128 B Entscheidungen der Schuldbetreibnngs-

durch Vergleich erledigt und in zweifelhaften Fällen ein Prozess
vermieden werden. Die letztere Fassung bietetaber offenbar der sreien
Würdigung der genannten Organe der Masse für die Beantwortung der Frage,
ob eine wirkliche Abstandserklärung zu erfolgen habe, den ausgedehntesten
Spielraum. Die Behauptung der Rekurrenten, es sei eine bestimmte Weisung
der Gläubigerversammlung missachtet worden, erscheint somit auf dieser
Grundlage als hinfällig.

Nach dem einen oder andern Wortlaute hat man es übrigens mit einer
Frage zu thun, deren Entscheidung durch die Gläubigerversammlung dem
Ermessen der beauftragten Organe anheimgegeben wurde: Ob der Ausgang
eines konkreten Einspruchsprozesses für die Masse nicht ganz sicher
sei bezw. ob es sich dabei um einen für sie zweifelhaften Fall handle,
darüber haben sie Von sich aus selbständig zu befinden. So wenig es
nach bisheriger Praxis ein Beschwerderecht gegenüber einem Beschlusse
der in Frage stehenden Gläubigerversammlung, der auf Fortsetzung eines
hängigen Prozesses lauten würde, gäbe, so wenig kann der dahingehende
Entscheid der an ihrer Stelle Und kraft ihrer Vollmacht und innert den
Grenzen derselben handelnden Organe aus dem Beschwerdewege angefochten
werden. Dazu kommt, dass die Verfügung des Konkursverwalters sich nicht,
wie die Rekurrenten anzunehmen scheinen, als endgültig darstellte, sondern
dass der massgebende Entscheid dem Gläubigerausschusse gemäss der ihm laut
dem Protokolle der Gläubigerversammlung übertragenen Befugnis zustand
und durch den Genehmigungsbeschluss vom 28. September 1900 thatsächlich
erfolgte Nun besteht aber gegen Verfügungen des Gläubigerausschusses nur
insoweit ein Rekursrecht an die Aufsichtsbehörden, als eine Überschreitung
seiner Kompetenzen und damit eine Gesetzesverletzung behauptet wird,
wovon im vorliegenden Falle nach dem Gesagten keine Rede sein kann,
so dass der Rekurs auch aus diesem weitern Grunde abgewiesen werden muss.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konknrskammer erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen. und Konkurskammer. N° 20. _ 129

20. Entscheid vom 19. März 1901 in Sachen Dinkel.

Ist ein Verzicht des Schuldners auf sie Betreiòung auf Pfandver-warm-ng
vor Anheàzmg der Betreibung zulässig?

I. Unterm 11. September 1899 erwarb Christian Gerber, Wirt in Bern,
von Albert Dinkel, Wirt daselbst, käuflich eine Liegenschaft. Nach dem
Vertrage ist die Kausrestanz von 35,000 Fr. durch jährliche, jeweils auf
1. November zu erfolgende Abzahlungen von 5000 Fr. abzutragen. Sollten
diese Amortisationen, bestimmte im weitern der Vertrag, nicht
rechtzeitig geleistet werden, so wird die ganze Kaufrestanz sofort und
ohne vorausgegaugene Kündigung zahlfällig und es hat der Verkäufer das
Recht, für die ganze Kausrestanz oder auch nur für einen Teil derselben,
je nach seiner Wahl die Betreibung auf Pfändung aber diejenige auf
Psandverwertung einzuleiten und durchzuffihren.

Gestützt auf diese Bestimmung verlangte Dinkel am 15. November 1900
für die zweite Amortisation Betreibung auf Psänbung. Das Betreibungsamt
Bau-Stadt entsprach diesem Betreibungsbegehren und liess dem Schuldner
Gerber am 16. November 1900 den Zahlungsbesehl zustellen.

II. Nunmehr erhob Gerber Beschwerde, wobei er im wesentlichen ausführte:
Die vertragltche Vereinbarung, wonach Dinkel nach seiner Wahl die
Betrechung auf Pfändung oder diejenige auf Pfaudverwertung einleiten und
durchführen könne, bestehe nicht zu Recht. Die Vorschrift des Art. 41
Alinea i des Betreibungsgesetzes, welche für den vorliegenden Fall die
Betreibungsart aus Pfandverwertung vorsehe, sei öffentlich-rechtlicher
und deshalb zwingender Natur und lasse sich also durch Parteiverabredung
nicht wegbedingen. Freilich müsse nach der Praxis eine in dieser Beziehung
unrichtig eingeleitete Betreibung durchgeführt werden, wenn der Betriebene
nicht dagegen Beschwerde erhebe. Aber es sei etwas ganz anderes, wenn
der Schuldner im Laufe der Betreibung ein ihm zustehendes Recht nicht
geltend mache, als wenn er zum vornherein auf dessen Geltendmachung ver-

xxv11, &. 1901 9

130 B. Entscheidungen der Schuidbetreibungs-

zichte. Ein derartiger Verzicht auf ein gesetzlich festgelegtes Verfahren
könne in Rücksicht auf die Interessen des Betriebenen und der übrigen
Gläubiger keine Gültigkeit beanspruchen

III. Während das Betreibungsamt Pera-Stadt in seiner Vernehmlassung unter
Aufgabe seines früheren Standpunktes der Auffassung des Beschwerdeführers
beipflichtete, beantragte Dinkel mit folgender Begründung Abweisnng
der Beschwerde:

Art. 41 Abs. 1 des Betreibungsgefetzes stelle sich nicht als eine
zwingende Vorschrift in dem vom Rekurrenten behaupteten Sinne dar. Nach
ständiger Praxis bleibe die Betreibung für eine pfandversicherte
Forderung, wenn sie auf Pfändung oder Konkurs eingeleitet würde, gültig,
sofern der Schuldner dagegen nicht Beschwerde führe (man vergl. Weber
und Brüstlein, 2. Auflage, 'S. 47 zu Art. 41). Es sei demnach nicht
einzusehen, warum Gläubiger und Schuldner schon bei der Konstituierung
der Schuld nicht vereinbaren dürften, es habe der Gläubiger die Wahl,
auf Psandverwertung oder auf Pfändung zu betreiben. Damit werde die
Rechtssicherheit in keiner Weise gefährdet. Im vorliegenden Falle
z. B. sei das Recht des Gläubigers Dinkel, welches als Rechtsunsicherheit
schaffend angefochten werde, in einem notarialisch stipulierten, im
Grundbuch eingetragenen Kaufvertrage nieder· gelegt. Es sollen überhaupt
die Parteien die Grundlage für das hinsichtlich der Forderungen aus
ihren Rechtsverhältnissen einzuschlagende Betreibungsverfahren, das
natürlich ein gefetzliches sein müsse, frei schaffen dürfen. Zweifellos
könne der Schuldner dem Gläubiger für eine Kaufrestanzquote, welche
wie die ganze Kansrestanz unterpfändlich versichert sei, eine besondere
Schuldverpflichtung oder einen Wechsel ausstellen, um ihm die Betreibung
auf Pfändung oder die Wechselbetreibung zu ermöglichen, ohne dass der
Gläubiger notwendigerweise auf die unterpfändliche Sicherheit verzichte,
d. h. ohne dass die Parteien damit eine Novation der Teilschuld
herbeiführen. Ebensogut seien die Parteien berechtigt, in dem Vertrag
selbst dem Gläubiger das Recht einzuräumen, einzelne Staten auf dem Wege
der Betreibung auf Pfand-verwertung oder auf Pfändung zu realisieren
Das Gesetz sei nicht dazu da, um den Kontrahenten die Hände zu binden
und ihnen vertragliche Vereinbarungen zu untersagen, welche nicht nur
nichtsund Konkurskammer. N° 20. _ 131

anstössiges an sich tragen, sondern in den praktischen Verhältnissen
durchaus begründet seien.

IV. Mit Entscheid vom 11. Januar 1901 erklärte die kaumnale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde für begründet und hob demgemäss die von
Dinkel eingeleitete Betreibung auf.

V. Gegen diesen Entscheid rekurrierte Dinkel rechtzeitig an das
Bundesgericht Seinen frühern Ausführungen fügte er noch Bei, dass die
Stellung der dritten Gläubiger, welchen Punkt die Vorinstanz vornehmlich
in Betracht gezogen habe, sich gleich bleibe, ob der Verzicht des
Schuldners auf das Verfahren nach Art. 41 Abs. 1 nach Anhebung der
Betreibung stillschweigend erfolge oder schon vorher durch ausdrückliches
Abkommen. Im Gegenteil sei letzteren Falles der Dritte in der Lage,
sich von dem betreffenden Abkommen Kenntnis zu verschaffen

Die Schnldbetreibungss und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Die Entscheidung des Rekurses hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob
ein Schuldner schon vor Anhebung der Betreibung auf die Geltendmachung
der sonst gesetzlich zur Anwendung kommenden Betreibungsart auf
Pfandverwertung rechtsgültig verzichten und an deren Stelle die Betreibnng
auf Pfändung zulasseu könne oder nicht. Ein derartiger Verzicht kann laut
der bisherigen Praxis (vergl. Archiv I, Nr. 22 und 23) nach Zustellung des
Zahlungsbefehles durch Nichtanfechtung desselben wirksam erfolgen. Daraus
lässt sich aber keineswegs schliessen, dass er nun auch unter der
zuerst angegebenen Voraussetzung als möglich zu erachten sei. Denn die
Verhältnisse liegen in den beiden Fällen wesentlich verschieden: Im
zuletzt genannten wird dem Schuldner durch die Anhebung der Betreibung
auf eindringliche Weise nahe gelegt, sich die Folgen eines solchen
Verzicht-es wohl zu überlegen. Und würde man ferner denselben hier als
schlechthin unstatthaft und unwirksam erklären, so käme dies insoweit
einer schweren und unbilligen Benachteiligung des Gläubigers gleich,
als es der Schuldner in der Hand hatte, eine aus Nechtsirrtum unrichtig
angehobene Betreibung ohne Widerspruch durch alle Stadien weiter gehen
zu lassen, um sie dann schliesslich als ungültig anzufechten In dem in
Frage stehenden Falle treffen

132 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

diese Erwägungen nicht zu: Dem Verzichtenden wird die Existenz
und der Wert seines ihm gesetzlich zustehenden Rechtes-, die
vorherige Durchführung der Zwangsvollstreckung in das Pfandobjets zu
verlangen, nicht oder doch nicht mit solchem Nachdrucke zum Bewusstsein
gebracht. Vielmehr wird er sich in der Regel erst bei der spätern Anhebung
der Betreidung klar werden, dass er leichthin auf eine wichtige Befugnis
verzichtet und sich schwer geschädigt hat, letzteres namentlich in der
Hinsicht, dass die Zulassung der Betreibung aus dem Wege der Pfändung
die sofortige Anhebung von weitern Betreibungen dieser Art zur Folge
haben kann. Auch der andere Gesichtspunkt fällt hier ausser Betracht,
wonach eine Benachteiligung des Gläubiger-Z durch erst nachträgliche
Ungültigkeitsetklärung bereits durchgeführier Betretbungsakte
möglich ist; denn zu solchen kann es hier erst später kommen und,
wie ausgeführt, kondalescieren dann dieselben bei nicht rechtzeitigem
Widerspruch des Schuldners gegen die angehobene Beireibung. Aus diesen
Gründen rechtfertigt es sich, einen Unterschied in der Behandlung der
beiden Fälle zu machen und demnach einer der Anhebung der Beireibung
vorgängigen Verzichtserklärung des Schnldners als solcher rechtliche
Verbindlichkeit zu versagen. In diesem Sinne wird denn auch in Bezug
aus andere dem Schuldner zustehende Befugnisse betreibungsrechtlicher
Natur unterschieden: so ist namentlich anerkannt, dass ein gültiger
Verzicht auf die gesetzlich begründete Kompetenzqualität eines
Bermögensstückes erst möglich ist, wenn sich nach angehobenem Verfahren
die Zwangsvollstreckung thatsächlich gegen dieses Objekt richtet. Demnach
hat die Schuldbetreibungs und Konknrskammer erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen. und Konkurskammer. N° 21. _ 133

21. Arrét du 19 mars 1901 dans Za cause Bräutigam.

Poursuite en faillite contre une société en nom collectif. Prétention
de l'un des associés que son appari füt déclaré insaisissable comme
provenant d'une indemnité pour accident dans le sens de l'art. 92,
ch. 10 L. P. et F.

I. Par transaction du 5 février 1897, Jean Bräutigam, rà Lausanne, a
obtenu de la Compagnie du Jura Simplon une indemnité de 15 000 francs
à. raison de deux accidents qui lui étaient snrvenus en 1895 au service
de cette Compagnie. Le 14 juin 1899, Bräutigam a formé avec le sieur
Rinaldi une société en nom collectif, sous la raison sociale Rinaldi &
Cie , à Lausanne. Pour son apport, Bräutigam a versé une somme de 1000
francs, qu'il dit provenir de l'indemnité susmentionnee. La société ayant
été déclarée en faillite le 19 septembre 1900, il a fait une production
par laquelle il a demandé que sen apport lui fùt restitué intégralemeut
comme insaîsissable. Cette production a été écartée par l'administration
de la masse. L'action en changement de l'état de collo.cation ouverte
dans la suite par Bräutigam a été rejetée par prononcé du Président du
Tribunal de Lausanne en date du 10 décembre 1900. Bräutigam a alors,
par réquisition du 21 décembre 1900, demandé à l'office des faillites de
Lausannne que son apport, étant insaisissable, fut. reconstitué par un
prélèvement de 1000 francs sur l'actif et lui fùt remis. L'office ayant
repoussé la prétention de Bräutigam, celni-ci a porté plainte laquelle a
été écartée par les deux instances cantonales. La decision de l'autorité
supérieure, datée du 4 février, fait valoir en substance que le recourant
n'a pas qualité pour se plaiudre en son propre nom contre une mesure
concernant l'application de l'art. 224 LP. aux biens de la société en
faiilite et que, au fond, la prétendue insaisissabilité de l'indemnîté
percue n'existe plus à partir du moment où la. somme en question a été
versée comme apport à la dtie société.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 27 I 129
Date : 19. März 1901
Published : 31. Dezember 1902
Source : Bundesgericht
Status : 27 I 129
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 128 B Entscheidungen der Schuldbetreibnngs- durch Vergleich erledigt und in zweifelhaften


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