GTL . Civilrechtspflege.

IX. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen einerseits und Privaten oder
Korporationen anderseits. Diflérends de droit civil entre des cantons
d'une part et des partieuiiers ou des corporations d'autre part.

74. Urteil vom 19. Dezember 1900Je in Sachen Korporationsgemeinde Luzern
gegen Kanten Luzern.

[Gage user-Anerkennung eines Nutzungsrechtes am Wasser der Reuss.
Civilrechts-Streitigkeit, Art. 48 Z 177". 4 Org.-Ges. Einrede der
rechts-kräftig entschiedenen Sache. Existenz des wasserzinsfreien Privat-

_ yachts ; Nachweis des Erwerbes und, Geärauches. Umfang des beanspruchten
Rechtes.

A. Seit vielen Jahrhunderten bestanden in Luzern am rechten Reussuser
zwischen der Reussund der Spreuerbrücke eine Anzahl meistens dem
Müllereigewerbe dienende Wasserwerke, deren Triebkraft vermittelst einer
im Flusse angebrachten Stauvorrichtung (Schwelle") gewonnen wurde. Früher
im Besitze des Abtes von Murbach und teilweise des Probstes im Hof,
gingen diese Werke im Jahre 1360 käuflich an die Stadt Luzern fiber. Als
durch Konvention vom 3. November 1800 die Sönderung der Güter des Staates
und der Gemeinde Luzern vorgenommen wurde, erhielt die letztere unter
anderm unter der Rubrik der ihr abzutretenden Gebäude" zugeschieden:
die Stadtmühlen samt Wohnungen, Stadtschleife nebst der Sinne der
Fässer, und zwar samt allen Zugehörden, Rechten und Beschwerden.
Es sind hierunter alle dle genannten Wasserwerksanlagen inbegriffen
mit Ausnahme der alten Münze, welch, letztere vorläufig noch im Besitze
des. * Dieses aus dem Jahre 7 900 stammende Urteil erscheint na c h t
räg-ll ch m der Amtlichen Sammlung . IX. Civilstreitigkeiten zwischen
Kantonen und Privaten, etc. N° 74. 673

Staates verblieb, und später (im Jahre 1855) von diesem an seinen
Privaten verkauft wurde. Durch Grossratsdekret vom 16. Januar 1822
fand eine Aussönderung des Dotationsvermögeus der Stadtgemeinde Luzern
in Armengut, Gemeindegut und Korporationsgut statt. Dabei wurden
dem Korporationsgute an Gebäu1ichkeiten unter anderm zugeteilt: die
Stadtmiihlen samt Wohnungen, worunter die im Jahre 1800 erworbenen Werke
gemeint find. . Die meisten dieser seither von der Korporationsgemeinde
benutzten Anlagen wurden im Jahre 1875 durch Brand zerstört. Daraus trug
die Gemeinde auch die noch vorhandenen ab, machte sich daran, ein neues
einheitliches Wasserwerk nach den Grundsätzen der modernen Technik zu
erbauen, welches besonders auch dem industriellen Kleingewerbe durch
Abgabe von Lokalitäten zu Werkstätten nebst der erforderlichen Kraft zu
dienen hatte. In dieser Absicht suchte sie sich zunächst die Wasserkraft
zu sichern, welche für den Betrieb der seither in eine Mühle umgebauten
alten Münze in Anspruch genommen war. Es geschah dies durch einen Vertrag
vom Z. März 1887 mit der damaligen Besitzerin der Münzmühle, Frau Dommann.

Sodann erwirkte sie für die projektierte Wasserwerksanlage unterm
23. November 1887 die regierungsrätliche Konzessiou. Die Erteilung
derselben folgte entgegen einer von Seite der übrigen Userkantone (Uri,
Schwyz, Obwalden und Nidwalden) eingelangten Cinsprache Die letztere
hatte sich auf einen am 9. Oktober 1858 zum Zwecke der Verbesserung des
Seeabflusses in Luzern zwischen der schweizerischen Eidgenossenschast,
den genannten Kantonen, dem Kanten Luzern und der Gesellschaft der
schweizerischen Centralbahn abgeschlossenen Vertrag gestützt, der die
Erstellung eines Schleusenwehrs an der Reuss in Luzern unter Wegreissung
des bisherigen geschlossenen Wehres betraf.

Jn der Konzessionsurkunde führte der luzernische Regierungsrat der
genannten Einsprache gegenüber aus:

Nati) den Bestimmungen des Vertrages vom 9. Sfiora.1858 "(è 8) hat die
Regierung des Kantons Luzern darüber zu wachen, dass am Seeausflusse
und am Reussbette in Luzern keine Bauten ober sonstige Veränderungen
vorgenommen werden, welche einen

674 Civilrechtspflege.

Cinfluss von bemerkenswertem Nachteil auf den Seeanssluss übenAus
dem Projekt ergibt sich nun, und wird auch durch das Gutachten
des Oberbauinspektorats bestätigt, dass der beabsichtigte Umbau der
Mühlewasserwerke den Seeabfluss nicht ver-schlimmern wir-d. Die Frage, ob
durch den projektierten Umbau eine gründliche Regulierung des Seeabflusses
erschwert oder auch nur beeinflusst werde, ist hier ohne Bedeutung, denn
wenn dies auch der Fall wäre, so kann dessetwegen die Korporation Luzern
doch-s nicht an der Ausnütznng der ihr gehörenden und von keiner Seite
bestrittenen Wasserreehte verhindert werden. Jsm Falle einer Regulierung
müsste-, wenn dieser das Wasserwerk der Korporation hinderlich ware,
Erwerbung, beziehungsweise Expropriation desselben Platz greifen. Auch
der weitere Einwand der Uferfanwne, die Korporation gelange durch den
Umbau zu neuen Rechtm, kann hier nicht gehört werden. Wenn durch den
Mehrverbrauch von Wasser, wie dies vorgesehen ist, die Kraft vergrössert
wird, so liegt es einzig in der Kompetenz der Regierung von Luzern,
die Mehrkraft gemäss hierseitigem Wasserrechtsgesetz zu konzedierenz
natürlich ist dabei der Vertrag von 1858zu respektieren.

Daran an schliessend wird sodann im Konzessionsbeschlusse folgendes in
Erwägung gezogen:

Nach § 6 des Wasserrechtsgesetzes (vom 2 Marz 1875) ist für jede
bewilligte Wasser-kraft ein jährlicher Wasserrechtszins von 1 bis
4 Franken per effektive Pserdestärke zu entrichtenMit Dekret des
Grossen Rates vom 28. Wintermonat1878 wurde diese Bestimmung dahin
interpretiert, dass nur diejenigen Wasserrechte zinspflichtig seien,
für welche entweder der Bezug i,des Zinses früher vorbehalten worden sei,
oder für welche die Bewilligung erst seit dem Inkrafttreten des Gesetzes
erteilt wurdeVorliegenden Falls besteht für die Korporation ein altes
unbestriitenes Recht, die Wasserkraft der Reuss unter den bestehenden
Verhältnissen auszunützen. Laut dem Bericht über das Projekt beträgt
das Abflussvermögen der bestehenden Kanäle, inklusive Münzmühlekanal,
23 Kubikmeter. Hiefür, resp. für die daherige Wasserkraft, ist eine
Besteuerung ohne Zweifel unstatthaft. Nach dem neuen Projekt steigert
sich aber der Wasserverbrauch bis aus

LX. Civilstreitlgkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 74. 675

86 Kubikmeter im Sommer. Es tritt sonach ein Mehrverbrauch an Wasser von
36 23 = 18 Kubikmeter ein. Dies trifft allerdings nur für einen Teil des
Jahres zu. Für diesen Mehrverbrauch, resp. die daraus resultierende
Mehr-kraft und die betreffende Zeit wird nun das neue Wasserwerk
zinspflichtig.

Für die nachgesuchte Bewilligung legte der Regierungsrat der
Korporationsgemeinde im Akte vom 23. November 1887 selbst eine
Konzessionsgebühr von 50 Fr. auf.

Jnfolge Beschlusses der Korporationsbürger-Versammlung wurde darauf das
Werk, welches nach seiner Vollendung 8 Turbinen umfassen sollte, zur
Hälfte, nämlich bezüglich des östlichen, 3 Turbinen enthaltenden Teiles,
in Angriff genommen und fertig gestellt Dieser Teil der Anlage befindet
sich seit 1889 im Betriebe, während mit dem Bau der andern Halfte noch
nicht begonnen ist

B. Mit Zuschrift vom 24 Februar 1897 forderte nachtraglich das
Baudepartement von der Korporationsgemeinde für ihre versteuerbare
Wasserkraft, welche es auf 48 Pferdekräfte taxierte, die Bezahlung eines
Wasserzinses von 4 Fr. per Pferd und zwar für die Zeit seit 1. Januar
1890. Den Ansatz von 48 HP begründete das Departement an Hand einer
Aufstellung des Kantonsingenieurs wie folgt:

Die gesamte theoretische Kraft des neuen Wasserwerkes betrage laut
frühem Messuugen 288 HP, bezw für jede der in der Gessamtdisposition
vorgesehenen 6 Turbinen 48 HP brutto Fur die gegenwärtig erstellte
Hälfte mit 3 Turbinen beziffere sich die theoretische Wasser-kraft
also auf 3 48: 144 HP. Davon seien als effektive Wasserkraft gemäss
der Vollziehungsverordnung zu § 6 Al. 2 des Wasserrechtsgesetzes 70%
in Anschlag zu bringen, also . . 100,8 HP Hievon komme in Abng die
zinsfreie Kraft der alten Werke, an deren Stelle das neue Werk getreten
sei, welche Kraft für die Mühle und Stampfe der Korporation 41,0 HP und
für die Mühle Dominann (Münzmühle) 12,0 HP betrage, also zusammen 53,0
Daraus resultiere eine der Zinspflicht unterworfene Kraftvermehrung von
. . . . . oder rund 48 HP.

47,8 HP

676 Givilrechtspflege.

Mit Schreiben vom 16. März 1898 lehnte die Korporationsgemeinde die
Bezahlung des geforderten Wasserrechtszinses ab, unter Berufung darauf,
dass sie kraft der Sönderungsakte von 1800 und 1822 und des Vertrages mit
Frau Dommann von 1887 ein wohlerworbenes Privatrecht auf Inanspruchnahme
der vollen Wasserkraft der Reuss für ihre Anlagen besitze.

Nach weitern resultatlos verlaufenen Korrespondenzen fasste
der Regierungsrat des Kantons Luzern, indem er den Standpunkt des
Baudepartementes zu dem seinigen machte, in der Sache am 26. August 1898
folgenden Beschluss:

1. Die Wasserkraft des Reusswasserwerkes am Mühlenplatz in Luzern,
soweit dasselbe gegenwärtig erstellt ist und betrieben wird (3 Turbinen),
sei effektiv auf 100,8 HP festgesetzt

2. Hievon seien 48 HP in erster Klasse zinspflichtig erklärt und es
habe die Eigentümerin derselben pro Pferdekraft und pro Jahr einen
Wasserrechtszins von 4 Fr., zusammen also pro Jahr einen solchen von
192 Fr. an die Staatskasse zu entrichten. '

4. Die Zinspflicht beginnt mit dem 1. Januar 1890 und musz demnach der
Wasserrechtszins für die Jahre 1890 bis und mit 1898 mit insgesamt 1728
Fr. binnen der Frist von einem Monat an die Staatskasse nachbezahlt werden

C. Aus diesen Beschluss hin reichte unterm 4. November 1897 die
Korporationsgemeinde gegen den Kanton Luzern beim Bundesgericht als
Civilgericht im Sinne von Art. 48 Ziff. 4 des Organisationsgesetzes
eine Klage ein Darin stellte sie das Begehren: Der Beklagte habe das
Nutzungsrecht der Klägerin an sämtlichem ihren Wasserwerksanlagen
zwischen Reussbriicke und Spreuerbrüeke zufliessenden Wasser der
Reuss anzuerkennen und es sei die Klägerin daher nicht gehalten,
den vom Beklagten gemäss Erkenntnis vom 26. August 1898 geforderten
Wasserrechtszins zu bezahlen.

Zur Begründung der Klage wurde angebracht:

Die Korporation habe von jeher als Eigentiimerin der Grosszahl der
in Frage stehenden Wasserwerke über das sämtliche Wasser der Reuss
verfügt. Seit den ältesten Zeiten sei zum Zwecke der Ausnutzung der
Wasserkraft unterhalb der Reussbrücke in die Reuss ein Wehr oder eine
Schwelle eingelegt gewesen. Vermittelst

IX. civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 74. 677

derselben habe man im Winter und bei niederem Wasserfiande das gesamte
Wasser den Werken zugeleitet. Jtn Sommer dagegen und bei höherem
Wasserstande habe man diese Schwelle geöffnet und nur soviel Wasser als
man brauchte zugelassen. In der Möglichkeit, mit Hülfe der Schwelle über
das gesamte Reusswasser zu verfügen, sei die Klägerin früher einzig nur
durch den Betrieb der alten Münze, bezw. Münzmühle nach Massgabe der für
sie benötigten Wasserkraft beschränkt gewesen. Bei diesem hervorragenden
Interesse an der Reussschwelle habe die Korporation auch für deren
Unterhalt seit jeher einen angemessenen Beitrag zu leisten gehabt,
der sich zur Zeit auf 400 Fr. belaufe. In den Jahren 1859/1860 sei das
damalige Reusswehr durch ein neues ersetzt worden. Bei diesem Anlasse
habe die Klägerin ihr volles Nutzungsrecht am Wasser in unzweideutiger
Weise geltend gemacht. Es

habe dasselbe der beklagte Kanten damals auch anerkannt und

ausdrücklich versprochen, dafür Sorge zu tragen, dass das Wasser der
hiesigen Stadtmühlen möglichst wenig geschmälert werde- Den Erbauern der
neuen Schleuse, Locher & Cie., habe er demgemäss zur Vorschrift gemacht,
die neue Stauvorrichtung so zu konstruieren, dass in keinem Falle mehr
Wasser absliesse als bisher bei gehörig und gut geschlossener alter
Schwelle im betreffenden Umfange durch das alte Wehr abgeflossen fei."

Jn rechtlicher Beziehung könne sich Klägerin zunächst darauf Berufen, dass
mit den von ihr erworbenen Wasserwerken ohne Zweifel auch die Wasserkraft,
d. h. das dingliche Nutzungsrecht am Wasser im angegebenen Umfange ans
sie übergegangen sei. Dieses Recht habe sie denn auch seit 1822 stets
ausgeübt, und die Ausübung seitens ihrer Rechtsvorgänger gehe auf die
ältesten Zeiten zurück. Es stehe demnach der Klägerin auch der Rechtstitel
der Verjährung zu, und zwar sowohl der unvordenklichen Verjährung als
der Ersttzung gemäss § 338 des bürgerlichen Gesetzbuches, in Verbindung
mit Abschnitt III, Kap. V des bürgerlichen Gesetzbuches von 1812. Dieser
Erwerbstitel werde denn auch vom luzernischen Obergericht in ständiger
Praxis als gültig erachtet. Sodann habe der beklagte Staat den Anspruch
der Klägerin in verbindlicher Weise anerkannt, indem er im Konzessions-

akte vom 28. September 1887 erkläre, es bestehe für die Kor-

678 Civilrechtspflege.

poration ein altes unbestrittenes Recht, die Wasserkrast der Reuss
unter den bestehenden Verhältnissen auszunutzen Diese bestehenden
Verhältnisse der Nutzung seien aber, wie gesagt, derart, dass sich die
letztere je nach Bedarf und Gutfinden der Klägerin auf das sämtliche
Reusswasser erstrecke. Dabei habe das klägerische Recht zum Inhalt
nicht etwa, wie der Regierungsrat bezw. das Bandepartement annehme,
eine bestimmte Zahl von Pferdekräften, sondern die den Wasserwerken
zufliessende Wassermenge, bezw. die dieser innewohnende Kraft. Und
wenn aus der genannten Wassermenge, infolge vollkommener Einrichtung,
speziell der Einführung von Turbinen an Stelle der Wasserräder, mehr
Kraft gewonnen werde als bisher, so lasse sich nicht sagen, die Klägerin
habe ihr Nutzungsrecht weiter ausgedehnt als bisher-, da sie ja bis
anhin das gesamte Reusswasser vermittelst der Schleusenanlage aus ihr
Wasserwerk geleitet habe. Es handle sich bloss um eine bessere Verwertung
des längst in Anspruch genommenen totalen Wasserquantums Das Wasserrecht
der Klägerin sei auch nicht etwa durch die Konzession vom 23. September
1887 neu erteilt worden, da es ja seit alters her bestanden habe. Eine
Auferlegung eines Wasserzinses im Konzessionsakte wäre einer Aufhebung
des klägerischen Rechtes gleichgestanden. Für eine Aufhebung solcher
besiehender Berechtigungen schreibe aber der § 7 des Wasserrechtsgesetzes
den Expropriationsweg vor. Die Konzession habe vielmehr in concreto
einen bloss polizeilichen Charakter. Es handle sich lediglich um eine
Erlaubnis im Sinne des § 4 des Gesetzes zur Abänderung einer bestehenden
Einrichtung bezw. Anlage. Dass denn auch die Konzession nicht etwa nur
unter Vorbehalt der Bezahlung eines Wasserrechtszinses erteilt worden
sei, ergebe sich aus dem Inhalte der Konzessionsurkunde: Darin sei
ausdrücklich die Befreiung der Klägerin von jeder Zinspflicht anerkannt,
so lange nicht mehr als 23 Kubikmeter Wasser zugeleitet merde. Die ganze
aus dieser Wassermenge gewonnene Kraft, unabhängig von ihrer Grösse,
sei zinsfrei. Sie betrage 288 HP und zwar für das ganze Jahr, da das
grössere Gefälle im Winter und die grössere Wassermenge im Sommer sich
ausgleichen. Eine Verzinsung der Wasserkrast sei also selbst dann nicht
zulässig, wenn einmal das ganze Werk ausgebaut und mit 288 HP betrieben

IX. cjvilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 74. 679

werde. Umsoweniger könne von einer solchen Verzinsung zur Zeit die Rede
sein, wo auf jede der vorhandenen 3 Turbinen im Sommer B und im Winter
nur 3 Kabikmeter geleitet werde, so dass der Maximalverbrauch an Wasser
18 Kubikmeter betrage, während der Konzessionsakt 23 Kubikmeter als
zweifellos zinsfrei erkläre. Aus dem gegenwärtig verwendeten Wasserquantum
von maximal 18 Kubikmeter lassen sich aber 144 HP brntto oder 100,8 HP
netto gewinnen. Daraus ergebe sich ohne weiteres die Unhaltbarkeit des
regierungsrätlichen Standpunktes-, wonach von den genannten 100,8 HP
rund 48 HP zur Steuer herangezogen würden.

D. In seiner Rechtsantwort bestreitet der Staat Luzern vorerst die
Kompetenz des Bundesgerichts zur Beurteilung der Sache mit folgender
Begründung: Es handle sich nicht um eine civil: rechtliche Streitigkeit
im Sinne des Art. 48 des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege Die Forderung des Staates auf Bezahlung eines
Wasserrechtszinses sei öffentlichrechtlicher Natur, wie sich aus den
Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes, auf welche sich jene Forderung
stütze, zur Evidenz ergebe. Demnach sei das Bundesgericht in Sachen
nicht zuständig (Amii. Samml., Bd. XIII, S. 341, Bern gegen Grandjean,
und Bd. XIX, S. 623, Solothurn gegen Zuchwil). Es lasse sich auch nicht
einwenden, das Bundesgericht habe über den Bestand bezw. die Verletzung
eines von der Klägerin behaupteten Privatrechtes zu erkennen. Denn
was die Klägerin als alt hergebrachtes Recht bezeichne, stehe ausser
Frage-. Streitig sei vielmehr die Zinspflicht für das durch vermehrten
Wasserabsluss und intensivere Ausnutzung der Wasserkrast gewonnene Plus
an Kraft. Der Streit betreffe die Rechtmässigkeit und Gesetzlichkeit des
Konzessionsaktes von 1887, speziell was die darin enthaltene Klausel
des Wasserrechtszinses anlange. Diese Fragen können aber unmöglich
Gegenstand eines Civilprozesses sein, da dem Regierungsrat die Kompetenz
zur Feststellung der Wasserrechtsansprüche des Staates ausschliesslich
zukomme. Sollte er dabei seine Zuständigkeit überschritten haben, so
hätte die Klägerin entweder mit der Behauptung, er habe sich gerichtliche
Kompetenz beigelegt, das kantonale Rechtsmittel der Konstittsbeschwerde
ergreifen sollen, oder aber

680 Civilrec-htspflege.

dann dasjenige des staatsrechtlichen Rekurses an das Bundesericht.

g Da Klägerin von jenen Rechtsmitteln innert den gesetzlichen Fristen
von 10 bezw. 60 Tagen keinen Gebrauch gemacht habe, so stehe ihrer Klage
auch die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen Durch
den angefochtenen Entscheid habe der Regierungsrat den Wasserrechtszins
quantitativ festgestellt Und zur Bezahlung desselben aufgefordert,
beides gestützt auf die Konzesfion vom 23. September 1887, deren Inhalt
von ihm gleichzeitig interpretiert und präzisiert worden sei.

Jn der Sache selbst macht der Beklagte, indem er auf Abweisung der Klage
anträgt, geltend: Die Reussschwelle habe von Anfang an die Aufgabe gehabt,
den Seeabfluss zu regulieren. Dies sei namentlich auch der Zweck des
Vertrages vom 9. Oktober 1858 gewesen, kraft dessen sie, und zwar ohne
irgend welche Mitwirkung der Klägerin, erstellt worden sei. Diese im Jahre
1860 erbaute Schwelle habe es auch, was Klägerin zu Unrecht bestreite,
ermöglicht, den Mühlen mehr Wasser zuzuleiten als früher. Die angeführte
Beitragsleistung der Korporationsgemeinde beruhe nicht etwa auf jenem
Ver-trage betreffend die Seeregulierung, sondern auf einem Abkommen mit
der Stadtgemeinde. Die angerufenen Zusicherungen des Regierungsrates
bezüglich Wahrung der klägerischen Interessen beim Schleusenbau enthalten
keineswegs eine Anerkennung eines Rechts der Korporation. Wohl aber
habe diese ihre Zinspflicht nach Erlass des Wasserrechtsgesetzes
vom 2. März 1875 ausdrücklich anerkannt: Sie habe durch Zuschrift vom
31. März 1877 erklärt, dass sie gegen eine Besteuerung ihres Wasserwerkes
grundsätzlich den Rekur an höhere richterliche Jnstanzen nicht ansirebe,
und als hierauf der Regierungsrat mit Entscheid vom 24. April 1878
ihr Werk in die II. Klasse der zinspflichtigen Werke gesetzt habe, sei
ihrerseits eine Einsprache hiegegen nicht erfolgt. Freilich sei dann
die Einforderung der Zinsen unterblieben, entweder aus Versehen oder
weil das Jnterpretationsdekret vom 28. November 1878 (s. oben sub A)
auch auf die Klägerin habe angewendet werden wollen. Zu Unrecht werde
behauptet, dieses Dekret verstosse gegen den klägerischen Anspruch;
denn es handle sich um eine Wasser-

IX. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° Tei-. 681

kraft, für die die Bewilligung erst nach dem Inkrafttreten des
Wasserrechtsgesetzes erteilt worden sei. Die Konzession vom 23. September
1898 statuiere denn auch mit aller Deutlichkeit die Zins- pflicht. Wenn
sie dabei das Recht garantiere, die Wasserkraft unter den bestehenden
Verhältnissen auszunutzen, so wolle dieser Ausdruck nur besagen,
es bestehe für die Korporation ein altes Recht, für ihre Mühlen die
Wasserkraft auszunutzen, aber nicht für etwas anderes. Ein spezielles
Werk mit Wasser in Betrieb setzen zu können, sei der Inhalt und Zweck
des Wasserrechts. Daraus folge auch, dass die Klägerin zu Unrecht ein
bestimmtes Wasserquantum (23 Kabikmeter) für sich in Anspruch nehme; es
könne sich nur um eine bestimmte Nutzung, ein Recht auf eine bestimmte
Anzahl Pferdekräfte handeln. Wenn die Konzessionsurkunde vom 23. September
1887 zu der gegenteiligen Auffassung Anlass gebe, so sei dies auf einen
Irrtum in ihrer Redaktion zurückzuführen Dieser Irrtum sei aber im Akte
vom 26. August 1898 wieder berichtigt und dadurch dem Gesetze nachgelebt
worden, welches für die Besteuerung nicht den Wasserkonsum, sondern
die Wasserkraft als massgebend erkläre. Zudem sei der Wasserverbrauch
der frühem Anlage mit 23 Kubikmeter zu hoch angesetzt. Ferner müsste,
wenn auf den Wasserkonsum abgestellt werden wollte, vorerst untersucht
werden, in welcher Weise eine durch die neue Anlage bewirkte Abänderung
der Gefällsverhältnisse von Einfluss gewesen sei. Zu bemerken sei auch,
dass laut einem Berichte des Kantonsingenieurs die durch die zweite
Turbinengruppe zu gewinnende Kraft nicht so gross sein merde, wie die
durch die jetzige Neuanlage bereits gewonnene

Des nähern präzisierte der Beklagte seinen Standpunkt gegenüber dem
klägerischerseits erhobenen Anspruche wie folgt:

1. Es sei überhaupt kein Recht der Korporation an dem Wasser oder der
Wasserkraft entstanden. Was zunächst die Zeit vor 1800 anlange, so sei
die Stadt bezw. der damals mit ihr identische Staat Luzern Eigentümer der
Mühlen gewesen. Dieser habe die Nutzung der Wasserkraft an der Reuss nicht
kraft erworbenen Rechtes an fremder Sache, sondern kraft seiner Hoheit
über die öffentlichen Gewässer ausgeübt, so dass für die Entstehung des

behaupteten Nutzungsrechtes, namentlich auf dem Wege der Ver-

682 Civilrechtspflege.

jährung, gar kein Raum vorhanden gewesen sei. Ebensowenig sei ein
Wasserrecht durch die Sbnderungsakte begründet werden. Von einem solchen
sei darin so wenig als im Ausscheidungsdekret vom 16. Januar 1822 die
Rede. Wenn diese Urkunden bestimmen, dass mit den abzutretenden Gebäuden
auch die Zugehördeu mit übergeben, so könne darunter unmöglich die
Wasserkraft, das Recht auf das Wasser", gemeint sein, da der Staat
kein solches Recht gehabt habe. Es fehle an einem Willensakt, der
das behauptete Recht der Stadt übertragen hätte. Im weitern sei auch
der Erwerbsgrund der Verjährung nicht vorhanden. Nach jetzigem oder
früherem luzernischem Rechte sei ausgeschlossen, dass auf diesem Wege
ein Privatrecht an öffentlicher Sache entstehe bezw. habe entstehen
können. Auch habe seit 1800 die Stadtgemeinde und ihre Nachfolgerin, die
Korporation, das Wasser der Reuss nicht etwa in der Meinung benutzt,
ein Recht auszuüben, sondern in der Meinung, eine öffentliche Sache
zu benützen.

2. Hätte aber auch eventuell die Klägerin ein Recht auf die Wasserkraft
erworben, so würde sich dieses auf alle Fälle als ein bloss für die
frühem Mühlen bestimmtes Privileg darstellen, das streng genommen mit
dem Aufhören ihres Betriebes dahingefallen wäre. Für ein neues Werk
aber habe es demnach einer neuen Konzession bedurft, die auf Grund des
Wasserbaugesetzes, also nur gegen einen Entgelt, und zwar einen nach
Massgabe nicht des Wasserquantums, sondern der gewonnenen Kraft zu
berechnenden Entgelt, zu erteilen gewesen sei. Wenn der Regierungsrat
trotz dein Gesagten der Klägerin die bisher erzielte Kraft als steuerfrei
belasse, so habe sie also allen Grund, sich damit zufrieden zu geben und
dürfe das ihr so belassene Privileg nicht noch in weitergehendein Sinne
auslegen. Dass die Korporation übrigens in Wirklichkeit den in der Klage
eingenommenen Standpunkt selbst nicht billige, gehe aus ihrem Vertrage
mit Frau Dommann herbor, in welchem sie dieser für ihre Mühle nur die
zum Betriebe im gegenwärtigen Umfange nötige Kraft gratis garantiere,
und für einen Mehrverbrauch eine Vergütung sich ausbedungen habe.

E. In der Replik bringt die Klägerin im wesentlichen noch vor:

Der Regierungsrat habe schon in einem Entscheide vom
5.Fe-IX. Civilstreitîgkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
M. 683

bruar 1849 festgestellt, dass die fragliche Schwelle einzig und allein zu
dem Zwecke bestehe, bei niederem Stand des Seespiegels das zum Betriebe
der Stadtmühlen, der Stadtschleise und der dortigen Knochenstampfe,
sowie zum Betriebe des Wasserwerkes der Münzwerkstätte erforderliche
Wasser zuzuleiten. Erst später sei der Schwelle nebenbei die Ausgabe der
Regulierung des Seeabflnsses zugedacht worden. Bestritten werde, dass das
1860 erstellte Wehr den klägerischen Werken mehr Wasser zugeleitet habe
als das frühere. Das Schreiben der Klägerin vom 31. März 1877 enthalte
keine Anerkennung der Zinspfslicht Vielmehr habe die Korporation darin
lediglich erklärt, sie wolle nicht untersuchen und erörtern, ob dem Staate
eine Berechtigung zustehe, eine Steuer zu erheben und wolle deshalb nicht
die Gerichte anrufen, indem die speziell obwaltenden Verhältnisse ihrer
Wasserwerke die Besteuerung nicht als zu Recht bestehend erscheinen
lasse". Namentlich aber sei zu bemerken, dass das fragliche Schreiben
durch das nachfolgende Jnterpretationsdekret vom 28. Wintermonat 1878
hinfällig geworden sei. Denn dieser Erlass habe ja nachträglich die
Steuerfreiheit des klägerischen Wasserrechtes anerkannt, wie denn auch
in Wirklichkeit ein Wasserzins von der Klägerin bis in die jüngste Zeit
nicht gefordert worden sei. Dass die Konzession von 1887 eine Zinspflicht
statuiere, werde bestritten. Entgegen der Behauptung des Beklagten könne
sowohl nach gemeinem als nach luzernischem Rechte ein Wasserrecht an
einem öffentlichen Geivässer auch ohne staatliche Verleihung bestehen,
und es lasse zwar nicht das luzernische bürgerliche Gesetzbuch, wohl aber
ein luzernisches Gewohnheitsrecht und die luzernische Gerichtspraris
den Erwerbsgruud der unvordenklichen Verjährung gelten. Als offenbar
unrichtig erscheine die Behauptung, der Regierungsrat habe das
klägerische Recht nur für den Betrieb ihrer Mühlen anerkannt: Die
Wasserwerke der Klägerin hätten ja auch früher nicht ausschliesslich aus
Mühlen bestanden; der Konzessionsakt von 1887 sodann sehe in Erwägung
2 die Ausübung des Wasserrechts auch nach dem projektierten Umbaue
vor und erkläre in Erwägung 3 auch für diese Zeit die Besteuerung des
bisherigen Abflussvermögens der Kanäle von 23 Kubikmeter als ohne Zweifel
unstatthaft. Der regierungsrätliche Beschluss vom 26. August 1898 xxvn,
?. i901 45

684 Civilrechtspflege.

stelle sich nicht als Interpretation oder Richtigstellung des
Konzessionsaktes dar, sondern als ein Versuch, nachträglich eine viel
weitergehende Steuerpslicht der Klägerin festzusetzen Dermalen stehe
selbstverständlich nur die Steuersreiheit des bestehenden Werkes im
Streit, wobei allerdings für den Fall der Erstellung des ganzen Werkes
auch eine reduzierte Steuerpflicht im Sinne der Konzefston von 1887
nicht anerkannt werde. Die vom Beklagteu erhobenen Einredebegehren
seien unbegründet und die Kompetenz des Bundesgerichtes zur materiellen
Beurteilung der Sache sei vorhanden. Der eingeklagte Anspruch stelle sich
als ein Wasserrecht dar, wie solche auch im mehrgenannten luzernischen
Gesetze vom 2. März 1875 als Rechte sui generis ausdrücklich anerkannt
werden. Um ein Privileg handle es sich nicht-. Ubrigens Unterliegen die
durch Privileg geschaffenen Rechte den nämlichen Regeln, wie die Rechte
gleichen Jnhaltes aber andern Ursprunges.

F. Duplikando macht der Staat Luzern noch geltend:

Gegen die Existenz des behaupteten Wasserrechtes spreche auch der Umstand,
dass die Wassers-rast durch eine Schwelleneinrichtung erzeugt werde,
an der unzweifelhaft die Klägerin, was sie selbst nicht bestreite, kein
dingliches Recht habe, und die von andern Parteien zu einem andern Zwecke
erstellt und bezahlt worden sei. Ein Recht auf die ganze Wassermenge setze
aber notwendig ein Recht auf die Stauvorrichtung voraus. Sollte sich
das Urteil auch auf die Rechtsverhältnisse an der Schwellenvorrichtung
erstrecken, so müssten auf alle Fälle die Rechte der interessierten
Drittparteien gewahrt bleiben. Der angerufene Regierungsratsentscheid
vom 5. Februar 1849 beruhe auf einer irrtümlichen Auffassung; dass die
Schwelle lediglich dem Zwecke der Regulierung des Seeabflusses diene,
ergehe sich auch aus einer Publikation des Ingenieurund Architektenvereins
Sektion Waldftätten von 1898. Wenn beim Schleusenbau vom Jahre 1860 die
Möglichkeit des weitern Betriebes der Mühlen ins Auge gefasst worden
sei, so habe dies seinen Grund ausschliesslich in volkswirtschaftlichen
Erwägungen gehabt. An die Wahrung eines Rechtes der Klägerin habe man
nicht gedacht. Das Jnterpretationsdekret vom 28. Wintermonat 1878, das
freilich erst nach dem Schreiben derKlägerin vom 31.März 1877 erlassen
worden sei, habe an der

___. ......ia .... .*. W-... .....-......--

IX. Civîlstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 74. 685

Situation nur soviel geändert, dass die Klägerin für die bestehende
Kraft zinssrei geworden sei, nicht aber für die 1889/1890 geschaffene
Kraftvermehrung. Namentlich auch habe die Klägerin mit der Vervollkommnung
ihrer Einrichtungen nicht mehr Rechte erwerben können, als sie vorher
hatte, nicht eine vermehrte unentgeltliche Kraft. Dadurch sodann,
dass die Konzession von 1887 die klägerische Wasserkrast nur nach
Massgabe der bestehetcden Verhältnisse als zinsfrei erkläre, folge mit
Notwendigkeit, dass als Gegenstand des Rechtes unmöglich das Wasser
der Reuss unbeschränkt habe anerkannt werden wollen. Denn sonst wäre ja
für einen Anspruch auf Wasserzins gar kein Raum mehr gewesen. Eine bloss
polizeiliche Bewilligung zur Erstellung des Wasserwerkes, als welche sich
der Konzesstonsakt von 1887 laut Behauptung der Klägerin darstellen solle,
gebe es nach dem Wasserrechtsgesetze gar nicht; dessen §§ 4 und 6 Al. 2
sprechen bestimmt dagegen.

G. Am 22. März 1899 hielt der Jnstruktionsrichter in Luzern den
durch die Art. 162 ff. des Bundesgesetzes über die Organisation
der Bundesrechtspslege vorgesehenen Rechtstag ab, mit welchem eine
Beaugenscheinigung der gesamten klägerischen Wasserwerksanlage verbunden
wurde.

H. Beide Parteien haben für ihre Behauptungen technischer Natur den
Erpertenbeweis angerufen Der in beidseitigem Einverständnis als Erperte
bezeichnete Jngenieur Jrenä Schaad in Luzern kommt in seinem Gutachten vom
25. November 1899 und den Nachträgen hier vom 7. Oktober und 29. November
1900 zu folgenden Schlussfolgerungen:

1. Aus den früheren Plänen und andern Umständen ergibt sich, dass die
ehemalige Schwelle den einzigen Zweck verfolgte, das Wasser der Reuss
den Wasserwerken der Korporation zuzuIeiteu. s

2. Die jetzige Schwelle, bestehend aus einem sogenannten Nabelwehr, kann
bei guter Unterhaltung und sorgfältigem Einsetzen der Nadeln sozusagen
gänzlich abgeschlossen werden, so dass bei niederem Wasserstande
sämtliches Wasser der Reuss den Wasserwerken der Korporation zufliesst.

3. Das Wasserquantum, das bis zum Jahre 1875 nach den

686 Civilrechtspflege.

damaligen Einrichtungen den Wasserwerken der Korporation zufloss, betrug:

. bei niederen Wasserständen = 22,0 Kubikmeter per Sekundez . bei
mittleren Wasserständen = 25,2

. bei hohen Wasserständeu :,294 ,im Jahresdurchschnitt . _ 25, 5

. Die Bruttowasserkraft der alten Reusswasferwerke betrug bis zum
Jahre 1875:

Moac-adm

a. bei niederen Wasserständen = 175 HP; b. bei mittleren Wasserständen =
196 HP; c. bei hohen Wasserständen . = 208 HP; d. im Jahres-durchschnitt
. . = 192 HP.

5. Bei den damaligen Einrichtungen, d. h. unter Beibehalt der
Schiffmühleräder war eine Vermehrung der Bruttowasserkrast nicht
möglich. Bei rationeller Ausnutzung des Wassers mittelst Schiffmühleräder
war dazumal zum Betriebe eine effektive Wassermenge von 25,5 Kubikmeter
per Sekunde nötig. Dagegen hätte die Nettowasferkraft durch Einsetzen
neuer unterschlächtiger Wasserräder, fogenannter Ponceleträder, in den
bestehenden alten Kanälen nahezu verdoppelt werden können.

6. Das Wassergnantum, das jetzt den drei Turbinen zufliesst, beträgt:

a.. bei niederen Wasserständen 9,24 Kubikmeter p. Sekunde;

b. bei mittleren Wasserständen = 11,57 c bei hohen Wasserftänden . =
18, 44 d. im Jahresdurchschnitt = 11,57

7. Die nutzbare Bruttowasserkrast beträgt für die drei ersten Turbinen:

a.. bei niederen Wasserständen = 144 HP; b, bei mittleren Wafferständen =
132 HP; c. bei hohen Wasserständen = 120 HP; (1. im Jahresdurchschnitt
. = 182 HP

8. Die effektive Leistung der drei Turbinen betragt zusammen 92 HP.

9. Durch die Erstellung des neuen Werkes ist ein hoheres
durchschnittliche-Z Nntzgefälle vermittelst Anlage rationeller
Wassermotoren (anbinen) gewonnen worden, oh ne die Stauhöhe des
Seespiegels zu verändernIX. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und
Privaten, etc. N° 74. 687

Trotz des bedeutend geringeren Wasserverbrauches der jetzigen Turbinen
verhält sich, infolge besserer Ausnutzung des Gesälles einerseits und
höherem Wirkungsgrade der Turbinen anderseitsdie Kraftleistnng der
jetzigen Anlage zur frühem Anlage gleich wie 90,8 : 54 HP.

I. In der heutigen Verhandlung erneuern die Vertreter in ihren Vorträgen
die von ihnen in den Rechtsschriften gestellten bezüglichen Anträge.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Klägerin hat ihre Klage gestützt auf Art.48 Ziff.4 des
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vor
Bundesgericht hängig gemacht. Die Kompetenz des letztern ist vom beklagten
Staate zunächst deshalb in Abrede gestellt worden, weil es sich nicht um
eine civilrechtliche Streitigkeit im Sinne des genannten Artikels, sondern
um eine Streitsache öffentlichrechtlicher Natur handle. Dieser Auffassung
lässt sich indessen nicht zustimmen Freilich stellt sich die Verpflichtung
zur Bezahlung eines Wasserrechtszinses, wie sie der Staat der Klägerin
zufolge des Regierungsratsbeschlusses vom 26. August 1898 auferlegen wifi,
als eine solche öffentlichen Rechtes dar. Aber streitig ist eben nicht,
ob die Besteuerung der Rekurrentin aus eine den massgebenden Vorschriften
(Wasserrechtsgesetz vom 2. März 1875) entsprechende Weise erfolgt sei,
in der Voraussetzung, die Klägerin unterliege gemäss diesen Vorschriften
auch wirklich der Steuerpflicht. Der Streit dreht sich vielmehr um
diese letztere Voraussetzung selbst, in dem Sinne, dass die Klägerin
ein privates Nutzungsrecht am Wasser der Reuss für sich in Anspruch
nimmt, eine bestehende Berechtigung nach § 7 des Wasserbaugesetzes,
die zufolge diesem Gesetze nicht Objekt der Besteuerung sein kann. Zu
entscheiden ist also, ob ein derartiges persönliches Recht bestehe oder
nicht und eventuell, was namentlich unter den Parteien streitig ist, in
welchem Umfange es anzuerkennen sei Über diese Frage privatrechtlicher
Natur hat aber der Cioilrichter zu urteilen; sie stellt sich als eine
civilrechtliche Streitigkeit im Sinne des genannten Art. 48 dar (vgl. auch
Entscheidungen des Bundesgerichts, Bd. XXIV, 2. Teil, Nr. 76, Erw. 1, in
Sachen Seethalbahngesellschaft gegen Luzern und die daselbst angeführten

588 cieilrechispilege.

Entscheide, Sarwey, Das öffentlicheRecht und die Verwaltungsrechtspflege,
S. 651).

Aus dem Gesagten folgt sodann, dass auch die vom Beklagten erhobene
Einrede der abgeurteilten Sache hinfällig isf. Denn der Regierungsrat des
Kantons Luzern hat durch seine Schlnssnahme vom 26. August 1898 über den
Bestand des in der vorliegenden Klage geltend gemachten Privatrechtes,
bezw. über dessen Umfang, in richterlicher Stellung einen verbindlichen
Entscheid weder treffen wollen noch können. Freilich hatte er sich,
um die Höhe des aufzuerlegenden Wasserzinfes zu bestimmen, darüber
schlüssig zu machen, inwiefern das von der Korporation behauptete, eine
Steuerauflage ausschliessende Recht von ihm anzuerkennen sei. Aber darin
kann ohne Zweifel bloss eine einseitige Erklärung des Regierungsrates
als Verwaltungsbehörde gefunden werden, durch welche der Befugnis
der Klägerin, ihr Recht durch gerichtliches Urteil feststellen zu
lassen, und damit eine Abänderung der Schlussnahme vom 28. August 1898
zu ihren Gunsten zu erwirken, in keiner Weise vorgegriffen werden
sollte. Hätte sich aber der Regierungsrat entgegen dem Gesagten in
seinem Beschlusse civilrechtliche Funktionen anmassen wollen, so
wtirde damit die Befugnis der Klägerin, zum Schutze ihres Rechtes
das Bundesgericht als kompetente Civilgerichtsinstanz anzurufen,
keinen Eintrag erlitten haben. Denn das bundesgertchtliche Forum ist
der Klägerin durch das Bundesrecht garantiert, und zwar nicht nur
durch den angerufenen Art. 48 des Organisationsgesetzes, sondern durch
Art. 110 Biff. 4 der Bundesversassung selbst. Unter diesen Umständen
lag für die Klägerin auch keine Veranlassung vor zur Erhebung der in
der kantonalen Gesetzgebung vorgesehenen Konfliktsbeschwerde oder zur
Ergreifung des staatsrechtlichen Rekurses an das Bundesgericht (vgl. in
letzterer Beziehung z. B. Entscheidungen des Bundesgerichtes, Amtl
Saminl., Bd. V, Nr. 13, Erw. 2, in Sachen Eimer-, und Nr. 49, Erw. 3,
in Sachen Oder-matt und Konsorten). Dass alle weitern Voraussetzungen
für die Zuständigkeit des Bundesgerichtes zur materiellen Beurteilung
der Sache gegeben sind, namentlich auch der Streitwert, steht ausser
Zweifel und wird vom Beklagten auch nicht bestritten.

2. In erster Linie frägt es sich also, ob überhaupt der
Kor-IX. Civilsîreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
74. 689

porationsgemeinde ein wasserzinsfreies Privatrecht zustehe oder nicht,
wobei die Frage nach dem Umfange eines solchen Rechts Vorläufig noch
offen zu lassen ist.

Jene Frage nun ist zu besahen. Dass zunächst an öffentlichen Gewässern wie
der Reuss derartige Privatrechte auf Ausnutzung der Wasserkraft rechtlich
möglich und zulässig sind, wird in der Gesetzgebung, Rechtssprechung
und Theorie allgemein anerkannt {ng. z. B. Huber, Schweiz. Privatrecht,
Bd. III, S. 624/25 und die Citate daselbst sub Note 1 auf S 825). Auch das
luzernische Wasserbaugesetz vom 2. März 1875 stellt sich unzweifelhaft
auf diesen Boden, indem es in seinem % 7 die besiehenden Berechtigungen
von der Zinspfslicht ausnimmt und die Natur dieser Zinsbefreiungen
als wohlerworbener Rechte dadurch zum Ausdrucke bringt, dass es ihre
Zurücknahme nur auf dem Wege der Erpropriation als statthaft erklärt. Jn
diesem Sinne ist denn auch der Wortlaut des Art. 7 cit. nachträglich vom
Grossen Rate authentisch interpretiert worden, indem diese Behörde durch
Dekret vom 28. November 1878 erklärte, dass nur diejenigen Wasserrechte
der in § 6 des Gesetzes aufgestellten Zinspflicht unterliegen, für die
entweder der Bezug des Zinses früher vorbehalten oder die Bewilligung
erst seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erteilt worden sei. Dass nun
aber der Klägerin ein derartiges Privatrecht zusteht, erscheint nach
den Akten als unzweifelhaft erwiesen.

Zunächst ist der Erwerb desselben durch die Klägerin rechtsgenüglich
dargethan. Als nämlich im Jahre 1800 das bis dahin gemeinsame Vermögen
von Staat und Stadtgemeinde ausgeschieden wurde, erhielt die letztere
die Wasserwerke an der Reuss (ausgegenommen die sogenannte alte Münze)
eigentümlich zugeteilt und zwar mit allen Zugehörden. Darunter aber sah
fman ohne Zweifel auch die dazu gehörige Wasser-kraft als mit inbegrifsen
an. Im Jahre 1822 gingen dann die Werke bei derfSonderung des städtischen
Vermögens mit gleichen Rechten an die Korporation über. ...

Seither nun hat die Klägerin, wie bis anhin die Stadtgemeinde, die
Wasserkrast ohne Unterbruch und unangefochten als Prioatgut behandelt
und benützt. Namentlich ist in keiner Weise ersichtlich und Übrigens
vom Staate auch gar nicht behauptet, dass Je ein

690 ' Givilrechtspflege.

Wasserzins von ihr erhoben worden ware. In der nämlichen Lage befanden
sich zweifellos auch die jeweiligen Besitzer der alien Münze bezw. spätern
Munzmühle, in deren Nutzungsrechte am Wasser die Klägerin im Jahre 1887
durch Vertrag eingetreten ist. Liegt nun schon in diesem Gewährenlassen
von Seiten des Staates eine stillschweigende Anerkennung des klägerischen
Anspruches, so kommt noch dazu, dass die zuständigen Behörden dessen
Rechtsbeständigkeit auch ausdrücklich zugegeben haben. Und zwar geschah
dies in Erlassen, die ex officio die Frage der Besteuerung betreffen,
und damit notwendigerweise auch die Frage beschlagen, ob es sich um
ein staatlich zu konzedierendes Recht im Sinne des Art. 6 oder um eine
bestehende Berechtigung- im Sinne von Art. 7 des Wasserbaugefetzes
handle. So spricht sich der

Konzessionsakt vom 23. September 1887 gewissen Einsprachens

wasserpolizeilicher Natur gegenüber ausdrücklich dahin aus, es dürfe
die Korporation nicht an der Ausnützung der ihr gehörenden und von
keiner Seite bestrittenen Wasserrechte verhindert werden, und an anderer
Stelle dahin, es stehe der Klägerin ein altes unbestrittenes Recht zu,
die Wasserkraft der Reuss unter den bestehenden Verhältnissen auszunutzen
Dementsprechend geht aus dem Wortlaute des genannten Beschlusses mit aller
Deutlichkeit hervor und wird in seinem Dispositiv ausdrücklich bestimmt,
dass der Regierungsrat eine Zinspflicht nach Ersteilung der konzedierten
Anlage nicht für die gesamte von derselben beanspruchten Wassermenge
bezw. Wasserkraft als vorhanden ansieht, sondern nur für den aus der
Erstellung der Anlage resultierenden Mehrverbrauch. Damit, b. h. indem
das bisher benutzte Wasserquantiim nicht als steuerpflichtig erklärt
wird, ist aber vom Regierungsrat auch ohne weiteres zugegeben, dass das
fragliche Recht nicht etwa, wie er nun geltend macht, ein beschränktes
ist, in dem Sinne, dass es nur für den frühern Müllereibetrieb eingeräumt
worden und deshalb mit der Errichtung einer neuen, andern wirtschaftlichen
Zwecken dienenden Wasserwerkanlage erloschen sei. Es ist auch nichts
für die Annahme angeführt worden, dass eine derartige Beschränkung der
Wasserrechte auf bestimmte Gewerbsbetriebe im Kanton Luzern jemals zu
Recht bestanden habe. Der Konzessionsakt vom 23. September 1887 stellt
sich also nur in

...a. .. v :. ,. .... . -... .. ,-

IX. Giviistreitîgkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc-. N° '3'4. 691

Bezug auf den für den neuen Betrieb beabsichtigten höhern Verbrauch an
Wasser bezw. Kraft als eine Bewilligung einer Wasserrechtskonzession
nach Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes dar, wobei er zugleich anderseits
ein bestehendes Privatrecht als vorhanden Und demnach nicht der
Konzessionsbezw. Steuerpflicht unterworer gelten lässt. Im übrigen
aber hat der genannte Akt, wie der Klägerin zuzugeben ist, nur
wasserpolizeilichen Charakter und betrifft lediglich die Bewilligung
zur Anlage des neuen Werkes im Sinne der §§ 3 und 4 des Gesetzes, für
welche Bewilligung denn auch im Dispositiv des Beschlusses der Klägerin
die Bezahlung einer Gebühr von 50 Fr. auferlegt wird. In gleicher
Weise ist sodann im Beschlusse des Regierungsrates vom 26. August 1898,
welcher durch die nähere Festsetzung der an sich schon im Konzessionsakt
vorbehaltenen Steuerpflicht Veranlassung zur vorliegenden Klage gab,
grundsätzlich immer noch zugestanden worden, die Korporation befinde
sich im Besitze eines sogenannten althergebrachten Rechtes an der Reuss,
für welches sie zinsfrei fei.

Zu Unrecht endlich macht der Beklagte geltend, die Klägerin habe
ihrerseits durch ihre Zuschrift vom 31. März 1877 die Wasserzinspflicht
anerkannt Eine solche Anerkennung enthält das genannte Schreiben höchstens
unter dem Vorbehalte und für den Fall, dass andere in gleicher Rechtslage
befindliche Wasserwerksbesitzer, welche gegen die Besteuerung bezw. die
Anwendung des Art. 6 des Wasserrechtsgesetzes auf ihre Wasserrechte
Einsprache erhoben hatten, ebenfalls als steuerpflichtig behandelt
wurden. Nun erklärte aber das nachher erlassene Jnterpretationsdekret
vom 28. November 1878 die Wassers-echte dieser Art als steuerfrei, womit
das Schreiben der Klägerin vom 31. März 1877 jede Bedeutung und jede
Verbindlichkeit für sie verlieren musste. Dass das Jnterpretationsdekret
auch auf die Berechtigung der Korporation Anwendung finde, hat zudem der
Regierungsrat im Konzessionsakte vom 23. September 1887 ohne weiteres
zugegeben. ,

3. Es muss also untersucht werden was hauptsächlich unter den Parteien
streitig ist, in welchem Umfange dera nach dem Gesagten grundsätzlich
anzuerkennende Anspruch der Klagerm gutzuheissen sei. _

a,. Die Korporationsgemeinde hat sich diesbezügltch auf den

692 Civilrechtspflege.

Standpunkt gestellt, ihr Recht erstrecke sich schlechthin auf das
gesamte Wasser der Nenè, da ihr von jeher die Möglichkeit zugestanden
habe, die ganze Wassermenge ihren Werken zuzuleiten und da sie von
dieser Möglichkeit je nach Bedürfnis auch wirklich Gebrauch gemacht
habe. Es mag unerörtert bleiben, ob dieser Standpunkt in thatsächlicher
Hinsicht als richtig erscheine; auf alle Fälle kann er in rechtlicher
Beziehung nicht gebilligt werden. Freilich wurde in frihrern Seiten,
als den Wasserkrästen noch nicht diejenige wirtschaftliche Bedeutung
zukam, wie heutzutage, bei Einräumung derselben auch nicht mit der
Sorgfalt verfahren und namentlich auch das einzuräumende Recht seinem
Umfange nach nicht näher abbegrenzt und beschränkt. Damit lässt sich
aber noch nicht annehmen, dass dem Erwerber eines Wasserrechtes jeweils
die freie und ungehinderte Befugnis habe zuerkannt werden wollen, den
Wasser-lan nach Gutdünken, soweit dies ihm überhaupt faktisch möglich sei,
abzuleiten oder sonst für sich in Anspruch zu nehmen. Vielmehr muss auch
damals die Bewilligung ihre natürliche und selbstverständliche Schranke
gehabt haben, welche sich bestimmte durch den Umfang, in welchem der
Wasserlauf für den Betrieb des betreffenden Werkes erforderlich war.
Mehr einzuräumen konnte weder der Staat als Hüter der öffentlichen
Interessen und Inhaber des Wasserregals willens gewesen sein, noch
hatte der Wasserwerkbesitzer ein Interesse daran, mehr zu empfangen,
selbst wenn sein Werk zur Aufnahme eines ihm nutzlosen Uberschusses
im stande gewesen wäre (vgl. auch Ver-· handlungen des schweizerischen
Juristenvereins pro 1900, Referat von Professor Haber über Wasserrecht,
S. 69 und 70, ferner Bezzola, Uber Rechtsverhältnisse an öffentlichen
Wasserläufen, S. 68). Nach dem erörterten Grundsatze ist also ein Recht
der Korporationsgemeinde auf zinsfreie Benützung des Reusswassers auf alle
Fälle nur in der Ausdehnung anzuerkennen, als der Wasserlauf der Reuss
für den Betrieb ihrer ehemaligen Werke notwendig war. Und zwar erscheinen
für die nähere Abgrenzung ihres Rechtes als massgebend die Verhältnisse
in der Benutzung des Wassers, wie sie bei Aufgabe der frühern Betriebe
(1876 u. fs.) vorherrschten und, wie bereits ausgeführt, auch rechtlich
anerkannt waren.IX. Giviistreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten,
etc. N° M. 698

b. Nun sind aber die Parteien im fernern auch darüber uneinig, welche
Momente bei Festsetzung des zinsfreien Wasserrechtes auf Grundlage des
damaligen Zustandes als entscheidend zu betrachten seien. Die Klägerin
behauptet, ihr Privatrecht erstrecke sich auf die zu jener Zeit von
ihr benutzte bezw. für ihre Werke erforderliche Wassermenge und damit
auf die Kraft, welche aus ihr gewonnen werden könne; und zwar bestimme
sich diese Kraft nach Massgabe der jeweils zur Verfügung stehenden
technischen Hilfsmittel; mit deren fortschreitenden Verbesserung
nehme also auch die zinsfreie Kraftmenge zu. Umgekehrt sieht der Staat
Luzern die Zahl der Pferdekräfte, welche aus dem den ehe maligen Werken
dienenden Wasserquantum dazumal erzielt wurden und zum Betriebe jener
Werke erforderlich waren, als massgebend an, womit eine spätere, durch
verbesserte technische Einrichtungen erzielbare Vermehrung der Kraft,
von der Zinsfreiheit ausgeschlossen würde. Von diesen beiden sich
widersprechenden Ansichten muss die erstere als die zutreffende erachtet
werden. Der Vorteil, welchen der Wasserwerkbesitzer lediglich aus der
Vervollkommnung seiner Anlage erwirkt, ohne, wie dies hier zutrifft,
den öffentlichen Wasserlauf in grösserem Masse in Anspruch zu nehmen,
sei es hinsichtlich der benützten Wassermenge, sei es hinsichtlich der
Niveauund sonstiger relevanter hydraulischer Verhältnisse, muss auch ihm
zu Gute kommen; dies wenigstens dann, wenn seine Befugnis zur Benutzung
des Wassers, wie hier, als ein eigentliches Privatrecht, eine bestehende
Berechtigung im Sinne des § '? des kantonalen Wasserrechisgesetzes, sich
darstellt Denn der Wasserwerksbesitzer dehnt damit in keiner Beziehung
die Grenzen seiner bisherigen Rechtsausübung aus, sondern er weiss nur
seinem Rechte ökonomisch einen höhern Wert und eine höhere Brauchbarkeit
zu verleihen, indem er sich, unter Aufwendung seiner finanziellen
Mittel, die durch fortgeschrittene Technik geschaffenen Vorteile zu
Rune macht. Gründe dafür, diese Wertvermehrung dem Staate zukommen zu
lassen, bestehen nicht. Ein bezüglicher Rechtsanspruch desselben lässt
sich schon deshalb nicht annehmen, weil er es nicht in seiner Gewalt hat,
den Wasserwerksbesitzer zur Verbesserung seiner Einrichtungen zu verhalten
(vgl. auch Rösler, Soziales Verwaltungsrecht, Bd. I, § 221

694 Givilrechtspflege.

zu Note 4; Pözl, Das bayerische Wassergesetz vom 28. Mai 1852, S 167
ff.). Zu Unrecht hat sodann der Beklagte geltend gemacht, das luzernische
Wasserrechtsgesetz schreibe in seinem § 8 ausdrücklich vor, es sei
für die Festsetzung der Wasserrechte die Berechnung nach effektiven
Pferdekräften zur Anwendung zu bringen und die Behörden müssten demnach
auch das klägerische Privatrecht nach der für die Mühlen thatsächlich
verwendeten effektiven Kraft bestimmen (welche Kraft der Beklagte auf
zusammen 53 HP veranschlagt). Die genannte Vorschrift ( deren Geltung zur
Zeit der Entstehung des klägerischen Rechtes übrigens nicht behauptet ist)
bezieht sich auf die staatlich gegen eine periodische Abgabe konzedierten
Wasserkräfte und lautet übrigens zu Gunsten nicht etwa des Staates,
sondern des Konzessionärs, indem sie ihn nicht für die Brutto-, sondern
nur für die Nettokraft zinspflichtig erklärt. Von ihr wird aber die hier
streitige Frage keineswegs betroffen, ob der Mehrgewinn an effektiver
Kraft infolge technischer Vervollkommnung seiner Anlage dem Inhaber
eines privaten Wasser-rechtes zukomme oder nicht.

c. An Hand der vorstehenden Ausführungen und unter Zugrundelegung der
Beweisergebuisse technischer Natur gelangt man nun zu nachfolgendem
Resultate:

Es ist zunächst konstatiert, dass durch die Erstellung des neuen Werkes
eine Änderung der Gesällsverhältnisse, des Niveau des OberUnd desjenigen
des Unterwasserspiegels, nicht bewirkt worden ist und fällt somit die
Frage, inwiefern eine solche Veränderung für die nähere Abgrenzung des
steuer-freien Rechtes von Bedeutung wäre, zum vornherein ausser Betracht
Demgemäss braucht und muss auch nach dem oben Gesagten lediglich
abgestellt werden auf das von den früheren Anlagen und das von dem
jetzigen Werke konsumierte Wasserquantum.

Nun beträgt nach den Berechnungen des Experten die Wassermenge, welche
zum Betriebe der ehemaligen Anlagen notwendig war, im Durchschnitt
22,5 Kubiknteter per Sekunde. Auf diese Wassermenge hat die Klägerin
ein Recht, d. h. die Kraft, welche daraus nach dem jeweiligen Stande der
Technik gewonnen werden kann, berechne man sie brutto oder netto, ist als
zinsfrei anzusehen. Es mag bemerkt werden, dass der Regierungsrat selbst
imIX. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 74. 695

Konzessionsakte vom 28. September 1887 die damals von ihm als zinsfrei
zugestandene Wassermenge noch etwas höher bemessen hat, nämlich auf
durchschnittlich 23 Kubikmeter per Sekunde.

Wie anderseits durch die Expertise erhärtet ist, beläuft sich das
Wasserquantum, welches durch die gegenwärtige Anlage von den 3 Turbinen
konsumiert wird, auf nur 11,57 Kubikmeter per Sekunde im Durchschnitt. Die
Korporation verwendet also· zur Zeit in ihrer neuen Anlage weniger
Wasser als sie kraft ihres Privatrechtes zu verwenden befugt wäre, so
dass der durch den angefochtenen Regierungsratsbeschluss vom 26. August
1898 ihr auferlegte Wasserzins von 192 Fr. per Jahr zu Unrecht von ihr
gefordert wird.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Korporationsgemeinde Luzern ist nicht gehalten, den ihr durch
Beschluss des luzernischen Regierungsrates vom 26. August 1898 auferlegten
Wasserrechtszins zu bezahlen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 27 II 672
Date : 01. Januar 1901
Published : 31. Dezember 1902
Source : Bundesgericht
Status : 27 II 672
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : GTL . Civilrechtspflege. IX. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen einerseits und


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