144 0. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

Psändungsrecht der übrigen Gläubiger vorgehe und ordnet an, wie dieses
Privileg im Exekutionsversahren zu schützen sei. Dagegen folgt daraus
in keiner Weise, dass der Mietzinsgläubiger seine eigene Betreibung
auf Verwertung der Retentionsobjekte in eine gewöhnliche Betreibung
auf Pfändung oder Konkurs umwandeln und verlangen könne, dass die
Retentionsobjekte oder ihr Erlös für den noch nicht verfallenen Mietzins
aufbewahrt und dass dagegen für die verfallenen Quoten anderes Vermögen
des Schuldners gepfändet bezw. diesem der Konknrs angedroht merde. Ein
solches Begehren könnte vielmehr höchstens unter Umständen als Rückzug
der angehobenen Retentionsbetreibnngen in Betracht fallen, unter welcher
Annahme aber vollends von einer Erekution ssin anderes Vermögen des
Schuldners nicht die Rede sein könnte, bevor eine neue Betreibung
eingeleitet worden ware.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt : ' Der
Rekurs wird abgewiesen.

26. Entscheid vom 13. Februar 1900 in Sachen Citherlet und Genosse.

Eigentumsansprache im Konig-ume. Art. 242 Beth-Ges. Verfügungsgewalt
der Xenien-semer (bezw. merwaltung) oder des Dritt- aeesprechers
? Gegenseitige Steihmg der Aufsichtsbehcîrden mad der Gerichte.

1. Der am 11. Oktober 1899 in Konkurs erklärte Andreas Petitjean-Pabst
in Baselstadt hatte im März 1899 von Justin Citherlet in Courfaivre und
Joseph Cäsard in Buix ans den Waldungen des Còtes im Amte Delsberg
Holz gekauft. Der grössere Teil des Holzes blieb auf dem Hofe der
Verkäufer liegen· Ein kleinerer Teil wurde von Petitjean in der Säge
von Vortrrignon abgeführt.

Unter Berufung darauf, dass der Käufer die gekaufte Ware laut Vertrag erst
nach Zahlung des Preises wegführen dürfe,und Konkurskammer. N° 26. 145

Iwelche Zahlung nicht erfolgt sei, und dass zudem die Verkaufer sich den
Vorbehalt des Art. 264 O.-R. ausbedungen hätten, suchten die letztern am
3. Oktober 1899 beim Gerichispräsidenten svon Delsberg um Schutz ihres
Besitzes nach. Der Gerichtspräsident erliess auf dies hin gleichen Tages
gestützt auf am. 306 ff. der bernischen Civilprozessordnung folgende
Verfügung:

1° Nous faisons défense par mesure provisoire et préa lasible aux requis,
d'enlever le bois vendu par les requérants et se trouvant sur Ie domaine
des Còtes, dans les forèts de ce domaine et à la scierie de Bourrignon.

2° Désignons comme gardien M. Pierre Koller, garde forestier à Bourrignon.

3° Ordonnons qu'un double des présentes sera signifié aux requis par
les sojns du greife de ce siège.

4° Fixons termes pour les débats sur la mesure provi. soire en notre
audience du 19 octobre 1899.

An genanntem Termine wurde sodann die Verfügung vom Gerichtspräsidenten
in contumaciam des Petitjean bestätigt-; und am 23. Oktober 1899 diesem
bezw. dessen Konkursmasse notisiziert.

Die Konkursverwaltung liess das fragliche Holz in das Jnoentar aufnehmen
und beauftragte den vom Gerichtspräsidenten bestellten Holzhüter
mit dessen Bewachung. Citherlet und Cäsar-d meldeten sodann ihren
Eigentumsanspruch bei der Konkursverwaltung an, woran ihnen diese am
16. Dezember 1899 eröffnete, sie weise den Anspruch ab, Und ihnen eine
zehntägige Frist zu dessen Einklagung ansetzte.

II. Hiegegen beschwerten sich Citherlet und Cäsard bei der
Aufsichtsbehörde des Kantons Baselstadt, indem sie geltend machten: Die
Konkursverwaltung sei zur Fristansetzung im Sinne von Art. 242 B.-G. nicht
berechtigt, da sie resp. der Gemeinschuldner die Verfügungsgewalt über
den Streitgegensiand nie gehabt, oder sie doch zufolge des unangefochten
gebliebenen richterlichen Verbotes verloren habe. Die Konkursverwaltung
müsse also klagend austreten

Die letztere beantragte Abweisung der Beschwerde, wobei sie aus-führte:
Es komme lediglich ans die Frage an, wer im Zeit-

XXVI, 1. 1900 iO

146 C. Entscheidungen der Schuldhetreihungs-

punkte des Konknrsausbrnches den Gewahrsam am Kaufobjekt gehabt habe. Die
thatsächliche Verfügung über das Holzahabe nur Petitjean gehabt; er
habe einen Teil in die Sage über-fuhren lassen. Die Konkursverwaltung
habe den gesamten Holzvorrat ins Inventar aufgenommen und damit den
konkursmässigen Beschlag darauf gelegt. Der Waldhüter sei erst von
ihr thatsächlich zurBewachung des Holzes eingesetzt worden. An diesem
Besitzstand des Petitjean, bezw. der Konkursmasse, habe die Verfügung
des Gerichtspräsidenten von Delsberg nichts zu ändern vermocht. Sie sei
ungesetzlich erfolgt, da die Konkursmasse nicht vor-geladen worden ei.

HÎL Die kantonale Aufsichtsbehörde erklärte am 18. Januar 1900 den Rekurs
insofern für begründet, als die Fristansetzung vom 16. Dezember 1899 das
im Walde des Cétes befindliche Holz betreffe, wies ihn dagegen ab, soweit
sie sich auf das in dieSäge von Bnrrignon verbrachte Holz beziehe. Dieses,
erklärte dieAnfsichtsbehörde, befinde sich im Gewahrsam der Konkursverwals
tung, da Petitjean schon in dem Wegführen allein seine Versugungsgewalt
zur Genüge kundgegeben habe.

IV. Citherlet und Cesard zogen den Entscheid rechtzeitig an das
Bundesgericht weiter mit dem Antrage, denselben insofern abzuändern,
als die Verfügung der Konkursverwaltung vom 16. Dezember 1899 auch für
das nach der Scierie de Bourrignon verbrachte Holz aufzuheben sei.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Die Vorinstanz gründet ihren Entscheid auf die unzweifelhaft
fesistehende Thatsache, dass der Gemeinschuldner Petitjean das streitige
Holz aus dem Walde der Rekurrenten nach der Säge inBourrignon abführte,
womit der Gewahrsam an demselben von den Reknrrenten auf ihn übergegangen
sei. Mag dieser Auffassung auch zuznstimmen sein, so bleibt immerhin die
im angefochtenen Entscheide nicht aufgeworfene Frage zu Beantworten,
ob das Verhältnis zwischen den Parteien nicht nachträglich durch Idie
Verfügung des Gerichtspräsidenten von Delsberg eine Anderung erfahren
habe.

In dieser Beziehung ist zunächst der Einwand der Konkurs-und
Konkurskammer. N° 26. 147

verwaltung, sie sei zur Verhandlung über die genannte Verfügung nicht
vorgeladen worden, so dass letztere in ungesetzlicher Weise erlassen
sei, nicht zu hören. Denn eine Prüfung des vom Gerichtspräsidenten
eingeschlagenen Verfahrens steht den Aufsichtsbehörden nicht zu. Abgesehen
hievon ergiebt sich aus den Akten, dass die Ladung zur Parteiverhandlung
über den definitiven Erlass der bereits vorsorglich bewilligten Verfügung
am 3. Oktober 1899 erfolgt ist, also vor Eröffnnng des Konkurses über
Petitjean.

Ihrem Inhalte nach stellt sich die Verfügung des Gerichtspräsidenten als
ein Verbot dar, das im Walde des Còtes und auf der Säge von Bonrrignon
befindliche Holz wegzuführen. Sie gründet sich auf das von den Verkäufern
beanspruchte Recht, die verkaufte Ware vor der Bezahlung des Kaufpreises
zurückzubehalten. Es wollte damit der durch die eigenmächtige Wegführung
des Holzes seitens des Käufers bedrohte bisherige Zustand in der Weise
gesichert werden, dass die in ihrem Besitzrechte gestörten Verkäufer
durch richterlichen Schutz ihres Besitzes so gestellt würden, als ob die
Eigenmacht nie erfolgt ware. Bei dieser Lage konnte aber der Käufer,
so lange er den Kaufpreis nicht bezahlt hatte, über das Holz nicht
verfügen, um so weniger als der Gerichtspräsident, um seinem Befehle
Nachachtung zu verschaffen, einen Wächter mit der Aufrechterhaltung des
Besitzzustandes betraute.

2. Diese Rechtsstellung des Gläubigers konnte sich durch Eröffnung des
Konkurses über Petitjean nicht verschlechtern. Der Art. 242 V.-G., auf den
sieh die Konkursverwaltung bei der angefochtenen Fristansetzung stützte,
setzt voraus, dass der Schuldner, in dessen Rechte die Masse eintritt, zur
Zeit der Konkurseröffnung derart die Verfügungsgewalt über die streitige
Sache besitzt oder dieselbe wenigstens nachträglich in gültiger Weise
erwirbt, dass für die Masseverwaltung die Möglichkeit besteht, über das
von dritter Seite beanspruchte Objekt nach ihrem Belieben zu entscheiden,
ob und gegebenen Falles welchem der mehreren Ansprecher sie dasselbe
herausgeben molle. In dieser Lage befand sieh aber die Masse weder beim
Konkursausbruche, noch ist ein solcher Zustand seither zn ihren Gunsten
geschaffen worden. In letzterer

148 8. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

Beziehung lässt sich namentlich auch nicht auf die Jnventarisirung des
Holzes und die behauptete Ernennung eines Wächter-s abstellen. Diese
Massnahmen konnten die Rechtsstellung der Reimrenten nicht verschlimmern,
da sie sich als einseitige und von dies sen nicht anerkannte darstellen
und eine Abänderung des thatsächlichen Besitzzusiandes nicht zu bewirken
vermochten Dabei ist zu bemerken, dass der Wachter in Wirklichkeit
vom Gerichts-prästdenten zum Schutze der Rechtsstellung der Reknrrenten
bestellt worden ist, so dass er nicht in Zuwiderhandlung des richterlichen
Befehles das Gewahrsamsverhältnis in rechtlich wirksamer Weise zu Gunsten
der Masse beeinflussen konnte. Rekurrenten wären vielmehr berechtigt und
thatsächlich in der Lage, eine allfäliig versuchte Abfuhr des Holzes zu
verhindern oder doch sofort rückgängig zu machen.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird begründet erklärt und damit die Fristanfetzung vom 16
Dezember 1899, auch soweit sie das nach der Sage von Bnrrignon verbrachte
Holz betrifft, aufgehoben

27. Entscheid vom 18. Februar 1900 in Sachen Schand-Koch

Ort der Betreibemg für grund versicherte Zinsen; Art. 51 Abs. 2, 41
Abs. 2, 46 Beth-Ges.

I. Jakob Stndhalter in Unteriberg (Schwyz) betrieb den J. Schmid-Koch in
Luzern auf dem Wege der ordentlichen Betreibung auf Psändnng oder Konknrs
für verfallene Zinse Von drei Gülten im Gesamtbetrage von 308 Fr. Der
Betriebene beschwerte sich gegen diese Betreibung, weil dieselbe in
Luzern und nicht in Horn-, woselbst das Grundpfand gelegen sei, erfolge.

Die untere Aufsichtsbeschwerde wies die Beschwerde ab in Erwägung: dass
nach Art. 41, Ubs. 2 des Sch.-K.-G. für grundpfändlich gesicherte Zinse
nach der Wahl des Gläubigers

.und Konkurskammer. N° 27. 148

entweder die Pfandverwertung oder, je nach der Person des Schuldners,
die Betreibung auf Pfändung oder aus Konkurs stattfinden kann, in welch
letztertn Fall die Betreibnng am Wohnsitze des Schuldners zu führen ist,
was vorliegend zutrifft.

Die Aufsichtsbehördes des Kantons Luzern bestätigte diesen Entscheid
am 27. Januar 1900 in wesentlicher Behärtung der erstinstanzlichen
Motivierung-

IL Schmid rekurrierte rechtzeitig an das Bundesgericht, indem er
vorbrachte, es handle sich um grundversicherte Forderungen, und es habe
deshalb der Betreibungsort des Art. 51 B.-G. zur Anwendung zu kommen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Der Rekurrent beruft sich auf die Vorschrift des Art. 51 Abs. 2
B.-G., wonach für grundversicherte Forderungen die Betreibnng nur
da stattfindet, wo das verpsändete Grundstück liegt. Nun ist aber zu
bemerken, dass anderseits der Art. 41, Abs. 2 B.-G. dem Gläubiger die
Wahl lässt, grundpsändlich versicherte Zinsen oder Annuitäten auf dem
Wege der Psandverwertnng oder aus demjenigen der Betreibung und Psändung
bezw. Konkurs geltend zu machen. Die allgemeine Bestimmung des Art. 51,
Abs. 2, hat für den Fall des Art. 41, Abs. 2, durch die Spezialbestimmung,
die in diesem letztern Artikel liegt, eine Einschrän- kung erlitten. Und
wenn der Gläubiger in einem solchen Falle, wie es vorliegend geschehen
ist, nicht für die Pfandverwertung, sondern für die gewöhnliche Betreibung
sich entschieden hat, so ist die Betreibung eben nach Art. 46 an dem
Wohnorte des Schnldners zu führen.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 144
Datum : 13. Februar 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 144
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 144 0. Entscheidungen der Schuldbetreibungs- Psändungsrecht der übrigen Gläubiger


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
holz • konkursverwaltung • schuldner • delsberg • wald • mass • konkursmasse • betreibung auf pfändung • frage • kaufpreis • bundesgericht • wiese • koch • verhältnis zwischen • bruchteil • schutzmassnahme • entscheid • betreibung auf konkurs • richterliche behörde • aufsichtsbeschwerde • aufhebung • landwirtschaftsbetrieb • kantonales rechtsmittel • betreibungsort • weiler • grundpfand • inventar • termin • frist • vorinstanz • sucht • ei • tag
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