16 _ I. Abschnitt. Bundesverfassung.

4. Urtheil vom 24. März 1876 in Sachen der Regierung des Kantons Bern.

A.' Am 14. August 1875 verstarb in Mühleberg, Kantons Bern, wo sie am
16. Oktober 1870 einen Heimathschein deponirt und bis zu ihrem Tode sich
aufgehalten, auch die Gemeindsteuer bezahlt hatte, die bevormundete
Maria Herrli von Kerzers, Kanten Freiburg, mit Hinterlassung eines in
Werthschriften bestehenden Vermögens von eirea 12,0()0 Fr., welches
sich in Händen des Waisengeriehtes von Kerzers befand, bisher von dem
dortigen Vormunde der Herrli verwaltet worden war und zufolge Testamentes
Vom 11. April 1875 ihrer Schwester Elisabeth Salvisberg geb. Herrli auf
der Hub, Kanton Bern, als Erbe zustel. '

B. Von dieser Erbschaft verlangte sowohl der Kanton Bern als der Kanton
Freiburg die Erbschaftssteuer ; die Erbin anerkannte jedoch nur den
Anspruchdes Kantons Bern und bestritt die Steuerforderung des Kantons
Freiburg, worauf die freiburgische Behörde den in Kerzers liegenden
Nachlass der Maria Herrli mit Arrest belegen liess.

G.. Hierüber beschwerte sich nun die Regierung von Bern beim
Bundesgerichte und stellte das Begehren, dass der Kanton Freiburg mit
seiner Steuerforderung abgewiesen und im fernern angehalten werde,
den ausgewirkten Arrest aufzuheben.

Zur Begründung dieses Gesuches führte dieselbe an: Nach §. 2 des
bernischen Erbschaftssteuergesetzes unterliege das sämmtliche bewegliche
Vermögen der Erbschaftssteuer, wenn der betreffende Erblasser im
Zeitpunkte seines Absterbens entweder im beruischen Staatsgebiete seinen
Wohnsitz oder aber, bei dem Mangel eines solchen, in demselben sich
aufgehalten habe, wobei ferner gesagt sei, dass die Heimathrechtigkeit
des Erblassers und die Heimathrechtigkeit und Wohnsitzverhältnisse des
Erben in der Regel auf die Besteuerung des beweglichen Vermögens keinen ,
Einfluss üben. Da nun der Nachlass der Marie Herrli in Zinsschristen, also
in beweglichem Vermögen bestehe, so sei derselbeH. DoppelbesteuerungNO
(e. 17

gemäss der angeführten Bestimmung des bernischen Erbschaftssteuergesetzes
dem Staate Bern steuerpflichtig ·

D. ,Die Regierung von Freiburg schloss auf Abweisung des Rekurses, indem
sie demselben gegenüber geltend machte: Sie sei damit einverstanden,
dass gemäss einem feststehenden Grundsatze des interkantonalen Rechtes
Frau Salvisberg nicht augehalten werden könne, die Erbschaftssteuer
an beide Kantone zu bezahlen. Ebenso sei sie der Ansicht, dass diese
Steuer da entrichtet werden müsse, wo die Erblasserin ihren Wohnsitz
gehabt habe. In dieser Hinsicht stimmen die bernische und freiburgische
Gesetzgebung grundsätzlich überein und es gehe die hernische nur insofern
weiter als die freiburgische, als die erstere bestimme, dass beim Mangel
eines Domizils der Aufenthalt des Erblasfers im Kanten Bern zur Bezahlung
der Erbschaftssteuer verpflichte. Nun könne aber diese Bestimmung des
hernischen Gesetzes vom Bundesgerichte nicht geschützt werden, indem der
Aufenthalt kein Recht aus Besteuerung gebe, wenn nicht gleichzeitig der
bürgerliche Wohnsitz verändert worden sei. Im vorliegenden Falle handle
es sich nun um eine bevormundete Person, deren gesetzlicher Wohnsitz am
Wohnsitze ihres Vorn-rundes sei und die diesen Wohnsitz nicht eigenmächtig
habe ändern können. Es sei daher auch sowohl die Staatsals Gemeindesteuer
von dem Vermögen der Marie Herrli im Kanton Freiburg erhoben und die
Erbschaft derselben-in Kerzers, nicht in Mühleberg, eröffnet worden. Die
Gesetzgebung des Kantons Bern enthalte die gleiche Bestimmung bezüglich
des Domizils Bevormundeter und es sei nicht einzusehen, warum dieselbe
gegenüber dem Kanton Freiburg keine Anwendung findenvsolle , '

E. Die Regierung von Bern anerkannte, dass die Vorschrift der
freiburgischen Civilgesetzgebnng, wonach eine bevogtete Person an dem
Orte ihr rechtliches Domizil habe, wo der Vogt derselben wohne, mit
der bernischen Gesetzgebung übereinstimme. Ebenso anerkannte dieselbe,
dass gemäss dieser Vorschrift das rechtliche Domizil der Herrli sich
im Kanton Freiburg befunden habe. Dagegen bestritt die Regierung, dass
das rechtliche und persönliche Domizil einer Person identisch sei,
da eine Person

2

18 [. Abschnitt Zuiidesverkitssung

an einein Orte ihr rechtliches und an einem andern Orte ihr persönliches
Domizil haben könne Nun habe die Herrli seit 1863 in Mühleberg gewohnt
und ihren Heimathschem dort de ponirt, somit auch faktisch und persönlich
daselbstihren Wohnsitz genommen und während dieser Zeit unter dem Schutze
und unter den Gesetzen dieses Kantons gestanden. Es hatte daher Von
dem Vermögen der Herrli während der Zeit ihrestohkp sitzes im Kanton
Berti sogar die direkte Steuer bezogen werden tönneu, was jedoch nicht
geschehen fer."

' Das Bundesgericht zieht in Erw agnng: .

1. Die Regierungen von Freiburg undBern gehen im vorliegenden
Falle darüber einig, dass die Maria Herrli, von deren Nachlass die
Erbschaftssteuer erhoben werden soll, ihr rechtliches Domizil in Kerzers,
Kauton Freiburg, gehabtdagegen faktisch vom Jahre 1870 bis zu ihrem
Tod-e in Muhleberg, Kanton

Bern, sich aufgehalten habe. Ebenso sieht nach den Erklärungen

der benannten Regierungen fest, dass beide Kantone nach ihren
Steuergesetzgebungen aus die Besteuerung des erwahnteiLIiachs lasses
Anspruch machen können, sonnt ein Fall von Doppelbesteuerung, d. h. ein
Konflikt zwischen den nSteuergesetzgebungen zweier Kantone vorliegt,
dessen Lösung gemass wiederholten Ent-

scheiden dem Bundesgerichte zukommt

2. Bei Beurtheilung dieses Falles ist von der bisherigen "

bundesrechtlichen Praxis auszugehen, wonach dasn bewegliche Vermögen
da versteuert werden muss, wo der Eigenthumer seinen Wohnsitz hat, resp
sofern es sich um eine Erbschastssteuer handelt, zur Zeit seines Todes
gehabt hat und ist daher in, untersuchen, ob der Wohnsitz der Herrli
zur Zeit ihres nor-es im Kanton Freiburg oder im Kanton Bern gewesen sei.

Diese Frage muss zu Gunsten des Kantons Freiburg beantwortet werden. ,

3. Will man nämlich auch mit Rücksicht damni, _dag nach Art. 46 der
freiburgischen Verfassung, auf welchenu die Ziel-ursbeklagte abstellt,
lediglich der Wohnsitz Minderiahriger durch denjenigen ihres Vor-wundes
bestimmt ist, die unter Kuratel stehenden volljährigen Personen dagegen
ihren vor der Bevor-H. Doppelbesteuerung No !; u. 5. ' 19

mundung innegehabten Wohnsitz beibehalten, _ darauf, dass der Kurator
der Herrli in Kerzers gewohnt hat, kein entscheidendes Gewicht legen,
so kommt dagegen zu Gunsten Freiburgs in Betracht, dasz die Maria
Herrli unbestrittenerrnasseu vor ihrer Uebersiedelnng nach Mühleberg
ihren faktischen und rechtlichen Wohnsitz in Kerzers gehabt hat und
denselben nur mit Zustimmung ihres Kurators hat ausgeben können. Dass nun
der Kurator derselben seine Zustimmung zur Verlegung ihres Wohnsitzes
nach Mühleberg gegeben habe, ist nicht bewiesen und kann namentlich im
Vorliegenden Falle nicht aus den Umständen gefolgert werden. Denn, wie Von
der Rekurrentin zugestanden wird, hat die Maria Herrli sich fortwährend
bei ihrer Schwester aufgehalten und nun kann der Aufenthalt bei einer
so nahen Ver:ioandten, trotzdem er Von längerer Dauer gewesen ist, für
sich allein nicht zu der Annahme genügen, dass die Erblasserin damit
beabsichtigt habe, ihr Domizil in Kerzers auszugeben, und ihr Vormund
diese Absicht gekannt und genehmigt habe. Und zwar um so weniger, als
die Behörden des Kantons Berti selbst bis zu dem Tode der Herrli die
gegenseitige Ansicht getheilt zu haben scheinen, wie daraus hervorgeht,
dass dieselbe im Kanton Berti nicht zur Staatssteuer herangezogen worden,
während dies allerdings im Kauton Freiburg geschehen ist Demnach hat
das Bundesgericht e rf a n 11 t: . Die Beschwerde ist als unbegründet
abgewiesen und demnach der Kanton Berti nicht berechtigt, Von dem
Nachlasse der Maria Herrli die Erbschaftssteuer zu erheben. si

5. Arrest du 18 mars 1876, dans la. cause Sandoz.

Edouard Sandoz a été. frappè, pour l'année 1875, d'une contribution
municipale de fr. 3,413 75 c. se décomposant ,comme suit :

1° Sur imtneubles 4 1/9. pour % durev-enn
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 2 I 16
Data : 23. marzo 1876
Pubblicato : 30. dicembre 1876
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 2 I 16
Ramo giuridico : DTF - Diritto costituzionale
Oggetto : 16 _ I. Abschnitt. Bundesverfassung. 4. Urtheil vom 24. März 1876 in Sachen der


Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
tribunale federale • decesso • sostanza mobiliare • durata • doppia imposizione • erede • de cujus • tutore • domicilio • pupillo • friburgo • autorizzazione o approvazione • testamento • territorio dello stato • quesito • superstite • volontà • trattario • costituzione • peso
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