48 A. steuerrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

2. Gerichtsstand in Konkurssachen. For en weitere de faillite.

7. Urteil vom 21. Februar 1900 in Sachen Ernst gegen A. Laroche-Passavant
und Konsorten

stellung des Bundesyerichts (als Staatsgerichtshof} in
Gerichésstandsfragen aus dem Schweine- u. Kante-GesWohnsitz im Inland
oder im Ausland zur Zeit der Kankurserò'ffnung?

A. Am 18. November 1899 stellten A. Laroche-Passavant in Basel und die
Erben des verst. August Veillon-Burkhardt in Basel und Zürich gegen den
Architekten Heinrich Ernst; der bis im September 1899 in Zürich wohnhaft
gewesen war, beim dortigen Konkursrichter, gestützt auf Art. 190 Ziff·
2 B.-G. das Konkursbegehren, dem mit Erkenntnis vom 25. November 1899
entsprochen wurde. Der hiegegen von Sg. Ernst erhobene Rekurs wurde von
der Rekurskammer des Obergerichtes Zürich durch Entscheid vom 10. Januar
1900 abgewiesen.

B. Gegen diesen Entscheid erhebt H. Ernst staatsrechtlichen Rekurs
beim Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 58 und 4 der B.-V. und
Art. 46 ff. des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs Er
macht geltend: Nach den Bestimmungen des soeben angeführten Gesetzes
über das Betreibungsforum, die auch die Frage des Konkursforums in
abschliessender Weise kegelten, könne über einen im Ausland wohnenden
Schuldner in der Schweiz der Konkurs nur eröffnet werden, wenn er hier
eine Geschäftsniederlassung oder ein Spezialdomizil habe. Nun habe
Rekurrent seit Mitte September 1899 sein Domizil von Zürich nach Pein
verlegt, wo er mit seiner Familie eine von ihm gemietete, mit seinen
Möbeln ausgestattete Wohnung bezogen, Liegenschaften gepachtet und ein
Geschäftsbüreau eröffnet, und wo er sich bereits unterm 20. September
ordnungsgemäss bei den Behörden angemeldet habe; in Zürich habe er seither
weder Wohnung noch Geschäft mehr; auch bestehe daselbst für Ihn weder eine
Geschäftsniederlassung noch ein Spezialdomizil. Die zurcherischen Gerichte
seien daher zur KonknrseröffnungV. Gerichtsstand, %. In Konkurssachen. N°
7. 49

nicht kompetent gewesen. Wenn die Rekurskammer einwende, der Rekurrent
habe seine Ausweispapiere erst am 11. Dezember 1899 in Zürich erhoben,
so sei zu bemerken, dass er als Bürger von ,gend; daselbst überhaupt
keine Ausweispapiere deponiert gehabt und dass es sich am 11. Dezember
lediglich um die Ausstellung eines Heimatscheins für ihn gehandelt
habe, der für die Frage des Wohnsitzes nur im Zweifel eine Bedeutung
beigemessen werden könnte Dass vor der ersten Instanz die Domizilfrage
nicht speziell hervorgehoben worden sei, habe seinen Grund darin,
dass damals dem Anwalte des Rekurrenten eine ordentliche Jnstruktion
gemangelt habe; es sei dies auch unerheblich, da nach § 67 des zürch
Einsührungsgesetzes die Konkurserösfnung in das summarische Verfahren
falle und in diesem nach § 697 der zürcherischen Rechtspflege auch in
der Rekursinstanz neue Thatsachen und Einreden geltend gemacht werden
könnten. In dem angefochtenen Entscheid liege nicht nur die Verletzung
einer Gerichtsstandsnorm des eidgenössischen Betreibungsgesetzes, sondern
auch eine Verletzung der Art. 58 und 4 der SE.-V., da die zürcherischen
Gerichte sich eine Kompetenz angemasst hätten, die ihnen offenbar nicht
zustand.

C. Die Rekursgegner erheben zunächst den Einwand, dass das Bundesgericht
als Staatsgerichtshof nicht koinpetent sei, nachzuprüfen, ob durch
das angefochtene Konknrserkenntnis das eidg. Vetreibungsgesetz
verletzt sei. Sachlich wird entgegnet: Erstlich habe der Rekurrent
durch Nichterheben der Jnkompetenzeinrede vor dem Konkursrichter
das Recht zur Ergreifung des staatsrechtlichen Rekurses verwirkt; §
697 der zürcherischen Rechtspflege auf den man sich hiergegen berufe,
beziehe sich nur auf materielle Einwendungen, nicht auch auf die Einrede
der Jnkompetenz, die von vornherein erhoben werden müsse. Ferner aber
sei es unrichtig, dass der Rekurrent am 18. bezw. 25. November 1899
in Zürich ckein Domizil mehr gehabt habe. Richtig möge sein, dass
Ernst im September 1899 Zürich verlassen habe. Aber die Absicht, das
bisherige Domizil aufzugeben und an einen andern Ort zu verlegen, sei
nicht nachgewiesen; die Anmeldung beim Sindaco von Pein genüge hierfür
nicht, da auch blosse Aufenthalter sich anmelden müssten und sich eine
Bescheinigung darüber verschaffen

XXVI, {. ZQGO &

50 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt Bundesverfassung.

könnten. Den zur förmlichen Niederlassung erforderlichen Heimatschein aber
habe Ernst erst am ii. Dezember in Zurich ausgewirkt. Bestritten werde,
dass der Rekurrent in Pegli ein Architekturbiireau eröffnet und damals
schon Liegenschasten in Pacht gehabt habe. Dafür, dass Rekurrent vorher
nicht die Absicht hatte, sich im Ausland festzusetzen, sprächen positiv
eine Reihe anderer Momente, so die Zuschrift an das Betreibungsamt,
dass Rekurrent vorübergehend von Zürich abwesend sein werde und dass
dasselbe ins-künftig seine Mitteilungen an seinen Vertreter infinuieren
möge, die vorbehaltlose Annahme der nach dem 20. September 1899 gegen
ihn erlassenen Zahlungsbesehle, der Umstand, dass er es trotz § 189 der
Zürcher Civilprozessordnung unterlassen habe, den mit seinen Prozessen
betrauten Gerichten einen Domizilwechsel anzuzeigen, das vorbehaltlose
Eintreten auf das Rechtsösfnungsgesuch der Rekursgegner vom 18. November,
das Nichtbestreiten der Kompetenz in der Konkursverhandlung vom
25. November und die Angabe des Rechtsdomizils Zürich in der nach der
Konknrserbffnung eingereichten Aberkennungsklage.

Das Bundesgericht zieht in Erw ägung:

1. Es wurde schon mehrfach ausgesprochen, dass in Gerichtsstandssragen
die Kompetenz des Bundesgerichts als Staatsgerichtshof sich nicht
darauf beschränkt, zu prüfen, ob ein kantonaler Entscheid mit einer
Verfassungsoder Konkordatsvorschrist bezw. mit einer staatsvertraglichen
Bestimmung in Widerspruch stehe, dass vielmehr die Verletzung auch
derjenigen bundesrechtlichen Gerichtsstandsnormen, die bloss in einem
Bundesgesetze enthalten find, oder sich daraus ergeben, beim Vorhandensein
der übrigen Voraussetzungen dieses Rechts-mittels aus dem Wege des
staatsrechtlichen Rekurses gerügt werden kann (vergl. z. B. Antil. Samui
Bd. XXIV, 1. T., S. 255 Erw. 3). Da nun vorliegend behauptet wird,
dass sich die Frage des Forums für die Konkurseröffnung nach den
Bestimmungen der Art. 46 ss. des eidg. Betreib.-Gesetzes beurteile
und dass diese von den Zürcher Gerichten unrichtig angewendet worden
seien, so ist das Bundesgericht zum Entscheide auch über diesen
Beschwerdepunkt kompetent. Davon, dass darüber im Beschwerdeverfahren
der Art. 17 ff. des eidg. Betreib.-Gesetzes durch die Aufsichtsbehörden
zu ent-V. Gerichtsstand. 2. In Konkurssachen. N° 7. 51

scheiden wäre, kann keine Rede sein, weil letztere nur zur Überprüfung
der Geschäftsführung der eigentlichen Vollstreckungsorgane, nicht auch
der Gerichte zuständig sind.

2. Nun ist flat, dass sich die Frage, welches Gericht zur Konkurseröfsnung
kompetent sei, für das ganze Gebiet der Eidgenos- senschaft einheitlich
beantwortet, und dass dafür die Normen des eidg. Betreibungsgesetzes
über das Betreibungsforum massgebend sein müssen. Der Konkurs
ist nichts anderes-, als eine Art der Zwangsexekution, und wie das
eidg. Betreibungsgesetz festsetzt, wo diese einzuleiten sei, so muss
es sich auch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Beurteilen, wo
der Konkurs zu eröffnen sei, wenn derselbe ohne vorherige Beireibung
anbegehrt wird (vgl. Antil. Samml., Bd. XXV, i., S. 36 ff.). Fraglich
ist dagegen allerdings, welche Regeln zur Anwendung zu kommen haben in
internationalen Verhältnissen, 17. h. wenn es sich darum handelt, ob zur
Konkurserösfnung überhaupt ein schweizerisches, ob nicht vielmehr ein
ausländisches Gericht dafür zuständig sei. Auf diese Frage braucht jedoch
im vorliegenden Falle deshalb nicht näher eingetreten zu werden, weil
die Rekursgegner ausdrücklich zugeben, dass die Zürcher Gerichte nicht
zuständig gewesen wären, wenn der Rekurrent wirklich, wie er behauptet,
seinen Wohnsitz zur Zeit der Konkurseröfsnung im Ausland gehabt und wenn
er nicht zudem die Zuständigkeit der Zürcher Gerichte anerkannt hatte.

8. Zunächst ist nun in letzterer Beziehung zu bemerken, dass die obere
kantonale Instanz nicht etwa aus Gründen des kantonalen Prozessrechts
angenommen hat, es habe der Rekurrent die Einrede der Jukompetenz der
Zürcher Gerichte dadurch, dass er sie nicht schon vor der ersten Instanz
geltend machte, verwirkt, oder er habe dadurch die Zuständigkeit der
dortigen Gerichte anerkannt, dass die Rekurskammer vielmehr auf jene
Einrede materiell eingetreten ist und den Umstand, dass sie nicht
schon vor der ersten Instanz erhoben wurde, lediglich als Jndizium
dafür verwendet hat, dass der Rekurrent selbst damals die Kompetenz der
Zürcher Gerichte für begründet gehalten habe. Wenn aber dem kantonalen
Prozessrecht die Erhebung der Jnkompetenzeinrede in der Rekursinstanz
nicht entgegenstand, so kann auch vom Standpunkt des eidgenössischen
Rechts aus nichts dagegen eingewendet werden, dass

52 A. szaazsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

die Rekurskammer dieselbe in Behandlung gezogen, bezw-. aus der
Nichterhebung vor der ersten Instanz nicht aus eine Anerkennung der
Kompetenz der Zürcher Gerichte geschlossen hat, und noch weniger kann
davon die Rede sein, dass der Rekurrent das Recht zur staatsrechtlichen
Beschwerde dadurch verwirkt habe.

4. Sonach fragt es sich bloss noch, ob der Rekurrent im Zeitpunkte der
Konkurseröffnung im Auslande domiziliert gewesen sei oder nicht. Derselbe
giebt zu, dass er bis Mitte September seinen Wohnsitz in Zürich gehabt
hat, will diesen aber um jene Zeit nach Pegli verlegt haben. Die
Beweislast dafür, dass schon vor dem 25. November 1899 ein wirklicher
Wohnsitzwechsel stattgefunden habe, trifft selbstverständlich den
Rekurrenten. Überdies fällt in Betracht: Es geht aus den eingelegten Akten
hervor, dass Ernst seit dem Frühjahr 1899 sich in Zahlungsschwierigkeiten
befand und, trotzdem er im Laufe des Sommers eine beträchtliche
Schuldenlast ablöste, bedrängt blieb und im September, als er sich
von Zürich fortbegab, sowohl betreibungsamtlich, als gerichtlich von
Gläubigern verfolgt war. Unter solchen Umständen ist die Vermutung
nahe liegend, dass der Schuldner seinen Wohnsitz nur aufgegeben habe,
um sich seinen Verpflichtungen bezw. ihrer Geltendmachung zu entziehen
oder diese zu erschweren, und es darf mit Rücksicht hierauf mit dem
Nachweis der Begründung eines neuen Wohnsitzes durch den Schuldner im
Interesse seiner Glaubiger nicht zu leicht genommen werden. Nun ist
vorliegend nur dargethan, dass sich Ernst im September 1899 thatsächlich
von Bin-ich fortUnd nach Pegii begeben hat, wohin er auch seme Familie
und sein Mobiliar hat kommen lassen. Dafür aber dass schon zur Zeit der
Konkurseröffnung auch die feste Absicht bestanden habe, Zurich dauernd zu
verlassen und in Pein einen neuen Mittelpunkt für das gewöhnliche Leben
und die geschäftliche Thatigkeit zu begründen, liegt abgesehen von einer
selbstverstcindlich durchaus wertlosen Meinungsäusserung einiger Zürcher
Burger nur die Thatsache vor, dass sich Ernst schon im September bei
den Behörden von Pegli angemeldet hat. Es ist jedoch nicht ersichtlich,
dass man es dabei mit der polizeilichen Regelung einer eigentlichen
Niederlassung zu tun hatte. Für diese wäre doch wohl die Einlage des
Heimatscheins notwendig gewesen, den sichVl. Arreste. N° 8. 53

der Rekurrent zugestandenermassen erst am 11. Dezember 1899 in Zürich
aus-stellen liess. Letzteres Moment deutet nun allerdings daraus hin, dass
der Rekurrent damals gewillt war, sich anderswo festzusetzen Allein dass
diese Absicht schon zur Zeit der Konkurseröffnung bestanden habe, darf
daraus nicht ohne weiteres geschlossen werden, zumal da, abgesehen von den
erst in der sitt-kursinstanz vorgebrachten weitern Jndizien, der Umstand
positiv gegen diese Annahme spricht, dass bei der erstinstauzlicheu
Verhandlung über das Konkursbegehren der Vertreter des Rekurrenten in
keiner Weise daraus abstellte, dass dieser im Ausland ein neues Domizil
begründet habe. Fehlt aber hiernach für den massgebenden Zeitpunkt der
erforderliche strikte Nachweis über die Voraussetzungen eines rechtlich
als gültig anzuerkennenden Wohnsitzwechsels, so fällt die Grundlage
des Rekurses dahin und muss dieser als unbegründet abgewiesen werden.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

VI. Arreste. Saisies et séquestres.

8. Arre-t du 24 janvier 1900 dans la cause Fusz'naz contre Bourgeois.

Art. 59 g 1 et 2 C. F. Art. 13? et 6 du Traité d'établissemeni entre 1a
la Suisse et l'Italie, du 22 juillet 1868. Ari. 271 LP. Definition du
forain . Insolvabiliié du séquestré.

Antoine Fusinaz, ressortissant italien, est domicilié depuis 1895 à
Villeneuve. Il était propriétaire d'un carrousel, pour l'exploitasstion
duquel il s'était associé avec un sieur Louis

Mullener, fabricant de rateaux, domicilié à Vevey. Le 15 janvier 1896
Fusinaz vendit ce carrousei à Mullener,

à la condition que ce dernier payerait une certaine somme

·
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 26 I 48
Data : 21. febbraio 1900
Pubblicato : 31. dicembre 1901
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 26 I 48
Ramo giuridico : DTF - Diritto costituzionale
Oggetto : 48 A. steuerrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. 2. Gerichtsstand


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