B. STRAFRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA Jus-HorPÉNALEPolizeigesetze
des Bundes.

Lois de police de la Confédération.

I. Markenrecht.

Marques de fabrique et de commerce.

92. Urteil des Kassationshofes vom 13. Dezember 1901 .

in Sachen Schindler gegen Bundesanwaltschaft.

Art. 14 una! 15 M.-Schss.-Ges. ; Art. 14 der Vollziehungsverorciemng
hiezu wm 7. April 1891. Abgrenzung de? Befeegnisse dee" Gerichte
amd der Verwaltungsbeleärden. _ Stellung der Bumîesanwaltsehafl bei
Strafprozessen betreffend Markenrechtsverletzung. Are. 28 Abs. 2
M.-Sch. Ges. Beschlagnahme und Konfiskation, A'rt. 31 enni 32 gori.,
is; auch anwendbar bei Markenberülmmng.

A. Durch Urteil vom 7. November 1901 hat das Kanten-Zgericht des Kantons
Schwyz ein Urteil des Bezirksgerichts Schwyz vom 14. September gleichen
Jahres, lautend:

1. Es sei der Beklagte Schindler in eine Geldstrafe von 300 Fr., zahlbar
innert 30 Tagen, nicht zahlendenfalls in eine Freiheitsstrafe von 60
Tagen verurteiltz

2. (Kosten);

3. Seien die beanstandeten Geschäftspapiere polizeilich 'zu konfiszieren;
bestätigt

B. Der Angeklagte Schindler hat gegen dieses Urteil
rechtzeitigI. Markenrecht. N° 92. 528

und in richtiger Form die Kassationsbeschwerde an den Kassationshof des
Bundesgerichts eingereicht, mit dem Antrage: Es sei das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der
Freisprechung des Angeschuldigteu an die kantonale Behörde zurückzuweisen.

C. Die schweizerische Bundesanwaltschaft trägt auf Abweisung der
Kassationsbeschwerde an.

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1.Jn thatsächlicher Beziehung ist zu bemerken: Der Kassationskläger
Schindler war schon durch Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom
22. Mai 1897 auf Grund des Art. 26 des Bundesgesetzes betreffend den
Schutz der Fabrikund Handels-matten verurteilt worden, indem er ein
Bild als Schutzmarke, marque déposée , bezeichnet und benutzt hatte,
das im Hintergrunde die beiden Mythenstöcke, im Vordergrunde links
einen aufrechtftehenden Löwen, rechts einen ebenfalls stehenden Bären,
von denen der erstere das Wappen des Kantons Schwyz, der letztere das
. eidgenössische Wappen hält, darstellt, und das am 31. Dezember 1895 vom
eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum im Markenregister gelöscht
worden war. Am 21. September 1897 liess der Kassationskläger hierauf
unter Nr. 9523 beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum eine
Bildknarke eintragen, die dieselben Bestandteile enthält, wie die eben
genannte, bei der jedoch die beiden Wappenschilde leer (weiss) gelassen
sind und der untere Rand die Aufschrift Schindlers Kirschdestillation
Schwyz trägt. Der Kassationskläger brachte jedoch in der Folge auf
seinen Etiketten, Bestellzeddeln, Briefbogen, Quittungssormularen und
Reiseavis die frühere gelöschte Marke (mit den beiden öffentlichen
Wappen) an, wobei entweder das Wort Schutzmarke oder Fabrikmarke,
Marque de fabrique auf den beiden Mythen stand, Schutz, allerdings etwa
durchgestrichen war, jedoch nur mit Bleistiftz oder die Worte Marque
déposée, la. plus ancienne unter dem Bilde standen. Auf Grund dieses
Thatbestaudes ist der Kassationskläger, nachdem auf Denunziation durch
die Kirschdestillation (E. Felchlin in Schwyz hin die Bundesanwaltschaft
(im Auftrage des Bundesrates) Klage erhoben hatte, durch das eingangs
erwähnte Urteil des Kantonsgerichts Schwyz neuerdings der Ubertretung
des Art. 28 M.-Sch.-Ges. schuldig erklärt worden.

524 B. Strafrechtspflege. Polizeigesetze des Bundes.

2. In seiner Kassationsbeschwerde macht nun der Kafsationskläger geltend:
Erstens leide das Urteil an einer rechtsirrtümlichen Anwendung des Art. 26
M.-Sch.-Ges. Das Kantonsgericht übersehe völlig, dass der Kassationskläger
am 21. September 1897 eine Marke hinter-legt habe. Angesichts dieser
Hinterlegung wäre Art. 26 M.-Sch.-Ges. nur dann anwendbar, wenn die auf
den Geschäftskarten wiedergegebene Marke als eine andere Marke angesehen
werden müsste, als die hinterlegte, weil in ersterer die beiden Wappen
eingesetzt seien, und wenn angenommen werden müsste, ber Kassationskläger
wolle durch die Bezeichnung Marque déposée sälschlicherweise glauben
machen, es seien speziell die beiden Wappenkreuze geschützt Das sei
jedoch nicht der Fall. Die öffentlichen Wappen seien Freizeichen,
sie geniessen also den Marienschutz nicht, dürfen aber von jedermann
frei benutzt werden. Ihre Aufnahme in eine Mark-e würde nur dann nicht
angehen, wenn sie einen wesentlichen Bestandteil der Marken ausmachen
würden; nur unter dieser Voraussetzung dürfte die Eintragung seitens
des Amtes gemäss Art. 14 Ziff. 2 M.-Sch.-Ges. verweigert werden Diese
Voraussetzung treffe aber hier nicht zu, das eidgenössische Amt für
geistiges Eigentum habe daher die Eintragung zu Unrecht verweigert
Der Entscheid des genannten Amtes könne und hierin liege die zweite
Rechtsverletzung an der das angefochtene Urteil leide für die Gerichte
nicht massgebend sein. Drittens seien der Bundesanwaltschaft im
Strafverfahren gegen den Kassationskläger Parteirechte zugestanden
worden, die ihr in Wirklichkeit nach dem Markenschutzgesetze nicht
zustehen. Endlich ent- behre die von der Bundesanwaltschast verlangte und
vom angesochtenen Urteil versügte Beschlagnahtne bezw. Konfiskation der
ungesetzlichen Geschäftspapiere offenbar jeder gesetzlichen Grundlage;
denn in Art. 31 und 32 M.-Sch.-Ges. seien diese Massnahmen nur für die
Fälle der Markennachahmung vorgesehen.

Die Kassationsbeklagte hat sich daraus beschränkt, aus ein Gutachten
des eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum zn verweisen, das
seinerseits lediglich aussührt, der Kassationskläger sei, als Hinterleger
der Marke Nr. 9523, nicht berechtigt, die beanstandete Marke zu verwenden,
da diese zwar das Bild der eingetragenen Marke wiedergebe, von dieser
aber durch Zusätze oder Andernngen in wesentlichen Teilen abweiche,
und dieser MarkeI. Markenrecht. N° 92. 525

eine Bezeichnung beizufügen, die den Glauben erwecken könne, die so
abgeänderte Marke sei eingetragen.

3. Es sieht fest, dass der Kassationskläger schon früher wegen Verwendung
derjenigen Marke, die er heute als geschützte Marke gebraucht,
bestraft worden ist, und dass das eidgenössische Amt für geistiges
Eigentum die Eintragung dieser Marke mit den zwei öffentlichen Wappen
-stets verweigert hat. Nun sind zunächst (entgegen der Ansicht des
Kassationsklägers) die Gerichte an die Entscheide der Verwaltungsbehörden
Über Eintragnug oder Nichteintragnng einer angemeldeten Marke gebunden;
das Gesetz will die Frage, ob einer Marke die Eintragung aus den in
Art. 14 M.-Sch.-Ges. aufgezählten Gründen zu versagen sei, vollständig
den Verwaltungsbehörden überlassen (vgl. auch Art. 14 und 15 der
Vollziehungsverord z. M.-Sch.-Ges. vom 7. April 1891), denen die Sorge
für die formell richtige, gesetzmässige Eintragnng und die Wahrung der
Bestimmungen über Eintragungsfähigkeit obliegt; die Gerichte haben
keine Befugnis-, eine von den Verwaltungsbehörden zurückgewiesene
Marke eintragen zu lassen, sondern es steht ihnen nur zu, auf Klage
hin gegebenen Falls auf Löschung einer Marke (wegen Nachmachung oder
Nachahmung) zu erkennen. Jst dem aber so, sind also die Gerichte an
den Entscheid des eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum, wonach
der Kassationskläger die von ihm thatsächlich verwendete Marke nicht
verwenden darf, gebunden, fo ist auch durch die Verwendung der hienach
unzulässigen Marke bezw. durch deren Bezeichnung als Schutzmarke
U. dgl. der Thatbeftand des Art. 26 Abs. i Vi.-Sch.-Ges. gegeben.
Die Argumentation des Kassationsklägers: die eingetragene Marke mit den
leeren Schildern dürfe er verwenden und verwende er; wenn er nun für
den Verkehr in die Schilder auch noch die WappenBilder setze, so seien
letztere Freizeichen, die gar nicht eingetragen werden können, aber ohne
Eintragung verwendet werden dürfen; wer sich durch diese Wappen über die
Natur der Zeichen täuschen liesse, dem könne der Grundsatz error juris
nocet entgegengehalten werden, hält dem gegenüber nicht stich. Denn es ist
eben, wie bemerkt, durch das Amt fürgeistiges Eigentum in verbindlicher
Weise festgestellt, dass die betressnden Wappen in den Schildern nicht
verwendet werden dürfen und dass das Markenbild mit den Schildern von
dem ohne dieselben wesentlich verschieden ist.

526 B. Strafrechtspflege. Polizeigesetze des Bundes.

4. Der dritte Kassationsgrund: die ungesetzliche Einräumung von
Parteirechten an die Bundesanwaltschast, erscheint ebenfalls
als unstichhaltig. Gemäss Art. 28 Abs. 2 M.-Sch.-Ges. sind die
Kantonsregiernngen gehalten, . . . den ihnen vom Bundesrat eingereichten
Klagen Folge zu geben." Danach steht unzweifelhaft auf dem Gebiete des
Markenrechts dein Bunde ein Strafklagrecht zu, das wohl am einfachften
als Ausfluss und Korrelat des ihm ebenfalls zustehenden materiellen
Strafrechts angesehen wird. Der Bundesrat aber wird in Rechtssachen
naturund gesetzgemäss durch die Bundesanwaltschaft vertreten. Auf die beim
Bundesrat eingereichte Denunziation der Kirschdestillation C. Felchlin
hin war daher der Bundesrat zur Anordnung einer Untersuchung ohne Zweifel
berechtigt, und durfte die Bundesanwaltschaft dessen Rechte ausüben,
freilich nur im Rahmen der ihr durch den schwyzerischen Strasprozess
gewährten Rechte. Wenn ihr daher Parteirechte eingeräumt worden sind,
so kann darin jedenfalls nicht eine Verletzung des eidgenössischen
Markenschutzgesetzes gefunden werden, sondern könnte es sich höchstens
um Nichtbeachtung der Bestimmungen des schwyzerischen Strafversahrens
handeln, was aber vom eidgenössischen Kassationshof nicht zu prüer ist.

5. Die verfügte Beschlagnahme und Konfiskation endlich lässt sich
sehr wohl auf die Art. 31 und 32 M.-Sch.-Ges. stützen. Wenn auch diese
Bestimmungen, ihrem Wortlaute nach, zunächst nur die Markennachmachung
oder Nachahmung im Auge haben, so trifft doch die ratio legis gewiss
ebenso sehr auf die Fälle des Art. 26 Abs. 1 M.-Sch.-Ges., die
sogen. Markenberühmung, zu.

6. Sind sonach sämtliche vom Kassationskläger vorgebrachten
Beschwerdepunkte unbegründet, und leidet das angefochten-e Urteil auch
im übrigen an keinem Mangel, der vom Kassationshos gemäss Art. 171
Abs. 2 Org.-Ges. von Amtes wegen zu beachten ware, so ist die
Kassationsbeschwerde abzuweisen.

Demnach hat der Kasfationshof erkannt:

Die Kassationsbeschwerde wird abgewiesen.

Vergl. auch Nr. 96.II, Patenttaxe-n der Handelsreisenden. N° 93. 527

II. Patenttaxen der Handelsreisenden.

Taxes de patente des voyageurs de commerce.

93. Urteil des Kassationshofes vom 13. Dezember 1901 in Sachen
Bundesanwaltschaft gegen Scheuermeier.

Art. i Abs. i Pat.-Ges.: was heisst (( in ihrem Gewerbe
verwenden? -Gesetzwidrigkeit der dieser Bestimmemg diu-cà das
eidgenössische Handelsdepartement im Februar 1898 gegebenen Ausleg-amg.

A. Durch Urteil vom 1. Juli 1901 hat die III. Appellationskammer des
Obergerichtes des Kantons Zürich erkannt:

Der Angeklagte ist der Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die
Patenttaxen der Handels-reisenden nicht schuldig; die ihm am 13. Februar
1901 vom Statthalteramte Horgen auserlegte Busse wird daher aufgehoben.

B. Gegen dieses dem eidgenössischen Handelsdepartemente, gemäss
Kreis-schreiben des Bundesrates vom LT. Dezember 1899, von der Direktion
der Justiz und Polizei des Kantons Zürich unterm 31. August und
4. September 1901 übersandte Urteil hat der schweizerische Bundesrat
unterm 9. September 1901 bei der Regierung des Kantons Zürich, zu
Handen des dortigen Obergerichtes, die Kassationsbeschwerde an den
Kassationshof des Bundesgerichtes eingelegt, und die Bundesanwaltschaft
mit der Einleitung und Durchführung der Beschwerde beauftragt

G. Die Bundesanwaltschaft stellt in ihrer rechtzeitig eingereichten
Kassationsbeschwerde den Antrag: Es sei das angefochtene Urteil als
nichtig aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonalen
Behörden zurückzuweisen, in der Meinung, dass diese die der Kassation
zu Grunde liegende Beur- teiluug auch ihrer Entscheidung zu Grunde zu
legen haben.

D. Der Kassationsbeklagte trägt auf Abweisung der Kassationsbeschwerde an.

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Der Kassationsbeklagte Scheuermeier, Anteilhaber der Firma
Scheuermeier, Zollinger & Cie., Ol-Jmporthaus in Zurich,
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 27 I 522
Datum : 13. Dezember 1901
Publiziert : 31. Dezember 1902
Quelle : Bundesgericht
Status : 27 I 522
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : B. STRAFRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA Jus-HorPÉNALEPolizeigesetze des Bundes.


Stichwortregister
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