758 Gwilrechtspflege.

nung tragende Verteilung der Bauzinslast vorzunehmen. So sind
denn auch die Experten verfahren. Wenn aber ihr Ausgangspunkt als
richtig anzuerkennen ist, so kann dann bei der gänzlich ' in das
Gebiet sachverständigen Ermessens fallenden Festsetzung der Höhe
der beidseitigen Anteile von ihrem Befinden nicht abgegangen werden,
zumal da die Anwendung verschiedener Methoden die Experten zum gleichen
Ergebnis geführt hat.... Eine zweite Differenz zwischen den Parteien
betrifft die Art der Verteilung der Betriebsund Unterhaltungskosten. Zwar
sind, wie schon bemerkt, die Parteien darüber einig und die Erperten
pflichten ihnen bei bag für die Verteilung dieser Kosten das Verhältnis
massgebend sein soll, in welchem die Stationsanlage durch den durch die
beiden Bahnen vermittelten Verkehr in Anspruch genommen wird, und es
herrscht ferner Einverständnis darüber, dass das Verkehrverhältnis nach
dem Wagenachsensystem zu bestimmen sei. Darin aber gehen die Parteien
auseinander, ob alle Achsen gleichmässig gezählt, eventuell wie dieselben
eingestellt werden sollen, und ob für die Beteiligung der Sihlthalbahn
ein Miinimum festzusetzen sei. Die Beklagte behauptet dies-bezüglich
in erster Linie, dass über die Art der Zahlung der Wagenachsen vor
dem Prozess zwischen den Parteien eine Einigung stattgefunden habe in
dem Sinne, dass die Transitachsen nur einfach zu zählen, im übrigen
aber keine Unterschiede zu machen seien. Es genügt jedoch der Hinweis
darauf, dass die Klägerin in den Verhandlungen über die Beitragsfrage
stets daran festgehalten hat, es habe die Sihlthalbahn im Minimum 30
0O an die Betriebsund Unterhaltungskosten zu leisten, und dass diese
Klausel von der Beklagten nie angenommen worden ist, um jene Behauptung
als unzutreffend erscheinen zu lassen. Wenn übrigens auch in einem
Punkte bei den Vorverhandlungen eine Einigung zu stande gekommen wäre,
so könnte dies doch der Klägerin deshalb nicht entgegengehalten werden,
weil die ganze Beitragsfrage im Zusammenhang behandelt wurde und die
Wirksamkeit einer Einigung über einen Punkt von der Voraussetzung
abhängig war, dass über das Ganze eine Verständigung erzielt werde. Es
hat denn auch die Beklagte auf den Brief der Klägerin vom 8. Juni 1896,
worin sie sich vollständig auf diesen Boden stellte, keinerlei Ein-c i

w. ein-stand und Ehe. N° 91. 759

wendungen erhoben. Die Beklagte macht ferner geltend, dass der von ihr
Vorgeschlagene Zählmodus allgemein üblich set.Der Beweis hierfür ist
jedoch nicht erbracht. Die Erperten bestangen das Bestehen einer solchen
Ubung nichtc und das Bundesgertcht hat selbst im mehr-erwähnten Falle
betreffend die Station Gossau eine andere Zählart als anwendbar erklärt
Jst sonnt dasGericht bei der Entscheidung dieses Differenzpunktes wederfan
eine vertragliche Einigung der Parteien, noch an eine bestimmte Ubnng
gebunden, so hat auch hier eine freie Würdigung der Verhältnisse Platz zu
greifen. Das ist aber wiederum.zunachst Sache der {Expa-ten ...... Nach
den Ausführungen derselben kann anderseits auch das eventuelle Begehren
der Klägerm um Festsetzung eines Minimums von 30 0/0 nicht geschützt
werden.IV. Civilstand und Ehe. Etat civil et mariage,

91. Urteil vom 18. Oktober 1899 in Sachen Eheleute E.

Eheschee'dung wegen Ehebruckes, Art. 46 lit. @ B.-G. betr. die Ehe. Beweis
des Ehebruch es.

A. Durch Urteil vom 10. Juni 1899 hat das Obergericht

des Kantons Aargau erkannt: 1. Der Beklagten wird gemäss am. 48 des
Bundesgesetzes be-

treffend Civilstand und Ehe eine Wartefrist von drei Jahren

auserle t. _ . . I2. Èie Beklagte ist im übrigen mit ihrer Appellanon
abge-

wiesen ze. 'l 5 & I um. Das erstinstanzliche Urtet a e gea .. 1. Die
unterm 18. Februar 1886 zwischen den nganten

geschlossene Ehe wird gerichtlich geschieden und die Beklagte als

der s uldige Teil erklärt. · si . 2HchDie Beklagte hat dem Kläger eine
Entschadcgung von

1000 Fr. zu bezahlen.

760 Giviirechtspflege.

B. Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Beklagte rechtzeitig die
Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit den Anträgen:

1. Die Ehe der Litiganten sei nicht gemäss Art. 46 litt. a des
Ehegesetzes, sondern auf Grund des Art. 47 daselbst gänzlich zu scheiden.

2. Dem Kläger sei eine Entschädigung nicht zuzusprechen,. eventuell sei
dieselbe auf 500 Fr. herabzusetzen

Z. Das Dispositiv 1 des angefochtenen Urteils sei zu streichen. * C. Zu
der heutigen Verhandlung ist weder die Beklagte noch ihr Vertreter
erschienen.

Der Vertreter des Klägers trägt auf Bestätigung des angefochtenen
Urteils an.

im Bundesgericht zieht in Erwägung:

2. In thatsächlicher Beziehung ist zu bemerken: Die Litiganten ehelichten
sich am 18. Februar 1886. Im Verlaufe der Ehezogen sie zu den Eltern der
Beklagten nach Buttwyl. Anfangs 1898 verliess die Beklagte den Kläger,
ohne wieder zu ihm zurückzukehren. Er erhob daher im Mai 1898 gegen sie
Klage mit den Rechtsbegehren: 1. Die zwischen den Litiganten geschlossene
Ehe sei gerichtlich zu scheiden und die Beklagte als schuldiger Teil
zu erklären; 2. die Beklagte habe ihm eine Entschädigung von 1000
Fr. zu bezahlen. Er stützte seine Klage auf Art. 46 litt. &, b und d
Ehegesetz. Die Beklagte, welche zur mündlichen Verhandlung zugelassen
wurde, stellte die Begehren: Der Kläger sei als der schuldige Teil zu
erklären, mit dem Klagebegehren 2 abzuweisen und habe gegenteils der
Beklagten eine Entschädigung von 2008 Fr. zu bezahlen. Im Urteile der
Vorinstanz wird gestützt aus die Beweisergebnisse festgestellt: Alles
das, was der.·Kläger in der Klage tiber das Verhältnis der Beklagten
zu einem Jungen Vonäsch angeführt habe, sei zu unbestimmt gehalten,
als dass daraufhin Beweis habe erhoben werden können. Dagegen gehe aus
den Zeugenaussagen hervor, dass die Beklagte in Luzern, wohin sie sich
Anfangs 1898 begeben hatte, in lebhaftem Berkehr mit Männern gestanden,
solche zu Tag und Nacht in ihrem Zimmer empfangen und längere Beit,
ja Nächte hindurch,' ' Efeu-wrva , _IV. Civilsland und Ehe. N° 91. 761

bei sich behalten habe. Dadurch sei zwar der Beweis des Ehebruches
nicht direkt erstellt, allein es sei damit erwiesen, dass die Beklagte
in Luzern sich einem unsittlichen Lebenswandel hingegeben und so die
eheliche Treue verletzt habe. Die Ehe sei somit nach Art. 46 litt· a zu
scheiden. Umgekehrt sei der Beklagten der Beweis, dass der Kläger sie
in ihrer Ehre tief gekränkt und schlecht behandelt habe, sowie dass er
dem Trunke ergeben sei, nicht geZungen

3. Obschon in casu beide Ehegatten die Scheidung verlangen, kann doch
nicht etwa Art. 45 Ehegesetz angewendet und die Ehe ohne weiteres -sofern
(was zu besahen wäre) das weitere Zusammenleben der Ehegatten als mit dem
Wesen der Ehe unverträglich erscheinen würde geschieden werden. Vielmehr
stützt sich das Begehren des Klägers auf bestimmte Scheidungsgründe
des Art. 46 eod., und dasjenige der Beklagten auf Art. 47; und da nun
die Folgen der Ehescheidung je nach dem Zutreffen dieser Gründe ganz
andere sind, als wenn die Ehe nach Art. 45 geschieden würde, ist, nach
konstanter Praxis des Bundesgerichtes, zunächst das Vorhandensein der
vom Kläger behaupteten bestimmten Scheidungsgrüude zu prüfen.

4. Betreffend den ersten vom Kläger angerufenen Scheidungsgrund,
denjenigen des Art. 46 litt. a, scheint die Beklagte auch heute noch
den Standpunkt einzunehmen, ein Beweis dafür sei nicht erbracht. Eine
Definition des Begriffes Ehebruch giebt das Bundesgesetz nicht; es
ist aber darunter von jeher in allenGesetzgebungen der strafrechtliche
Begriff des Ehebruches, d. h. des Beischlafes eines Ehegatten mit einer
dritten Person andern Geschlechtes verstanden worden. Ebenso stellt
das eidg. Ehegesetz selber keine Vorschrift darüber auf, wann und
in welcher Weise der als Ehescheidungsgrund aufgenommene Ehebruch als
bewiesen angenommen werden dürfe. Es kann aber nicht etwa gesagt werden,
dass dies eine rein prozessualische Frage sei, über welche die Kantone
Beweisvorschriften aufstellen dürften; vielmehr ist die Frage aus dem
Geiste des Ehegesetzes selber heraus zu lösen, da eben die Zulässigkeit
der Scheidung unmittelbar von ihr abhängt Nun hat schon das kanonische
Recht den Satz aufgestellt, dass zum Beweise des Beischlafes und damit
des Ehebruches der Nach-

762 Ciss'ilrechtspflege.

weis derartiger Momente genüge, die in ihrer Gesamtheit gemäss
den Erfahrungen des Lebens einen dringenden Verdacht, eine violenta
praesumtio, begründen (s. c. 27 X de test. 2,20; c. 12 X de praes. 2,23);
und an diesem Satze ist auch im protestantischen Eherecht festgehalten
worden (vergl. Seusserts Arch., Bd. 11, Nr. 48; Bd. 43, Nr. 125 -wo das
Oberste Landesgericht Bayerns mit Urteil vom 6. Juni 1887 ausspricht,
nachprotestantischem Eherecht bilde die dringende Vermutung des Ehebrnches
einen Ehescheidungsgrundz Bd. 45 Nr. 101). Diese Auffassung muss auch
für das Bandes-gesetz betreffend die Ehe geteilt werden; denn einmal ist
nicht anzunehmen, dass das Bundesgesetz aus dem durch die kontinuierliche
Entwickelung des Rechtes geschaffenen Zustande habe heraustreten wollen,
und so-

dann liegt diese Auffassung so sehr in der Natur der Sache-,

dass bei der gegenteiligen die Scheidung wegen Ehebruches ans ganz seltene
Fälle beschränkt würde; das kann aber nicht der Sinn des Bundesgesetzes
sein. Von der Beklagten ist nun nicht bestritten, dass die Thatsachen,
welche den Scheidungsgrund des Ehebruches konstituieren, obschon sie
nicht schon in der Klage aufgeführt sind, haben berücksichtigt werden
können. Nach den in Crw. 2 mitgeteilten Feststellungen der Vorinstanz
-die von der Beklagten (ofsenbar mit Recht) nicht als aktenwidrig
ange- fochten worden find, kann nun kein Zweifel darüber sem, dass der
Beweis des Ehebruches in dem entwickelten Sinne geleistet und damit der
Scheidungsgrund des Art. 46 litt. ass Ehegesetz gegeben ist.

5. Wollte man, entgegen dem vorstehenden, den Beweis des Ehebruches
nicht als geleistet ansehen, so wäre zu Tagen, dass in dem Benehmen
der Beklagten eine tiefe Ehrenkränkung des Klägers liege, und somit der
Scheidungsgrund des Art. 461itt. bEhegesetz gegeben fei, worüber weitere
Ausführungen nicht nötig sind.

6. Die Feststellungen der Vorinstanz, wonach die dem Kläger-

von der Beklagten gemachten Vorwürfe gänzlich unbegründet sind, hat die
Beklagte nicht angefochten. Aus denselben folgt, dass ihre Scheidungsklage
abzuweisen ist.

7. Die Bestätigung des Urteils in der Hauptsache hat zurV. Haftpflicht
der Elsenhahnen bei Tiikun-gen und Verletzungen. N° 92. 763

Folge, dass es bei den von der Vorinstanz getroffenen Massregeln
betreffend die Folgen der Scheidung sein Bewenden hat, da das
Bundesgericht diese Folgen nur dann nachprüft, wenn es bezüglichder
Frage der Scheidung selber, besonders des Verschuldens, zu einem andern
Resultate gelangt als die kantonale oberste InstanzDemnach hat das
Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und somit das Urteil des
Obergerichtes des Kantons Aargau vom 10. Juni 1899 in allen Teilen
bestätigt.

V. Haftpflicht der Eisenbahnen u. 5. W. bei Tötungen
und. Verletzungen. Responsabilitè des entreprises de chemins de fer,
etc. en cas d'accident entrainant mort d'homme

ou lésions corporelles.

92. Arrét dei, 28 décembre 1899, dans la cause Compagnie du chemin de
fer Lausanne-Echallens contre Krdhenbeihl.

Art. 2. loi féd. susvisée; accident survenu dans [Exploitation du chemin
de fer. Faute de la vie-time Art. 5, al. 1 et 2 leg. cit.; allocation
d'une rente.

A. __ Frédéric Krähenbühl, de Schlosswyl (Berne), né le 28 novembre 1856,
était employé depuis le mois d'avrii ou mai 1897 en qualité de charretier
au service du laitier Almen, alors à Lausanne. Son travail consistait à
conduire le lait deux fois par jour de Boussens à Lausanne. II recevait
uusalaire de 3 fr. par jour et gagnait, en outre, environ 10 fr. par mois
en faisant des commissions et transports pour les personnes de la centrée
de Boussens.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 25 II 759
Data : 18. ottobre 1899
Pubblicato : 31. dicembre 1899
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 25 II 759
Ramo giuridico : DTF - Diritto civile
Oggetto : 758 Gwilrechtspflege. nung tragende Verteilung der Bauzinslast vorzunehmen. So sind


Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
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