832 Civilrechtspflege.

100. Urteil vom 24. November 1899 in Sachen4 Pfyffer und Konsorten gegen
Aktiengesellschaft Dampsziegelei und Cementwarenfabrik Kriens.

Aktiengesel/sahaft. Stimmrecht der Aktionäre, Art. 640 letzter Satz
();-R. Ernstlich gemeinte oder Schein Uebertragung eon Aktien ? Für diese
Frage quwendmdes Recht. Unzulässige Umwandlung des Gesettschaftszweckes,
Art. 627 Abs. 3 {).-R.

A. Durch Urteil vom 25. Februar, zugestellt den 17. Mai 1899, hat das
Obergericht des Kantons Luzern erkannt:

Die Beschlüsse der ausserordentlichen Generalversammlung der
Aktiengesellschaft Dampfziegelei und Cementwarenfabrik Kriens vom 16. März
1898 betreffend Genehmigung der Anträge I, III und VI des Verwaltungsrates
seien aufgehoben und null und nichtig erklärt; mit den weiter gehenden
Begehren seien die Kläger abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat Fürsprech Dr. Grüter mit Eingabe vom 29. Mai
1899 namens der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt, und den
Antrag gestellt, es sei das Klagebegehren im vollen Umfange guizusprechen,
und seien demnach die Beschlüsse der Generalversammlung der beklagten
Gesellschaft vom 16. März 1898 betreffend Genehmigung der Anträge I
IV und VI des Verwaltungsrates als aufgehoben und null und nichtig zu
erklären. Dabei ist bemerkt, das klägerische Rechtsbegehren bestimme
einen Streitwert von weit über 4000 Fr., den die Beklagte anerkannt habe.

Namens der Beklagten hat sich Fürsprech Dr. Allgäuer rechtzeitig der
Berufung angeschlossen und den Antrag gestellt, die Klage sei auch
bezüglich des Beschlusses III abzuweisen.

C. In der heutigen Hauvtverhandlung erneuert Dr. Grüter namens
der Kläger die Berufungsanträge und beantragt Abweisung der
Anschlussberufung. Dr. Allgäuer beantragt dagegen Abweisnng der
Hauptberufung und Gutheissnng der Anschlussberufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Im Jahre 1896 hat sich unter der Firma
Aktiengesell-VII. Ohligationenrecht. N° 100. 833

schaft Dampfziegelei und Cementwarenfabrik Kriens eine Aktiengesellschaft
in Kriens gegründet, zum Zwecke der käuflichen Übernahme der bisher unter
der Firma Alois Bucheli betriebenen Dampfziegelei und Cementivarenfabrik,
sowie des Fortbetriebes dieses Geschäftes. Das Grundkapital wurde auf
330,000 Fr., eingeteilt in 660 auf den Inhaber lautenden Aktien à 500
Fr. festgesetzt. Zn einer am 16. März 1898 abgehaltenen ausserordentlichen
Generalversammlung dieser Aktiengesellschaft wurde eine Reihe von
Beschlüssen gefasst, welche dann mit der vorliegenden Klage angefochten
wurden, und von welchen heute noch folgende im Streite liegen: -

Beschluss Nr. 2 betreffend Verantwortlichkeit des abgetretenen
Verwaltungsrates, bezw. der demissionierenden 4 Mitglieder für eine
näher bezeichnete Anzahl von Geschäften

Beschluss Nr. 3. Änderung von § 20 litt. d der Statuten, lautend: Dein
Verwaltungsrat liegen speziell folgende Funktionen ob: d. Entscheidung
über Einführung neuer Fabrikationszweige oder neuer Fabrikationsmethoden
der Ziegeln und Cementwarenbrauchen, sowie über Bauten, Grunderwerb
ec., sofern solche Massnahmen keine grössere Auslage als je 40,000
Fr. (einmalig zu leisten) verursachen dahin: d. Entscheidung Über
Einführung neuer Fabrikationszweige oder neuer Fabrikationsmethoden
der Ziegelnund Cementwarenbranche, sowie {fiber Bauten, Grunderwerb
für eigenen Bedarf oder zu Bauzwecken und Ausführung von Bauten
aus eigene Rechnung za., sofern solche Massnahmen keine grössere
Auslage als je 60,000 Fr. (einmalig zu leisten) verursachen; und
Beschluss Nr. 4. Voll1nachterteilung zu einer Entschädigungsklage
gegen Dr. Paul Psyffer resp. den abgetretenen Verwaltungsrat wegen
mutwilligen Hinterhaltens der 45,000 Fr. Gülten und der sämtlichen auf
die Gesellschaft Bezug habenden Papiere, Belege, Prospekte ze.

An dieser Beschlussfassung nahmen 15 Aktionäre Teil, die zusammen 637
Aktien vertrauen Alois Bucheli (Vater) vertrat dabei 101 Aktien (1 40,
201 204, 211, 223 269, 292 300), Alois Bucheli, Sohn, 38 (Nr. 212 219
und 541 570), Josef Bucheli, Sohn, 80 (Nr. 41 120), und Rechtsagent
Hänseler als Vollmachiträger von Anna Bucheli (Tochter des

834 Civilrechtspflege.

Alois Bucheli, Vater) ebenfalls 80 (Nr. 121 200). Die obgenannten
Beschlüsse wurden jeweilen mit 354 gegen 283 Stimmen gefasst. Bereits
in der Generalversammlung protestierte Dr. Pfhsfer namens einer
Aktionärgruppe, welche 283 Stimmrechte vertrat, gegen diese Beschlüsse,
und stellte sodann nebst den übrigen Klägern, die ebenfalls Aktionäre der
Aktiengesellschaft Dampfziegelei und Cementwarenfabrik in Kriens find,
beim Bezirksgericht Kriens und Malters das Rechtsbegehren, dieselben seien
als nnll und nichtig zu erklären. Die Klage stützt sich in rechtlicher
Beziehung rücksichtlich aller Beschlüsse auf Art. 640 Q.-R., rücksichtlich
des Beschlusses Nr.v 3 ausserdem auf Art. 627 Abs· 3 O.-R., und beruht
auf folgenden thatsächlichen Verhältnissen: An den Kaufpreis für die
Übertragung seines Geschäftes an die Aktiengesellschaft Dampfziegelei
und Cementwarenfabrik in Kriens hatte Alois Bucheli Vater 300 liberierte
Aktien von je 500 Fr. Übernommen, wovon er gemäss Kausvertrag (zur
Gewährleistung für die Richtigkeit der von ihm gemachten und in dem
Emissionsprospekt enthaltenen Angaben und Rechnungsansätze) 200 Aktien
samt Coupons in der Depositalkasse des Ortsbürgerrates Luzern auf die
Dauer von zehn Jahren zu Handen der Besitzer der übrigen 460 Aktien
als Faustpfand zu deponieren hatte, und zwar unter Verzichtleistung
auf jeden Dividendenbezug von den deponierten Aktien, soweit nicht
das gesamte übrige Aktienkapital nach statutengemässen Abschreibungen
eine durchschnittliche Jahresdividende von mindestens 5 0/9 zugewiesen
erhalten hätte. Von den übrigen 100 Aktien deponierte Alois Bucheli
weitere 4 Stück (Nr. 201 bis 204) in seiner Eigenschaft als Mitglied des
Verwaltungsrates. Laut Abtretungsurkunde vom 12. September 1897 erklärte
Alois Bucheli (Vater), dass er von seinen, bei der Depositalkasse des
Ortsbürgerrates Luzern deponierten 204 Aktien der Aktiengesellschaft
Dampfziegelei und Cementwarenfabrik an seine Tochter Anna Bucheli die
Stücke Nr. 121 bis und mit Nr. 200 rechtsförmlich zu Eigentum abtrete,
für Erbsvoransehlag auf sein dereinsiiges Erbe. Eine gleiche Abtretung
nahm er am 14. März 1898 zu Gunsten seines Sohnes Josef Bucheli
bezüglich der bei der gleichen Kasse deponierten Stück Nr. 41 bis
und mit 120 vor. Von beiden Abtretungen machte er der Verwaltung des
Orts-VII. Obligationenrecht. N° 100. 835

bürgerrates Luzern jeweilen an demselben Tage Anzeige. Die Kläger
behaupten nun, Alois Bucheli habe diese Abtretungen nur zum Schein
gemacht, um sein sämtliches Aktienkapital zur Stimmberechtigung
zu bringen; denn von allen 660 Aktien der Dampfziegelei und
Cenientwarenfabrik besitze er 300 Stuck, also 45 0/0 des Aktienkapitals,
wovon nach Art. 640 O.-R. nur 15 d. h. 132 Aktien stimmberechtigt
waren. Zur Umgehung ver Vorschrift von Art. 640 O-R habe Bucheli schon
auf die Versammlungen hin, die am 15. und 27. September 1897 stattsanden,
die Abtretung an seine Tochter und sodann am 12. Mai-z 1898 diejenige an
seinen Sohn Joses vorgenommenz zu gleichem Zwecke habe er auch an seinen
Sohn Alois 8 Aktien (Nr. 212 bis 219) übergeben, mit welchen dieser
an der Generalversgmmlung vom 16. März 1898 stimmte. Er selbst habe am
16. Marz 1098 noch mit 40 seiner verpfändeten und 61 seiner übrigen Aktien
gestimmt. Abgesehen von der Thatsache, dass die Abtretungen ieweilen kurz
vor der Abhaltung der genannten Generaloersamw lungen vorgenommen worden
seien, liege dies Simulation auch sonst klar zu Tage. Einerseits seien
die flKinder Buchelik noch jung, und versteuern kein Vermögen; sie waren
gar nicht in der Lage gewesen, eine solche Zahl von Aktien zu erwerben;
anderseits könne es dein Vater Bucheli mit der angeblichen Abtretung auf
Rechnung des künftigen Erbteils nicht Ernst gewesen sein; er sei nicht der
Mann, der schon ans Sterben denke, und. zudem wisse man ja noch gar nicht,
ob und wie viel diese Aktienibei seinem dereinstigen Tode wert seien,
und ob sie eventuellin einem tschtigen und gesetzlichen Verhältnis zur
Grosse seines Nachlasses stehen Es sei sodann selstverständlich, dass
die Kinder Bucheli ihrem Vater gegenüber keinen freien Willen haben,
sondern in Bezug auf diese Aktien auf die Rolle von Strohmannern angek
wiesen seien; das sei bisher auch der Fall gewesen; Anna Bucheli sei durch
Hänseler vertreten gewesen, dein Rechtskonsulenten und Wortführer des
gegenwärtigen Verwaltungsrates in den Generalversammlungen. Bezeichnend
sei auch, dass Josei Bucheli an der Versammlung vom 16. März nicht
mehr mit den Aktien Nr. 221 bis 300 wie früher an den Verhandlungen vom
15. und 27. September 1897, sondern mit den Aktien Nr. 41 120 gestimmt

835 Civilrechtspflege.

habe, mit dem das frühere Mal Vater Bucheli stimmte. Die Abtretung der
verpfändeten Aktien sei zudem ungültig und verletze die Vertrags-rechte
der Aktionäre; denn die Aktien Nr. 1 bis 200 haften diesen als Pfand
und eine Abtretung zu Eigentum an Dritte verletze und gefährde dieses
Psandrecht. Die Verpfändung der Aktien sei auch zur Garantie dafür
verlangt wordendass Vater Bucheli als Verkäufer des Geschäftes vertraglich
gezwungen sein werde, während 10 Jahren mindestens mit 200 Aktien an
den Chancen des Geschäftes zu partizipieren Dass nun die Abtretungen
von Einfluss auf die Abstimmungen gewesen seien, er-

gebe sich ohne weiteres daraus, dass diese letzteren alle mit 354

gegen 288 Stimmen erfolgten. Rechne man von der ersten Zahl das Plus der
300 Stimmen Bucheli über 132, also 168 ab, so bleiben 186 annehmende,
also die entschiedene Minderheit

In Beziehung auf den Beschluss Nr. 3 machten die Kläger sodann noch weiter
geltend, derselbe enthalte eine unzulässige Änderung des statutarischen
Gesellschaftszweckes. § 2 der Statuten bezeichne als Gesellschaftszweck
den Erwerb und Fortbetrieb der Dampsziegelei und Cementwarenfabrik
des Atois Bucheli. Der spekulationsweife Anund Verkauf von Terrain
und der spekulationsweise Bau von Häufern, welcher mit dem Beschluss 3
eingeführt werden wolte, sei aber ein ganz anderes Geschäft, das mit
der Ziegelfabrikation nichts zu thun habe. Eine nach Art. 627 Abs. 3
O.-R. unzulässige Umwandlung des Gesellschaftszweckes sei offenbar nicht
nur dann vorhanden, wenn der bisherige Geschäftszweck ganz aufgegeben
werde, sondern auch dann, wenn ein neuer, bei der Gründung nicht
vorhergesehener Geschäftszweig hinzukomme. Auch in anderer Richtung
verletze der Beschluss Nr. 3 wohlerworbene Rechte der Aktionäre Vater
Bucheli hafte laut den Statuten und dem Kaufvertrage für eine 5prozentige
Dividende; diese Bestimmung habe Bezug auf das ursprüngliche Geschäft,
wie es in § 2 der Statuten fixiert fei; wenn der andere Geschäftszweig
neu eingeführt werde, so dürfte er dem Bucheli mit der Zeit die Einrede
bieten, dass er für die 5 0/0 Dividendenicht aufzukommen habe, weil das
Geschäft verändert worden sei.

2. Die Kompetenz des Bundesgerichtes zur Beurteilung der
vorliegenden Streitigkeit ist vorhanden (was des näheren
ausge-VII. Ohligationenrecht. N° 4.00. 837

führt wird, mit Hinweis auf die Entscheide des Bundesgerichtes in der
Amtl. Samml, Bd. XXIII, S. 1828, Erw. 2; XXVIS. 561 Erw. 4).

3. In der Sache selbst steht fest, dass Alois Bucheli, Vater, an der
Generalversammlung, in welcher die angefochtenen Beschlüsse gefasst
wurden, persönlich nur mit 101 Aktien gestimmt hat, während im Ganzen
637 Stimmrechte vertreten waren. Eine Verletzung der Vorschrift des
Art. 64.0 Abs. 2 D.M., wonach ein einzelner Aktionär keinenfalls mehr
als den fünften Teil der sämtlichen vertretenen Stimmrechte auf sich
vereinigen darf, hat somit nur stattgefunden, sofern Alois Bucheli in
der Absicht, für die in seinem Eigentum stehenden Aktien mehr Stimmen zu
schaffen, als ihm gesetzlich zustehen, weitere Aktien aus seinem Besitze
an Dritte, zur Ausübung des Stimmrechtes verteilt hat, ohne diese zugleich
zu Eigentümern der Aktien zu machen. Unter dieser Voraussetzung liegt
eine Umgehung des Art. 640 O.-R. vor, welche die Anfechtbarkeit der auf
solche Weise zu Stande gebrachten Beschlüsse nach sich zieht. Sind dagegen
die Aktien, mit welchen die Dritten gestimmt haben, diesen wirklich
zu Eigentum abgetreten worden, so stimmten sie kraft eigenen Rechtes,
als wirkliche Aktionäre, und nicht blos als Strohmännerz es kann alsdann
nicht gesagt werden, dass der Abtretende die von den genannten Dritten
aus-geübten Stimmrechte in sich vereinigt habe, und zwar lässt sich
eine Verletzung der Vorschrift von Art. 640 Abs. 2 O-R. in diesem Falle
selbst dann nicht behaupten, wenn die Abtretung offenbar zu dem Zwecke
erfolgte, zur Erzielung einer Mehrheit eine grössere Anzahl Stimmrechte
wirksam zu machen, als bei der Vereinigung in einer Hand möglich ware.
Denn Art. 640 verbietet dem Grossaktionär nur, von den sämtlichen
vertretenen Stimmrechten mehr als den fünften Teil ansich zu vereinigen;
er hindert ihn nicht, sich seiner überschuffigen Aktien zu entäussern,
selbst wenn die Veräusserung lediglich zu dem Zwecke geschieht, damit das
mit den veräusserten Aktien verbundene Stimmrecht nunmehr von den neuen
Eigentümern in dem vom Beräusserer gewünschten Sinne geltend gemacht
werden könne. Wenn daher der Vater Bucheli seinen Kindern die Aktien,
mit welchen diese gestimmt haben, wirklich abgetreten hat, so kann

838 Civilrechtspflege.

von einer nnsiatthaften Umgehung von am. 640 O.-R. nicht die Rede sein,
auch wenn er die Abtretung in der Absicht vornahm, um dadurch mit seinen
Kindern zusammen die Mehrheit bei der Abstimmung zu besitzen. Es muss
sich also fragen, ob die Abtretungen ernst gemeint, oder, wie die Kläger
behaupten, bloss simuliert gewesen seien. Die erste kantonale Instanz
hat in ersieretn Sinne entschieden, die zweite dagegen in letzterem,
indem sie ausführte, es müsse zwar zugegeben werden, dass Vater
Bucheli sich bei den streitigen Abtretungen offenbar von der Absicht
habe leiten lassen, die nun angesochtenen Beschlüsse zu ermöglichen,
welche er selber im Hinblick auf Art. 640 O.-R. nicht hätte herbeiführen
können. Allein die hiefür sprechenden Momente vermögen immerhin die
Uberzengung nicht zu begründen, dass es sich bei diesen Abtretungen
wirklich um blosse Scheingeschäste gehandelt habe; der strikte Nachweis
für das Vorhandensein des Gegenteils eines reeflen Geschäftes fehle. Nun
beurteilt sich die Frage, ob die Parteien die Rechtsfolgen des durch
ihre Übereinstimmenden Willenserklärungen deklarierten Rechtsgeschäftes
wirklich gewollt haben, oder nicht, ob also das von ihnen deklarierte
Rechtsgeschäft ein ernstgemeintes oder ein blosses Scheingeschäft sei,
nach demjenigen Recht, dem das erklärte Geschäft untersteht (s. bundesger.
Entsch, Bd. XXIV, 1. war, S. 356, Crw. 2). Bei den beiden Abtretungen
an Josef und Anna Bucheli (von welchen einzig die Anfechtbarkeit der
streiting Beschlüsse nach Art. 640 O.-.Ji. abhangen kann) handelt es
sich aber laut der Erklärung in der Abtretungsurkunde um Vorempfänge
auf Rechnung künftigen Erbes; die Rechtsgeschäfte, welche die causa ber
Eigentum-Bübertragung bilden, sind somit nicht obligationenrechtlicher,
sondern erbrechtlicher Natur, und unterstehen demnach dem kantonalen
Recht. Daraus folgt nach dem Gesagten, dass auch die Frage, ob sie
simuliert seien, nach kantonalem Recht zu beurteilen ist und Idaher
die Entscheidung der Vorinstanz in diesem Punkt sich der Uberprüfnng
des Bundesgerichtes entzieht. Nach eidgenösstschem Recht zu entscheiden
wäre blos die Frage nach der Realität der Eigentumsübertragung selbst,
der Tradition; allein diese ist, nachdem gemäss der Entscheidung der
Vorinstanz das Grundgeschäft als ernstgemeintes betrachtet werden
muss, ohne weiteres zu bejahen und übrigens eventuell auch nicht
bestritten.VII. Obligationenrecht. N° 100. 839

Ebenso besteht kein Zweifel, dass die zur Eigentumsübertragung notwendige
Vesitzesübergabe vollzogen worden ist; denn Alois Bucheli hat von der
Abtretung der Aktien der Depositalkasse des Ortsbürgerrates Luzern, in
deren Händen sie sich befanden, Kenntnis gegeben, und diese beauftragt,
dieselben fortan für die neuen (Erwerber im Gewahrsam zu halten. Die
Übergabe ist also gemäss Art. 201 O.-R. wirklich erfolgt. Der Umstand,
dass die Aktien verpfändet waren, stand der Abtretung natürlich nicht
entgegen, wie es auch für die Frage-, ob Josef und Anna Bucheli an den
Aktien Eigentum, und damit das mit demselben verbundene Stimmrecht
erworben haben, durchaus unerheblich ist, ob Vater Bucheli der
Aktiengesellschaft oder den einzelnen Aktionären gegenüber sich
verpflichtet habe, die Aktien für sich zu behalten, oder nicht. ,

4. Muss demnach die Berufung der Kläger abgewiesen werden, so
erweist sich dagegen die rücksichtlich des Beschlusses Nr. 3 von der
Beklagten eingelegte Anschlussberufung als begründet. Die Vorinstanz
hat diesen Beschluss, durch welchen dem Verwaltungsrat die Kompetenz
eingeräumt wurde, über die Errichtung von Spekulationsbauten mit einem
einmaligen Kostenaufwand von 60,000 Fr. zu entscheiden, aufgehoben,
weil derselbe eine nach Art. 627 Abs. 3 O.-R. unzulässige Umwandlung
des Gesellschaftszweekes in sich schliesse Dieser Ansicht kann nicht
beigetreten werden. Nach den Statuten bestand der Gesellschaftszweck
in der Erwerbung und dem Fortbetrieb der früher von Alois Bucheli
betriebenen Dampfziegelei und Cementwarenfabrik. Eine Umwandlung
dieses Gesellschaftszweckes läge nur vor, wenn die Generalversammlung
beschlossen hätte, statt der Ziegelund Cementwarenfabrik ein anderes
Geschäft zu Betreiben; allein dies ist nicht der Fall. Die vorgenommene
Statutenänderung enthält vielmehr lediglich eine Erweiterung
des-bisherigen Geschäftsbetriebes, indem sie darauf abzielt, den
Gesellschaftszweck noch aus andere Weise, als wie bis anhin zu fördern,
nämlich dadurch, dass die Produkte der Fabrik zur Herstellung von eigenen
auf Spekulation hin erstellten Bauten verwendet würden. Eine solche
Erweiterung des Gesellschaftsbereiches kann nach Massgabe der Statuten
von der Mehrheit gültig beschlossen werden, sofern nur die nach Art. 627
Abs. 2 für derartige Beschlüsse geltenden Vorschriften beachtet

840 Civilrechtspflege.

werden, was hier nicht bestritten ist. Wenn schliesslich die Kläger
betont haben, dass mit der beschlossenen Erweiterung die Gefahr
verbunden sei, dass die Verpflichtung des Alois Bucheli in Bezug auf
seine Garantieleistung für eine Dividende von 5 0/0 in Frage gestellt
werden könnte, so ist dieses Bedenken durchaus unhaltbar; denn es
unterliegt keinem Zweifel, dass Alois Bucheli nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben nicht berechtigt wäre, sich seiner Verpflichtung unter
Berufung aus den fraglichen Beschluss, dem er unbestrittenermassen
setbst vorbehaltlos beigestimmt hat, zu entziehen. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Kläger wird als unbegründet abgewiesen, die
Anschlussberufung der Beklagten dagegen gutgeheissen und demgemäss die
Ansechtungsklage auch hinsichtlich des Beschlusses Nr. 3 abgewiesen

101. Urteil vom 24. November 1899 in Sachen Bossard gegen Gebrüder
Kapferen

ViM/katia gestohleaer !nhaberpapiere. Anwendung des Ren-ists in
ò'ssrî-licher Beziehung, wenn die Inhaberpapiere in Deutschland gekauft
wurden una! der Erwerber dort seinen Wohnsitz hat. Art. 208 Zifi'. 2
{). B. -(x'-eater Glauée des Erwe-rbesirs.

A. Durch Urteil vom 20. Juni 1899 hat der Appellationsund Kassationshof
des Kantons Bern erkannt:

1. Die Klägerin, Frau (EURme Bossard geb. Müller ist mit ihrem
Klagsbegehren abgewiesen

2. Den Beklagten, Gebrüder Kapferer, sind ihre Widerklagsbegehren 1 und
2 zugesprochen

B. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin und Widerbeklagte die Berufung
erklärt und die Anträge gestellt, es sei in Abänderung desselben die
Klage gutzuheissen und die Widerklage abzuweisen. Die Beklagten und
Widerkläger beantragen Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils.VII. Ubligalionenrecht. N° 101. 841

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Vom 4. auf den 5. September 1894 sind der Klägerin, Frau Dr. Emma
Bossard in Zug, durch Einbruch in ihre Wohnung ausser anderen
Wertpapiere-I zwei Inhaber-Obligationen auf die schweizerische
Eidgenossenschaft von je 1000 Fr., Serie A Nr. 14,093 und 14,094 nebst
zugehörigen Coupons gestohlen worden. Diese Obligationen wurden hierauf
in Nr. 201 des schweizerischen Handelsamtsblattes vom Jahre 1894 als
gestohlen ausgekündigt Und sodann, auf eine durch den Gerichtspräsidenten
von Bern gemäss Art. 851 O.-R. erlassene Bekanntmachung vom 20., 21. und
22. Februar 1895, am 14. März 1896 von den Beklagten, Gebrüder Kapferer,
Bankhaus in Freiburg i. B. dem Richteramte Bern vorgelegt. Die Klägerin
verlangte nun Erlass einer provisorischen Verfügung, dahingehend, dass die
Titel vorläufig auf der Amtsschreiberei Bern deponiert bleiben und dass
ihr Frist zur Anhebung des Vindikationsprozesses angesetzt merde. Diesem
Gesuche wurde entsprochen, und innert der angesetzten Frist reichte die
Klägerin, indem sie sich auf am. 206 O.-R. stützte, beim Richterarnt
Bern gegen die Gebrüder Kapferer Klage mit dein Rechts-begehren ein, die
Beklagten seien schuldig, das Eigentum der Klägerin an den bezeichneten
zwei Obligationen anzuerkennen; die Titel seien ihr auszuliefern, und die
auf dieselben von den Beklagten geleisteten Zahlungen für die Klägerin
als nicht verbindlich zu erklären. Die Beklagten stellten dagegen die
Widerfia e:

È. Die Klägerin und Widerbeklagte sei schuldig, das Eigentumsrecht der
Beklagten an den bezeichneten Obligationen anzuerkennen. ssss

2. Es seien diese Obligationen samt Couponsbogen den Beklagten
herauszugeben

3. Eventuell, d. h. für den Fall, dass der Klägerin ihre Rechtsbegehren
zugesprochen werden sollten, seien ihr die Titel nur gegen Vergütung des
von den Beklagten und Widerklagern bezahlten Preises im Betrage von 2093
Fr. 40 Cis-. herauszu-

eben.

g Zugleich erhoben sie Einrede gegen den Gerichtsstand; diese Einrede
wurde jedoch durch Urteil des AppellationsUnd Kasse-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 832
Datum : 24. November 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 832
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 832 Civilrechtspflege. 100. Urteil vom 24. November 1899 in Sachen4 Pfyffer und


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • vater • verwaltungsrat • aktiengesellschaft • eigentum • bundesgericht • frage • rechtsbegehren • nichtigkeit • zahl • vorinstanz • aktienkapital • unternehmung • entscheid • kantonales recht • erbe • zweifel • tag • weiler • frist
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