34 Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt.. Bundesgesetze.

IV. Schuldbetreibung' und Konkurs. Poursuite pour debt-es et faillite.

17. Urteil vom 29. März 1899 in Sachen Nauser & (Sie. gegen
Kreisgerichtsausschuss Davos. '

Gerichtsstand für die Entscheidung der Frage, ob der Schuldner zu neuem
Vermögen gekommen sei (Art. 265 Abs. 2 und 3 Bein Ges.). Kompetenz
des Bundesgerichts, Art. 189 Unter absatz zu Abs. 2. Bundesrecht und
kantonales Recht bez-.. der Gerichtsstzi'nde in Streitigkeiten aus
dem Schuldbetr.u-si. Konk.-Ges.; Art. 22 und 25 Bein-Ges. Die Frage,
ob der Schuldner zu neuem Vermögen gekommen sei, ist led-iglia}; eine
Incidentfmge im Betreibungsverfaheen.

A. Chr. Nanser & Cie. in Chur sind im Besitze eines Bündner Glückscheins
aus J. ER. Nett in Klosters Gestützt aus Art. 328und ,?!?-1 Biff. 5 des
eidgenössischen Betreibusngsgesetzes erwirkten sie vom Kreisamt Davos
gegen den Schuldner einen Arrestbesehl auf eine Kaufpreisforderung
an einen gewissen Taverna in Laret, Kreis Davos. Nach Vollng des
Arrestes hoben Chr. Nauser & Cie in Davos Betreibung an. Nett erhob
Rechts-Vorschlag Vor dem Rechtsbsfnungsrichter, dem Kreisamt Davos, machte
er namentlich geltend, dass er seit dem Konkurse nicht zu neuem Vermögen
gelangt sei (Art. 265 Abs. 2 B.-G.). Diese Einredes wurde als verwirkt
erklärt Und die Rechtsöffnung bewilligt. Auf Rekurs hin hob der Kleine
Rat des Kantons Graubünden den Entscheid auf. Er erklärte, die Frage des
neuen Vermögens sei in einem besondern Verfahren zu erledigen. Daraufhin
gelangten Chr. Rauser & Cie. an den Kreisgerichstsausschuss Davos mit dem
Begehren, derselbe wolle erkennen, dass 35 R. Nett seit seinem Konkurse zu
neuem Vermögen gekommen sei-. Der Kreisgerichtsausschuss Davos erklärte
sich mit Entscheid vom B.,/10. Januar 1899 als inkompetentz massgebend
fei, da das eidgenössische Betreibungsgesetz den Gerichts-stand nicht
bestimme, Art. 20 der· Bündner Civilprozessordnung, wonach der Richter
des Wohnortes-, Klosters, zuständig sei; es entspreche diese Auffassung
auch denIV. Schuldhetreihung und Konkurs. N° 7. 35

gatfglichen Verhältnissen, sowie dem zweiten Satze des Art. 52

B. Gegen diesen Entscheid haben Chr. Nanser & (Sie. den Rekurs an
das Bundesgericht ergriffen. Unter Berufung ans Art. 189 Abs. 3
O.-G. führen sie aus: Es handle sich um eine Gerichtsstandsfrage des
eidgenössischen Rechts, das kantonale Recht könne darüber nicht bestimmen
Die Frage des neuen Vermögens stehe mit dem Arrest, der Betreibung
und Rechtsösfnung in Zusammenhang und müsse deshalb auch vom Richter
des Arrestbezw. Betreibungsortes entschieden werden. Dieselbe stelle
sich als Juridentsrage im Rechtsöffnungsversahren dar, was zur Folge
habe dass die Behörde des Orts kompetent sei, wo die Hauptfrage zl;
entscheiden sei. Die Rekurrenten beantragen, es seiuder Entscheid des
Kreisgerichtsausschusses Davos vom EUR)./10. Januar 1899 aufzuheben und
auszusprechen, dass fraglicher Ausschuss als Gericht des Betreibungsortes
in casu kompetent sei, die Einrede des mangelnden neuen Vermögens zu
Beurteilen.

C. In seiner Antwort stellt sich der Reknrsbeklagte zunächst auf
den Standpunkt, es handle sich um eine Frage der Anwendung kantonalen
Rechts und es sei deshalb das Bundesgericht zur Beurteilung des Rekurses
nicht kompetent: Das eidqenösfische Petreibungsgesetz enthalte keine
Bestimmung über den Gerichtsstand für Klagen aus Art. 265; es sei
somit die Normierung dieser Frage dem kantonalen Rechte überlassen
(Art. 22 und 25 B.-G.). In den kantonalen Ausführungsbestimmungen (%
10} seien denn auch ausdrücklich bezüglich des Verfahrens-, soweit das
Bundesgesetz nichts abweichendes verfüge, die Bestimmungen der Bündner
Civilprozessordnung für anwendbar erklärt. Nach Art. 20 der letzteren
sei aber der Wohnortsrichter kompetent. Nach fanta: nalem Recht sei
der Entscheid des Kreisgerichtsausschusses Davos nicht weiterziehbar
(% 13 der kantonalen Einführungsbestimmungen); auch daraus ergebe sich,
dass das Bundesgericht auf die Rekurssrage nicht eintreten könne. Dasselbe
könnte sich höchstens ans dem Gesichtspunkte mit der Sache befassen, dass
untersucht wurde, ob durch den angefochtenen Entscheid bundesrechtliche
Normen über den Gerichtsstand verletzt werden. Nun bestimme das
Bundesgesetz nicht, welches Gericht zuständig sei, wie es dies in

36 Staatsrechtliche Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bundesgesetze.

andern Fällen thue, wenn es einen andern, ais den ordentlichen
Gerichts-stand wollte (Art. 52, 273 und 279 B.-G.). Die Gründe, welche
für das Arrestversahren und für die auf eine solche Massregel aufgebauten
Prozesshandlnngen einen besondern Gerichtsstand rechtfertigen, träsen für
die Frage des neuen Vermögens nicht zu. Es handle sich hiebei um eine
Frage, welche die Gesamtheit der Vermögensrechte des Schuldners, seine
Beziehungen zu der Gesamtheit seiner Gläubiger und Schuldner betreffe;
diese gehöre aber vor den ordentlichen Richter. Der Entscheid gelte
auch nicht nur für den speziellen Fall, sondern gebe jedem Jnhaber
eines Verlustscheines das Recht, Befriedigung für seine Forderung zu
verlangen, soweit neu erworbenes Vermögen vom Gerichte konstatiert
sei. Es könne nicht zugegeben werden, dass die Beurteilung der Einrede
mangelnden neuen Vermögens einen Bestandteil des Betreibungsversahrens
bilde; dieses sei erschöpft, sobald ein Rechtsvorschlag erhoben und
die Rechtsöffnung verweigert worden sei. Es sei überhaupt fraglich,
ob ans Grund eines Verlustscheines ein Arrest geiegt werden könne, so
lange nicht der Nachweis neuen Vermögens geleistet sei; die Leistung
dieses Nachweises gehöre somit nicht zum Betreibungsversahren, sondern
bilde den Gegenstand eines besondern Verfahrens Noch entschiedener als
diese Erwägungen rechtlicher Natur sprachen praktische Gründe für die
Zuständigkeit des Richters des Wohnortes Dieser sei einzig in der Lage,
die Vermögensverhältnisse des Schuldners richtig zu Beurteilen. Bei
anderer Auffassung könnte es vorkommen, dass die Frage des neuen Vermögens
von verschiedenen Gerichten verschieden beurteilt würde. Es zeige sich
eben, dass die Geltendmachung von Verlustscheinforderungen im Grunde
genommen eine Fortsetzung der Konkursliquidation sei und schon aus diesem
Grunde am Orte des Wohnsitzes erfolgen müsse (Art. 52 B.-G.). Der Schluss
geht aus Abweisung des Rekurses.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Rekurrenten behaupten, durch den angefochtenen Entscheid werde
eine aus dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs sich
ergebende eidgenössische Gerichtsstandsnorm verletzt. Zur Beurteilung
dieser Frage ist das Bundesgericht nach am. 189 Unierabsatz zu Abs. 2 des
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechispflege kompetent. Ob
wirklich dieIV. Schuldhetreibung und Konkurs. N° 7. 37

behauptete eidgenössische Gerichtsstandsnorm bestehe, ist einlässlich zu
prüfen (ng. die Erwägung Z des bundesgerichtlichen Entscheides in Sachen
Eggimann *}. Selbstverständlich wird die Kompetenz des Bundesgerichts
auch dadurch nicht ausgeschlossen, dass der angesochtene Entscheid einer
Weiterziehung an eine obere kantonale Behörde nicht unterlag.

2. Dass das eidgenössische Betreibungsgesetz nicht ausdrücklich
bestimmt, welches Gericht zum Entscheid über die Frage des neuen
Vermögens (Art. 265 Abs. 2 und Z) örtlich zuständig ist, zwingt nicht
zu der Annahme, dass hiefür kantonales Recht massgebend sei. Dieser
Schluss ist gerechtfertigt bei Streitigkeiten, in denen über Fragen des
materiellen Rechts zu entscheiden ist. Gemäss der verfassungsmässigen
Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiete der
Justizgesetzgebung (am. 64 der B.-V.) ist die Rechtssprechung und damit
die Festsetzung der prozessualischen, speziell der Gerichtsstandnormen
für Streitigkeiten materiell-rechtlicher Natur, auch soweit für
die Entscheidung eidgenössisches Recht massgebend ist, abgesehen
von den Verfassungsrechtlichen Schranken, grundsätzlich den Kantonen
überlassen, und es bedarf deshalb auf diesem Gebiete aller Regel nach
einer ausdrücklichen bundesrechtlichen Bestimmung, um anzunehmen, es habe
der Bundesgesetzgeber den Gerichtsstand bestimmen wollen. Dies ist auch da
festzuhalten, wo der Streit über das materielle Rechtsverhältnis in eine
Beziehung tritt zu dem an sich eidgenössisch geordneten Betreibungsund
Konkursverfahren Denn der Umstand, dass der Fortgang oder die Aufhebung
des Exekutionsverfahrens von der Anhebung oder dem Ausgang eines Streiies
über den Bestand des Rechts, das Eigentum an den gepfändeten oder in
die Masse gezogenen Objekten u. s. w. abhängig sein magbenimmt solchen
Streitigkeiten ihren selbständigen Charakter nicht, und zwingt nicht dazu,
dass bei der Frage des Gerichtsstandes auf die Bestimmungen über den Ort,
wo sich die Zwangsexekution abspielt, Rücksicht genommen werde. Es bleibt
daher hinsichtlich der erwähnten Streitigkeiten, wo der Bundesgesetzgeber
nicht ausdrücklich etwas anderes festgesetzt hat, bei den gewöhnlichen,
d. h. in erster Linie den kantoualen Gerichtsstandsnormen. Anders ver-

* Amii. Samml., Bd. XXIV, i. Teil, S. 65.

38 Staatsrechtljohe Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bundesgesetze.

hält es sich mit den Verfügungen, die, wenn sie auch nicht den
Betreibungsund Konkursämtern übertragen, sondern den Gerichten zugewiesen
sind, doch nur Bestandteile des Zwangsvoll- streckungsversahrens bilden,
wie die Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlags (Art. 77), die
Bewilligung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung [Art. 181)
u. s. w., und mit denjenigen betreibungsund konkursrechtlichen
Streitigkeiten, die lediglich oder doch principaliter auf den
Fortgang oder die Hemmung des Verfahrens sich beziehen, und die sich
so in gewissem Sinne ebenfalls bloss als Teile oder als Jncidente des
letztern darstellen, wie die Rechtsöfsnungsstreitigkeiten (Art. 80 ff.),
die Begehren nach Art. 85 u. f. w. Die Bestimmung des Gerichtsstandes
für solche Verfügungen und Streitigkeiten kann grundsätzlich nicht als
Angelegenheit des kantonalen, sondern muss als solche des eidgenössischen
Rechts angesehen werden. Sobald das Betreibungs-s und KontrasVersahren
einheitlich geordnet ist, sobald namentlich einheitliche Normen über den
Ort, wo die Zwangsvollstreckung vor sich zu gehen hat, bestehen, muss auch
die Frage, welches Gericht zum Erlass der genannten Verfügungen und zur
Beurteilung der erwähnten Incidente zuständig sei, für das ganze Gebiet
der Eidgenossenschaft eine einheitliche Lösung finden, und muss diese
in dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs gesucht werden,
auch wenn dieses ausdrückliche Vorschriften darüber nicht enthält. Das
eidgenössische Recht bestimmt, dass die betreffenden Angelegenheiten
der Zuständigkeit der Gerichte unterstellt seien; es setzt nicht nur
die materielle Regel für den Entscheid fest, sondern bestimmtauch die
wesentlichen formalen Voraussetzungen des Verfahrens; nach eidgenössischem
Recht muss es sich deshalb auch beurteilen, welcher Richter örtlich
zuständig sei. So ist z. B. allgemein angenommen und ergiebt sich a
fortiori aus der Bestimmung in Art. 88 Abs. 2, wonach Aberkenimngsklagen
am Betreibungsorte anzuheben sind, dass kraft eidgenössischen Rechts
Rechtsöfsnungsbegehren im Sinne der Art. 80 und 82 beim Richter des
Betreibungsortes anzubringen sind, trotzdem eine positive Vorschrift
darüber im Betreibungsgesetz fehlt. Die Bestimmungen der Art. 22 und
25 des Betreibungsgesetzes, wonach den Kantonen die Bezeichnung der
richterlichen Behörden, welche für die im Gesetze dem Richter zugewiesenen
Entscheidungen zu-[V. Schuldbetreibung und Konkurs. N° 7. 39

ständig sind, und die Ordnung des beschleunigten und summarischen
Prozessverfahrens übertragen ist, beweisen nichts gegenteiliges.
Es ist damit die Auffassung wohl vereinbar, dass für die Abgrenzung
der örtlichen Zuständigkeit der von den Kantonen bezeichneten Behörden
eidgenössisches Recht massgebend sei, wie ja auch das Betreibungsforum
eidgenössisch geregelt ist, obschon die Festsetzung der Betreibnngsund
Konkurskreise und die Organisation der Betreibungsund Konkursämter
den Kantonen zusteht Völlig bedeutungslos für die Frage ist endlich %
10 der bündnerischen Aussührungsbestimmungen zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs; denn durch kantonale Vorschriften kann
Bandes-recht nicht in bindender Weise ausgelegt oder ergänzt werden.

8. Der Streit nun darüber, ob ein Schuldner im Sinne Von Art. 265
Abs. 2 zu neuem Vermögen gekommen sei, ist ein Jnrident des
Betreibungsversahrens. Die bezügliche Einrede des Schuldners, der
auf Grund eines Verlustscheines betrieben wird, hat die Wirkung eines
Rechtsdorschlages und wird in der Regel auch in dieser Form zu erheben
sein (vgl. Art. 69 Biff. 3 B.-G.); er hemmt die Zwangsvollstreckung,
bis die Einrede durch gerichtlichen Entscheid aus dem Wege geräumt
ist. Letzterer lässt sich danach mit der Rechtsöffnung vergleichen. Wie
nun im Rechtsöfsnungsverfahren einzig und allein die Vollstreckbarkeit
der Forderung in Frage steht, so handelt es sich auch bei dem Verfahren
zum Zwecke der Beseitigung der Einrede mangelnden neuen Vermögens darum,
ob für die Forderung neuerdings aus dem Zwangswege Befriedigung gesucht
werden könne. Der Bestand der Forderung bildet nicht Gegenstand des
Verfahrens Auch ergreift der Entscheid nicht die ganze vermögensrechtliche
Stellung des Schuldners, in der Weise, dasz darin festgestellt würde, ob
er überhaupt wieder für Forderungen aus Verlustscheinen und für solche,
die diesen gleichgestellt sind (Art. 267 B.-G.), betrieben werden könne.
Sondern es wird in jenem Verfahren nur untersucht und festgestellt, ob
neues Vermögen vorhanden sei, das zur Deckung der betriebenen Forderung
in Anspruch genommen werden farm. Der Entscheid schafft nur Recht
für die angehobene Betreibung, gegenüber der die Einrede aus Art. 265
Abs. 2 erhoben worden ist, Und präjudiziert der Frage der Betreibbarkeit
oder Nichtbetreibbarkeit anderer oder der gleichen Forderung in einer
späteren40 Staatsrechtliche Entscheidungen. 11. Abschnitt. Bundesgesetze.

Betreibung in keiner Weise. Gegenüber der Geltendmachung von; Forderungen,
die nach dein Konkurse entstanden sind, kann fernerdie Einrede überhaupt
nicht erhoben werden, was bestätigt, dass - man es nicht mit einem Streit
über die Betreibbarkeit der Schuldner überhaupt zu thun hat. Wenn auch
angenommen werden. wollte, es habe die Bestimmung im zweiten Satz des
Absatzes 2 von Art. 265 auch Einfluss auf das materielle Rechtsverhältnis
zwischen Gläubiger und Schuldner, so handelt es sich im Verfahren nach
Art. 265 Abs. 3 doch stets nur um die Frage, ob eine bestimmte Forderung
erequiert werden könne, d. h. um eines rein betreibungsrechtliche
Jncidenzfrage Welches Gericht zur Entscheidung derselben örtlich
zuständig sei, ist daher nach eidgenössi- schem Recht zu beurteilen,
und da eine positive Vorschrift fehlt, so muss sie nach dem Sinn und
Geist des Gesetzes und nach der Art, wie sich das Verfahren in das
Zwangsexekutionsverfahren einfügt, beantwortet werden.

4. Wird hievon ausgegangen, so kann es sich bloss fragen, obsder Richter
des Orts, wo der Konkurs erkannt und durchgeführt-. wurde, oder ob
der Richter des Betreibungsortes zuständig sei. In erfterem Sinne
wäre zu entscheiden, wenn wirklich, wie der Rekursbeklagte annimmt,
die Geltendmachung von Verlusischeinforderungen nach Art. 265 Abs. 2
und Z lediglich eine Fortsetzung

der Konkursliquidation wäre. Diese Auffassung erscheint jedoch nicht ss

als zutreffend. Über neues Vermögen, das der Kridar nach Schlussx des
Konkursverfahrens erworben hat, findet nicht von Amtes wegen eine neue
Generalliquidation statt. Sondern es ist jedem Verlustscheingläubiger
anheimgestellt, ob er für seine Forderung Betreibung anheben wolle oder
nicht, und nur, wenn der Schuldner neuerdings konknrsfähig geworden ist,
ist diese auf dem Weges des Konkurses fortzusetzen, während es sich
der Regel nach um eine Spezialerekution handeln wird. Danach ist denn
auch dieBetreibung für Verlustscheinforderungen nicht am Konkursorte,
sondern da zu führen, wo sich das Betreibungssorum desSchuldner-s im
Zeitpunkt der Anhebung der Betreibung nachden allgemeinen, darüber
bestehenden Vorschriften befindet. Hieraus folgt aber weiter, dass auch
die Frage des neuen Vermögens durch den Richter des Betreibungsortes zu
entscheiden ist. DennIV. Schuldhetreihung und Konkurs. N° 7. 4]...

da, wo der Schuldner zur Anhebung des Erekutionsversahrens gesucht werden
muss oder darf, hat er auch darüber Rede und Antwort zu geben, ob er zu
neuem Vermögen gekommen sei, undob das Verfahren über seine diesbezügliche
Einrede hinweg fortgeführt werden könne oder nicht. Diese Lösung ergiebt
sich auchaus der Erwägung-, dass hinsichtlich des Ganges des Betreibungs-
verfahrens die Vollstreckungsorgane direkt nur dem Richter des Sprengels
unterstellt sind, zu dem ihr Amtskreis gehört, dass siesomit nur von
diesem verbindliche Weisungen über die Fortsetzung oder die Sistierung
des Verfahrens entgegenzunehmm haben. Im vorliegenden Falle war der
Betreibungsort Davos, wo der Arrest gelegt wurde (Art. 52, erster Satz,
B.-G.). Ob der Arrest habebewilligt werden können, bevor der Nachweis
neuen Vermögens geleistet war, ist gleichgültig Für die vorliegende
Frage ist entscheidend, dass der Arrest bewilligt und nicht angefochten
wurde, wodurch thatsächlich ein Betreibungsforum begründet worden
ist. Unbehelflich ist dem Rekursbeklagten auch der Hinweis aufv Art. 52,
zweiten Satz, B.-G., wonach die Konkursandrohung und die Konkurseröfsnung
trotz erfolgten Arrestes nur da erfolgen können, wo ordentliche-: Weise
die Vetreibnng stattzufinden hat. Denn diese Bestimmung bezieht sich nur
aus das Stadium der Betreibung von der Konkursandrohung an, nichtaber
auch auf die der Konkursandrohung vorangehenden betrei bungsrechtlichen
Vorgänge, somit auch nicht auf die Erhebung und Beseitigung der Einrede
des mangelnden neuen Vermögens-, zu deren Beurteilung nach dem Gesagten
im Falle eines Arrestes, wenigstens mit Bezug auf die mit Arrest belegten
Gegenstände, der Richter des Arrestortes zuständig ist. Die praktischen
Inkonvenienzen, die sich hieraus für einzelne Betreibungen ergeben können,
vermögen an der durch die gesetzliche Ordnung der Dinge und durch Gründe
rechtlicher Konsequenz geforderten Lösung nichts zu ändern. In andern
Fällen, z. B. demjenigen der Zahlungsflucht, wird übrigens der Richter
des Betreibungsortes weit eher als jeder andere in der Lage sein, die
Frage des neuen Vermögens zu Beurteilen. Überhaupt würde die Auffassung,
die der Nektarsbeklagte vertritt, dass die Kantone das Forum für den
Streit überdas Vorhandensein neuen Vermögens bestimmen, unter Umständens42
staats-rechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze.

wohl ebenso bedeutende praktische Unzukömmlichkeiten im Gefolge haben,
wie die nach dem Sinn und Geist des Gesetzes als richtig erkannte.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird als begründet und demgemäss der Kreisge"richtsausschuss
Davos, unter Aufhebung seines Eutscheides vom f),/10. Januar 1899,
als kompeteni zur Beurteilung der Frage ides neuen Vermögens erklärt.

V. Civilrechtliche Verhältnisse der Niedergelassenen und. Aufenthalter.

Rapports de droit civil des citoyens établis on an séjour.

8. Urteil vom 22. März 1899 in Sachen Reh gegen Zurich.

'Siegelung des Nachlasses eines Nicfetkantnnsbürgers. (Zürchem'sche)
regierungsrätliche Verordnung betr. das beim Ableben von
Nichtkantssnsbürgem zu beabacfitende Verfahren vom 19. Januar 1861, F
1 M. F 2; in Widerspruch mit dem li.-Ges. betr. die civilo-echtlz'chen
Verhältnisse der Niedergelassenen etc..? F 925 des Ziércheess P.-G.-B.

A. Am 23. September 1898 starb in Zürich der in Binnensvfors, Kantons
Aargau, heimatberechtigte Prediger Johannes Net), unter Hinterlassung
einer Witwe Anna Maria geb. Basel. Am 28. September wurde von einem
Beauftragten des Waisenamtes Zürich der Nachlass des Johannes Rey unter
Siegel gelegt. Und am 30. September wies das Bezirksgericht Shriek),
dem vorschriftsgemäss von der Angelegenheit Kenntnis gegeben worden war,

Unter Berufung auf § 2 der regierungsrätlichen Verordnung be-

treffend das beim Ableben von Nichtkantonsbiirgern zu
beobachttende Verfahren, vom 19. Januar 1861, das Notariat
Riesbach an, den Nachlass definitiv zu siegeln und die Erben
auszumitteln.V. Civilrechtl. Verhältnisse der Niedergelassenen und
Aufenthalter. N° 8. 43

B. Hiegegeu beschwerte sich Witwe Rey bei der Appellationskammer des
zürcherischen Obergerichts Sie beantragte, es sei der bezirksgerichtliche
Beschluss vom 30. September, da ihm eine gesetzliche Grundlage fehle,
als Richtig aufzuheben und entsprechende

-Weisung an das Bezirksgericht zu erteilen. Die Rekurrentin

machte geltend, die Verordnung vom 19. Januar 1861 stehe und falle mit
dem Konkordat Über Tesiierfähigkeit und Crit-rechtsverhältuisse vom
15.Juli 1822, mit Bezug auf welches sie erlassen worden sei. Nun sei das
Konkordat durch Art. 39 des Bundesgesetzes über die civilrechtlichen
Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni
1891 als aufgehoben erklärt worden. Damit habe auch die Verordnung
von 1861 ihre Wirksamkeit verloren. Die Appellationskammer wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 22. Oktober 1898 ab: Es sei unrichtig,
dass die Verordnung von 1861 infolge der Aufhebung des Kontordates von
1822 dahingefallen sei. § 2 derselben beziehe sich nicht nur auf die
Angehörigen der Konkordatskantone, sondern auf alle Nichtkantonsbürger;
und die Aufhebung des Konkordats habe bloss zur Folge gehabt, dass
erstere den letztern gleichzustellen seien. § 2 der Verordnung ergänze
den § 925 des privatrechtlichen Gesetzbuches, der von den Gründen, aus
denen eine gerichtliche Siegelung des Nachlasses zu erfolgen habe, nur
die wichtigsten hervorhebe,und es im Übrigen den zuständigen Behörden
überlasse, zu entscheiden, ob ein ausreichender Grund zur Siegelung
vorliege oder nicht. Gerade im vorliegenden Falle erscheine die Siegelung
als gerechtfertigt, da direkte Nachkommen nicht vorhanden feiert, und
daher andere Verwandte, die vorerst auszumitteln seien, Ansprüche auf
den Nachlass erheben können.

O. Witwe Rey erhob gegen den Entscheid der Appellationskammer einerseits
eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich,
andrerseits einen staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesgericht. Das
Kassationsgericht wies die Nichtigkeitsbeschwerde unterm 14. Dezember
1898 ab. Davon ausgehend, dass noch nicht ausgemittelt sei, ob der
Verstorbene neben seiner Ehefrau noch andere erbsähige Verwandte besitze,
was durch das Waisenamt zu ermitteln sei, wird zunächst festgestellt,
dass die Verordnung von 1861 in gehöriger Weise publiziert worden sei,
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 25 I 34
Date : 29. März 1899
Published : 31. Dezember 1899
Source : Bundesgericht
Status : 25 I 34
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 34 Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt.. Bundesgesetze. IV. Schuldbetreibung'


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