504 Civilrechtspflege.
ren den Eintritt des Schadens wenigstens begünstigt haben und dass
anderseits das Verschulden der Beklagten kein schweres sei-; aus diesen
Gründen rechtsertige sich eine erhebliche Ermässigung der Ersatzpflicht
im Sinne von Art. 51 O.-R. Weshalb die Vorinstanz die von ihr gesprochene
Summe nicht verzinslich erklärt, führt sie im Urteile nicht aus.
Dieser Argumentation der Vorinstanz kann nicht durchweg beigestimmt
werden. Zunächst ist festzustellen, dass ein Mitverschulden der Klägerin
von den Beklagten selber nicht behauptet wird und auch offenbar
nicht vorliegt. Ob aber ein Mitverschulden Röthenmunds oder seiner
Angestellten angenommen werden kann liegend besonders in der Verwendung
der Klägerin, einer kleinen, schwächlichen Person, zu der betreffenden
Arbeit ist nicht so durchaus ausgeschlossen, wie die Vorinstanz annimmt,
jedoch imvorliegenden Prozess nicht weiter zu untersuchen. Immerhin
istausschlaggebend, dass das Verschulden der Beklagten nicht als schweres
bezeichnet werden farm, und von diesem Standpunkt aus muss gesagt werden,
dass der von der Vorinstanz vorgenommene Abstrich von 7400 Fr., wenn
er auch hoch erscheint, doch keine Rechtsgrundsatz-Z verletzt. Eher
könnte sich fragen, ob nicht die danach zugesprochene Summe von 6000
Fr. verzinslich zu er:klären sei. Der Verzinsung kann wohl kaum mit
Grund entgegengehalten werden, die Klägerin habe im Klagebegehren selber
dieVerzinsung nicht verlangt, denn sie hat hier Ersatz des (vollen)
Schadens beansprucht, und zu diesem gehört gewiss auch der Zins. Doch
ist die Ablehnung der Verzinsung wohl auch daraus zurückzuführen, dass
eben am vollen Ersatz überhaupt ein Abzug gemacht wird, und von diesem
Standpunkt aus kann es hiebei sein Vewenden haben. Von Zusprechung einer
Rente anstatt eines Kapitals kann in der bundesgerichtlichen Instanz
(auch abgesehen davon, dass ein bezüglicher Antrag nicht schon in der
Berufungserklärung gestellt wurde) keine Rede sein, nachdem dieser Antrag
vor dem kantonalen Richter nie gestellt und nie darüber verhandelt worden
ist. Übrigens wäre mit Zusprechung einer Rente den Beklagten wohl kaum
gedient, da die Rente selbstverständlich von ihnen sichergestellt werden
müsste.HI. Ohligationem'echt. N° 54. 505
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Sowohl die Hauptberufung als auch die Anschlussberusung werden abgewiesen,
und es ist somit das Urteil des Appellationsund Kassationshoses des
Kantons Bern vom 8. Juni 1901 in allen Teilen bestätigt
54. Urteil vom 16. November 1901 in Sachen Schweizerische Depeschenagentur
gegen Jenny & Rossier.
Kauf. (Abireteeng der Kundschaft und der Informationsqnellen
von seiten einer Depeschenngentnr an eine andere). Klage des
Käufers auf Unverbindlicherkfärung des Vertrages. Kompetenz des
Bundesgeriehies. Bedeutung einer Sehiedsklansel im Vertrags Anwendung
eidgenössischen Bee/lies. Behaupteier wesentèecher Irrtum des Käufers,
Art. 28 ().-R. Genehmigung des Vertrages durch
den klagenden Käufer.
A. Durch Urteil vom 27. Juni 1901 hat der Appellationsund Kassationshof
des Kantons Bern (II. Abteilung) erkannt-
1. Die Beweisbeschwerde der Beklagten ist abgewiesen.
2. Der Gerichtshof erklärt sich zur Beurteilung des vorliegenden
Klagsbegehrens inkompetent, soweit dasselbe mit der spätern Auflösung
des Vertrages vom 12. Dezember 1898 Insolge Nichterfüllung desselben
begründet wird.
3. Im übrigen ist die Klägerin mit ihrem Klagsbegehren abgewiesen. . . ·
B. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig und in richtiger Form
die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mitdem Antrag auf Aufhebung
des angesochtenen Prteils ;md Zufsprechung der Klagebegehren. Eventuell,
d. h. sur den mil, dassdie ursprüngliche Gültigkeit des Vertrages
oder denen nachtragliche Genehmigung angenommen werden sollte, sei zan
erkennen, es haben die ordentlichen Gerichte die Frage zu prusen, ob
der Vertrag vom 12. Dezember 1898 in dem Zeitpunktez als die Beklagten
die Klagerin vor den Schiedsrichter luden, sur diese
506 Civilrechtspflege.
noch verbindlich mar, oder ob er nicht vielmehr durch Nichterfiiilung
der Beklagten seine Rechtsverbindlichkeit für die Klägerin damals schon
verloren hatte, und es sei diese Frage im Sinne des Klagantrages zu
Beantworten.
C. Zn der heutigen Verhandlung haben beantragt: der Vertreter der
Klägerin: die Berufung sei gutzuheissenz der Vertreter der Beklagten:
die Berufung sei abzuweisen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Durch Vertrag vom 12. Dezember 1898 traten die Beklagten, die Inhaber
der Agentur Berno in Bern, der Klägerin ihre gesamte Kundschaft und ihre
Informatiionsqueslen ad sans exception aucune , sowie den Titel Agentur
Berna, auf 1. Januar 1899. Von diesem Zeitpunkt an sollte die Agen. im:
Verna alle Thätigkeit einstellen und die Firma Jenni) & Rossier nur für
die Liquidation weiter bestehen, die bis zum 30. März 1899 beendigt sein
sollte, bis zu weichem Datum auch die Eintragung tm Handelsregister zu
löschen war (Art. 1 des Vertra;ges). Itri. 2 des Vertrages bestimmte:
Tons les contrats et engagements que MM. Jenny & Rossier pourraient
avoir conclus avec des journaux serout transmis à l'Agence télégraphique
suisse. Ii en sera de méme des contrats d'autre nature que I'Agence
télégmphique suisse voudrait reprendre et notamment du contrat qui lie
MM. Jenny & Rossier d'une part, M. Enderli d'autre part. Au moment meme
de ia signature de la présente convention MM. Jenny & Rossier remettroni;
à. l'Agence télégraphîque suisse la liste exacte et complete, certifiée
per eux, de tous leurs contrats et engagements. Ils remettront en
meme temps une liste de tous leurs abounés, à un titre quelconque,
avec mention du prix payé par sschacun d'eux et toutes indications
propres à éclairer l'Agence :sur la portée, I'étendue et la durée des
engagements pris, dès la Signature du present contrat. MM. Jenny &
Rossier s'interdisent de eonclure aucune convention nouvelle-*, toutes
les demandes d'abennements qui pourraient parvenir de la part de journaux
serout transmises par enx à I'Agence télésigraphique suisse. Art. 4
sah eine eventuelle Hinausschiebung des Antrittstermins um einen Monat,
also auf 1. Februar 1899,.... Ohiigationenrecht. N° 54. W
voraus. Die Klägerin ihrerseits versprach eine finanzielle Gegenteistung,
die durch eine im Vertrag (Art. 8) näher bestimmte Ausrechnung aus
Grund des Reinertrages der Abonnements der Agentur Berna festgestellt
werden sollte und deren erste Rate von 20,000 Fr. aus 31. Januar
1899 fällig gestellt war. Endlich ist hervorzuheben am. 10: Toutes
contestations relatives soit à la fixation du Chiffre de l'indemnité,
soit à l'interprétetion du present contrat, sont tranchées par voie
d'arbitrage à frais commune. M. le professeur de Salis à Berne est désigné
d'un commun accord comme arbitre.... Unterzeichnet ist der Vertrag von
seiten der Klägerin durch H. Jent und E. Odier.
Zum Verständnis von Art. 2 dieses Vertrages ist zu bemerken, dass am
12. Juni 1894 zwischen J. Enderli in Zürich und der Telegraphenagentnr
Berna ein Kaufvertrag abgeschlossen worden war, laut welchem ersterer
der letztern sein Telegraphenagenturgeschäst um 5000 Fr. abtrat. Aus
diesem Vertrage sind hervorzuheben folgende Bestimmungen: Art. ö. Sollte
neben der "Berna eine neue Schweizerische Telegraphenagentur gegründet
werden, so verpflichtet sich Enderli, die Berna in ihrem Konkurrenzkampf
thunlichst zu unterstützen, insbesondere aus Wunsch letzterer während der
ganzen Zeitdauer des Bestandes der neuen Agentur der Berna alle seine
Zürcher-Meldungen, die sich als Telegramme nach aussen eignen, gegen
eine Entschädigung von -,2 Fr. per Meldung zur Verfügung zu stellen,
unter Vorbehalt der Al. 8 und 9. Art. 6. Herr Enderli verpflichtet sich,
so lange die Agentur Berna besteht, keinerlei Konkurrenzgeschäst unter
irgend welcher Form zur Bedienung der Schweiz Zeitungen zu gründen oder
zu betreiben oder sich an der Grundung oder am Betriebe eines solchen
sich irgendwie zu bethätigen oder zu beteili en. _
gBald nach dem Abschluss des Vertrages vom 12. Dezember 1898 nach seiner
Aussage am 19. oder 20. Dezember begab sich der Direktor der Klägerin,
Ochsenbeinr nach Zurich, um sich dort durch den Veklagten Jenny die von
diesem verwahrten Verträge, Aufstellungen 2c. der Agentur Berna, dem
gedachten Vertrag entsprechend, aushändigen zu lassen. Dabei scheint es
xxvn, 2. 1901 34
508 Civilrechtspflege.
zu Schwierigkeiten mit Bezug auf Art. 2 des Vertrages gekom-
men zu sein. Nach übereinstimmender Darstellung der Esarteien (ein. 28
der Klage und Art. 69 der Antwort) machte Jenni)-
den Vorschlag, die Klägerin solle, damit Enderli auch ferner nochgebunden
sei, den Namen Berna noch in irgendwelcher Form fortbestehen lassen, und
er stellte sich für den Fall einer scheinbar gesonderten Weiterführung
der Verna als salarierten Mitarbeiter zur Verfügung. Diese Verhandlungen
scheinen vor dem 24. Dezember 1896 stattgefunden zu haben, da die
Beklagten unter diesem Datum der Klägerin von der e offre particuliè're
de M. Jenny sprachen. Auf 1. Januar 1899 übernahm die: Klägerin
thatsächlich den ganzen Dienst der Agentur Berna, sowie einen Teil des
Personals der letztern; mit Schreiben vom. 30. Dezember 1898 teilte sie
den Beklagten mit, dass sie alle von dieser bedienten Zeitungen avisiert
habe, sie werde die von. Jenni) & Rossier eingegangenen Verpflichtungen
skrupulös erfüllen. Am 9. Januar 1899 schrieb die Klägerin den Beklagtenx
L'échéance fixée pour le premier versement que nous avons à vous faire
n'étant plus éloignéess. il convient que nous nous. mettîons complètement
d'accord sur les difficultés que peut. soulever notre contrat du 12
décembre 1898. Il en est une très importante sur laquelle nous avons
déjà attiré votreattention et qui est relative au contrat Enderli. Nous
avons expressément stipulé la cession de ce contrat qui était d'après
nous de nature a nous garantir ,contre toute concurrence éventuellede
M. Enderli. Or, il résulte des termes meinesde notre arrangement
avec M. Enderli que celui-ci s'est engagé uniquement vis-à-Vis de
l'agence Berna et senlementsi pour la durée de celle-ci. Vous vous
trouvez ainsi nous avoirvendu une chose qu'il vous était matériellement
impossible decéder et nous sommes évideuiment lésés par ce fait, ear nous
allons nous trouver dans cette Situation singnlière d'avoir consenti un
sacrifice, pour rendre a M. Enderli sa liberté, ce que nous ne désirons
pas faire, cela va sans dire, puisquecela était contraire a tous nos
intéréts. Nous venons doncvous demander ce que vous comptez faire à
cet égard. A notre avis, vous vous trouvez dans l'altemative snivante
::III. Ohiigationenrecht. N° 54. 509
nous apporter un engagement formel de M. Enderli ou nous indemniser
équitablement. Nous attendons vos déclarations avant de régler
definitivement notre attitude, mais nous faisons dès maintenant
toutes réserves sur Ia decision que nous aurons à prendre au sujet du
premier versement de votre indemnité. Die Bektagten antworteten am
10. gl. Mis. unter der Unterschrift Jenny & Rossier und auf Papier
mit dem Briefson Agentur Berna was folgt: Nous avons reeu votre
lettre du 9 ct. Nous nous empressons de vous adresser ' ci-joiut le
contrat Euderli. Nous remarquons tontefois que vous ne l'avez jamais
reclame et que nous n'avons jamais refusé de vous le délivrer. Nous
ajoutons de plus que d'autres obligations au sujet de cette pièce n'ont
pas été contractées de la part de la Berna et nous declarons vos
assertions yrelatives comme totalement erronnées. Nous n'avons jamais
prétendu que notre contrat avec Enderli était tel que toute concurrence
éventuelle de sa part serait exclue. Ceci est une invention comme la
famense histoire de la Feuille d'aois de Vevey. Il n'y a donc pas lieu
pour nous d'entrer en matière sur la question que vous avez soulevée.
Durch Notisikation vom so./31. Januar 1899, worin sie den Sinn des
Vertrages vom 12. Dezember 1898 nach ihrer Auffassung darlegte, erklärte
die Klägerin den Beklagten n. a., die sich aus Art. 6 des Vertrages der
Beklagten mit Enderli ergebende Thatsache, dass das dem Enderli durch
die Berna auferlegte Konkurrenzverbot beschränkt sei für die Dauer des
Bestehens der Berna," und die für die Vertragsunterhandlnng der Klägerin
mit den Beklagten von entscheidender Bedeutung habe sein müssen, sei ihr
von diesen verschwiegen worden. Demgemäss liegen bei dem Vertrage vom
12. Dezember 1898 wesentliche Mängel des Vertragsabschlusses vor, die
den Vertrag für die Schweiz. Depeschenagentur unverbindlich machen. Auch
aus diesem Grunde werde die Schweiz. Depeschenagentur ihre finanziellen
Gegenleistungen zurückbehalten
Die Depeschenagentur ist zwar der Ansicht, dass die Unmöglichkeit für
Jenny & Stofflet, den Vertrag vom 12. Dezember 1898 seinem Sinn und
Geiste nach zu erfüllen, durch den nun der Depeschenagentur bekannt
gewordenen Wortlaut des Ver-
510 cirilrechtspilege.
trages der Berna mit Enderli vom 12. Juni 1894 hinlänglich festgestellt
ist, und dass der Brief der HH. Jenny & Rossier vom 10. Januar 1899
Überdies eine deutliche Weigerung enthäit, den Vertrag gehörig
zu erfüllen. Für den Fall aber, dass aus irgend einem Grunde die
Ansetzung einer Nachfrist im Sinne des Art. 122 O.-R. als notwendig
erscheinen sollte, wird hiermit den HH. Jenni) & Rossier eine Frist von
14 Tagen, seit der Zustellung dieser Rotisikation, angesetzt, um die
Schweiz. Depeschenagentur, hierfür vertreten durch ihren bevollmächtigten
Anwalt Fürsprecher F Zeerleder, Bubenbergplatz 9 in Bern,v den Nachweis
zu leisten, dass die der Agentur Berna gegen Sg. Enderli aus dem Vertrage
vom 12. Juni 1894 zustehenden Rechte auf die Schweiz. Depeschenagentur
übergegangen sind, widrigenfalls der Vertrag Vom 12. Dezember 1898 auch
aus diesem Gesichtspunkte aufgelöst sein wird.
Für jeden Fall aber behält sich die Schweiz. Depeschenagentur alle ihre
Schadenersatzansprüche aus dem Verhalten der HH. Jenny & Rossier vor und
wird solche nötigenfalls zur Kompensation mit allfälligen Forderungen
derselben ver-stellen.
Ebenso behält sich die Schweiz. Depeschenagentur das Recht auch nach
dieser Notifikation noch vor, an dem Vertrage vom 12. Dezember 1898
festzuhalten und ihre Ansprüche ausdiesem Vertrage unter Verzicht
auf dessen Auflösung zu verfoigen, sowie ihre Schadenersatzansprüche
einzuklagen.
Am 30. Januar deponierte ferner die Klägerin die erste Rate der im
Vertrage vom 12. Dezember 1898 ftipulierten Zahlungen mit 20,000 Fr. auf
dem Bureau Zeerleder, Stettler & Eie. in Bern zu Handen wen Rechten-Z. Am
%./4. Februar liess sie den Beklagten eine zweite Notifikation zustellen
folgenden Inhalts-: Mit Notifikation vom 30., zugestellt am 31. Januar
1899 hat die Schweiz. Depeschenagentur den HH. Jenni) & Rossier, Agattur
Verna, fundgeîhan, weshalb sie die erste auf 31. Januar 1899 fällige
Rate von 20,000 Fr. ihrer im Verträge vom 12. Dezember 1898 vereinbarten
finanziellen Gegenleistungen zurückzubehalten sich veranlasst sieht;
sie wird deshalb auch keine allfällig ihr vorgewiesene Wechsel der
HH. Jenny & Rossier einlbsen Unter Berufung auf die Ausführungen jener
Notifikation.... Ohîîgationenrecht. No 54. "511
hat nun die Schweiz. Depeschenagentur am 30. Januar 1899 den Betrag
von 20,000 Fr. in schweizerischen Banknoten zu Hunden wen Rechtens
im Advokatur-Sachwa1terund Notariatsdure-au Zeerleder, Stettler &
Eie. hinter-legt Das genannte Bureau hat sich verpflichtet, den Betrag
nach Erledigung der zwischen Parteien schwebenden Streitigkeiten auf
erstes Begehren der zum Bezuge berechtigten Partei sofort auszuhändigen,
so dass den HH. Jenni) & Rossier die Befriedigung ihres Anspruchs,
sobald sie dessen Berechtigung werden nachgewiesen haben, gesichert ist.
Die Pflicht zu dieser Vorleisiung im Sinne von Art. 95 Abs. 1 O.-R. wird
verneint. Mit Notifikation vom 17.X18. Februar endlich liess die Klägerin
den Beklagten eröffnen: Mit Notifikation vom 30. Januar 1899 hat die
Schweiz Depeschenagentur den HZ). Jenny & Rossiey Agentur Berna, eine
Nachfrist von 14 Tagen seit Zustellung jener Notifikation im Sinne des
Art. 122 O.-N. angesetzt, um der Schweiz. Depeschenagentur, hierfür
vertreten durch ihren bevollmächtigten Anwalt Fursprech F. Zeerleder,
Bubenbergplatz 9 in Bern, den Nachweis zu leisten, dass die der Agentur
Berna gegen Hm Enderli aus dem Vertrag vorn 12. Juni 1894 zustehenden
Rechte auf die Schweiz Depeschenagentur übergegangen sind, mit der
Androhung, dass in Ermangelung dieses diachweises der Vertrag vom
12. Dezember 1898 auch ans diesem Gesichtspunkte aufgelöst fein werde.
Jene Notifikation vom 30. Januar 1899 ist den Notifikaten am 81. Januar
1899 zugestellt worden. Die angesetzte Nachfrist ist also am 14. Februar
1899 abgelaufen. Es wird verneint, dass biszu diesem Datum und übrigens
auch seither an der in der Notisikation vom SO./31. Januar bezeichneten
Stelle oder auch bei der Notifikantin direkt irgend welche Mitteilung
der Notifikateu in verlangtem Sinne eingegangen sei-
Demgemäss ist der Vertrag vom 12. Dezember 1898 wenn Überhaupt jemals
gültig zu Stande gekommen -jedenfalls mit dem 15. Februar 1899 als
aufgelöst zu betrachten.
Gleichgültig, aus welchem Grunde nun der Vertrag vom 12. Dezember 1898
für die Schweiz. Depeschenagentnr als unverbindlich zu betrachtensseh
erklärt diese hiermit den HH. Jenny & Rosfier, dass sie bereit ist,
die Wirkungen des Vertrages vom
512 Civilrechtspflege.
12, Dezember 1898, soweit dieser bereits vollzogen worden,
wieder·ruckgang1g zu machen, der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes
der Agentur Berna sich nicht zu widersetzen, und Überhaupt die
HH. Jenny & Rossier von den durch sie im Vertrage vom 12. Dezember 1898
übernommenen Verpflichtungen zu entbinden, wie sie sich auch ihrerseits
jeglicher Verpflichtung aus Jenem Vertrage als entbunden betrachtet;
die Schweiz. Depeschenagentur ist insbesondere bereit, auf erstes
Begehren der HH. Jenni) EvRossier mit diesen in Verbindung zu treten,
um die Einzelheiten der Rückgangigmachung der Vertragswirkungen in einer
Konserenz, die der Schweiz. Depeschenageutur für die Regelung der Details
unerlässlich erscheint, gültig zu vereinbaren und sosi: viel an Ihr,
den HH Jenni) & Rossier die Wiederaufnahme ihres Eeschaftsbetriebes zu
ermöglichen. Bis diese unvermeidliche Auseinanderfetzung erfolgt sein
wird, wird die Schweiz. Depeschenigentur die von ihr zu bedienenden
übernommenen Zeitungen im Juteresse dieser Zeitungen selbst sowohl als
auch in dem der HH. Jenny & Rossier zu bedienen fortfahren Dabei bleiben
die Schadenersatzansprücbe der Schweiz Depeschenagentur ausdrücklich
vorbehalten. ss Den Verkehr mit den bisher von der Berna bedienten
Zeitungen setzte die Klägerin gleichwohl fort. 2. Mit Vorladung vom
17. März 1899 liessen die Beklagten die Klagerin auf den 25. gl. Monats
vor den Schiedsrichter Prof. v. Salis laden zur Verhandlung über folgende
Rechtsbegehren: 1. Der von der Beklagten an die Kläger zu zahlende
Kaufpreis sei zu bestimmen auf 49,635 Fr. 60 Cis. 2. Es sei demgemäss
die Beklagte zu verurteilen, den Klägern und zwar jedem zur Hälfte,
folgende Beträge zu bezahlen: , a) 20,000 Fr. mit Verzugszins à 5 Ü/O
seit 31. Januar 1899. 10) 29,635 Fr. 60 (Sis. in 23 Monats-raten von
je 1288 Fr. 50 Cis. anlangend mit 28. Februar 1899, jede Rate zuzüglich
4 Eise Zins vom 1. Januar 1899 bis zu ihrer Fälligkeit und zuzuglich 5
0/0 Verzugszins von der Rate und ihrem 4 0/0 Zinszuwachs seit dein Tage
ihrer Fälligkeit. . Die Klägerin ihrerseits liess am 23. März 1899 den
Beklag-.... Obligalionenrecht. N° 54. 513
ten durch den Vieegerichtspräsidenten von Berti eine Ladung zustellen
über das Rechtsbegehren:
Es sei zu erkennen, der zwischen Parteien am 12. Dezember 1898
abgeschlossene Vertrag sei für die Klägerin unverbindlich und sie sei
nicht schuldig, über die Interpretation dieses Vertrages und die daraus
von den Beklagten hergeleiteten finanziellen An-
sprüche sich auf ein schiedsgerichtliches Verfahren einzulassen.
Daraufhin wurde das schiedsgerichtliche Verfahren bis zur Erledigung
dieser Klage sistiert.
3. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin in ihrer Klageschrift vom
12. Mai 1899, sowie heute vor Bundesgericht geltend gemacht: Sie habe
beim Abschlusse des Vertrages vom 12. Dezember 1898 den Inhalt und die
Tragweite des Vertrages zwischen den Beklagten und Enderli nicht gekannt;
die Beklagten haben sie absichtlich nicht darüber unterrichtet Ferner sei
sie bis zum 10,711. Januar 1899 im Glauben gewesen, die Beklagten seien
in der Lage und gewillt, sie gegen die Konkurrenz Enderlis, gestützt auf
die Vertragsrechte gegenüber diesem, wirksam zu schützen. Die Klägerin
habe sich sonach beim Vertragsabschluss in einem wesentlichen -Irrtum
befunden, und die Beklagten haben diesen Jrrtnm befördert. Dieser Irrtum
sei der Klägerin, resp. ihren autorisierten Organen, nicht vor dem
10. Januar 1899 zum Bewusstsein gelangt, indem die Klägerin erst damals
Vom Vertrage zwischen Enderli und den Beklagten in seinem ganzen Inhalte
Kenntnis erhalten habe, und die Beklagten ihr erst durch ihren Brief
vorn 10. Januar 1899 eröffnet haben, dass sie ihre Verpflichtung ans der
Klausel Enderli lediglich als Pflicht zur Übergabe der Vertragspapiere
auffassten, so dass die Klägerin in keinem Falle den Beklagten vor dem
genannten Datum habe anzeigen können, dass sie wegen Irrtums den Vertrag
nicht zu halten gedenke. Die sämtlichen vom Vertragsabschluss an bis zu
den Notifikationen vorn 30. Januar, Z. Februar, 17., "'18. Februar 1899
gepflogenen Verhandlungen mit den Beklagten sodann seien von dem bloss
zur laufenden Verwaltung, nicht aber zu so weittragenden Verfügungen,
wie nachträgliche Genehmigung des Vertrages vom 12. Dezember 1898,
zuständigen Direktor Ochsenbein ausgegangen und können also die Klä-
514 Civilrechtspflege.
gerin nicht binden. Übrigens komme überhaupt keiner der nach dem
Vertragsabschlusse von der Klägerin oder ihren Organen getroffenen
Massnahmen, ganz besonders auch nicht den erwähnten Notifikationen,
die Natur konkludenter, den Vertrag genehmigender Handlungen zu.
Die Beklagten haben ihren Antrag auf Abweisung der Klagewie folgt
begründet: Zunächst handle es sich lediglich um die vom Schiedsrichter
zu würdigende Frage der Interpretation des Vertrages vom 12. Dezember
1898. In der That stehe einzig inFrage, ob die Beklagten als Inhaber
der Agentnr Berna ihren Verpflichtungen, die sie durch den Abschluss des
erwähnten Vertrages gegenüber der Klägerschaft eingegangen, nachgekotnmen
seien, speziell ob zu diesen Verpflichtungen auch der Nachweis gehöre,
dass das von der Agentur Verna gegenüber Enderli laut Kaufvertrag vom
12. Juni 1894 ausgewirkte Konkurrenzverbot auch gegenüber der Klägerschaft
in Geltung verbleibe oder ob es nicht genüge, dass die Agentur Berna
ihre Rechte aus dem Vertrage mit Enderli gemäss Art. 2 des Vertrages
vom 12. Dezember 1898 der Schweiz. Depescltenagentur abgetreten habe
und bereit sei, ihr jenen Vertrag zwecks gutfindender Wahrung ihrer
Rechte gegen Enderli auszuhändigen. Dieser Punkt entziehe sich aber der
Kognition der ordentlichen Gerichte, weil die Entscheidung der Frage,
ob die Agentur der Berna den Vertrag vom 12. Dezember 1898 in vollem
Umsange erfüllt habe, von der Auslegung dieses Vertrages abhauge,
also in die Ausgabe des Schiedsrichters falle. Wetterhin haben die
Beklagten das Vorhandensein der von der Klägeriu behaupteten Mängel des
Vertragsabschlusses bestritten und endlich geltend gemacht, wenn auch
der Vertrag vom 12. Dezember 1898 anfänglich für die Klägerschaft aus
den von ihr angegebenen Gründen unverbindlich gewesen sein sollte, so
müsste in ihrem seitherigen Verhalten eine Genehmigung jenes Vertrages
erblickt werden.
Die Vorinstanz hat die Klage, soweit sie sich überhaupt zuderen
Beurteilung zuständig erklärt hat, aus dem von den Beklagten in letzter
Linie geltend gemachten Grunde abgewiesen, ohne zu prüfen, ob die von
der Klägerin behaupteten Vertragsmäugel _ überhaupt vorliegen.,.
III. Obligationem'echt. N° 54. 015
4. In rechtlicher Beziehung fragt es sich für das Bundesgericht
zunächst, ob und inwieweit dessen Kompetenz zur Beurteilung der
vorliegenden Streitsache gegeben sei. Und zwar ist diese Frage
nach zwei Richtungen zu prüfen: zu untersuchen Ist eximal, wie weit
die Streitsache überhaupt vor die ordentlichen Oerichte gehöre, und
sodann, ob und inwieweit etdgenossischelaRecht auwendbar ist. Nun geht
das Klagebegehren in erster Linie aus Unverbindlicherklärung eines
Kausvertrages, in dein n. a. auch eine Schiedsgerichtsklausel enthalten
ist; in zweiter Lune, als Kostsequenz des ersten Begehrens, wird mit der
"fliege verlangt, Ue Klagerin sei nicht pflichtig zu erklären, sich uber
die Juterpretæ tiou dieses Vertrages und die daraus von den Beklagteu
bergeleiteten finanziellen Ansprüche auf das un Vertrage vorgesehene
schiedsgerichtliche Verfahren einzulassen. Ob nun der ganze Vesrk trag
und damit auch die darin enthaltene Schiedsgerichtsklau egültig sei,
ist nicht vom Schiedsrichter, sondern von den ordentlichen Gerichten
zu prüfen. Denn der Schiedsrichter hat nach dem Vertrage selbst nur
zu entscheiden über alleStreitigkeiten betreffend Festsetzung der
Höhe der finanziellen Geg:nleistungät: der Klägerin, und über die
Auslegung des Vertrages, Î m ;) aber über die Frage der Existenz,
die Gültigkeit des Vertrages selbst. Diese Kompetenz könnte ihm denn
auch nach allgemeingm Grundsatze gar nicht übertragen werden, da ja die
GultigkeitV er Schiedsgerichtsklausel abhängig ist von. der Gultigkeit
des er: trages selbst, und die Frage der Gültigkeit einer. Kompromgsk
klausel nur vom ordentlichen Richter endgnltig entschieden wer en kann
(vergl. speziell Ath Samml. der bundesgerichtl. Entsch Bd. VII, S. 705,
Erw. i), Dagegen gehören darin alleémgé, wenn erkannt werden mug, der
Vertrag sei gültig zu Stande
gekommen, alle Auslegungsfragen vor den Schiedsrichter. Zu
diesen Fragen gehört aber auch die," ob der Vertrag vvf? ber
Klagerin wegen nicht gehöriger Erfullung durchdIe Beagben
habe aufgehoben werden können; denn die Entscheidung hkilerut er
hängt ab von der Tragweite der Verpflichtungen der Ve agli-?: ist eine
Entscheidung über die Art und das Max dieser Vuprlungen, somit eine
Frage der Auslegung desn Vertrages gänz
Kompetenz der ordentlichen Gerichte beschranlt sich daher auf le
518 Civilrechtspflege.
Frage der Gültigkeit oder Richtigkeit des Vertrages und erstreckt sich
nicht auf diejenige der spätern einseitigen Aufhebung desselben durch die
Klagerin Jst sonach die Kompetenz des Bundesgerichts insoweit gegeben, als
es sich überhaupt um eine von den ordentlichen Gerichten zu entscheidende
Frage handelt, so ergiebt sich weiterhin, dass diese Kompetenz auch
in der Richtung vorhanden ist, dass die Streitsache unter Anwendung
eidgenbssischen Privatrechts zu beurteilen ist. Denn zur Entscheidung
steht, wie bemerkt, die Frage der Gültigkeit eines Kaufvertrages, der
unzweifelhaft vom eidgenössischen Recht beherrscht wird.
· 5. Die Gültigkeit des Vertrages vom 12. Dezember 1898 wird von der
Klägerin angefochten mit der Begründung, sie habe sich bei dessen
Abschluss in einem wesentlichen, durch die Beklagten hervorgerufenen
Irrtum befunden, indem sie der Meinung gewesen sei, das Konkurrenzverbot,
das den Beklagten gegenüber Enderli zustand, werde auch auf sie
übergehen, was nun aber thatsächlich nicht der Fall sei. Die Beklagten
haben auch heute noch überhaupt bestritten, dass sie ihre vertraglichen
Verpflichtungen bezüglich der Klausel Enderli nicht erfüllt hätten und
nicht erfüllen könnten, und im übrigen das Vorhandensein der von der
Klagerin behaupteten Willensmängel in Abrede gestellt; eventuell behaup*
ten sie auch heute noch, die Klägerin habe den Vertrag nachträglich
genehmigt. Da die Vorinstanz nur diesen letztern Standpunkt geprüft hat,
empfiehlt es sich, auch hier zunächst dessen Berechtigung zu überprüfen,
da bei Befahung der Frage der Genehmigung die übrigen Fragen nicht zu
entscheiden find.
6. Nach Art. 28 Q.-R. gilt ein wegen Irrtums, Vetruges oder Furchterregung
anfechtbarer Vertrag als genehmigt, wenn der anfechtungsberechtigte Teil
binnen Jahresfrist zu rechnen Von der Entdeckung des Irrtums und Betruges
an, und im Falle der Furcht von deren Beseitigung an -weder dem andern
eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte
Leistung zurückfordert Danach ist ein wegen Willensmängel anfechtbarer,
für den einen Teil unverbindlicher Vertrag als von Anfang an ungültig
anzusehen; dagegen kann er konvaleseieren durch nur passives Verhalten
des Ansechtnngsberechtigten. Die Kompaleseenz kann aber auch erfolgen
durch positive Handlungen desIII. Omigalionenrecht. N° 54. 517
Ansechtungsberechtigten, seien es ausdrückliche Willenserklärungem seien
es konkludente Handlungen Diese Genehmigungshandlungets müssen stattfinden
zu einer Zeit, in der der Anfechtungsberechtigte vom Willensmangel
Kenntnis hat, und klar, deutlich sein. Als klarste und deutlichste
Handlung, aus der Genehmigung gefolgert werden muss, ist die Erfüllung
des Vertrages durch den Anfechtungsberechtigten und sein Beharren aus
der Ersullung durch den andern Teil zu bezeichnen. Im vorliegenden
Falle Ergiebt sich nun folgendes: Nach der eigenen Darstellung der
Klagerin m Verbindung mit der Aussage ihres Direktors (Ochsenbein)
hatte dieser mit dem Beklagten Jenni} eine Unterrednng mit Bezug auf
die Klausel Enderli schon am 19. oder 20. Dezember 1898. Schon zu diesem
Zeitpunkte musste also dem Direktor der Klagertnkder angebliche Irrtum
über diese Vertragsklausel bekannt sein. Die Klägerin hat nun in der
Klage (Art. 27) selbst gesagt, die Parteien seien damals zwischen dem
20. und ZO. Dezember 1898 darüber einig gewesen, 1. dass die Beklagten
die Verpflichtung eingegangen seien, ihre Rechte gegen Enderli aus
dem Vertrage vom 12. Juni 1894 der Klägerin zu nbertragen; Hydass
diese Übertragung angesichts der Bestimmung des Art. 6 dkp Jertrages
vom 12. Juni 1894 ohne Zustimmung aEnderlw nicht stattfinden könne
Nichtsdestoweniger teilte die Klagerin den Beklagten durch Zuschrift
vorn 30. Dezember 1898 nnt, dass sie alle von diesen bedienten Zeitungen
avisiert habe, sie-werde die Von der Berna eingegangenen Verpflichtungen
skrupnloe ersullen; und sie hat dann auch in der That aus 1. Januar
1899 den Geschäftsbetrieb übernommen. Ihren Standpunkt gegenvuber den
Beklagten hat sie (im Brief vom 9. Januar 1899) dahan mag}: fieri, die
Beklagten haben ihr entweder eine Erklazung Luderlss beizubringen, nicht
zu konkurrieren, oder sie haben sie zuwentschw digen. Von· der Androhung
oder Antundtgung des Rucktrittes Vom Vertrage wegen Underbindlichkeit
infolge erIrrtums oder Betruges ist keine Rede. Schon hierin allein
ist eine nstillschweigende Genehmigung des Vertrages zu erblicken-,
vorbehaltlich der von der Klägerin erhobenen und unten zu besprechenden
Einwendungen. Jedenfalls aber auch wenn man nicht Kenntth der Klägerin
Vom angeblichen Irrtum schon vor dem 1. Januar
518 Civilrechtspflege.
1899 annehmen will musste sie hiervon Kenntnis erhalten (wie sie selbst
zugiebt) durch den Brief der Beklagteu vorn 10. Januar 1899, mit welchem
ihr der Vertrag der Beklagten mit Enderli übersandt wurde. Allein auch
nach diesem Zeitpunktes war ihr Verhalten nicht derart, dass auf eine
Nichtgenehmignng des Vertrages geschlossen werden müsste. Die Klägerin
hat allerdings den Beklagten mit Notisikation vom SO,/31. Januar 1899
angezeigt, der Vertrag leide an wesentlichen Mängeln, die ihn für
die Klägerin underbindlich machen. Sie hat jedoch hieraus nicht den
Schluss gezogen, den Beklagten zu erklären, wegen Unverbindlichkeit des
Vertrages trete sie zurück und sie führe das Geschäft, das sie schon
übernommen hatte, nicht, oder nur vorläufig auf Rechnung der Veklagten,
weiter; sondern sie hat nur erklärt, ihre finanziellen Gegenleistungen
zurückzubehalten, und überdiesden Beklagten eine Frist zur nachträglichen
Vertragserfüllung gesetzt, und sich ihr Festhalten an dem Vertrage
ausdrücklichvorbehalten. Das durfte sie nun nicht thun; das eine
schloss das andere aus. Entweder betrachtete die Klägerin den Vertrag
wegen Irrtums als für sie unverbindlich dann hatte sie alle hieraus
entstehenden Folgen zu übernehmen und den Beklagten mitzuteilen; oder sie
hielt an der Erfüllung des Vertrages fest dann war aber die Erklärung
der Unverbindlichkeit ungültig, weil gegen dieeigenen Handlungen der
Klägerin verstossend. An diesem Standpunkte hat die Klägerin durch ihre
zweite Notifikation nichts geändert. Erst in der dritten Notisikation
stellte sie sich auf den Boden, der Vertrag sei vollständig rückgängig
zu machen. In diesem Zeitpunkte war es aber, nach der vorhergegangenen
Übernahme des Geschäfte-J und dem Beharren aus der Erfüllung, zu spät,
diesen Standpunkt einzunehmen; er widersprach den eigenen Handlungen
und frühern Erklärungen der Klägerin, und durftedaher von ihr nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben jetzt nicht mehr eingenommen werden.
7. Die Klägerin macht nun freilich gegenüber der Annahme, in ihrem ganzen
Verhalten schon vor dem 10. Januar 1899, speziell in der Übernahme
des Geschäfts, liege eine Genehmigung, geltend: erstens sei Direktor
Ochsenbein gar nicht zu so weitgehenden Handlungen befugt gewesen;
und zweitens sei die Übernahme nur provisorisch und auf Rechnung der
Beklagten erfolgt;III. Obligationem'echt. N° ai. 519
'die Frage betreffend die Klansel Enderli sei auf den Zeitpunkt der
Erfüllung des Vertrages 1. Januar 1899 noch tn suspenso gewesen. Zum
ersten Standpunkt ist zunächst zu bemerken, dass er als in der
bundesgerichtlichen Instanz neu vorgebracht und deshalb gemäss Art. 80
O.-G. ausgeschlossen erscheint. Seine Richtigkeit scheint Übrigens auch
aus materiellen Gründen sehr zweifelhaft; es kann doch kaum angenommen
werden, dass nicht die kompetenten Organe der Klägerin selbst von diesen
wichtigen Vorgängen Kenntnis gehabt hätten; überdies geht ans den
-Statuten der Klägerin vom 3. August 1894, wonach zur Berwaltung ein
Verwaltungsrat (Art. 30), zur Führungder laufenden Geschäfte (am. 40)
ein Direktor bestellt ist, nicht ganz klar hervor, wie weit in dieser
Sache die Kompetenz des Direktors ging. Daraus, dass die Klägerin in
Art. 27 der Klage selbst von einein Einverständnis der Parteien" Über die
aus Seite 21 hiervor erwähnten Punkte spricht, scheint hervorzugehen,
dass die Klägerin die Kenntnis des Direktors Qchsenbein sich selbst
zur Kenntnis anrechnete. Es ist daher ohne weiteres davon auszugehen,
dass die Kenntnis des Direktor-s auch Kenntnis der Klägerin selbst
bedeutete, und dass durch die Handlungen jenes diese verpflichtet
wurde. Für die Begründetheit des zweiten Standpunktes sodann liegt in
den Akten gar nichts vor. Eine derartige provisorische Übernahme eines
Geschäftes erscheint als etwas aussergewöhnliches, anormalesz und die
Klägerin hätte Jedenfalls, wenn sie die Übernahme so verstanden wissen
wollte, einen Vorbehalt machen müssen. Eine provisorische Ubernahme ist
umsoweniger anzunehmen, als im Bertrage selbst (Art. 4) eine eventuelle
Verschiebung des Antritts auf 1. Februar 1899 vorgesehen war; hiervon
hätte die Klägerin gewiss Gebrauch gemacht, wenn sie die Übernahme nicht
definitiv gewollt hätte. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und somit das Urteil des Appellationsund
Kassationshofes des Kantons Bern vom 27. Juni 1901 in allen Teilen
bestätigt.