744 Entscheidungen den Schuldbetreibungs--

146. Entscheid vom 20. Dezember 1898 in Sachen Nick und Konsorten.

Unpfändbares Legat. Uapfändbare Leibrente, Art. 92 Ziff. 7 Betr.-Ges.ss
und Art. 521 (). R., oder N utzniessung und Alimentaäiomäeitmg, Art.. 93
Beta:-Ges. Thatbestundsssfeststellung.

]. Am 13. und its. Juni 1898 ist vom Betreibungsamt Sempach für J. Nick,
Gemeindeschreiber in Büron; Robert Pfenniger in (Emmen, Jos. Blättler
in Rotzloch, Albert Ziegler & Eie. in Grellingen, Paul Carpentier in
Zürich und Gemeindeschreiber Strasser in Fenerthalen gegen Hermann
Wyder, Geissmatt, Luzern, nach voraufgegangenem Altresi, eine Pfändung
aus das Erbsbetreffnis aus dein Nachlass des B. Wyder sel. von 10,000
Fr. ausgeführt worden. Mit diesem Erbsbetresfniss hatte es folgende
Bewandtniss: Der Oheim des Schuldners Hermann; ther, Bernhard Wyder, hatte
in einer letzten Willensverordnung, nachdem er zunächst bestimmt hatte,
dass die Hälfte seines Nachlasses seinen gesetzlichen Erben zufallen,
dass aber skdas Betresfnis des Hermann ther, der anch hier gehörte, gegen
verschiedene, vom Testator bezahlte Bürgschaften, 2c. ausgerechnetwerden
soll, verfügt, es sei aus der andern Hälfte des Nachlasses ein Betrag
von 10,000 Fr. in die Depositalkasse der Ortsbürgergemeinde Eich
einzulegen. Über diesen Betrag hat im nachfolgenden angegebenen Sinne Herr
Bezirksrichter Lang in z,Sempach oder nach dessen Ableben ein Mitglied
des Gemeinde"rates von Eid), welches meine Erben bezeichnen, zu verfügen:
' Die Erträgnisse dieses Kapitals sollen dem Hermann Wyder in Luzern in
angemessener Weise als Unterstützung und Rente verabfolgt werden. Bei
Verdiensilosigkeit, Krankheit, Altersschwäche oder sonstigen Notfällen
soll auch der Kapitalbetrag zur Unterstützung angegriffen werden, immerhin
in der Weise dass möglichst für dessen Alter vorgesorgt werden soll. Kein
Gläubiger des Hermann Wyder soll auf diese Unterstützung oder dieses
Kapital greifen dürfen und es soll auch nicht an Dritte abgetreten werden
dürfen, nach Art. 520 O.-R. Auf Ablebenund Konkm'skammer. N° 146. 745

des ermann W der soll der Betrag, soweit
vorhanJdenPallfälligenyAbstämmlingen desselben, eventutell wenn
keine solche vorhanden sind, seiner Schwes er Nanette Graber
geb. Wyder oder deren Abstammsssslingen zukommen. Über die Verwendung
dieses Zweckver(niögens soll der jeweilige Sachverwalter mit meinen
VerL,wandten die Aussicht üben und es hat der Verwalter alle 4 :,Jahre
gehörig Rechnung Izu stegîn, zu Handen des Hermann und der übri en
erwan en. . wärFlzkdexsjegen diese Pfändung beschwerte sich Hermann
thersissbei der untern Aufsichtsbehörde und perlangte Aufhebung der
Pfandiing wegen Unpfändbarkeit des Pfändnngsobxektes Die Beschwerde
wurde gutgeheissen und unterm 7. September 1808 bestatigte die obere
kantonale Aufsichtsbehörde den ersiinstanzlichen Entschng den die
pfändenden Gläubiger weitergezogen _hatten, nnt der 558: -gründung: Aus
dem Wortlaut der aiigesuhrten Testament fg stimmung ergebe sich Har,
dass das gepfandete Legat eineOgip Unpfändbar bestellte Leibrente im
Sinne des Art. 521 desBt i -gationenrechtes bilde, die gemäss Art.,
92 'Blff. 7 des k': Î; bungsgesetzes der Pfändung entzogen sei. Die
Unpfandbargeä des Vermächtnisses sei übrigens auch aus Grund des
Art. W de Betreibungsgesetzes anzunehmen, indem dieudeni Hermann k
&); ausgesetzte Rente bei den notorischen Vermogensund Krana heilch
verhältnissen desselben zu dessen Fortkommen als unumgangi di u era ten
ei. notgku TZiez pfändJndensGläubiger haben gegen den Entsgeidddxr obern
kantonalen Aufsichtsbehörde den Beim-s an das vun ; gericht ergriffen. Es
wird in erster Linie geltend gemach;L gli; siman es nicht mit einer
Utente zu thun habe, bag dem H. Ky er vielmehr ein Kapital verinacht
worden sei, unpfandbare akztalien kenne aber das Gesetz nur im Falle
des Art. 92_31ff.t , der hier nicht vorliege; auch Art. Jus tenne keine
Komzoesseng kapitalien; übrigens werde die thatsachliche Feststellungs;
stamm: Wyder ans Krankheitsrücksichten den Betrag Ohraudhe, 'e tri auf?
es sei diese Behauptung auch vor der ersten Jnstanz nich ew; gestellt
und es sei den Rekurrenten keine lKenntms davon geg 5 werben, dass man
in zweiter Instanz sich darauf berufen ha e.

746 Entscheidungen der Schuldhetreibungs-

Man habe es ferner auch nicht mit einer Nutzniessung zu thun, da
ein Dritter fehle, dem das Kapital dei-macht sei. Die Versuchte
fideikommissarische Substitution sei nach § 443, 1 des luzeruischen
bürgerlichen Gesetzbuches ungültig und das Legat gehöre dem Wyder. Das
luzernische Recht gestatte nicht, unpfändbare Legate zu errichten und
das eidgenössische Benutzungsgesetz sehe solche nicht vor. Es gebe
auch weder nach luzernischem noch nach eidgenössischeni Gesetz ein
Zweckvermögen. Die Reknrrenten Beantragen, es sei, in Wiederherstellung
der Pfändungen des Betreibungsamtes vom 13,/16, Juni 1898, das Legat von
10,000 Fr. im vollen Betrage und samt den Zinsen als pfändbar zu erklären.

IV. H. Wyder schliesst in der Vernehmlassung auf Abweisung des Rekurses,
indem er daran festhält, dass das Legat nicht sein Eigentum sei und dass
es sich um eine, vom Testator als unpfändbar bestellte Rente, eventuell
um eine nach Art. 93 unpsändbare Nutzniessung handle. Die kantonale
Aufsichtsbehörde hat keine besondern Gegenbemerkungen eingereicht.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Nach dem Grundsatze, dass nur solche Objekte gepsändet werden dürfen,
die entweder unbestrittenermassen dem Schuldner gehören oder von
denen nach den Angaben des Glänbigers oder nach einer eigenen Prüfung
des Beamten hiefür Anhaltspunkte vorliegen, ist anzunehmen, dass im
vorliegenden Falle diejenigen Vermögenswerte gepfändet werden wollten,
die dem H. Wyder infolgeder letzten Willensverordnung des Bernhard Wyder
zugefallen find. Nun besteht aber zunächst gerade darüber Streit, was dein
H. Wyder durch das Testament seines Oheims eigentlich zugewendet worden
sei. Nach Ansicht der Rekurrenten (und des Betreibungsamtes) hat man es
mit einem gewöhnlichen Vermischtniss von 10,000 Fr. zu thun, das mit der
Annahme in das Vermögen und Eigentum des Legatars übergegangen ware. Der
Rekursbeklagte hält dagegen (mit den beiden Vorinstanzen) dafür, dass man
es mit einein Rentenvermächtnis zu thun habe, ohne dass freilich gesagt
wird, wer denn der Rentenschuldner sei. Eslkann jedoch dahingesiellt
bleiben, welche dieser Auffassungenund Konkurskammer. N° 146. 747

die richtige sei und ob die Aufsichtsbehörden überhaupt kompetent waren,
die Streitfrage zu entscheiden. Denn ob diese so. oder anders gelöst
werde, so muss das Objekt der Pfändung als unpfändbar erklärt und der
Vorentscheid bestätigt werden. Dies ist ohne anders klar für den Fall,
dass man annimmt, es liege ein Rentenvermächtniss dor. Denn der Erblasser
hat ausdrücklich angeordnet, dass kein Gläubiger auf diese Unterstützung
oder dieses Kapital greifen und dass es auch nicht an Dritte abgetreten
werden dürfe nach Art. 520 (soll heissen 521)des Obligationenrechts, und
es ist nicht behauptet worden und nicht ersichtlich, dass diese Klausel
falls man es mit einer Rente zu thun hat ungültig oder unwirksam fei. Aber
auch unter der Annahme, dass es sich nicht um ein Rentenverzeichnis,
sondern um ein Legat handle, das in das Vermögen und Eigenthum des
Bedachten gefallen ist und auf das Art. 521 des Obligationenrechtes nicht
zutrifft, muss dasselbe unter den gegebenen Verhältnissen als unpfändbar
erklärt werden. Es ist nämlich gzu beachten, dass dem Legatar keineswegs
die freie Verfügung uber das Vermachtnis zusteht, dass dasselbe vielmehr
gemäss dem Willen des Erblassers zu deponieren und durch einen von ihm
bestellten, bezw. nach seinen Anordnungen zu bestellenden Sachwalter zu
oerwalten ist, und dass dem Bei-achten regelmässig nur die Ertragnfissa
und nur in bestimmten Notfällen auch Kapitalbeträge, die, wie die erstern,
als Unterstützungen bezeichnet werden, zugewiesen werden ·durfen.
Dass eine derartige Beschränkung der Verfügungsbefugnisse des Legatars
in seinem eigenen Interesse, eine solche letztwillige Zweckbestimmung
eines Nachlassbestandteiles, nach luzernischem Rechte unzulässig sei,
ist von den Rekurrenten nicht behauptet und von den Vorinstanzen nicht
angenommen worden. Sobald aber die erwähnten Beschränkungen als rechtlich
bestehend hingenommen werden, so hat man es, vom ökonomischen Standpunkte
aus betrachtet, mit einer Nutzniessung oder mit Alimentationsbeitragen im
Sinne des Art. 93 des Betreibungsgesetzes, das heisst mit bloss relativ
pfändbaren Vermögensobjekten zu thun. Die Anwendung dieser Begriffe
auf den vorliegenden Fall sann nicht mit dem Hinweis darauf beseitigt
werden, dass es nel) nicht um Rechte gegenfiber Dritten, sondern um
eigenes Vermogen des Schuld-

748 Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

ners handle. Denn da Art. 93 aus wirtschaftlichen Erwägungen ss

beruht, dürfen die darin aufgestellten Begriffe nicht, oder doch nicht
einzig vom rechtlichen Standpunkt aus interpretiert werden, sondern es
ist auch der ökonomische Gesichtspunkt mit zu berücksichtigen. Wird
aber hie-von ausgegangen, so müssen unter Nutzniessung neben einem
eigentlichen Niessbrauch als einem Rechte an fremder Sache auch die
Erträgnisse und die Zuschüsse aus einem Kapital fubsmniert werden, das
zwar dem Berechtigten gehört, über das ihm aber, wie im vorliegenden
Falle anzunehmen ist, keinerlei Verfügungsbefugnis zusteht. Nun ist
ein solches Vermögensobjekt nach Art. 93 des Betreibungsgesetzes dann
dem Zugriff der Gläubiger entzogen, wenn es für den Schuldner und seine
Familie unentbehrlich notwendig isf. Ob dies zutreffe oder nicht, hängt
wesentlich von der Würdigung thatsächlicher Verhältnisse ab, bezüglich
deren der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörden einer Überprüfung
durch die Schuldbetreibungs und Konkurskammer nur dann untersteht,
wenn darin eine eigentliche Rechtsverweigerung läge. Im vorliegenden
Falle stellt die Vorinstanz fest, dass das Vermächtnis seines Oheims
dem {.S} Wyder bei seinen Vermögensund Krankheitsverhältnissen zu seinem
Fortkommen unumgänglich notwendig sei und eine blosse Bestreitung vermag
selbstverständlich diese Feststellung nicht zu entkräften. Auch unter der
Annahme, dass man es mit einem in das Vermögen des Bedachten fallenden
Legat zu thun habe, i dieses sonach als unpsändbar zu betrachten. Dass die
Vorinstanz die Thatsache der Bedürftigkeit des Rekursbeklagten beigezogen
hat und dass den Rekurrenten hieoon vor Ausfällung des Entscheides keine
Kenntnis gegeben wurde, derstösst gegen keine gesetzliche Bestimmung
und kann daher nicht zur Aufhebung des Vorentscheides führen. Demnach
hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs wird
abgewiesen. und Konkurskammer. N° 147. 749

147. Entscheid Vom 20. Dezember 1898 in Sachen Wälchli.

Pfändung des Noterbrechtes eines Enierbten.

I. Notar Wälchli in Reinach hat für eine Forderung an Robert Haller in
Reinach den Erbteil psänden lassen, der seinem Schuldner infolge des am
ZO. Oktober 1897 erfolgten Todes seines Vaters Samuel Halle-r angefallen
sein soll. Die Waisenbehörde Reinach beschwerte sich namens der unter
Pflegschafl stehenden Kinder des Schuldner-Z gegen diese Pfändung,
weil nach einer am 28. Dezember 1897 gerichtlich homologierten letzten
Willensverordnnng des Erblassers Robert Haller enterbt und dessen
Kinder an seinem Platze zu Erben eingesetzt worden seien. Die untere
Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut und hob die von Notar Wälchli
ausgewirkte Pfändung auf. Und die obere kantonale Aufsichtsbehörde
bestätigte unterm 21. Oktober 1898 den erstinstanzlichen Entscheid mit
der Begründung, dass der fragliche Erbteil nach dem gegenwärtig noch
zu Recht bestehenden Testament den Kindern des Schuldners, nicht diesem
gehöre, und deshalb unpfändbar sei.

IL Gegen diesen Entscheid hat Notar Wälchli den Rekurs an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag, es sei in Aufhebung desselben
der fragliche Erbrechtsanspruch des Robert Haller am Nachlass seines
verstorbenen Vaters als psändbar zu erklaren und die vorgenommene Pfändung
in dem Sinne zu bestätigen, dass der Noterbrechtsanspruch des Schuldners
am Nachlasse seines Vaters als gepfändet zu betrachten sei. Die Begründung
beruht darauf, dass nach aargauischem Pflichtteilsrecht Vater Haller
nur über einen Drittel seines Nachlasses frei habe Verfügen dürfen,
dass dem Sohne ein Noterbrecht auf die übrigen zwei Drittel zustehe
und dass dieses, bezw. das Recht, das Testament des Vaters anzufechten,
pfändbar sei.

HI. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat auf eine Vernehmlafsung
verzichtet. Die Waisenbehörde von Reinach wiederholt die Argumente des
angefochtenen Entscheides.

xx1v, 1. 1898 50
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 24 I 744
Date : 20. Dezember 1898
Published : 31. Dezember 1898
Source : Bundesgericht
Status : 24 I 744
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 744 Entscheidungen den Schuldbetreibungs-- 146. Entscheid vom 20. Dezember 1898


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