358 (1. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

unzweifelhaft erwiesen, und es sollen deshalb für den Fall, dass eine
tarifinässige Verwendung diesbezüglich nicht stattgefunden hat, die Rechte
der Rekurrentin gewahrt bleiben. Demnach hat die Schuldbetreibungs und
Konkurskammer erkannt: Der Rekurs wird im Sinne der Motive abgewiesen.

67. Entscheid vom 19. Juli 1900 in Sachen Konkursmasse von Smiriioff-La
Roche.

Legitimation zur Beschwerde wagen ungesetzlicher Zusteäiung ein-es
Zahlungsbefehls. -Kompetenzen der Vallstreckungsbefeärden und der
Gerichte bei Vindéleation dee" Konkursmasse des Ehemannes der betriebenen
Sc/mèdner-én gegenüber einem betreiben-ten Giäubiger.

I. Auf Begehren des Leopold Pisk in Berlin ertiess das Betreibungsanit
Baselstadt am 17. Januar 1900 an Frau Julie von Smirnoff-La Roche
in Belp solidarisch mit ihrem Ehemann einen Zahlungsbefehl auf
Faustpfandverwertung für ,6451 Fr. 20 Cis. Als Pfandgegenstände wurden
verschiedene, bei der schiveizerischen Volksbank, Filiale Basel,
faustpfändlich hinterlegte, angeblich im Eigentum von Dr. Brüstlein
in Berti stehende Obligationen angegeben. Der Zahlungsbefehl wurde in
Abwesenheit der Frau von Smirnoff dem Kutscher Thomas Galewitz zagt-stellt
Derselbe blieb unwidersprocheii.

II. Am 3. Februar 1900 wurde über den Eheinann von Smirnofs der
Konkurs eröffnet. Als Konkursverwalter wurde Fürsprecher Spreng in
Berti bestellt. Derselbe verlangte mit Zuschrift an das Betreibungsamt
Baselstadt, vom 28. Mai 1900, dass sämtliche Vetreibungen gegen den
Ehegatten von Smirnoff aufzuheben und dass die fraglichen Wertpapiere,
die von der Volksbank der Civilgerichtsschreiberei Basel übergeben worden
waren, als Eigentum des Eheinaiines von Sniirnosf in die Konkursinasse
abzuliefern seien. Daraufhin erliess das Betretbungsamt Baselstadt,
nachdem es zuvor dein beireibenden Gläubiger von den Ansprüchen der
Konkursmasse Kenntnis gegebenund Konkurskammer. N° 67. . 359

hatte und nachdem von diesem eine Bestreitung derselben eingelangt
mar, am 6. Juni 1900 an die Konkursverwaltung gemäss Art. 107 des
Betreibungsgesetzes die Aufforderung-innen zehn Tagen gerichtliche
Klage auf Anerkennung ihrer Anspruche zu erheben. · HI. Gegen
diese Verfügung erhob der Konkursverwalter im Konkurse von Smirnoff
Beschwerde bei der baselstädtischen Aufsichtsbehörde mit den Anträgen,
es seien die Pfandbetreibuug des Leopold Pisk und die hierauf basierende
Klagefristansetzung des Betreibungsanites Baselstadt vom 6. Juni 1900
aufzuheben und

das Betreibungsamt Basel pflichtig zu erklären, die fraglichen

Werttitel an die Konkursmasse des Ehemannes von Smirnosf abzuliefern
Der Beschwerdeführer führte aus:·Nach dein massgebenden bernischen
ehelichen Güterrechte seien die fraglichen Titel Eigentum des Ehemannes
von Smirnoff. Eine auf deren Realisierung gerichtete Betreibung
sei mit der Konkurscröfsnung dahingesallen, auch soweit dieselbe
persönlich gegen die Ehesran von Smirnofs gerichtet gewesen sein
sollte (Art. 206 des Betreibungsgesetzes) Nach Art. 232, Biff. 4 des
Betreibungsgesetzes seien deshalb die Titel in die Masse abzuliefern
und tm. Konkurse zu liquidieren. Die kantonale Aufsichtsbehörde
wies die Beschwerde in allen Punkten ab unter folgender Begründung:
Zunachst in hervorzuheben, dass nach den Akten des Betreibungsanites,
wie schon erwähnt, zwei Zahlungsbefehle gegen den Ehemann und gegen die
Ehefrau von Smirnoff erlassen und ain Domizil "des Ehemannes zugestellt
worden sind. DerRekurrent behauptet feinen Mangel in der Zustellung der
Betreibtingsurkunden. Die gehörige Zustellung wird auch durch die bei den
Akten des Betreibungsamtes liegenden Zahlungsbefehlsdoppeb bescheinigt,
"nach welchen die an die Adresse des Ehemaniies wie der Ehefrau
gerichtete-Betreibuiig an eine zur· Haushaltung des Eheinannes gehörende
Person, also auch diejenige gegen die Ehesraii an deren gesetzlichen
Vertreter, ihren Ehemann, zugestelltworden sind. Die Betreibung gegen
die Ehefrau von CTZrnirnofi ist daher dem Gesetz entsprechend eingeleitet
und. sortgesuhrt Ob die Ehefrau eigenes Vermögen besitzt, oder nicht, hat
das Betten-angsamt nicht zu prüfen, und ebensowenig steht es der Kognition

360 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

der Aufsichtsbehörde zu, auf die Vermögensfähigkeit der
Ehefrau abzustellen und deswegen eine sonst den Vorschriften des
Betreibungsgesetzes entsprechend angehobene Betreibung aufzuheben-
Das Betreibnngsamt ist nicht in der Lage, zu untersuchen unter welchem
ehelichen Güterrecht die betriebenen Eheleute stehen und es steht ihm
auch nicht zu, zu entscheiden, welchem der sähegatten das Eigentum an den
fraglichen Gegenständenzuzuschreiben sei, um darauf gestützt, über die
Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Betreibung zu urteilen (vergl. die
Entscheide im Archiv V, Nr. 65 und 127, und Bundesger. Entscheid
Amtr. Samml., Bd.xx1v, S. 751). Die Bestimmungen des kantonalen
Rechtes können überhaupt gegenüber dem Bundesrechte keine neuen
Voraussetzungen für die Zulässigkeit desBetekibuugsvekfahkens schafer
(V.-G. E. XXII, S. 336). Jedenfalls aber sind die materiell-rechtlichen
Einwendungen desSchuldners gegenüber der Betreibung, die sich auf feine
Vermögensunfähigkeit stützen, nicht von Amteswegen und durchs die
Betreibungsbehörden, sondern auf den Rechtsvorschlag des Schuldners
hin durch den Civilrichter zu entscheiden Art. 206-Vetr.-Ges., auf
den sich der Rekurrent beru, findet keine Anwendung, da ja nicht die
Ehefrau, sondern der Ehernann in Konknrs geraten ist Da die Konkursmasse
des Ehemaimes ein Vindikationsrecht beansprucht, dieer Recht aber vom
betreibenden Gläubiger bestritten wird, so hat nach Art. 155 Betr.-Ges. in
Verbindung mit am, 106 ff. das Einspruchsverqfahren stattzufinden Die
Klagefristansetzung ist daher zu Röntgen, und demzufolge auch der dritte
Beschwerdepunkt abzuwenen.

IV. Gegen diesen Entscheid hat Fürsprecher Spreng in seinerv mehrerwähnten
Eigenschaft den Retan an das Bundesgericht ergriffen. Er wiederholt die in
der Beschwerde an die kantonalev Aufsichtsbehörde gestellten Anträge und
die dieser vor-getragenen Gründe-, denen er beifügt: Es sei Unzutreffend,
dass die Betreibung gegen Frau von Smirnoff dem Gesetze entsprechend
eingeleitet und fortgesetzt worden sei. Die Eheleute von Smirnoff seien
nämlich schon am 17. November 1899 provisorisch in der Vermogensverwaltung
eingestellt worden. Der Zahlungsbefehlund Konkurskammer. N° 67. . 361

vom 17. Januar 1900 hätte deshalb dem Kurator, Fürsprecher Lindt in
Bern, zugestellt werden sollen, und die an die Ehefran selbst, bezw. an
den Ehemann erfolgte Zustellung sei ungesetzlich, was das ganze weitere
Verfahren hinfällig mache. Über die Art der Zustellung sei Rekurrent erst
durch den angefochtenen Entscheid der Basler Aufsichtsbehörde aufgeklärt
worden, weshalb dieser Punkt nicht früher releviert worden sei.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Der Umstand, dass der Zahlungsbefehl für Frau von Smirnoff nicht in
gesetzlicher Weife zugestellt worden zu sein scheint, kann im vorliegenden
Verfahren nicht berücksichtigt werden. Einzig die Betriebene selbst
oder ihr gesetzlicher Vertreter wären befugt, aus diesem Grunde die
Ungültigkeit der Betreibung geltend zu machen, während Dritte, so auch
die Konkursmasse des Ehemannes von Sinirnoff, nicht legitimiert sind,
seinen solchen Mangel der formell zu Recht bestehenden Beweibung zu rügen.

2. Den Hauptbeschwerdepunkt betreffend ist zunächst festzuhalten, dass die
Ehesrau von Smirnoff selbständig (wie es scheint neben ihrem Ehemanne)
als Schuldnerin triebrechtlich belangt worden ist. Diese Betreibung
ist durch die Eröffnung des Konkurses über den Ehemann von Smirnosf
nicht dahingefallen. Dagegen werden allerdings die Pfandobjekte, deren
Realisierung die Betreibung bezweckt, von der Konkursmasse des Ehetnannes
von Smirnofs heraus verlangt Dieser Anspruch

ist vom betreibenden Gläubiger bestritten worden, weil die Titel der
betriebenen Schuldnerin oder gar einem Dritten (Dr. Brüst{ein} gehören. Es
ist nun nicht Sache der Vollstrecknngsbehörden, die Begründetheit des
Anspruches der Konknrsmasse zu prüfen, sondern hiefür sind einzig die
Gerichte zuständig. Die Vollstreckungsbehörden haben bloss gemäss Art. 155
bezw. 106 109 des eidgenöfsischen Betreibungsgesetzes das sogenannte
Vereinigungsverfahren durchzuführen Der Umstand, dass die Bindikantin
eine Konkursmasse isf, vermag hieran fo wenig etwas zu ändern, wie
die Thatsache, dass es die Konkursmasse des Ehemannes der betriebenen
Schuldner-in ist, die die Titel aus

3362 C. Entscheidungen der Schuldbetreihungs--

dem Pfaiidverwerinngsverfahren herausverlangt. Fraglich ist bloss, ob
Art. 106 und 107 oder 109 zur Anwendung zu kommen hatten. Die Masse ist
nun nicht im Vesitze der fraglichen Objekte, und dass der gegenwärtige
Detentor für sie besitze, wird nicht einmal behauptet, wie denn auch
nach der Lage

der Dinge anzunehmen isf, dass die Civilgerichtsschreiberei Basel '

die Titel für den Faustpfandgläubiger inne habe. Demnach ist der
Betreibungsbeamte von Baselstadt richtig vorgegangen, wenn er der
Konkursmasse eine Frist zur Einklagung ihrer Ansprüche auf die fraglichen
Titel nach Art. 107 des Betreibungsgesetzes ansetzte

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt: Der Rekurs wird im Sinne der Motive abgewiesen.

68. Entscheid vom 19. Juli 1900 in Sachen Müller & Cie.

Das Einsprua'zsverfahren nach Art. 106 109 Betta-Ges. hat gege:benenfalls
auch bei Aufnahme einer Retentionsurk-lmde stattzufisiie- den. Eine
einmal beseitigte Ansprache kann nicht auf dem Umwege einer Pfafnrsiiemg
neu eingeführt werden ; eine Fristansetzung zum Einspruch gegen diese
Pfändung ist wirkungslos.

]. Martin Aufdermauer in Seewen liess am 14. August 1899 zu Gunsten
einer Mietund Warenîieîerungsforderung durch das Betreibungsaint
Schwyz bezüglich verschiedener Gegenstände seines Schuldners Eugen
Päntener eine Retentionsurkunde aufnehmen. An zwei darin verzeichneten
Fässern Wein machten Sebastian Müller & Cie. in Altdorf Eigentumsbezw.
Retentionsrecht geltend, welche Ansprache Ausdermauer auf erfolgte
Mitteilung des Betreibungsamtes hin bestritt. Letzteres forderte
sodann die genannte Firma gemäss Art. 107 Betr.-Ges. zur Einklagung
ihrer Ansprüche innert der gesetzlichen Frist von 10 Tagen auf.
Dieser Aufforderung wurde aber von ihr keine Folge gegeben-

Aufdermauer seinerseits hatte gleichzeitig mit der Erwirkungund
Konkurskammer. N° 68. ' 363

der Retentionsurkunde gegen Püntener Betreibung enge-hoben Gegenüber
einem von diesem erklärten Rechtsvorschlage erlangte er am 6. Dezember
1899 die Rechtsöffnung Püntener strengie darauf die Aberkennungsklage
des Art. 83 Betr.-Ges. an, wie es scheint aber erst im März 1900,
also verspätet, und zudem ist diese Klage, infolge Unterlassung des
Klage-IT rechtzeitig die Gerichtskosten vorzuschiessen, im Junid1900
vom Bezirksgerichte w als erledi t ab e rieben wor en. Scklsznzwischeng
hattgenscham 8. September 1899 Sebastian Müller & Cie. gegen den seither
nach Uster gezogenen Puntener für eine Forderung wegen gelieferten
Weines Betreibung angehoben. Zu Gunsten dieser Betreibung (und
mehrerer anderer) liess das Betreibungsamt von Uster durch dgsjenige
von Schwyz sam 1-1. November 1899 verschiedene m' Oeewen befindliche
Gegenstände Pünteners, darunter auch die vorgenannten zwei Fässer Wein,
pfänden. Auf der Pfändungsurkunde findet sich bemerkt, dass Ausderniauer
ein der Pfandung dorgehendes Retentionsrecht beanspruche. Dieses wurde
vonSebastian .Miiller & (Sie. innert gesetzlicher Frist bestritten,
worauf das Betreibung7amt Uster dem Aufdermauer am 26. Dezember 1899
die Frist zur Klageinreichung nach Art. 107 des Betreibungsgesetzes
ansetzte. Aufdermauer liess diese Frist nnbenutzt verstreichen und
be- schränkte sich daraus, dein Betreibungsanite unter .Ru,cksendung
der schriftlichen Klagaufforderung zu bemerken, dasz Hebastian Müller &
Cie. ihr Begehren am richtigen Orte einreichen mögen. . III. Auf Ansuchen
der letztern wurde sodann voin.2?et·reibungsamte Schwyz die Versieigeruug
der genannten zwei Fasser Wein angesetzt, und zwar, wie es scheint, aus
den 19. Februar 1900. Jnfolge dessen wandte sich Aufdermauer an denI
Gerichtspräsidenten von Schwyz als untere Aufsichtsbehorde, indem er
geltend machte: Gegen die angesetzte Steigerung ss erhebe er zwar keine
Einwendung, bestreite aber dem Betretbungsamte Usier die Befugnis-,
gegen die fraglichen Gegenstande schuldem triebrechtlich vorzugehen,
bevor er für seine Ansprache an Puntener voll und ganz bezahlt sei. Der
Ganterlös sei demnach vom Betreibungsamt Schwyz in Verwahr zu behalten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 358
Datum : 19. Juli 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 358
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 358 (1. Entscheidungen der Schuldbetreibungs- unzweifelhaft erwiesen, und es sollen


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
konkursmasse • betreibungsamt • zahlungsbefehl • wein • eigentum • schuldner • konkursverwaltung • frist • ehegatte • tag • einwendung • realisierung • retentionsrecht • rechtsvorschlag • mass • gesetzliche frist • richtigkeit • gesetzliche vertretung • entscheid • zuständigkeit
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