächst keine Rolle, da an sich, wie der Wortlaut von am. 109 zeigt,
auch solche Gegenstände gepsändet werden können, die im Gewahrsam eines
Dritten sich befinden. Allerdings kann die Pfändung da tatsächlich aus
Schwierigkeiten stossen und unter Umständen als rechtlich unzulässig sich
darstellen, wo sich die betreffenden Gegenstände in den Räumlichkeiten des
Dritten befinden und der Gläubiger sie nicht genau zu bezeichnen vermag,
indem ein Dritter schwerlich verpflichtet ist, seine Räumlichkeiten
nach Gegenständen durchsuchen zu lassen, die allsällig gepfändet werden
könnten. Im vorliegenden Falle bietet sich jedoch dieseSchwierigkeit
nicht. Denn die Beweglichkeiten, deren Pfändung verlangt wird, befinden
sich im Hause des Schuldners, mit dem seine Ehefrau, der angeblich
jene Gegenstände gehören sollen, in gemeinsamer Haushaltung lebt. Es
steht daher nichts entgegen, dass das daselbst befindliche Mobiliar,
speziell das Geschäft-sinventar und die Vorräte für die Forderung des
Rekurrenten an Stephan Stöckli gepsändet, d. h. in die Pfändungsurkunde
aufgenommen werden, und es ist insofern Dispositio 1 des erstinstanzlichen
Beschwerdeentscheides wieder herzustellen.

2. Ob dann hinsichtlich der Eigentumsansprache der Ehesrau nach Art. 106
und 107 oder nach Art. 109 des Betreibungsgesetzes vorzugehen sei,
hängt davon ab, ob die Gegenstände im Gewahrsam des Schuldners oder
seiner Ehefrau sich befinden. Dass die Vorinstanz bei der Beantwortung
dieser Frage von einer un-

408 B. Entscheidungen der Schuidbetreibungs-

richtigen Auffassung über den Begriff des Gewahrsams im Sinne des
Betreibungsgesetzes ausgegangen sei, ist nicht ersichtlich. Insbesondere
ist es unrichtig, wenn der Rekurrent das frühere Verhalten der Eheleute
Stöckli ihm gegenüber beiziehen und daraus herleiten will, dass ihm
gegenüber der Ehemann als im Gewahrsam befindlich angesehen werden
müsse. Denn es kommt hiebei, wie die kantonale Aufsichtsbehörde in
ihrer Vernehmlassung richtig bemerkt, einfach auf die tatsächlichen
Verhältnisse im Zeitpunkte der Psändung an. Im übrigen aber ist die Frage
eine solche tatsächlicher Natur, und die ' Feststellung der Vorinstanz,
dass die Ehefrau den Gewahrsam ausübe, kann mit einer blossen Bestreitung
nicht erschüttert werden; vielmehr müsste dargetan sein, dass dieselbe
altenwidrig sei, was auch durch die Behauptung, die Vorinftanz habe
übersehen, dass das Haus dem Ehemann Stöckli gehöre, nicht erfiellt
ist. Hinsichtlich des weitern Vorgehens muss es deshalb bei der Anordnung
der Vorinstanz, dass hinsichtlich der Eigentumsanfprache der Ehefrau
nach Art. 109 vor-zugehen sei, sein Bewenden haben.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird im Sinne und Umfang der Erwägungen für

begründet erklärt.

99. Entscheid vom 23. Dezember 1902 in Sachen Stächelin.

Art der Beîreibung. Betreibung gegen einen Solidarschuldner für
eine Forderung, für die der andere Solidarsclzuldner ein Pfand
bestellt hai. let die Betreibung auf dem Wege der Pfandverweräung
durshzufi'ihreeî? Art. 41 Abs. 1 80hu. K.-Ges.

I. Gregor Stächelin in Basel hob gegen Elias Maier-Meier daselbst
für eine Wechselforderung von 2500 Fr. ordentliche Betreibung an. Der
Schuldner beschwerte sich hiegegen,. weil die betriebene Forderung seine
und des Louis Sagnol gemeinsame Schuld und durch zwei dem Gläubiger als
Faustpfand übergebene Aeeepteund Konkurskammer. N° 99. 409

des Freiherrn v. Manteuffel in Seuzach im Betrage von je 5000 Fr.,
die später durch zwei Accepte des nämlichen von je 5100 Fr. ersetzt
worden, gesichert sei; demgemäss müsse er, Maier, auf Pfandverwertung
betrieben werden, eventuell könne der Gläubiger erst dann die ordentliche
Betreibung verlangen, wenn die als Faustpsand gegebenen Accepte auf
Verfall (15. September) nicht oder nicht ganz eingelöst wurden. Der
Gläubiger antwortete: Er sei durch das Jndossament eines Dritten Inhaber
des Wechsels von 2500 Fr. geworden; der Aussieller Maier könne ihm daher
nur die Einreden, die aus dem Wechselrecht selbst hervorgehen und ihm
unmittelbar gegen den betreibenden Gläubiger zustehen, entgegen halten
(Art. 811 O.-R.); aus dem Wechsel ergehe sich für das Bestehen eines
Faustpfandes nichts, und das Verhältnis des Beschwerdeführers zu den
übrigen Wechselschuldnern berühre den betreibenden Gläubiger nicht. Mater
habe mit der Faustpfandbestellung an den beiden Accepten nichts zu tun;
Faustpfandbefteller sei einzig L. Sagnol. Die Faustpfandbestellung
sei auch noch für andere Forderungen des betreibenden Gläubigers gegen
L. Sagnol erfolgt. Mater könne auch als Solidarschuldner des Sagnol und
eines Jndossanten nicht auf Pfandverwertung betrieben werden. Es werde
bestritten, dass die ursprünglichen Faustpfänder durch neue ersetzt
worden seien.

Die Aufsichtsbehörde des Kantons Baselstadt hiess mit Entscheid vom
5. Juli 1902 die Beschwerde des Elias Maler gut und hob die gegen ihn
gerichtete Betreibung (Nr. 23,866) auf mit folgender Begründung: Es
wird nicht bestritten, dass die beiden Aeeepte von 5000 Fr. als Pfand
für die betriebene Schuld, für welche zugestandenermassen Maier und
Sagnol Solidarschuldner Stächelins waren, gegeben wurden. Die Forderung
ist dadurch zur pfandversicherten geworden und zwar Richt: nur dem
pfandbestellenden Schuldner, sondern auch dem solidarisch haftenden
Mitschuldner gegenüber. Es hat daher der Gläubiger auch diesem gegenüber
gemäss Art. 41 B.-G. auf dem Wege der Pfandbetreibung vorzugehen; denn
diese Gesetzesbestimmung, die dem Schuldner uneingeschränkt das Recht
einräumt, vom Gläubiger zu verlangen, dass er sich vorerst an das Pfand
halte, steht (entgegen dem Cntscheid des Bundes-

xxv111, si. 1902 28
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Document : 28 I 404
Date : 23. Dezember 1902
Published : 31. Dezember 1903
Source : Bundesgericht
Status : 28 I 404
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 404 B. Entscheidungen der Sehuldbetreibungs- 98. Entscheid vom 23. Dezember 1902


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