840 Civilrechlspflege.
pere, et qu'en raison des lésions qu'il a subies sa. capacité de
travail est réduite de 50 0/0, sans compter l'éventualité possible de
complications ultérieures, il faut admettre que le demandeur se verra
dans la, nécessité de s'adjoindre à l'avenir un bon valet, ou domestique
de campagne, pouvant le suppléer au besoin; or l'entretien, le logement et
le salaire d'un semblable domestique nécessitent une dépense dîenviron 700
fr. par an. A l'àsige (26 ans) qu'avait Chassot au jour de l'accident,
la. valeur d'une rente annuelle de 700 fr. serait d'environ 13 400
fr. Si l'on ajoute à ce montant, en vertu des art. 53 et 54 CO. une somme
destinée à rembourser equitablement les frais de traitement et à. servîr
de réparasstion au dommage non materie] épronvé, en particulier ensuite
de la.. défiguration subie et des souifrances endurées par le demandenr;
si l'on tient compte d'autre part des vicissitudes financières auanelles
un agriculteur est exposé dans les circonstances où se trouve Chassot,
et de la circonstance que celuici aurait, meme abstraction faite de
l'accident, été contraint plus tard de renoncer, pour cause d'àge, à la
direction personnelle de son domaine, il paraît juste d'arbitrer soit de
réduire la somme repräsentative du dommage total subi par le demandeur
à. un minimum de 10 000 fr. environ, dont la moitié peut etre mise à la
charge de la kaute concomitante commise par lui. Il convient dès lors de
fixer à 5000 fr. 13. somme à payer par la. Confédération au dit demandeur,
ensuite des considérations qui précèdent.
Par ces motifs,
Le Tribunal fédéral pronunce:
La demande est déclarée partiellement fondée, en ce sens que la
Confédération suisse, soit Padmjnistration federale des télégraphes et
téléphones, est condamnée à payer au demandeur A. Chassot-Forney à titre
de dommages-intéréts la. somme de cinq mille francs ( 5000 fr.) avec
intérét au 5 M, des le 26 décembre 1898.IX. Civilstreitigkeiten vor
Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 841
IX. Civilstreitigkeiten, zu deren Beurteilung das Bundesgericht von
beiden Parteien angerufen worden war.
Difi'érends de droit civil portes devant le Tribunal federal par
conventions des parties.
104. Urteil vom 6,/7. November 1900 in Sachen Schweizerische
Nordostbahngesellschaft gegen Stadtgemeinde Brixia).
Streit wegen Umfnssnges der einer Balangesellsckaft gewährten
Stone:-frs!heiten. Prarogaz'fo fori gemäss Art. 52 Z é/f. :! Org.-Ges. ;
Umfang derselben. Abgrenzung der civilrechtlichen Frage des Umfa-ngesss
des Stenm'privilegs von den öffentlich rechtlichen Fragen des kantonalen
Steuerrechîes. Mietwertsteuer.
A. Nachdem in den §F 75 und 76 des zürcherischen Gesetzes betreffend
die Zuteilung der Gemeinden Aussersihh Enge, Fluntern, Hirslanden,
Heitinga, Qberstrass, Riesbach, Unterstrass, Miedikon, Wipkingen und
Wollishofen an die Stadt Zürich, und die Gemeindesteuem der Städte Zürich
und Winterthur, vom 9. August 1891, die Stadt Zürich ermächtigt worden
war, eine nach dem Mietwert zu berechnende Wohnungsfteuer zu beziehen,
erklärten die städtischen Steuerbehörden auch die schweizerische
Nordoftbahngesellschaft für mietwertsteuerpflichtig Die Direktion der
Nordostbahn nahm hiegegen Stellung, indem sie einerseits-, gestützt auf
ihre Konzessionen, die Steuerfreiheit des Hauptbahnhofes beanspruchte,
anderseits die Erhebung einer Mietwertfteuer von Gebäuden und Räumen,
die Bahnzwecken dienen, als unstatthaft erklärte. Trotzdem erhielt
die Nordostbahn am 30. Dezember 1893 eine vom 29. Dezember datierende
Taxationsanzeige betreffend die Mietwerlsteuer pro 1893" mit einem
Steuerbetrag von 15,771 Fr. 55 (été. Sie erhob dagegen am 12. Januar
1894 nach § 77 Abs. 2 des Zuteikungsgefetzes Rekurs an den Bezirks-rat
Darauf ging ihr im Dezember 1894 eine Revidierte
842 Giviirechtspflege.
Taxationsanzeige betreffend die Mietwertsteuer pro 1893 zu, worin
die Steuersumme auf 10,025 Fr. 50 Cts. ermässigt war. Aber auch diese
Taxationsanzeige wurde ersetzt durch eine solche vom 18. Februar 1896,
welche die Steuer für 3 Jahre, 1893 95, umfasste, und dieselbe auf 8485
Fr. 65 (Et 3. pro 18933, 9123 Fr. 35 Cis. pro 1894 und 9761 Fr. 35 W. pro
1895 bezifferte, zusammen auf 27,370 Fr. 35 Cis. Die Nordostbahnlegte
auch gegen diese Taratiou, unterm 28. Februar 1896, beim Bezirksrat
Rekurs ein. Am 18. Juni 1896 wies der Bezirksrat die Rekurse der
Nordostbahn vom 12. Januar 1894 und 28. Februar 1896 ab, worauf die
Gesellschaft am 25. Juli 1896 zur Zahlung gemahnt wurde. Nachdem ein
Gesuch, mit der Betreibung bis nach Erlass eines letztinstanzlichen,
rechtskräftigen Entscheides zuzuwarten, vom Steuervorstand abschlägig
beschieden worden war, bezahlte die Nordoftbahn am 1. August 1896 den
ganzen geforderten Mietwertsteuerbetrag von 27,370 Fr. 35 Cis-. an
das städtische Steuerbureau, mit der Erklärung indessen, dass sie den
Beschluss des Bezirksrates nicht anerkenne und demselben gegenüber
sowohl vor Bundesgericht als vor den kantonalen Gerichten das Recht
auf Steuerfreiheit geltend machen werde, dass sie also nur mit dem
ausdrücklichen Vorbehalte der Rücksorderung der ganzen Summe, eventuell
eines Teiles derselben, Zahlung leiste. Unterm 17. August 1896 reichte
die Nordostbahn durch ihre Direktion gegen das Vorgehen der kantonalen
Behörden beim Bundesgericht einen staatsrechtlichen Rekurs ein, mit
dem Antrag: Das Bundesgericht wolle den Entscheid des Bezirksrats
Zürich vom 18. Juni 1896 wegen Verfassungswidrigkeit aufheben. Am 8
Oktober 1896 beschloss das Bundesgericht, es sei die Nordostbahn an den
Civilrichter zu weisen, gm: Feststellung des Umfanges der in Anspruch
genommenen Steuerimmunität als eines wohlerworbeneu Privatrechts, unter
Vorbehalt späterer Erledigung der staatsrechtlichen Fragen, die der
Rekurs der Nordostbahn vom 17. August 1896 aufwirft, in der Meinung,
dass diese Fragen erst in Behandlung genommen werden sollen, nachdem
der Civilrechtsstreit seine Erledigung gefunden haben werde.
B. Darauf leitete die Nordostbahn mit Eingabe vom 23. März 1897 beim
Friedensrichteramt I der Stadt Zürich gegenIX. Civilstreiiigkeiten vor
Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 843
die Stadtgemeinde Zürich Klage ein, mit folgenden Rechtsfragen:
I. Jst die Beklagte verpflichtet, die der Klägerin durch die Konzessionen
gewährleistete Steuerfreiheit des Hauptbahnhofes in Zürich, mit Inbegriff
der Geleiseanlagen, Reparaturwerkstätten, Reinisem Güterschuppen und
übrigen zugehörigen Gebäulichkeiten und Betriebseinrichtungen (ausgenommen
Lagerhaus und Sprükeller) im vollen Umfang und ohne Rücksicht auf die
seither erfolgte Einführung steuerpflichtiger Linien anzuerkennen? .
II. Jst die Beklagte verpflichtet, anzuerkennen, dass die Steuerfreiheit
des Hauptbahnhoses auch keine Änderung erleidet: a. durch den Umstand,
dass die allgemeine Verwaltung und der centrale Betriebsdienst ihren
Sitz zum Teil im Hauptbahnhof haben; b. durch den Verkehr-, der sich
von fteuerpflichtigen über steuerfreie Linien nach dem Hauptbahnhof,
oder über steuerfreie nach steuerpflichtigen Linien vom Hauptbahnhof
aus bewegt; c. durch Mitbenutzung der Bahnstrecke Wallisellen-Zürich
und des Hauptbahnhofes durch die Vereinigten SchweizerbahnenZ
III. Jst die Beklagte insbesondere verpflichtet, anzuerkennen, dass
folgende Gebäude bezw. Räume ihrer Zweckbestimmung und Benutzung
nach steuerfrei sind: 1. Asseturanz Nr. 547 Museumstrasse 3/5;
2. Assekuranz Nr. 896 Löwenstrasse 54 (Tarifbureau); 3. Assekuranz Nr. 109
(Venedigli, Betriebskontrolle); 4. Assekuranz Nr. 206, Lavaterstrasse
31 (Statistisches Bureau); 5. Assekuranz Nr. 37 a, Weidmannsches Haus,
Vorbahnhof (Wohnung des Oberingeuieurs für den Betrieb); 6. die drei
Wohnungen im Hauptbahnhof?
IV. Jst die Beklagte verpflichtet, entweder: a. an die Klägerin die
für die Jahre 1893, 1894 und 1895 zu viel erhobene Mietwertsteuer von
6260 Fr. 25 Età., 6788 Fr. 80 Cis. und 7317 Fr. 45 Cis- zusammen 20,366
Fr. 70 Ets. nebst Zins zu 50/Ü seit L August 1896 zurückzuzahlen, oder
b. die Taration, unter Berücksichtigung der gemäss den vorstehenden
Rechtsbegehreu festgestellten Steuerfreiheit, einer nochmaligen Revision
zu unterwerfen Und der Klägerin sodann den zu viel erhobenen Betrag samt
Zins zu 5 Ü/() seit 1. August 1896 zurückzuerstatten ?
XXV], 2. 1900 55
844 civilrechtspllege.
Auf Anregung des Vertreters der Nordostbahn einigten sich die Parteien,
den Streit vom Bundesgericht beurteilen zu lassen. Die Nordosibahn
setzte mit Klageschrist vom EE./4. Juli 1897 bei dieser Gerichts-behörde
in erster Linie die in der Eingabe an das Friedensrichteramt Zürich
enthaltenen drei ersten Begehren ans Recht und beantragte eventuell,
für den Fall, dass diese Begehren nicht oder nicht in vollem Umfange
geschützt werden sollten, das Bundesgericht möge speziell mit Bezug auf
die Mietwertsteuer erkennen:
I. Dass die steuerfreie, ideelle Quote der in der Taxationsanzeige vom
18. Februar 1896 angegebenen Totalmietwerte nach dem Verhältnis zu
bemessen sei, in welchem die Betriebseinnahmen auf den steuerfreien
Linien zu den Betriebseinnahmen auf dem Gesammetz stehen; eventuell,
dass das Wagenachfensystem zu Grunde zu legen, d. h. die steuerfreie
ideelle Quote nach dem Verhältnis zu bemessen sei, in welchem die Zahl
der auf den steuerfreien Linien gefahrenen Wagenachsenkilometer zu der
Zahl der auf dem Gefamtnetz gefahrenen Wagenachsenkilometer steht.
II. Dass der am Schluss der Tarationsanzeige aufgeführte Ansatz:
Mitbenutzung der durch obige Posten nicht Betroffenen Teile des
Hauptbahnhofes unter genauer Bezeichnung der einzelnen Steuerobjekte
zu spezifizieren und die steuerfrei bleibende Quote der so ermittelten
Mietwerte nach der Grösse des Verkehrs-, d. h. nach dem Verhältnis zu
bestimmen sei, in welchem im Hauptbahnhonürich die Zahl der auf den
steuerfreien Linien einund ausfahrenden Wagenachsen zur Gesamtzahl der
ein: und ausfahrenden Wagenachsen steht.
III. Dass zu der nach Massgabe der vorstehenden Grundsätze ermittelten
steuerfreien Quote noch ein angemessener Zuschlag mit Rücksicht auf
die Thatsache zn machen sei, dass die von den steuerpflichtigen Linien
mitbenutzten Objekte für die steuerfreien Linien erstellt wurden und
für diese ohnehin vorhanden sein müssten.
Der Streitwert wird auf 20,000 Fr. fixiert. Zur Sache wird in der Klage
vorgebracht: Die vorliegende Civilklage sei eine Feststellungsklage;
sie bezwecke, den privatrechtlichen Anspruch der Nordostbahn auf
Steuerfreiheit der Existenz und dem Umfange nach gerichtlich feststellen
zu lassen. Die Besteuerung der Eisen-lX. Civilstreitigkeiten vor
Bundesgericht als forum prorogatum. N° 101. 845
bahnen sei mit dem rechtlichen und volkswirtschaftlichen Charakter
dieser Institute unvereinbar. Die Steuerfreiheit entspreche der
Etsenbahnrechtsentwickelung in Bund Und Kantonen. Jedenfalls sei die
Erhebung einer Mietwertsteuer bei Eisenbahnen unstatthaft, ja geradezu
widersinnig Denn eine Mietwertsteuer könne nach der sprachlichen und
rechtlichen Bedeutung des Wortes doch nur von solchen Gebäuden und Räumen
erhoben werden die vermietet sind oder oermietet werden können. Das
sei aber nicht der Fall bei Objekten, die öffentlichen Verkehrszweeken
dienen. Abgesehen hievon habe die Klägerin einen besondern Anspruch
auf Befreiung von allen Steuern, und dieser Anspruch, der den Kernpunkt
der gegenwärtigen Civilrechtsstreitigkeit bilde, werde begründet durch
die der Nordostbahn vom Kanten Zürich erteilten Konzesswnen, nämlich
§ 15 der Konzefsion für die Linie Zürich-Winterthur-Gundetsweil vom
21. Dezember 1852 (E. A. S. I 227) und § 13 derjenigen für die Linie
Zürich-Dietikon vom 29ss. Juni 1853 (a. a. O. II, 48). Gleichlautende
Bestimmungen enthalten die Konzessionen für die Linien Altstetten-Knonau
vom 6. Januar 1862 (a. a. O. IV, 816), Winterthnr-Schaffhaiisen vom
7. Januar 1853 (a. a. O. I, 262) und OrlikowBülach bezw. Dielsdorf vom
1. Juli 1863 (a. a. O. V, 40). Durch das Steuerprivileg sei ein privates
Vermögens-recht begründet (Amtl. Samml
der, bundesgen Entsch., Bd. VIII, S. 359). Die Tragweite de?; Privilegs
sei unschwer festzustellen Die Regel bilde die Steuerfrethe1t. Die
Ausnahme sei knapp umschrieben. Die Steuerbefreiung beziehe sich nicht
auf Gebäulichkeiten und Liegenschaften
welche sich, ohne eine unmittelbare und notwendige Beziehung zuder
Eisenbahn zu haben, in dem Eigentum der Gesellschaft befinden möchten.
Demnach habe der Gesetzgeber jedenfalls die Meinung gehabt, Gebäude und
Liegenschaften, die mit der Eisenbahn in notwendiger und unmittelbarer
Beziehung stehen, in ihrer Totalität steuerfrei zu erklären. Hieraus
folge zunächst die Steuerfreiheit des Hauptbahnhofes in seiner jeweiligen
Gestalt mit allen zugehörigen Anlagen und Einrichtungen Bis zum Jahre 1893
set denn auch die Stenerfreiheit des Zürcher Bahnhofes nicht angezweifelt
worden, obschon die Bözbergbahn am 2. August 1875
die linksusrige Zürichseebahn am 20. September 1875, die libri;
845 Civili'echtspflege.
gen nicht steuerfreien Linien in den Jahren 1876/77 dem Betriebe übergeben
worden seien. Der Bahnhof Zürich, speziell das Aufnahmsgebäude, sei
in den Jahren 1870J71 für das sogenannte Stammnetz, d. h. für die
steuerfreien Linien, erstellt worden, und die 1893 1895 vorhandenen
Bahnhofgebäulichkeiten hätten schon zu der Zeit existiert, als noch keine
steuerpflichtigen Linien in den Bahnhof einmündeten Thatsächlich habe der
Bahnhos als solcher durch die Einführung der linksufrigen und dann der
rechtsufrigen Zürichfeebahn keine Änderung oder Erweiterung erfahren,
und die gegenwärtige Umgestaltung desselben sei nicht sowohl durch die
Einführung neuer Linien als durch die gewaltige Verkehrszunahme auf dein
steuerfreien Netze nötig geworden. Einen ideelleu Teil des Hauptbahnhofes
zu besteuern sei unzulässig. Die einzeer Linie habe innerhalb des
Bahnhofes im eisenbahntechnischen Sinne keinen selbständigen Charakter
mehr. Gebäulichkeiteu und Liegenschaften, die konzessionsgemäss in ihrer
Totalität steuerfrei seien, könnten ohne Verletzung des Steuern-rivilegs
weder zu einem realen noch zu einem idealen Teile nachträglich als
steuerpflichtig erklärt merden. Ziehe man einen idealen Teil, wegen
der Benutzung der Gebäulichkeiten durch steuerpflichtige Linien,
zur Besteuerung herbei, so besteure man in unstatthafter Weise den
Verkehr. Das Privileg sei übrigens ohne jede Rücksicht auf den Grad
der Benutzung erteilt. Volleuds nicht in Betracht kämen solche Linien,
welche nicht in den Bahnhof Zürich einmünden. Eisenbahntechnisch und
eisenbahnrechtlich gebe es keine Linien Zürich-Bülach, Zürich-Luzern,
Zürich-Basel, sondern die Linien hiessen richtigerweise: Ortikon-Bü"lach,
Altstetten-Luzern, Brugg-Basel. Diese Linien stünden steuerrechtlich
mit dem Bahnhof Zürich in keiner Beziehung. Die Benutzung desselben
durch Reisende, die von andern Nordostbahulinien oder von andern
schweizerischen oder ausländischen Bahnen herkommen, sei für
das Steuerrecht unerheblich. Übrigens hätten die Vereinigten
Schweizerbahnen, die sogenannte Luzerner Linie, die Romanshoruer,
Bülacher und Aarauer Linie, für welche der Zürcher Steuervorstand
Benutzungsquoten ausrechne, in ihren Konzessionen sämtlich das Privileg
der Steuerfreiheit erhalten. Anders verhalte es sich freilich mit der
linksufrigen Zürichseebahu. Die Bözbergbahn undLX. Givilstreitigkeiten
var Bundesgericht als forum pmrogaium. N° 104. 847
die Linie Koblenz-Steiu berührten das Territorium des Kantons
Î%i'urich gar nicht. Jedenfalls könnte aber der Nordostbahn eine ideale
Benutzungsauote nur zur Hälfte angerechnet werden, da diese Linien zur
Hälfte der schweiz. Centralbahn gehören. Die Vereinigten Schweizerbahnen
besorgen im Bahnhof Sfir-ich nur das Geschäft der Nordostbahn. Denn in
Walliselten höre ihre eigene Linie auf; von dort aus führen sie ihre
Züge nur auf Grund der Konzession der Nordostbahn und infolge einer
Vereinbarung mit dieser nach Zürich. Die im Klagebegehren III angeführten
Gebäulichkeiten stehen in unmittelbarer und notwendiger Beziehung zur
Eisenbahn und seien daher als steuerfrei zu betrachten. Das gleiche gelte
für die Wohnungen, welche der Direktionspräsident Birchmeier und der
Bahnhofiuspektor Zobrist im ehemaligen Aufnahmsgebäude der Nordostbahn in
Zürich inne hatten, und überhaupt für alle Dienstwohnungen. Eventuell,
d. h. für den Fall, dass das Bundesgericht die Steuerfreiheit des
Hauptbahnhofes und der übrigen Dienstgebäude nicht im vollen Umfauge
schützen sollte, müsste zur richtigen Ermittlung der steuerfreien
und steuerpflichtigen Quoten zwischen den dem Betriebsdienst auf
dem Hauptbahuhof und den dem Betrieb bezw. der Verwaltung des
gesamten Bahnnetzes dienenden Objekten unterschieden werden. Für
die Inanspruchnahme des Bahnhofbetriebsdienstes ergäbe sich die auf
die einzelnen Linien zu verlegeude Steuerquote am richtigsten durch
Zugrundelegung des Wagenachsensystems, indem man das Steuerbetresfnis
heraus-finde nach dem Verhältnis, in welchem die Zahl der auf den
sieuersreien Linien einund ausgeführten Wagenachsen zur Zahl der aus den
steuerpflichtigen Linien einund ausgeführten Wagenachsen steht. Für die
Inanspruchnahme der allgemeinen Betriebsund Verwaltungseinrichtungen
dürfte die Verteilung am richtigsten nach dein Verhältnis vorzunehmen
sein, in welchem die Betriebseinnahmen auf den sieuerfreien zu jenen
auf den steuerpflichtigen Linien stehen, eventuell würde auch die
Berechnung nach der Zahl der auf den einzelnen Strecken gefahrenen
Wagenachsenkilometer ein annähernd richtiges Verhältnis ergeben. Unrichtig
aber wäre es, auf die kilometrische Länge der Linien abzustellen. Das
zweite eventuelle Begehren sei begründetjweit sonst ganz unklar bliebe,
848 Givilrechtspflege.
was die letzte Post der Tarationsanzeige vom 18. Februar 1896
(Mitbenutzung der durch die vorhergehenden Positionen noch nicht
bete-offenen Teile des HauptbahnhosesitJ zu bedeuten habe. Das dritte
eventuelle Rechtsbegehren wird mit den thatsächlichen Verhältnissen,
wonach die durch steuerpflichtige Linien mitbenutzten Räume und
Einrichtungen auch dann vorhanden sein müssten, wenn nur das steuerfreie
Stammnetz betrieben würde, und mit Rücksichten der Billigkeit begründet.
G. In ihrer Antwort vom 21. August 1897 beantragt die beklagte
Stadtgemeinde Zürich, die Klage sei teils von der Hand zu weisen,
teils als unbegründet zu verwerer. Von der Hand zu weisen seien die
Klagebegehren insoweit, als sie sich auf etwas anderes als die städtische
Mietwertsteuer beziehen. In ihrer thatsächlichen und rechtlichen
Begründung habe die Klage nur die Mietwertsteuer im Auge. Nur den Streit
über diese hätten die Parteien dem Bundesgericht zur Entscheidung
übertragen. Mit der klägerischen Auffassung betreffend die Natur und
den Gegenstand der Klage ist die Beklagte einverstanden. Dagegen führt
sie im weitern aus: Das Bundesgericht habe Bestand und Umfang eines
ZZSteuerprivilegs zu bestimmen; die Feststellung und Begrenzung der
Steuerpflicht nach kantonalem öffentlichen Recht dagegen sei Sache der
kantonalen Verwaltungsbehörden, insbesondere hätten diese zu bestimmen,
ob auch auf Eisenbahnunternehmungen eine Mietwertsteuer gelegt werden
könne Was den Bestand eines Steuerprivilegs anbetrifft, so wird dagegen
eingewendet:
a) Art. 19 der Staatsverfassung des Kantons Zürich von 1889 erkläre
Steuerprivilegien zu Gunsten einzelner Privaten und Erwerbsgesellschaften
für unzulässig. Das zürcherische Gesetz vom 14. April 1872 sichere jedem
von den Nächstbeteiligten angemessen unterstützten Eisenbahn-Unternehmen
die finanzielle Mitwirkung des Staates zu. Diese letztere trete an Stelle
der frühem Privilegerteilnng.
b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts gestehe den Kantoneu das
Recht zu, von ihnen verliehene Privilegien ohne Entschadigung zu
widerrufen, wenn nicht beabsichtigt war, durch die Privilegierung einen
vermögensrechtlichen Anspruch zu begründen,1x. Civilstreiligkeiten vor
Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 849
was im vorliegenden Fall nicht zu vermuten sei, weil das Privileg auf
unbestimmte Zeit verliehen worden
c) Die Mietwertsteuer sei erst seit Aufhebung der Steuer-privilegieu
eingeführt worden.
Die Steuerpflicht erscheine als die Regel, die Befreiung davon als
die Ausnahme; nicht umgekehrt. Wenn, wie in casa, einzelne Räume
für den Bahnbetrieb notwendig, andere entbehrlich seien, so bestehe
jedenfalls keine volle Steuerfreiheit und die richtige Lösung sei
dann die Besteuerung zu einem angemessenen Teile, nach ideellen
Quoten. Da die Zweckbestimmung, nicht die Substanz des Gebäudes,
der Grund der Steuerbefreiung gewesen sei, so könne bei veränderten
Benutzungsverhältnissen auch ein ursprünglich sieuerfreies Gebäude ganz
oder teilweise steuerpflichtig werden. Was die früheren Behörden in dieser
Richtung unterlassen hätten, sei für die jetzige Stadtverwaltung nicht
massgebend; die Mietwertsteuer sei übrigens erst im Jahre 1893 eingeführt
worden. Die von der Nordostbahn zwischen 1875 und 1895 teils angekauften,
teils errichteten Gebäude im Versicherungswerte von 389,250 Fr., und
ganz besonders der Neubau des Aufnahmsgebäudes seien hauptsächlich
veranlasst worden durch die Rücksicht auf den Bau neuer Linien. Die
Beklagte hält daran fest, dass ausser der noch nicht in Betracht
fallenden Linie ZürichThalweil-Zug, den steuerfreien Linien und den
Seeuserbahnen noch folgende Linien in den Zürcher Hauptbahnhof einmündem
Zürich-Affoltern-Zug-Luzern, Zürich-Bülach-Dielsdorf, ZürichUster-Chur,
und dies deshalb, weil ganze Zugskompositionen mit dem bedienenden
Personal diese Linien von Zurich aus durchlaufen und dieselben auch
im Fahrplan und in den Tarifen als Einheiten behandelt werden. Zu der
verhältnis-mässigen Steuerbelastung des Hauptbahnhofes und der übrigen
Verwaltungsgebäude nach Massgabe der Bedeutung der steuerpflichtigen
Linien sei ein Zuschlag für die Dampfschiff-Unternehmungen und
für die Bözbergbahn und die Linie Koblenz-Stein zu machen. Nicht
das Miteigentumsverhältnis der Nordostbahu an den letztern sei
dafür massgebend; auch daran komme es nicht an, dass die Vereinigten
Schweizerbahnen Alleineigentümer der Glatthallinie seien. Die Nordostbahn
werde deswegen besteuert, weil andere Unternehmun-
850 Civilrechtspflege.
gen ihren Hauptbahnhof benutzen. Es werde bestritten, dass der
Direktionspräsident und der Bahningenieur im oder beim Bahnhof Wohnung
haben müssen resp. haben muszten, dagegen anerkannt, dass dies für den
Bahnhofinspektor (Zobrist) der Fall sei. Die Beklagte erklärt, sie lasse
es sich gefallen, dass das Bundesgericht den Massstab festsetze, nach
welchem der Mietwert bezw. dessen Besteuerung auf die privilegierten und
die nicht privilegierten Linien zu verlegen sei. Das dritte eventuelle
Rechts-begehren entbehre jeder rechtlichen Begründung Überdies sei das
Raumbedürsnis für Hauptkasse, Rechnungsrevisorat, statistisches Bureau
u. s . w. offenbar proportional mit der Ausdehnung des Unternehmens
angewachsen.
D. In der Replik verlangt die Klägerin zunächst Aufschluss darüber,
welche Teile der Klage nach den Antwortschliissen von der Hand gewiesen,
welche als unbegründet verworfen werden sollen. Sie widersetzt sich
einer Einschränkung der Klagebegehren auf die Mietwertsteuer. Zweck
und Gegenstand der Klage sei die Feststellung der Steuerpflicht
der Nordostbahn gegenüber der Gemeinde Zürich im allgemeinen,
und der Inhalt der Begehren decke sich vollständig mit der beim
Friedensrichteramt Zürich eingelegten Klageschrift. Zn der Sache hält
die Klagerin daran fest, dass die in den Jahren 1893,s"95 vorhandenen
Bahnhosgebäulichkeiten schon zu der.. Zeit da waren, als noch keine
steuerpflichtigen Linien in den Bahnhof einmündeten Solange aber ein
Gebäude für eine steuerfreie Linie nötig sei, müsse es steuerfrei
bleiben. Es sei unrichtig, dass der Neubau des Aufnahmsgebäudes im
Hinblick aus den Bau neuer Linien vorgenommen worden sei. Ein Zuschlag
zur Steuer der Dampfboot-Unternehknungen wegen sei unzulässig Ubrigens
befinde sich die Verwaltung der Dampfbootunternehmung auf dem Bodensee
in Romanshorn, diejenige der Dampfschifsahrt aus dem Zürichsee im Hause
Claridenstrasse 36 in Zurich. Der Bözbergbahn sei von den zuständigen
Behörden Steuerfreiheit zugesichert. Auch der Glatthallinie habe der
Kankon Zürich Steuerfreiheit gewährt (E. A. II, 68). Das Bundesgericht
möge nicht bloss für 1893/95 die Mietwertsteuerquoten, sondern auch für
die folgenden Jahre sowohl diese als auch alle ubrigen Steueransprüche
der Beklagten feststellen. Hinsichtlich desIX. cjeilstreitigkeiten vor
Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 851
dritten Eventualbegehrens wird auf eine gleichartige Festsetzung im
bundesgerichtlichen Urteil vom 15. November 1893 in Sachen Nordostbahn
gegen Vereinigte Schweizerbahnen, betreffend die Bahnhofgemeinschaft
Gossau (Amtl. Samml., Bd. XIX, S. 739) hingewiesen.
E, Die Beklagte erläutert ihren Antwortschluss in der Duplik dahin:
Von der Hand zu weisen sei die Klage, soweit sie sich auf materielles
Verwaltungsrecht, insbesondere auf die gesetzlichen Bestimmungen Über
Mietwertsteuer einlasse, im übrigen seien die allgemeinen Klagebegehren
als unbegründet materiell abzuweisen Es wird darauf beharrt,
dass auf die Klage, soweit sie nicht die Mietwertsteuer betreffe,
nicht einzutreten sei. Einlässlich bemerkt die Duplikt Es sei nicht
denkbar, dass ein ausschliesslich zum Dienst für die steuerfreien
Linien nach Massgabe des daherigen Bedürfnisses erstelltes Gebäude
auch den steuerpflichtigen Linien zu dienen vermöchte Bezüglich der
Vereinigten Schweizerbahnen sei nur streitig, ob die Elatthallinie als
eine in den Hauptbahnhos einmündende anzusehen sei. Die Verwaltung der
DampfbootUnternehmungen vollziehe sich auch in den Bureau): der Direktion
und des Rechnungsrevisorates, an der Hauptkasse, im Tarifbureau, im
Statistischen Bureau u. s. w. Der Direktionsvräsident habe jetzt im
Hauptbahnhof keine Wohnung mehr.
F. Mit Eingabe vom 29. November 1897 liess die Klägerin im Sinne von
Art. 9 u. ss. des Bundescivilprozessgesetzes der Gesellschaft der
Vereinigten Schweizerbahnen und der Schweiz. Centralbahngesellschaft
den Streit verkünden. Das Direktorium der Centralbahn gab hierauf
am 14. Dezember 1897 die Erklärung ab, dass diese Gesellschaft die
Theilnahme an dem Streite zwischen der Nordostbahn und der Stadtgemeinde
Zürich verweigere, die Begründung eines eventuellen Regressanspruchs der
Nordostbahn bestreite und dagegen Verwahrung einlege, dass eventuell·
im gegenwärtigen Verfahren in irgend einer Weise der Regressfrage
präjudiciert oder gar eine Steuerpslicht der Centralbahn funktioniert
werde. Die Bereinigten Schweizerbahnen dagegen erklärten mit Zuschrift
vom 15. Dezember 1897, dass sie die Teilnahme an dem schwebenden
Civilrechtsverfahren nicht oerweigern, sondern die Nordostbahn nach
Möglichkeit zu unterstützen bereit
852 Civilrechtspflege.
seien, immerhin in der Meinung, dass damit nicht ein Regressrecht
der Nordostbahn anerkannt sein solle-; vielmehr werde heute schon ein
Regressrecht aus die Vereinigten Schweizerbahnen bestritten. Der in der
Klagebeantwortung enthaltenen Behauptung, die Linie Zürich-Uster-Chur,
d. h. die Glatthallinie sei steuerpflichtig, wird von den Vereinigten
Schweizerbahnen § 14 der Konzession jener Linie vom 29. Juni
1853 entgegengehalten, worin dieser Bahnnnternehmung ausdrücklich
Steuerfreiheit sowohl für ihr Vermögen als für ihren Erwerb infolge des
Bahnbetriebes im Gebiete des Kantons Zürich, demnach in Bezug auf alle
Kantonalund Gemeindesteuern, eingeräumt sei. Ein Mietoder Pachtverhältnis
zwischen den Vereinigten Schweizerbahnen und der Nordostbahn bestehe
nicht; keine Wohnung, kein Geschäftsoder Gewerbelokal sei von der
Nordostbahn an {die Vereinigten Schweizerbahnen vermietet.
G. Die Beweisführung, deren Zweck und Ziel in zwei Verfügungen des
Jnstruktionsrichters vom 16. Juni und 31. Dezember 1898 festgestellt
wurde, erstreckte sich zunächst ans die Fragen, welches die Bestimmung
und Benutzungsart der in Frage stehenden Gebäude und Räumlichkeiten sei,
und seit wann diese Verhältnisse bestehen. Hierüber ergab sich durch
gegenseitige Erklärungen der Parteien Einverständnis in folgenden Punkten:
1. Die gesamte allgemeine Verwaltung und der eentrale Betriebsdienst
der Nordostbahn mit Ausnahme des Tarifbureau, der Betriebskontrolle
und des Statistischen Bureau haben ihren Sitz in dem 1870/71 erstellten
Hauptbahnhof in Zürich und es befinden sich dort namentlich:
1. die Bureaux der Mitglieder der Direktion;
2. das Sekretariat der Direktion;
3. das Beratungsund Kommissionszimmer des Verwaltungsrates;
. das Sekretariat des Verwaltungsratesz . das Rechtsbureauz
. das Rechnungsrevisoratz
das Bureau des Betriebsfnspektorats; die Bureanr des Betriebschefs;
. die Hauptkasse.
rogo.-Joven-IX. Civilstreitigkeiten vor Bundesgericht als forum
prürogatum. N° 104. 853
Die Bureau): der Hauptkasse, der Buchhaltnng, des Rechnungsrevisorats,
der Direktion und der Direktionskanzlei waren sruher im Verwaltungsgebäude
am Bleicherweg untergebracht und sind im Jahre 1877/78 von dort in den
Hauptbahnhof, wo bis dahin zwei Dienstwohnnngen für Direktionsmitglieder
waren, verlegt worden. Dagegen befand sich der centrale Betriebsdienst
schon vor 1875 im Hauptbahnhof· . ·
Dieser Zustand hat von 1878 bis heute fortgedauert und ist dermalen noch
in gleicher Weise vorhanden. ' _. '
Im Hauptbahnhof (Ausnahmsgebäude) besuchen sich auch die
Restaurationslokale II. und III. Klasse nebst Kuchen und Keller;
im Zwischenstock des sogen. Verwaltungsgebaudes auch Wohnr&ume des
Restaurateurs und seines Dienstpersonals ;Sm HauptBahnhof wohnen
ferner der Abwart, der Adxunkt des Bahnhof: inspektors und der Gasund
Wasserkontrollenr. "
2. Das im Jahre 1897 abgetragene Gebaude Nr. 3/5 an der Museumstrasse
(Assef. Nr. 547) war das alte Ausnahms" de der Nordotba n. _ Bebé;
grossen Raitmeh des Parterre dieses Gebäudes befand sich bis 1876
die Billetdruckerei; von 1876 bis 1888 diente er als lithographische
Werkstätte-, von 1888 an als Fonserenzsaal fur den Abrechnnngsverkehrz
im Parterre befanden sich ferner ein zur Heizung des Konserenzsaales
dienender HolzUnd Kohlenbehalterl, sodann vier kleine Räume zur
Aufbewahrungwon Épîatertasi: vorräten der Telegrapheninspektionz endlich
ein Zimmer sur Aus-
run lie en ebliebener Gegenstände WINS-31 LgStoîk besand sich bis ins
Jahr 1897 die Wohnung des
' t'ons räidenten Vir mein-. , Dl? 5Elssekzkitrasnznnmmer 396 Löwenstrasse
54 (Tarisbureau) bist 1889 ins Eigentum der Nordostbahn übergegangen,
diente is 1891 teilweise, seither ausschliesslich der Centralverwaltung,
spe-
' " reau. zleliaî äagisskkuranz Nr. 109, Lavaterstr. 41
(Betriebskontrolle)
und Assekuranz Nr. 206, Lavaterstrasse Nr. 31 (Stat1st.inu:egi:2 sind laut
der Eintraguug im Grundbuch Enge am 4. Mai d' il von der Nordostbahn
angekaust worden.a Die auf der Vene [gr. genannten Liegenschaft
befindlichen Gebaude wurden zuerst umge-
854 Civilrechtspflege.
baut; im September 1876 fand der Bezug der Gebäude durch die
Betriebskontrolle, das Statist. Bureau und die Billetdruckerei statt. In
der Benutzung der Gebäude ist seither keine Veränderung eingetreten.
6. Das Doppelhaus, Assekuranz Nr. 37 a, Kasernenstrasse 101 u.103
(Weidmannsches Haus), Vorbahnhof, dient seit 2(). September 1860 dem
Bahnoberingenieur als Bureau; bis vor Kurzem hatte er darin auch Wohnung.
Zur Beantwortung der thatsächlichen Fragen, die noch streitig blieben,
zog der Jnstruktionsrichter Sachverständige bei, nämlich die Herren
Sg. Dietler, Viee-Präsident der Direktion der Gotthardbahn, I {'s-litri),
Mitglied des Direktoriums der Centralbahn und (E. Colomb, Direktor
der Jura: hSitnplonbahn Die Experten wurden auch zur gutachtlichen
Meinungsausserung über die Frage des Masses der Belastung der Nordostbahn
mit Mietwertfteuern eingeladen. Es wurden ihnen demgemäss folgende
Fragen gestellt:
A. Aus dem Boden der Hauptklagebegehren:
I. Haben die Bahnhofrestanrationen eine unmittelbare und notwendige
Beziehung zu der Eisenbahn?
Und wenn Za:
Können die im Bahnhofgebäude befindlichen Wohnräume des Resiaurateurs
und seines Dienstpersonals vom eisenbahndieustlichen Standpunkte aus
als Zubehörden (Aecessorien) der Wirthschaftsräuine angesehen werden?
II. War es aus dienstlichen Gründen geboten, dass Herr Direktionspräsident
Birchmeier, Chef des dritten Departements der Direktion der Nordostbahn,
im Gebäude Nr. 3/5 an der Museumstrasse (früheres Aufnahmsgebäude der
Nordostbahn) Wohnung nahm ?
III. Musste der Bahnoberingenieur der Nordostbahn aus dienstlichen Gründen
in dem Vorbahnhof (Asseknranz Nr. 37a; Kasernenstrasse Nr. 101 und 103)
nicht bloss sein Bureau, sondern auch seine Wohnung haben ?
IV. Wären die Räumlichkeiten des Hauptbahnhofes in Zürich und
diejenigen der übrigen Verwaltungsgebäude daseibst auch ohne das
Hinzukommen steuerpflichtiger Linien für die Befriedigung der Betriebsund
Verwaltungsbedürfnisse der Nordostbahn notwendig IX. Civilstreitigkeiten
vor Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 855
gewesen und zwar in der gegenwärtigen Zahl und Ausdehnung?
B. Auf dem Boden der Eventualbegehren:
I. Welche Linien der Nordostbahn sind im Hinblick auf
die Konzessionsbestimmungen und unter dem Gesichtspunkte des
Eisenbahndienstes, insbesondere der Zugskompositionen, als steuerfreie,
welche als steuerpflichtige zu betrachten?
II. Wie kann in genauer und billiger und zugleich praktisch leicht
anwendbarer Weise die ideelle Quote ermittelt merden, für
welche die in der Tarationsanzeige des Sienerbureaus der Stadt
Zürich vom 18. Februar 1896 (Lift 14) angegebenen Steuerobjekte der
Nordostbahn der Mietwertsteuer unterliegen?
Jst die entsprechende Grundlage zu finden, in dem Verhältnisse, in
welchem die Betriebseinnahmen auf den nicht steuerfreien Linien zu den
Betriebseinnahmen auf dem Gesamtnetze stehen?
oder in dem Verhältnis, in welchem die Zahl der auf nicht steuerfreien
Linien gefahrenen Wagenachsenkilometer zu der Zahl der auf dem Gesamtnetz
gefahrenen Wagenachsenkilometer steht?
oder in dem Verhältnis der kilom. Länge der einzelnen Linien? oder in
einem hiervor nicht angegebenen anderen Verhältnisse?
II Jst ein Unterschied zu machen, je nachdem es sich unt die
Inanspruchnahme der Objekte durch den Betriebsdienst im Hauptbahnhos
handelt oder um die Inanspruchnahme derselben für den Betrieb und die
Verwaltung des ganzen Reises-?
Jst irn erstern Falle das Wagenachsensystem, wenn dieses sich empfiehlt,
in dem Sinne zu Grunde zu legen, dass die Berechnung der steuerbaren
Quote nach dein Verhältnis vorgenommen wird, in welchem die Zahl der
auf den nicht steuerfreien Linien ein-· und ausgeführten Wagenachsen
zur Gesamtzahl der ein-u und aussahrenden Wagenachsen steht?
IV. Welche Linien der Nordostbahn fallen nicht bloss in Hinsicht aus den
centralen Betriebsdienst und die allgemeine Verwaltung, sondern auch für
den speziellen Betriebsdienst des Hauptbahnhofes im Sinne des Beweisthema
B III in Betracht?
Jst die Verwaltung der Dampsbootunternehmnngen der Nordostbahn so
eingerichtet, dass sie in einem in einer Geldsumme firierbarem Masse
die der Centralverwaltung der Eisenbahn dienenden Räurnlichkeiten in
Anspruch nimmt?
856 Civilrechtspflege.
eventuell
Wie hoch ist diese Inanspruchnahme anzuschlagen?
VI. Welchen Charakter hat vom eisenbahnrechtlichen und
eisenbahntechnischen Standpunkte aus das in der Mitbenutzung der Strecke
Wallisellen-Zürich und des Zürcher Hauptbahnhofes durch die Vereinigten
Schweizerbahnen bestehende Verhältnis der Nordostbahn zu den Vereinigten
Schweizerbahnen?
VII. In welchem Umfauge erscheint vom eisenbahnrechtlichen und
eisenbahntechnischen Standpunkte aus eine Belastung der Nordostbahn mit
der städtischen Mienvertsteuer als den Verhältnissen entsprechend und
als billig infolge des besprocheneu Mitbenutzungsverhältnisses ?
Die Experten beantworteten diese Frage in einem einlässlichen
schriftlichen Gutachten inhaltlich dahin:
Ad A I. Die Bahnhofrestaurationen haben eine unmittelbare und notwendige
Beziehung zu der Eisenbahn. Die im Bahnhofgebäude befindlichen Wohnräume
des Resiaurateurs und seines Dienstpersonals sind vom eisenbahnrechtlichen
Standpunkte aus als Zubehörden der Wirtschaftsräume anzusehen.
Ad A II und III. Dass Direktionspräsident Birchmeier als Chef des
Vetriebsdepartementes im alten Auftiahmsgebäude (Nr. 3/5 an der
Museumstrasse) Wohnung nahm, war dienstlich begründet; ebenso dass der
Bahn-Oberingenieur im Hause an der Kasernenstrasse Nr. 101 und 103 wohnte.
Ad A IV. Die für das Stammnetz notwendigen Räume genügten bis zu
der am 1. Juni 1897 erfolgten Erössnnng der Linien Thalweil-an und
Eglisau-Neuhausen. Mit Einführung dieser Linien wurde dagegen die
Erweiterung des Hauptbahnhofes unausweichlich
Ad B I. Als konzessionsgemäss steuerfreie Nordostbahn-Linien sind
anzusehen:
Zürich-Aarau . . . . . . . 49,612 Meter. Zürich-Winterthur-Romanshorn
. . 83,221 Winterthur-Schasfhausen . . . . 30,366 Turgi-Waldshut
. . . . . . 15,509 Altstetten-Zug-Luzern . . 60,475 Übertrag 239,183
Meter.[X. Civilstreitigkeiten vor Bundesgericht als forum prorogatum. N°
104. 857
Übertrag 239,183 Meter.
Reiche:1burg-Bilten . . . . . . 5,343 Rorschach-Romanshorn. . . . . 33,301
Weiach-Koblenz . . . . . . . 18,193 Orlikon-Oberglatt-Bülach
. . . . 15,946 Oberglatt-Dielsdorf . . . . . 4,120 Ramsen-Singen
(Baden) . . . . 6,312 Bözbergbahn und Koblenz-Stein. . 73,587
Otelfingen-Wettingen . . . . . 5,882
Zusammen 401,867 Meter. Folgende ausserhalb des Kantons Zürich liegende
und dort mit Steuerprivileg ausgeftattete Strecken müssen jedoch im Kenton
Zürich mit Rücksicht aus die allgemeine Verwaltung und den rentralen
Betriebsdienst als steuerpflichtig gelten, weil sie nach dem 25. Oktober
1870, von welchem Datum an der Kanten Zürich den Eisenbahnunternehmungen
die Steuerfreiheit nicht mehr ge-
wärt hat, konzessioniert worden find: Reichenbnrg-Bilten . . . . . . 5,343
Meter.
Ramsen-Singen . . . . . . . 6,312 Weiach-Koblenz . . . . . . . 18,193
Otelsingen-Wettingen . . . . . . 5,882 Augst-Pratteln . . . . . . . 2,304
Koblenz-Stein . . . . . . . 25,501
Zusammen 63,535 Meter.
Diese 63,535 Meter sind Von den oben erzeigten 401,867 Meter
in Abzug zu bringen und demgemäss Linien der Nordostbahn in
einem Uinfange von 338,332 Meter als steuerfrei zu bezeichnen.
Bei folgenden Linien der Nordostbahn ist das Steuerprivileg
in der Konzession nicht ausgesprochen:
1. Zürich-Ziegelbrücke-Näfels (linksufrige Zürichseebahn) exklusive
Glarner
Strecke (Reichenburg-Bilten) . . 54,497 Meter.
2. Zürich-Meilen-Rapperswyl (rechtsufrige Zürichseebath
. . . . . 34,3603. Winterthur-Etzweilett-Konstanz . . 61,575 Übertrag
150,432 Meter.
858 civilrechtsptiege. Übertrag 150,432 Meter.
4. Etziveilen-Singenerklusive Bad.Strecke 6,171 5. Glarus-Linthal
. . . . . . . 15,752 6. Sulgen-Gossan . . . . . . . 22,670
7. Winterthur-Weiach . . . . . . 28,977 8. EssretikowHinweil
. . . . . . 22,157 9. Niederglatt-Otelsingen . . . 12,411
10. Efsretikon-Otelfingen-Lenzburg-Suhr-
Aarau . . . . . . . 52,206 11. Dielsdorf-Niederwenigen . . . . 6,630
12. Etzweilen-Schaffhausen . . . . . 16,249 Zusammen 333,655 Meter.
Dazu kommen die ausserkantonalen, innerhalb des Kantons Zürich als
steuerpflichtig anzusehenden Linien in der Ausdehnung von 83,585 Meter.
Bis und mit 1895 waren daher im Kanton Zürich Nordostbahnlinien von
397,190 Meter Länge steuerpflichtig
Werden die seit 1895 eröffneten Nordostbahnlinien EglisauNeuhausen (17,213
Meter) und Thalweil-Zug (17,049 Meter) von zusammen 34,262 Meter Länge
hinzugeschlagen, so ergiebt sich für die Zeit nach 1895 eine Gesamtlänge
steuerpflichtiger Linien von 431,452 Meter. Von diesen münden die beiden,
zusammen 88,857 Meter langen, Seenferlinien in den Bahnhof Zürich ein.
Ad B II, III und IV.
1. Für die Bestimmung der ideellen Steuerquote derjenigen Objekte,
welche dem Betriebsdienst des Hauptbahnhoses dienen, sind zu Lasten
der steuerpflichtigen Linien die in demselben ein: und aus-laufenden
Wagenachsen als Massstab anzunehmen. Zur Zahl der Wagenachsen aller
Nordostbahnlinien erzeigt die Zahl der auf den sieuerpflichtigen Linien
ein: und ausgesahrenen Wagenachsen folgendes Verhältnis-: s
Für 1893 190,"0 Für 1896 24 Off 1894 20 0/0 1897 28 % 1895 23 f),-'
1898 31950
Als nach diesem Massstabe sieuerpflichtige Linien sind die direkt
in den Hanptbahnhos einmündenden Uferliuien
Zürich-Ziegelbrücke-IX. Civilstreitigkeiten vor Bundesgericht als io;.um
prorogatum. N° 104. 859
Näfels (linksufrige) und Zürich-Meilen-Rappeksny (rechtsusrige
Zürichseebahn) anzusehen, und als steuerbare Objekte erscheinen diejenigen
Räumlichkeiten des Hatipibahnhofes, die nicht für die allgemeine
Verwaltung und den allgemeinen Betriebsdienst in Anspruch genominmen sind.
2. Für die Objekte, welche der Centralverwaltung und dem eentralen
Betriebsdienfie dienen, bilden die Betriebseinnahmm der einzelnen Linien
die beste Grundlage zur Ermittelung der Steuerquote. Diese Einnahmen
beziffern sich bei den in Betracht fallenden Linien:
Für 1893 ans 31 % der Betriebseinnahmen aller Nordostbahn-Linien.
1894 32 0/0 n 1895 33 0/0 1896 :; 34 0/0 II 1897 II 39 0/0 1898 ;;
41 0/0
3. Die Betriebseinnahmen geben für die nach Ziff. 2 zu ermittelnde
Steuerqnote einen richtigeren Massstab als die Wagenachsenkilometer. '
4. Die kilotnetrischen Bahnlängen würden hiefür den einfachften Massstab
abgeben, jedoch nicht den genauesten, indem die Anforderungen der
einzelnen Linien an den Centraldienst sehr verschieden sind.
Ad B V. Die Dampsbootverwaltung ist an den Ausgaben für die allgemeine
Verwaltung der Nordostbahn mit 1,7 0/@ Beteiligt.
Ad B VI und VII. Die Vereinigten Schweizerbahnen (Glattthallinie) befahren
die Strecke Walliselleu-Zürich im Austrag und an Stelle der Nordostbahn,
deren Geschäft sie besorgen. Bestände das Abkommen zwischen Nordoftbahn
und Vereinigten Schweizerbahnen, das sich äusserlich der Form nach als
Miete darstellt, im Grunde aber ein Mandatsverhältnis ist, nicht, so
würde der ganze Verkehr und dessen Bedienung der Nordoftbahn zufallen
und unzweifelhaft steuerfrei sein. Jin öffentlichen Interesse hat die
Glatthallinie durchgehende Züge nach und von Zürich eingeführt Auch die
Nordostbahn hätte auf der Strecke WallisellenZürich selbständige Züge
einrichten müssen.
XXV], ?. 1900 56
860 Civilrechtspflege.
Die von den Vereinigten Schweizerbahnen im Bahnhof Zürich einund
ausgeführten Wagenachsen betragen im Durchschnitt 6 L3/0 aller im
Bahnhonürich einUnd ausgefahrenen Wagenachsen.
Das Gutachten der Experten ist den Parteien mitgeteilt und letzteren zur
Einreichung von Bemerkungen eine Frist angesetzt worden, die unbenutzt
ablief. Von einer weitern Beweisführung wurde, weil zwecklos, Umgang
genommen.
In der mündlichen Verhandlung wiederholt Advokat Dr. Cnrti namens der
Klägerin die Klagebegehren. Stadtschreiber Wyss trägt auf Berwerfung
der Klage an. Er fügt, dass die Experten zu den ausserhalb des Kantons
Zürich gelegenen steuerpflichtigen Linien nicht auch Brugg-Angst,
d. h. nicht die ganze Bözbergbahn, rechneten und dass sie die von der
Eröffnung steuerpflichtiger Linien herrührende Verkehrszunahme zu niedrig
bemessen hätten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Kompetenz des Bundesgerichts zur Beurteilung der vorliegenden
Streitfache beruht auf einer zwischen den Parteien zu Stande gekommeneu
Vereinbarung Im Rahmen derselben ist das Bundesgericht gemäss Art. 52
Biff. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege
verpflichtet, die Sache an die Hand zu nehmen, sofern es sich um eine
Civilrechtsstreitigkeit handelt und der Wert des Streitgegenstandes 3000
Fr. beträgt.
Nun ist zwischen den Parteien zunächst der Jnhalt und die Tragweite
der von ihnen getroffenen protogatio fori streitig. Die Klägerin hält
sich an den Wortlaut ihrer Hauptklagebegehren I, Il und III, die in
materieller Übereinstimmung stehen mit den vor Friedensrichteramt
Zürtch am 23. März 1897 angebrachten drei ersten Rechts-begehren, und
sie sagt, dass mit diesen Begehren die Steuerfreiheit der Nordostbahn
im allgemeinen, nicht bloss die Befreiung von der Mietwertsteuer geltend
gemacht werde. Die Beklagte weist darauf hin, dass der Ausgangspunkt des
Streites die Mietwertsteuer sei, dass sich der Beschluss des Stadtrates
über die Bestimmung des For-ums nur auf diese und auf keine andere
Steuerangelegenheit beziehe, und dass auch die Klagpartei nach Einleitung
des Rechtsstreites beim Bundesgericht, am 12. JuliIX. Civilstreitigkeiien
vor Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 861
18__97, dem Steuervorstand der Stadt Zürich gegenüber die Auffassung
kundgegeben habe, dass vor Bundesgericht nur die Mietwertsteuer im
Streite liege. Bei Beurteilung dieser Frage ist, wie bei der Auslegung von
Verträgen überhaupt, der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien
zu beachten. Im Zweifel isf, da es sich um die Verzichtleistung auf ein
gesetzlich begründetes Forum, den kantonalen Gerichtsstand, handelt,
der Vertrag einschränkend zu interpretieren Uberwiegende Gründe
sprechen nun für die Beschränkung der bundesgerichtlichen Kompetenz
auf die Frage der Berechtigung der Stadt Zürich zur Erhebung einer
Mietwertsteuer gegenüber der Nordostbahn. Den Anlass und die konkrete
Grundlage des Streites bildet der seit 1893 bestehende Konflikt zwischen
den Parteien über die Erhebung einer Mietwertsteuer. Diese allein
war der Gegenstand der Eingaben und Rekusrse, die die Nordostbahn,
der gegenwärtigen Klage vorgängig, an die zürcherischen Taxationsund
Rekursinstanzeu gerichtet hat und deren Aufzählung einen wesentlichen Teil
der klägerischen Darstellung betreffend die Vorgeschichte des Prozesses
ausmacht Den unmittelbaren Anlass zu civilprozessualischem Vorgehen gab
dann die Art, wie der von der Nordostbahn beim Bundesgericht erhobene
staatsrechtliche Rekurs vorläufig erledigt worden ist; auch dieser aber
richtete sich lediglich gegen die Auflage der Mietwertsteuer, d. h.
gegen den Rekursentscheid des Bezirksrates von Zin-ich, durch welchen die
Nordostbahn mietwertsteuerpflichtig erklärt wurde. Die von der Nordostbahn
hierauf beim Friedensrichteramt Zürich eingelegte Klage spricht allerdings
in ihren drei ersten Begehren von Steuerfreiheit überhaupt, sie nimmt aber
überall Bezug auf die Gebäulichkeiten und die darin befindlichen Räume und
Betriebseinrichtungen der Nordostbahn, und zwar in einer Weise, die zeigt,
dass die Klägerin die Steuer für die Benutzung dieser Objekte, nicht etwa
die Grundsteuer, im Auge hatte. Im IV. Rechtsbegehren wurde dann in der
Form einer Klage auf Rückforderung der bezahlten Mietwertsteuer bezw. des
Begehrens einer Tarationsänderung die praktische Schlussfolgerung aus
der gerichtlichen Feststellung der ersten drei Begehren gezogen. Ganz
ausdrücklich hat denn auch der Stadtrat von game, als er am 8. April
1897 über den Vorschlag der Klagpartei, den Streit direkt vor
882 Civilrechtspflege.
dem Bundesgericht zu verhandeln, Beschluss fasste, als Gegenstand
der Vereinbarung den Streit zwischen der Stadt und der Gesellschaft
wegen der Mietwertsteuer bezeichnet. Und wenn schon die Mitteilung
dieses Beschlusses an die Nordostbahn allgemein gefasst war, so war
doch auch diese darüber nicht im Zweifel, dass die Prorogation nur den
Streit über die Mietwertsteuer ergreife, sonst hätte sie nicht in ihrem
Briese an den Steuervorstand von Zürich vom 12. Juli 1897, mit Bezug
auf den zwischen ihr und der Stadt Zin-ich damals ebenfalls hängigen
Streit betreffend die Besteuerung ihres Grundbesitzes, der Gegenpartei
vorschlagen können, diese Angelegenheit ruhen zu lassen, bis der gemäss
Vereinbarung beim Bundesgericht hängig gemachte Civilprozess betreffend
die Mietwertsteuer erledigt sein werde. Dieser Kundgebung gegenüber kann
es nicht in Betracht fallen, dass in der beim Bundesgericht eingereichten
Klage den drei allgemein lautenden Haupt- begehren besondere Begehren
gegenüber gestellt sind, von denen gesagt ist, dass sie speziell die
Mietwertsteuer betreffen. Dass die Nordostbahn nur in Hinsicht auf
diese vom Bundesgericht eventuelle Feststellungen verlangt, beweist
hinwieder, dass sie lediglich für diese Steuerart einen gerichtlichen
Entscheid über den Berechnungsmodus der sie treffenden Steuer für den
Fall ihres Unterliegens hervorrufen will. Demnach kann denn auf die drei
Hauptbegehren nur in dem Sinne eingetreten werden, dass über die von der
Klägerin beanspruchte Steuerfreiheit nur mir Bezug auf die Mietwerthsieuer
der Stadtgemeinde Zürich entschieden wird.
Da das Bundesgericht als Civilgerichtsinstanz angerufen ist, steht ihm die
Urteilskompetenz nur zu, wenn und soweit ein civilrechtlicher Anspruch
im Streite liegt. Den Gegenstand des gegenwärtigen Rechtsstreites
bildet die Frage nach Bestand und Umfang eines Steuerprivilegs, das
die Klägerin gegenüber dem Anspruch der Beklagien, die Nordostbahn
auf Grund des sog. Zuteilungsgesetzes vorn 9. August 1891 für
ihre im Gebiete der Stadtgemeinde Zürich gelegenen Gebäude und
Räumlichkeiten der Mietwertsteuer zu unterwerfen, geltend macht. Dass
ein solches Privileg ein, im Streitfalle auf dem Rechtsweg verfolgbares,
Privatrecht begründet, ist vom Bundesgericht schon mehrfach ausgesprochen
wordenIX. Civilstreitigkeiten vor Bundesgericht als forum promgatum. N°
104. 863
und übrigens zwischen den Parteien nicht streitig. Das Bundesgericht hat
demnach zu entscheiden, ob, eventuell in welchem Masse die Nordostbahn
gemäss dem ihr eingeräumten Sonderrechte der Steuerfreiheit von der
Entrichtung der gesetzlichen Mietweristeuer entbunden sei. Dagegen ist es
nicht Sache des Bundesgerichts, zu entscheiden, ob die Mietivertsteuer
ihrem Wesen nach auf die Objekte der Nordostbahn, von denen sie bezogen
werden will, verlegt werden dürfe, bezw. ob nicht bei Gebäuden und
Räumlichkeiten, die von einer Eisenbahnunternehmung benutzt werden,
begrifflich die Belastung mit einer Mietweristener ausgeschlossen
sei. Dies ist eine Frage des kantonalen öffentlichen Steuerrechts, die
sich an Hand der gesetzlichen Vorschriften über die Mietwertsteuer und
nach dem Zweck und der Natur dieser Steuer beantwortet, und mit der sich
daher das Bundesgericht nicht zu befassen hat.
Der erforderliche Streitwert von 3000 Fr. ist gegeben: Der Betrag
der Steuerforderung der Stadt Zurich, deren rechtliche Zulässigkeit
festgestellt werden soll, Übersteigt schon für ein einzelnes Steuerjahr
jene Kompetenzsumme, und zudem handelt es sich um einen Rechtsanspruch
auf wiederkehrende Leistungen.
L. Der Rechtsstandpunkt der Klägerin beruht auf den ihr vom Kanton Zürich
erteilten Konzesstouen. Bis zum 25. Oktober 1870 hat der Kanton Zürich
in den von ihm erteilten Eisenbahnkonzessionen ein Steuerprivilegium in
folgender Form gewährt: Die Eisenbahngesellschaft als solche ist sowohl
für ihr Vermögen, als für ihren Erwerb infolge des Betriebes der Bahn
von der Entrichtung aller Kantonalund Gemeindesteuern befreit. Diese
Bestimmung findet jedoch auf Gebäulichkeiten und Liegenschafien, welche
sich ohne eine unmittelbare und notwendige Beziehung zu der Eisenbahn zu
haben, in dem Eigentum der Gesellschaft befinden möchten, keine Anwendung.
Der Einwand der Beklagten, dass diese Privilegien durch Art. 19 ber
Staatsverfassung des Kantons Zürich von 1869 beseitigt worden seien,
und zwar ohne dass daraus Entschädigungsanspriiche erwachsen waren, und
dass an Stelle der Steuerprivilegien die staatliche Subventionierung von
Eisenbahuen getreten sei, ist nicht zu hören und von der Bekiagten kaum
ernstlich erhoben
864 Civilrechtspflege.
worden. Ein solcher Eingriff in bestehende Privatrechte hätte deutlich zum
Ausdruck gelangen müssen, Und nur, wenn es besonders ausgesprochen oder
sonst klar erkennbar wärekönnte angenommen werden, dass die Bestimmung
auch die bereits zugesicherten Privilegien erfasse (ng. das Urteil des
Bundesgerichts in Sachen der Seethalbahngesellschaft gegen Luzern, Amtl.
Samml., Bd. XXIV, 2. Teil, S642, Erw. 2). Diese Berfassungsbestimmung ist
denn auch von den Zürcher Behörden nie dahin ausgelegt worden, dass sie
die vor ihrem Inkrafttreten gewährten Steuerprivilegien unwirksam gemacht
hätte. Im Gegenteil haben die Behörden letztere durch Unterlassung jeder
Besteuerung bis 1893 und durch die seither getroffene Ausscheidung von
steuerfreien und steuerpflichtigen Linien anerkannt, und es ist auch bei
Anlass eines früheren Steuerkonfliktes zwischen der Nordostbahn und dem
Fiskns des Kante-us Zürich dem bundesgerichtlichen Urteil vom 6. Mai
1882 das konzessionsmässige Steuerprivileg zu Grunde gelegt worden
(Amtl. Samml., Bd. VIII, S. 359). Dieser von den Kantonsbehörden und
vom Bundesgericht anerkannte Rechtszustand kann heute nicht mehr durch
Anrusung des
im Jahre 1869 in Kraft getretenen Art. 19 der Verfassung in si
Frage gestellt werden. Es ist also davon auszugehen, dass die in den
Eisenbahnkonzessionen enthaltenen Steuerprivilegien auch jetzt noch zu
Recht bestehen.
Was den Umfang des Steuerprivilegs betrifft, so ist grundsätzlich
festzuhalten, dass die Konzession eine Ausnahme von der allgemeinen
Regel der Steuerpflicht schafft, und dass sich deshalb die Frage nicht
so stellt, in welchem Masse in Abweichung von der allgemein gefassten
Steuerfreiheit eine Besteuerung statthaft sei, sondern vielmehr so,
wie weit das Privileg nach Wortlaut, Sinn und Zweck reiche, in der
Meinung, dass abgesehen hievon die gesetzliche Regel der Steuerpflicht
Platz greife. Hiebei mag auch daran erinnert werden, dass derartige
auf einer lex Specialis beruhende Privilegien nicht ausdehnend,
sondern strikte interpretiert werden müssen. Nun lauten die die
Steuerfreiheit der Nordostbahn begründenden Konzessionsbestimmungen
allerdings insofern sehr allgemein, als nicht nur die zum Betrieb
der konzes- sionierten Linie dienenden Objekte steuerfrei erklärt
find, vielmehrIX. Civilstreitigkeitsien vor Bundesgericht als forum
prorogatum. N° 104. 86.5
die Gesellschaft als solche persönlich für ihr Vermögen und ihren
Erwerb von jeglichen Staatsund Gemeindesteuern, die sonst im Kanton
Zürich von ihr erhoben werden könnten, befreit wird. Die Anwendung der
genannten Stenerarten, der Vermögensund der Erwerbssteuer, ist somit
der Gesellschaft als solcher gegenüber ausgeschlossen: sie geniesst
in dieser Beziehung ein persönliches Privileg. Diese Steuerbefreiung
hat ihren rechtspolitischen Grund offenbar in der Erwägung, dass
die Eisenbahngesellschaften dadurch, dass sie einen grossen Teil des
Verkehrs vermitteln, einem allgemeinen Bedürfnis entgegenkommen und
einen öffentlichen Zweck erfüllen; um der Gesellschaft die Erfüllung
dieses Zwecks zu erleichtern, nimmt die staatliche Gemeinschaft ihre
Steuer-kraft nicht in Anspruch Das Steuerprioileg steht sonach in
engstem Zusammenhang mit dem Zweck der Bahngesellschaften, dem Betrieb
des Transportgeschäftes auf den ihnen gehörenden Linien. Nur weil die
Gesellschaften die volkswirtschaftlich wichtige Einrichtung der Bahnen zu
schaffen und zu betreiben unternommen haben, ist ihnen Steuerfreiheit
gewährt, woraus folgt, dass sie von Steuern auch nur befreit find,
soweit sie einen solchen Betrieb ausüben. Die Zweckbestimmung ist in
Bezug auf die Steuerfrage das ausschlaggebende Moment; dieselbe befreit
Vermögen und Erwerb der konzedierten Unternehmung in dem Masse und Umfange
von der Stenerpflicht, in welchem sie dem konzessionsmässigen Betrieb
dienen bezw. daraus herrühren Mit Bezug ans die Erwerbsstener ist dies
in den fraglichen Konzessionsbestimmungen ausdrücklich beigefügt. Und
dass auch das Vermögen nur steuerfrei gelassen werden wollte, soweit
es dem Bahnbetriebe dient, zeigt der zweite Satz der Klausel, der für
Gebäulichkeiten und Liegenschaften, die keine unmittelbare und notwendige
Beziehung zu der Eisenbahn haben, die Regel der Steuerpslicht wieder
herstellt Es ist ferner zu beachten, dass die einzelnen Konzessionen
sich jeweilen nur auf bestimmte Linien beziehen, die freilich über
das Gebiet eines Kantons hinausreichen können, und dass sich deshalb
die darin eingeräumte Steuerbefreiung nur auf die betreffenden Linien
beziehen kann; m. a. W. es ist steuerrechtlich, bezw. im Hinblick auf
die Steuerbefreiung die Linie, welche den Gegenstand einer Konzession
bildet, und der Betrieb derselben als selbständiges
866 Civilrechtspflege.
Unternehmen zu betrachten Aber freilich sind dann die Linien, für welche
in den Konzessionen Steuersreiheit gewährt ist, sowohl hinsichttich des
Vermögenswertes, den sie repräsentieren, als hinsichtlich des Erwerbes,
der durch ihren Betrieb erzielt wird, gänzlich von Steuern befreit, und
können weder solche WertoderCrwerbsvermehrungen, welche die ordentliche
Verkehrszunahme auf den betreffenden Linien hervorgerufen hat, noch auch
solche in Betracht fallen, welche davon herrühren, dass den steuerfreien
Linien von andern neuen Linien, für die vielleicht ein Steuerprivileg
nicht gewährt wurde, ein vermehrter Verkehr zugeführt wird. Auch die
Bewältigung dieses Verkehrs gehört, steuerrechttich betrachtet, zum
konzefsionsrnässigen Betrieb der ursprünglich vorhandenen Linien. Es
kann ferner nichts darauf ankommen, dass durch Gesetz Und Vereinbarung
zwischen den einzelnen konzessionierten Linien und den bestehenden
Bahngesellschaften eine weitgehende Betriebseinheit durchgeführt ist,
die namentlich darin sich geltendmacht, dass nicht nur einzelne Wagen,
sondern ganze Zugskornpositionen von einer Linie auf die andere, von dem
Netz der einen Gesellschaft auf das der andern hinüberrollen. Auch diesen
Verkehr besorgt die einzelne konzessionierte Linie von dem Punkte an, wo
die andere in sie einmündet, als ihren eigenen, Und es darf derselbe,
falls jene keine Steuersreiheit geniesst, nicht besteuert werden,
selbst wenn die Linie, von der die Züge oder einzelnen Wagen herkommen,
die Steuerfreiheit nicht geniesst. .
Z. Wird an Hand dieser allgemeinen Erörterungen untersucht, ob und
inwieweit die Klägerin, gestützt auf ihre Konzessionen, verlangen könne,
dass der Hauptbahnhos in Zürich und ihre Übrigen, auf dem Gebiete
der Gemeinde Zurich gelegenen Gebäude und Räumlichkeiten nicht der
Mietwertsteuer unterworfen werden, so ist zunächst festzustellen,
dass die Mietwertsteuer als ,eine Art realer Vermögenssteuer, und
zwar als Ertragssteuer aufgefasst werden muss. Dieselbe wird nach § 75
des Zuteilungsgesetzes von jeder im Gebrauche stehenden Wohnung, mit
Ausnahme der Amtswohnungen, sowie von jedem benutzbaren Geschäftsund
Gewerbelokal, mit Ausnahme der Wirtschaften, bezogen, und zwar vom
jeweiligen Eigentümer der Räumlichkeiten Die Bemessungsgrundlage bilden
sonach gewisse Bestandteile der im GemeindebannIX. cieilstrejiiglceiien
vor Bundesgericht als forum prorogatum. N° 104. 867
gelegenen unbeweglichen Güter, und den Massstab für die Steuerauflage
giebt der Mietwert dieser Objekte ad, der nach Mitgabe der bestehenden
Mietverträge, edentueît nach dem Verkehrswert des Gebäudes ausgemittelt
wird (vergl. Art. 8 der städtischen Verordnung über die Mietwertsteuer
vom Z. November 1894). Von vornherein ist nun klar, dass Gebäude und
Räumlichkeiten, die der Nordostbahngesellschaft gehören, die aber
nicht zu Bahnzwecken dienen, des Steuerprivilegs nicht teilhaftig sind
und deshalb gegebenen Falles auch zur Mietwertsteuer herangezogen
werden können (wie dies von der Nordostbahn selbst hinsichtlich des
Lagerhanses und des Spritkellers anerkannt ist). Dass ein mit dem
Bahnbetrieb nicht zusammenhängendes Gewerbe in einem sonst diesem
dienenden Gebäude betrieben wird, ändert hieran nichts, selbst dann
nicht, wenn die Lokalitäten, in denen sich die verschiedenen Betriebe
abspielen, ganz oder teilweise die nämlichen ' sein sollten. Denn nicht
die Gebäude und Räumlichkeiten als solche, sondern ihr Mietwert wird
besteuert und dieser wird da, wo im gleichen Gebäude mehrere Betriebe
oder Gewerbe ausgeübt werden, von diesen allen beeinflusst. Wenn daher
nur einer dieser Betriebe Steuerfreiheit geniesst, so ist in Ansehung der
Mietwertsteuer nur die auf diesen Betrieb fallende Wertquote steuerfrei,
während der Mietwert, der dem Objekt aus einem nicht privilegierten
Betrieb erwächst, zur Steuer herangezogen werden farm. Daraus folgt, dass
die Gebäude und Räumlichkeiten der Nordostbahn, die auf dem Gebiete der
Stadt Zürich liegen, nur soweit von der Entrichtung der Mietwertstener
befreit sind, als sie zum Betriebe der konzessionsmässig von Steuern
befreiten Linien dienen, während sie mit jener Steuer belegt werden
können, soweit sie wegen der Benutzung zu andern Zwecken einen erhöhten
Mietwert repräsentieren
Es kann aber weiterhin nicht zweifelhaft sein, dass der Betrieb von
Linien, denen in der Konzefsion die Stenersreiheit nicht zugesichert
worden iii, in Hinsicht auf die Mietsteuerpflicht der Gebäude und
Räumlichkeiten, in denen er sich abspielt, wie ein dem ursprünglichen,
steuerfreien Gewerbe fremder Betrieb zu betrachten ist und dass, soweit
den Objekten von daher ein erhöhter Mietwert zukommt, das Steuerprivileg
cessiert.
868 Civilfechtspflege.
Thatsächlich liegen nun die Verhältnisse beim Zürcher Bahnhof und
den übrigen der Nordostbahn gehörenden, im Gebiete der Stadt Zürich
befindlichen Gebäuden und Räumlichkeiten fo, dass ein Teil ihres
Mietwertes durch den Betrieb steuerpflichtiger Linien hervorgerufen
wird. Einmal ist klar, dass die Bahnhofräumlichkeiten als solche und die
zum speziellen Bahnhofdienst nötigen Einrichtungen infolge der Einführung
steuerpflichtiger Linien an Mietwert gewonnen haben. Man setze den
Fall, dass die neuen fienerpflichtigen Linien, d. h. die linksund die
rechtsnfrige Zürichseebahn, als selbständige Unternehmungen gegründet
worden waren, so erhellt ohne weiteres, dass sie für die Benutzung des
Bahnhofs Zürich und seiner Einrichtungen einen entsprechenden Zins hätten
entrichten müssen, der kapitalisiert den Mietwert des Bahnhofs und feiner
Einrichtungen repräsentiert, soweit er durch die Einführung dieser Linien
erhöht bezw. geschaffen worden ist In Ansehung der beiden genannten Linien
ist somit der Bahnhof Zürich mit seinen Einrichtungen für den speziellen
Betriebsdienst als eine besondere gewerbliche Einrichtung anzusehen,
die als solche auch mit einer Mietwertsteuer belegt werden kann. Jm
Zürcher Hauptbahnhof wird aber weiter von der Nordostbahngesellschaft der
grösste Teil der allgemeinen Verwaltung und des centralen Betriebsdienstes
besorgt, die sich auf ihre sämmtlichen Linien und auch auf Nebengeschäfte,
wie die Dampfbootnnternehmungen auf dem Zürichund dem Bodensee, beziehen,
während ein anderer Teil dieser Thätigkeit in besondern, in verschiedenen
Stadtteilen gelegenen Gebäuden ausgeübt wird. Die Bahuhofräumlichkeiten
und die übrigen Verwaltungsgebäude dienen also auch in dieser Richtung
zum Teil steuerpflichtigen Linien der Nordostbahn. Da diese, als von
der Nordostbahn getrennte Unternehmungen gedacht, entweder eigene,
mietwertsteuerpslichtige Gebäude erstellen oder der Nordosibahn einen
Mietzins entrichten müssten, kann der Mehrmietwert, der den vorhandenen
Gebäuden aus der Inanspruchnahme für die steuerpflichtigen Linien zukommt,
ebenfalls besteuert werden.
Hiernach erscheint es denn für die Frage der Steuerpslicht
als gleichgültig, ob die von steuerpflichtigen Linien
betriebsdienstlich bezw. für steuerpflichtige Linien betriebsund
verwaltungsdienstlichIX. Civilstreitigkeilen vor Bundesgericht als forum
prorogatum. N° 104. 869
mitbenutzten Bahnhofeinrichtungen schon zur Befriedigung der Bedürfnisse
der steuerfreien Linien in gleicher Zahl und in gleichem Umfange
notwendig seien bezw. gewesen seien oder nicht. Wirtschaftlich und
steuerrechtlich kommt es auf der Grundlage der Konzesfionen bloss daraus
an, ob die fraglichen Objekte ausschliessIich steuer-freien Linien
dienen, oder ob sie ganz oder teilweise auch für steuerpflichtige
Linien in Anspruch genommen werden. Es wäre gegenüber den andern
Steuerpflichtigen und dem Gemeinwesen, das die Steuer erhebt, unbillig,
wenn eine gewerbliche Unternehmung in Hinsicht auf Einrichtungen, für
die sie ordentlicherweise Steuer entrichten müsste, steuerfrei bleiben
würde, weil diese Einrichtungen mit Rücksicht auf ein anderweitiges
Geschäft von der Steuer ausgenommen find. Immerhin spricht der Umstand,
dass bisher vollständig steuerfreie Objekte wegen ihrer Mitbenutzung
für eine andere Unternehmung steuerpflichtig werden, ohne dass eine
verhältnismässige Vergrösserung derselben die Folge davon gewesen wäre,
für eine billige und mässige Anwendung der Steuer, und dies namentlich
für die ersten Jahre des erweiterten Betriebes
4. Nach den bisherigen Ausführungen müssen die drei Hauptbegehren der
Klage, soweit darüberüberhaupt zu urteilen ist, verworfen werden;
dagegen sind die Eventualbegehren grundsätzlich gutzuheissen,
und handelt es sich nun weiterhin darum, soweit streitig, die
Ausscheidung zwischen mietsteuerpflichtigen und steuerfreien Objekten
bezw. Räumlichkeiten vorzunehmen, und die Quote des Mietwertes der
gemeinsam für steuerpflichtige und steuerfreie Linien benutzten
Gebäude und Lokalitäten zu bestimmen, von welchen konzessionsgemäss
keine Steuer erhoben werden darf. In beiden Richtungen muss dem
Richter das Gutachten der Sachverständigen wegleitend sein, da die
Beantwortung der Fragen wesentlich von der Einsicht in die Technik und
Verwaltung des Eisenbahnbetriebes abhängt Schlechtweg hinzunehmen ist das
Besinden der Erperten in seinen rein thatfächlichen Feststellungen und
Schlussfolgerungen Die dies-bezüglich heute vom Vertreter der Beklagten
vorgebrachten Bemängelungen sind nicht mehr zu hören, weil sie die ihr
bei der Mitteilung des Gutachtens zur Stellung von Erläuterungs: oder
Ergänzungsfragen gesetzte Frist unbenutzt
870 Givilrechtspflege.
hat ver-streichen lassen und es sich keineswegs etwa um
blosseNechnungsoder Schreibfehler oder dergleichen handelt. Auch da wird
sich der Richter an das Befinden der Experten anlehnen, wo diese aus den
festgestellten Thatfachen gutachtlich ihre Ansicht Über die zu lösenden
Fragen eröffnen, wenngleich er hier an die Auffassung der Experten nicht
unbedingt gebunden ist.
Jn dieser Richtung vermag nun nur in einem Punkte das Expertengutachten
nicht zu überzeugen, nämlich hinsichtlich der Frage, ob die
Dienstwohnungen, welche der Direktionspräsident der Nordostbahn, als
Vorsteher des Betriebsdepartements, im frühem Aufnahmsgebäude, und der
Bahn-Oberingenieur im Vorbahnhofe inne hatten, von der Mietwertsteuer
befreit seien. Die Erperten begründen ihre bejahende Ansicht damit,
dass es in gewissen Verhältnissen für den Betrieb und seine Sicherheit
förderlich sei, wenn der Betriebsdirektor und der Oberingenieur im
Hauptbahnhofe des ganzen Netzes oder in dessen unmittelbarer Nähe wohnen,
und dass es in das Ermessen jeder Bahnderwaltung gestellt werden müsse,
ob sie diesen Interessen entgegenkommen wolle oder nicht. Die Experten
führen aber selbst an, dass das Institut der Amtswohnungen im allgemeinen
bei den schweizerischen Bahnen weder für die Qberbeamten, noch für den
Betriebsdirektor bestehe. Und gerade daraus, dass sie es in das Ermessen
der einzelnen Verwaltungen legen möchten, ob sie solche Amtswohnungen
errichten wollen, erhellt, dass dies jedenfalls nicht als dienstliches
Erfordernis angesehen werden kann.
Dagegen ist mit den Experten und aus den von ihnen angeführten Gründen
anzunehinen, dass die Bahnhofrestanrationen eine unmittelbare und
notwendige Beziehung zur Eisenbahn haben und dass die dazu gehörenden
Wohnräumedes Wirtes und seines Dienstpersonals als Zubehörden der
Wirtschaftsräume gelten dürfen (vergl. auch das Urteil des Bundesgerichts
in Sachen Etat de Vaud contre Compagnie du Jura-Simplon vom 26. Juni 1895,
Erw. Z).
Was die Ausmittlung der nicht steuerpflichtigen Quote der in der Stadt
Zürich befindlichen Betriebsund Verwaltungseinrichjungen der Nordosibahn
betrifft, so ist mit den Experten ein Unterschied zu machen, je nachdem
dieselben für die centrale Ver-IX. Civilsireitigkeiten vor Bundesgericht
als forum pmrogatum. N° 104. 871
waltung und den eentralen Beteiebsdienft oder für den speciellen
Betriebsdienst des Hauptbahnhofes benutzt werden.
Jn Hinsicht auf die zuletzt genannte Inanspruchnahme stellen sich als
sieuerpflichtige Linien nur die linksund die rechtsufrige Zürichseebahn
dar, während die Stammlinien Zürich-Baden und Zürich-Oerlikon mit allem
Verkehr, der sich darauf abspielt, auch soweit er von steuerpflichtigen
Linien herrührt, als steuerfrei gelten müssen. Ebenso haben die
Betriebsfunktionen, welche die Vereinigten Schweizerbahnen infolge eines
Übereinkommens mit der Nordostbahn an deren Stelle auf der steuerfreien
Nordostbahnstrecke Wallifellen-Zürich ausüben, als solche der Nordostbahn
selbst zu gelten, wie die (Experten des nähern ausgeführt haben, und ist
nicht einzusehen, weshalb die steuer-freie Nordostbahn steuerpflichtig
werden sollte, weil sie einen Teil des ihr konzessionsmässig zukommenden
Eisenbahnbetriebs den, vom Kanton Zürich übrigens für ihre Linie ebenfalls
mit dem Steuerprivileg ausgestatteten, Vereinigten Schweizerbahnen zu
überlassen für gut gefunden hat. Wieder in Übereinstimmung mit den
(Experten empfiehlt es sich, den Massstab für die Steuerquote, die
von den fär den speziellen Betriebsdienst benutzten Räumlichkeiten
im Bahnhof Zürich zu entrichten ist, in dem Zahlenverhältnis der
auf steuerpflichtigen Linien einund auslaufenden Wagenachsen zu den
Wagenachsen aller Linien zu finden. Unter Berücksichtigung der Billigkeit
wird diese Quote für die Jahre 1893/95 auf 20 0/0 und für die Jahre 1896,
98 auf 25 Ü/O des Mietwertes durchschnittlich festzusetzen sein. Die
Berechnung für die spätern Jahre ist auf der nämlichen Grundlage
festzustellen Diese Steuerquoten haben, wie die Erperten sagen, auf
sämtliche der Mietwertsteuer unterstellbare Objekte Anwendung zu finden,
die nicht der Centralderwaltung und dem Centralbetriebsdienste dienen.
Anders ist vorzugehen bei der Berechnung der Steuerquote für die von
der centralen Verwaltung und dem eentralen Betriebsdienst benutzten
Räumlichkeiten Hier geben die Betriebseinnahrnen der steuerpflichtigen
Linien das Mass der Beanspruchung der Bahneinrichtungen an, und der
richtige Massstab liegt, wie auch die Experten erklären, in dem Verhältnis
jener Einnahmen zu den Betriebseinnahmen aller Linien der Nordostbahn
Die Aus-
872 Civilrechtspflege.
scheidung zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Linien muss hier
eine andere sein, als bei der Feststellung der Steuerquote der für den
speziellen Betriebsdienst benutzten Räumlichkeiten Als steuerpflichtige
Linien sind nämlich die sämtlichen Strecken in ihrem konzessionsmässigen
Bestand zu betrachten, die sich im Besitze und in der Verwaltung
der Nordostbahn befinden und für die die Zürcher Konzession nicht
Steuerfreiheit zugesichert hat, während umgekehrt als steuerfrei auch
diejenigen ausserhalb des Kantons Zürich gelegenen Strecken zu betrachten
sind, die einen Bestandteil von Linien bilden, für die der Kanton Zürich
die Steuersreiheit gewährt hat, oder die von anderen Kantonen zu einer
Zeit mit dem Steuerprivileg konzessioniert worden find, als der Kanton
Zürich ausnahmslos in seine Eisenbahnkonzessionen das Steuerprivileg
ausgenommen hat, d. h. bis zum 25. Oktober 1870. Unter Berücksichtigung
der besondern Fähigkeit des Verwaltungsdienstes, ohne erhebliche
Kostenvermehrung und ohne wesentliche bauliche Erweiterungen neue
Unternehmungen mitbedienen zu können, und der mehr volkswirtschaftlichen
als privatwirtschaftlichen Bedeutung solcher Zweigunternehmungen
erscheint es nach Massgabe der Expertise als gerechtfertigt, die
Mietsvertsteuerquote siir die unter dein Gesichtspunkte der allgemeinen
Ver- waltung und des eentralen Betriebsdienstes in Betracht fallenden
Objekte zu 25 0/0 des Mietwertes für die Jahre 1893/95 und zu 30 0/Ü
siir die drei folgenden Jahre anzusetzen. In diesen Ansätzen ist die
Beteiligung der Dampfbootverwaltungen an den Spesen der allgemeinen
Verwaltung, die verhältnismässig unbedeutend ist, in Rechnung
gebracht. Bei den Betriebseinnahmen find auch die der nichtsteuerfreien
Linien Augst-Pratteln und KoblenzStein mitgerechnet, an denen der
Centralbahn Miteigentum zusteht. Es wird Sache der Miteigentümer sein,
das auf die beiden Strecken entfallende Steuerbetreffnis unter sich
zu verrechnen.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
1. Auf die Hauptklagebegehren wird, soweit sie sich auf andere
Steuern als die Mietwertsteuer der Stadt Zürich beziehen, nicht
eingetreten.IX. Civilstreitigkeiten vor Bundesgericht als forum
pmrogamm. N° 104. 873
2JU Hinsicht auf die Mietwertsteuer der Stadt Zärich werden die
Hauptklagbegehren abgewiesen, die Eventualbegehren aber wie folgt
zugesprochen:
a) Der Zürcher Hauptbahnhof mit Inbegriff aller Bahnzwecken dienenden
Gebäulichkeiten und Einrichtungen, sowie die im Hauptklagebegehren
III angeführten anderweitigen Gebäude (Räumlichkeiten) sind insoweit
steuerfrei, als sie dem Betriebe und der Verwaltung vom Kanton Bin-ich
und von andern Kantonen bis zum 25. Oktober 1870 mit Steuerprivileg
konzessionierter Eisenbahnlinien der Nordostbahn dienen.
Zu den in diesem Sinne steuerfreien Objekten gehören auch die
Bahnhosrestaurationen und die Wohnräume des Restaurateurs und seines
Dienstpersonals, nicht dagegen die s. Z. vom Direktionspräsidenten als
Vorsteher des Betriebsdepartements im Aufnahmsgebäude innegehabte Wohnung
und die Dienstwohnung des BahnOberingenieurs.
Diese Steuerfreiheit erleidet keine Anderung durch die Mitbenutzung der
Bahnstrecke Wallifellen-Zürich und des Hauptbahnhoses der Nordostbahn
von Seite der Vereinigten Schweizer Bahnen. -
b) Sofern und soweit dagegen die unter litt. & ausgeführten Objekte
der Verwaltung und dem Betriebe anderer, mit dem Steuerprivileg nicht
ausgestatteter Eisenbahnlinien der Nordostbahn dienen, haben sie aus
Steuerfreiheit keinen Anspruch und es ist die steuerpflichtige Quote im
Sinne von Erwägung 4 festzusetzen