Urteilskopf

147 V 70

7. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_531/2020 vom 17. Dezember 2020

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 70

BGE 147 V 70 S. 70

A. Der im Dezember 1950 geborene A. ersuchte im September 2018 die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) um eine Vorausberechnung seiner Altersrente, wobei er bekanntgab, dass er die Rente um drei Jahre aufschieben wolle. Mit Schreiben vom 11. September 2018 wies die Ausgleichskasse des Kantons Zürich den Versicherten darauf hin, dass er das ordentliche Rentenalter bereits im Dezember 2015 erreicht und somit den Rentenaufschub nicht fristgerecht geltend gemacht habe. Im Juni 2019 meldete sich A. zum Bezug einer Altersrente mit Rentenaufschub an. Mit Verfügung vom 21. August 2019 wies die Ausgleichskasse das Gesuch um Rentenaufschub inklusive Aufschubszuschlag ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 fest. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 12. November 2019 eine monatliche Altersrente
BGE 147 V 70 S. 71

von Fr. 961.- ab dem 1. Januar 2016 resp. von Fr. 970.- ab dem 1. Januar 2019 zu.
B. Mit Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 verlangte A. den Aufschub der Altersrente bis zur Vollendung des 70. Altersjahres. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 23. Juni 2020 ab.
C. A. beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, unter Aufhebung des Entscheids vom 23. Juni 2020 sei ihm der Aufschub der ordentlichen AHV-Altersrente bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres und ab dann die Altersrente mit dem Gegenwert der nicht bezogenen Leistung ("Aufschubszuschlag") zu gewähren. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte gegenüber der AHV den Aufschub seiner Altersrente erstmals im September 2018 (mit dem Gesuch um Rentenvorausberechnung) thematisiert und somit nicht innert der Ende 2016 abgelaufenen Frist von Art. 55quater Abs. 1
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 55quater Aufschubserklärung und Abruf - 1 Die Aufschubsdauer beginnt vom ersten Tag an zu laufen, der dem Monat folgt, in dem das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht wurde. Der Aufschub ist innert eines Jahres ab Beginn der Aufschubsdauer durch Einreichen des amtlichen Formulars zu erklären. Ist innert dieser Frist keine Aufschubserklärung erfolgt, so wird die Altersrente nach den allgemein geltenden Vorschriften festgesetzt und ausbezahlt.263
1    Die Aufschubsdauer beginnt vom ersten Tag an zu laufen, der dem Monat folgt, in dem das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht wurde. Der Aufschub ist innert eines Jahres ab Beginn der Aufschubsdauer durch Einreichen des amtlichen Formulars zu erklären. Ist innert dieser Frist keine Aufschubserklärung erfolgt, so wird die Altersrente nach den allgemein geltenden Vorschriften festgesetzt und ausbezahlt.263
2    Der Abruf erfolgt über das amtliche Formular.264
3    Wird eine aufgeschobene Altersrente abgerufen, so wird sie vom folgenden Monat an ausbezahlt, eine Nachzahlung von Renten ist ausgeschlossen.
4    Stirbt der Rentenberechtigte, so gilt die Altersrente als abgerufen.265
5    Eine Herabsetzung des aufgeschobenen Anteils der Rente ist über das amtliche Formular zu beantragen. Die Änderung kann frühestens für den Monat erfolgen, der auf den Monat der Antragstellung folgt.266
AHVV (SR 831.101) schriftlich erklärt hat.
3.2 (...)

3.2.3 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 39 Abs. 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 39 Aufschub des Bezugs der Altersrente - 1 Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, können den Beginn des Bezugs der ganzen Rente oder eines Anteils zwischen 20 und 80 Prozent davon um mindestens ein Jahr, höchstens aber um fünf Jahre aufschieben. Innerhalb dieser Frist können sie die Rente jederzeit auf den Anfang des Folgemonats abrufen.
1    Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, können den Beginn des Bezugs der ganzen Rente oder eines Anteils zwischen 20 und 80 Prozent davon um mindestens ein Jahr, höchstens aber um fünf Jahre aufschieben. Innerhalb dieser Frist können sie die Rente jederzeit auf den Anfang des Folgemonats abrufen.
2    Personen, die den Bezug eines Anteils der Rente aufgeschoben haben, können einmal die Senkung des Anteils verlangen. Die Erhöhung des aufgeschobenen Anteils ist ausgeschlossen.
3    Die aufgeschobene Altersrente beziehungsweise der Anteil davon wird um den versicherungsmathematischen Gegenwert der aufgeschobenen Leistungen erhöht.
4    Der Bundesrat setzt die Erhöhungsfaktoren einheitlich fest und ordnet das Verfahren. Er kann einzelne Rentenarten vom Aufschub ausschliessen. Er überprüft die Erhöhungsfaktoren mindestens alle zehn Jahre.
AHVG hat der Gesetzgeber die Regelung des Verfahrens im Zusammenhang mit dem Rentenaufschub umfassend und ohne Einschränkung an den Bundesrat delegiert ("le Conseil fédéral [...] règle la procédure"; "il Consiglio federale [...] istituisce la procedura"). Vorschriften, wonach ein Recht nur innert einer bestimmten Frist (und allenfalls in einer bestimmten Form) rechtswirksam geltend gemacht werden kann, sind häufig vorkommende verfahrensrechtliche Bestimmungen. So sind etwa Art. 29 Abs. 3
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 29 Geltendmachung des Leistungsanspruchs - 1 Wer eine Versicherungsleistung beansprucht, hat sich beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden.
1    Wer eine Versicherungsleistung beansprucht, hat sich beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden.
2    Für die Anmeldung und zur Abklärung des Anspruches auf Leistungen geben die Versicherungsträger unentgeltlich Formulare ab, die vom Ansprecher oder seinem Arbeitgeber und allenfalls vom behandelnden Arzt vollständig und wahrheitsgetreu auszufüllen und dem zuständigen Versicherungsträger zuzustellen sind.
3    Wird eine Anmeldung nicht formgerecht oder bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so ist für die Einhaltung der Fristen und für die an die Anmeldung geknüpften Rechtswirkungen trotzdem der Zeitpunkt massgebend, in dem sie der Post übergeben oder bei der unzuständigen Stelle eingereicht wird.
ATSG, der die Einhaltung von Fristen und daran geknüpfte Rechtswirkungen bei der Geltendmachung eines Anspruchs betrifft, sowie Art. 52 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 52 Einsprache - 1 Gegen Verfügungen kann innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden; davon ausgenommen sind prozess- und verfahrensleitende Verfügungen.
1    Gegen Verfügungen kann innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden; davon ausgenommen sind prozess- und verfahrensleitende Verfügungen.
2    Die Einspracheentscheide sind innert angemessener Frist zu erlassen. Sie werden begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.
3    Das Einspracheverfahren ist kostenlos. Parteientschädigungen werden in der Regel nicht ausgerichtet.
4    Der Versicherungsträger kann in seinem Einspracheentscheid einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen, auch wenn der Einspracheentscheid eine Geldleistung zum Gegenstand hat. Ausgenommen sind Einspracheentscheide über die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen.41
und Art. 60 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 60 Beschwerdefrist - 1 Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen.
1    Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen.
2    Die Artikel 38-41 sind sinngemäss anwendbar.
ATSG, die materielle Fristvorgaben enthalten, im 4. Kapitel des ATSG über die "Allgemeinen Verfahrensbestimmungen" eingeordnet. Aus der Botschaft vom 4. März 1968 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und zum Volksbegehren für den weiteren Ausbau von Alters- und Hinterlassenenversicherung und
BGE 147 V 70 S. 72

Invalidenversicherung (BBl 1968 I 602) ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Ermessensspielraum des Bundesrats bei der Verfahrensregelung einschränken und die Wahl des Rentenaufschubs unbefristet resp. mindestens bis zum Ablauf der maximalen Aufschubsdauer ermöglichen wollte. Es entspricht denn auch nicht Sinn und Zweck des gesetzlich vorgesehenen Rentenaufschubs, die Versicherten für mehrere Jahre in die Lage zu versetzen, dass sie auf die individuelle Entwicklung ihres Gesundheitszustands reagieren und dementsprechend - rückwirkend - die für sie wirtschaftlich bessere Lösung wählen können, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Zudem lässt sich der versicherungstechnische Gegenwert der nicht bezogenen Leistung und damit der Erhöhungsfaktor (vgl. Art. 39 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 39 Aufschub des Bezugs der Altersrente - 1 Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, können den Beginn des Bezugs der ganzen Rente oder eines Anteils zwischen 20 und 80 Prozent davon um mindestens ein Jahr, höchstens aber um fünf Jahre aufschieben. Innerhalb dieser Frist können sie die Rente jederzeit auf den Anfang des Folgemonats abrufen.
1    Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, können den Beginn des Bezugs der ganzen Rente oder eines Anteils zwischen 20 und 80 Prozent davon um mindestens ein Jahr, höchstens aber um fünf Jahre aufschieben. Innerhalb dieser Frist können sie die Rente jederzeit auf den Anfang des Folgemonats abrufen.
2    Personen, die den Bezug eines Anteils der Rente aufgeschoben haben, können einmal die Senkung des Anteils verlangen. Die Erhöhung des aufgeschobenen Anteils ist ausgeschlossen.
3    Die aufgeschobene Altersrente beziehungsweise der Anteil davon wird um den versicherungsmathematischen Gegenwert der aufgeschobenen Leistungen erhöht.
4    Der Bundesrat setzt die Erhöhungsfaktoren einheitlich fest und ordnet das Verfahren. Er kann einzelne Rentenarten vom Aufschub ausschliessen. Er überprüft die Erhöhungsfaktoren mindestens alle zehn Jahre.
und 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 39 Aufschub des Bezugs der Altersrente - 1 Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, können den Beginn des Bezugs der ganzen Rente oder eines Anteils zwischen 20 und 80 Prozent davon um mindestens ein Jahr, höchstens aber um fünf Jahre aufschieben. Innerhalb dieser Frist können sie die Rente jederzeit auf den Anfang des Folgemonats abrufen.
1    Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, können den Beginn des Bezugs der ganzen Rente oder eines Anteils zwischen 20 und 80 Prozent davon um mindestens ein Jahr, höchstens aber um fünf Jahre aufschieben. Innerhalb dieser Frist können sie die Rente jederzeit auf den Anfang des Folgemonats abrufen.
2    Personen, die den Bezug eines Anteils der Rente aufgeschoben haben, können einmal die Senkung des Anteils verlangen. Die Erhöhung des aufgeschobenen Anteils ist ausgeschlossen.
3    Die aufgeschobene Altersrente beziehungsweise der Anteil davon wird um den versicherungsmathematischen Gegenwert der aufgeschobenen Leistungen erhöht.
4    Der Bundesrat setzt die Erhöhungsfaktoren einheitlich fest und ordnet das Verfahren. Er kann einzelne Rentenarten vom Aufschub ausschliessen. Er überprüft die Erhöhungsfaktoren mindestens alle zehn Jahre.
AHVG sowie Art. 55ter
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 55ter Erhöhung beim Rentenaufschub - 1 Beim Aufschub der Rente gelten die folgenden Erhöhungssätze in Prozent der Altersrente:
1    Beim Aufschub der Rente gelten die folgenden Erhöhungssätze in Prozent der Altersrente:
2    Der Erhöhungsbetrag wird ermittelt, indem die Summe der aufgeschobenen Renten durch die entsprechende Anzahl Monate geteilt wird und das Ergebnis mit dem entsprechenden Erhöhungssatz nach Absatz 1 multipliziert wird.
3    Bei einer Senkung des aufgeschobenen Anteils wird der Erhöhungssatz für den Rentenanteil, um den der aufgeschobene Anteil gesenkt wird, neu bestimmt. Der auf diese Weise ermittelte Erhöhungsbetrag wird mit dem abgerufenen Anteil der Altersrente ausgerichtet.
4    Werden zusätzlich zur Altersrente Kinderrenten oder Zusatzrenten gewährt, so darf die Summe aller Erhöhungsbeträge den Erhöhungsbetrag zur Altersrente nicht übersteigen.
5    Der Erhöhungsbetrag wird der Lohn- und Preisentwicklung angepasst.
AHVV) nur zuverlässig berechnen, wenn eine Wahl zwischen Nachzahlung oder Zuschlag (ab einem gewissen Zeitpunkt) ausgeschlossen ist (BGE 105 V 50 E. 2b S. 52; BGE 98 V 255 E. 1 S. 257). Nach dem Gesagten respektierte der Bundesrat die Grenzen der gesetzlich delegierten Kompetenz, als er in Art. 55quater Abs. 1
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 55quater Aufschubserklärung und Abruf - 1 Die Aufschubsdauer beginnt vom ersten Tag an zu laufen, der dem Monat folgt, in dem das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht wurde. Der Aufschub ist innert eines Jahres ab Beginn der Aufschubsdauer durch Einreichen des amtlichen Formulars zu erklären. Ist innert dieser Frist keine Aufschubserklärung erfolgt, so wird die Altersrente nach den allgemein geltenden Vorschriften festgesetzt und ausbezahlt.263
1    Die Aufschubsdauer beginnt vom ersten Tag an zu laufen, der dem Monat folgt, in dem das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht wurde. Der Aufschub ist innert eines Jahres ab Beginn der Aufschubsdauer durch Einreichen des amtlichen Formulars zu erklären. Ist innert dieser Frist keine Aufschubserklärung erfolgt, so wird die Altersrente nach den allgemein geltenden Vorschriften festgesetzt und ausbezahlt.263
2    Der Abruf erfolgt über das amtliche Formular.264
3    Wird eine aufgeschobene Altersrente abgerufen, so wird sie vom folgenden Monat an ausbezahlt, eine Nachzahlung von Renten ist ausgeschlossen.
4    Stirbt der Rentenberechtigte, so gilt die Altersrente als abgerufen.265
5    Eine Herabsetzung des aufgeschobenen Anteils der Rente ist über das amtliche Formular zu beantragen. Die Änderung kann frühestens für den Monat erfolgen, der auf den Monat der Antragstellung folgt.266
Satz 2 AHVV eine Frist zur Erklärung des Rentenaufschubs statuierte. Die Frist - deren Länge den Rentenaufschub und die damit bezweckten gesetzgeberischen Ziele (vgl. dazu BBl 1968 I 635) nicht verunmöglicht und zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass gibt - ist sachlich begründet und entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht bloss "toter Formalismus" (vgl. auch BGE 98 V 255 E. 1 in fine S. 257). Daran ändert nichts, dass die AHV "strukturell immer defizitär ist", wie der Beschwerdeführer vorbringt. Eine Verfassungswidrigkeit - soweit sie überhaupt qualifiziert gerügt wird (vgl. Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG) - im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frist ist somit auch nicht erkennbar.
3.3 Sodann erblickt der Versicherte im Umstand, dass er auch nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin AHV-Beiträge bezahlt und keine Rente verlangt habe, eine konkludente, aber dennoch verbindliche Erklärung des Rentenaufschubs. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, wie bereits im Urteil H 196/90 vom 8. August 1991 E. 2c entschieden wurde. Insbesondere setzt der klare Wortlaut (vgl. zu dessen Bedeutung bei der Auslegung nicht publ. E. 3.2.2.1) von Art. 55quater Abs. 1
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 55quater Aufschubserklärung und Abruf - 1 Die Aufschubsdauer beginnt vom ersten Tag an zu laufen, der dem Monat folgt, in dem das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht wurde. Der Aufschub ist innert eines Jahres ab Beginn der Aufschubsdauer durch Einreichen des amtlichen Formulars zu erklären. Ist innert dieser Frist keine Aufschubserklärung erfolgt, so wird die Altersrente nach den allgemein geltenden Vorschriften festgesetzt und ausbezahlt.263
1    Die Aufschubsdauer beginnt vom ersten Tag an zu laufen, der dem Monat folgt, in dem das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht wurde. Der Aufschub ist innert eines Jahres ab Beginn der Aufschubsdauer durch Einreichen des amtlichen Formulars zu erklären. Ist innert dieser Frist keine Aufschubserklärung erfolgt, so wird die Altersrente nach den allgemein geltenden Vorschriften festgesetzt und ausbezahlt.263
2    Der Abruf erfolgt über das amtliche Formular.264
3    Wird eine aufgeschobene Altersrente abgerufen, so wird sie vom folgenden Monat an ausbezahlt, eine Nachzahlung von Renten ist ausgeschlossen.
4    Stirbt der Rentenberechtigte, so gilt die Altersrente als abgerufen.265
5    Eine Herabsetzung des aufgeschobenen Anteils der Rente ist über das amtliche Formular zu beantragen. Die Änderung kann frühestens für den Monat erfolgen, der auf den Monat der Antragstellung folgt.266
AHVV eine Erklärung in Schriftform ("par écrit", "per iscritto") voraus. Dies dient der Rechtssicherheit und wird denn auch vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten (vgl. nicht publ. E. 1).
BGE 147 V 70 S. 73

3.4 Indem der Versicherte schliesslich darlegt, er sei nicht rechtzeitig über die Aufschubsmöglichkeit informiert worden, obwohl die Ausgleichskasse jedem betroffenen Versicherten eine entsprechende Mitteilung "automatisch schreiben und versenden lassen" könnte, macht er sinngemäss eine Verletzung von Art. 27
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 27 Aufklärung und Beratung - 1 Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
1    Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
2    Jede Person hat Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Dafür zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Für Beratungen, die aufwendige Nachforschungen erfordern, kann der Bundesrat die Erhebung von Gebühren vorsehen und den Gebührentarif festlegen.
3    Stellt ein Versicherungsträger fest, dass eine versicherte Person oder ihre Angehörigen Leistungen anderer Sozialversicherungen beanspruchen können, so gibt er ihnen unverzüglich davon Kenntnis.
ATSG geltend. Diesbezüglich hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung die Verwaltung nicht verpflichtet ist, von sich aus, ohne entsprechende Nachfrage, jeden Versicherten individuell aufzuklären und zu beraten (Urteil 9C_675/2015 vom 31. Mai 2016 E. 4.2; vgl. auch BGE 133 V 249 E. 7.2 S. 255; SVR 2012 EL Nr. 15 S. 48, 9C_787/2011 E. 5.2). Ein Grund für eine Praxisänderung (vgl. dazu BGE 145 V 304 E. 4.4 S. 309; BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303) ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht (vgl. nicht publ. E. 1). Weshalb die Verwaltung in concreto - über die allgemeine Informationspflicht hinaus (vgl. Art. 67 Abs. 2
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 67 - 1 Der Anspruch auf eine Rente oder Hilflosenentschädigung wird geltend gemacht durch Einreichen eines ausgefüllten Anmeldeformulars bei der gemäss den Artikeln 122 ff. zuständigen Ausgleichskasse. Zur Geltendmachung befugt sind der Rentenansprecher bzw. für ihn sein gesetzlicher Vertreter, sein Ehegatte, seine Eltern oder Grosseltern, seine Kinder oder Enkel, seine Geschwister sowie die Drittperson oder die Behörde, welche die Auszahlung an sich verlangen kann.292 293
1    Der Anspruch auf eine Rente oder Hilflosenentschädigung wird geltend gemacht durch Einreichen eines ausgefüllten Anmeldeformulars bei der gemäss den Artikeln 122 ff. zuständigen Ausgleichskasse. Zur Geltendmachung befugt sind der Rentenansprecher bzw. für ihn sein gesetzlicher Vertreter, sein Ehegatte, seine Eltern oder Grosseltern, seine Kinder oder Enkel, seine Geschwister sowie die Drittperson oder die Behörde, welche die Auszahlung an sich verlangen kann.292 293
1bis    Der Anspruch auf den Vorbezug der ordentlichen Altersrente kann nur durch den Rentenansprecher oder dessen gesetzlichen Vertreter angemeldet werden. Der Anspruch kann nicht rückwirkend geltend gemacht werden.294
1ter    Für die Geltendmachung von Hilflosenentschädigungen oder Hilfsmitteln gilt Artikel 66 IVV295.296
1quater    Stirbt eine Person, die Anspruch auf eine Altersrente hat, so kann der Antrag um Neuberechnung nach Artikel 29bis Absätze 3 und 4 AHVG von ihren Hinterlassenen eingereicht werden.297
2    Die kantonalen Ausgleichskassen haben mindestens einmal jährlich durch Publikationen auf die Leistungen der Versicherung, die Anspruchsvoraussetzungen und die Anmeldung hinzuweisen.298
AHVV; SVR 2007 ALV Nr. 20 S. 64, C 36/06 E. 5.2; AHV Merkblatt 3.04, Leistungen der AHV, Flexibler Rentenbezug) - vor September 2018 einen individuellen Aufklärungsbedarf des Beschwerdeführers hätte erkennen müssen, wird ebenfalls nicht substanziiert dargelegt. Die Beschwerde ist demnach auch in diesem Punkt unbegründet.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 147 V 70
Date : 17. Dezember 2020
Published : 20. Mai 2021
Source : Bundesgericht
Status : 147 V 70
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 39 Abs. 3 AHVG; Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV; Rentenaufschub. Die in Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV statuierte


Legislation register
AHVG: 39
AHVV: 55quater  55ter  67
ATSG: 27  29  52  60
BGG: 106
BGE-register
105-V-50 • 133-V-249 • 141-II-297 • 145-V-304 • 147-V-70 • 98-V-255
Weitere Urteile ab 2000
9C_531/2020 • 9C_675/2015 • 9C_787/2011 • C_36/06 • H_196/90
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BBl
1968/I/602 • 1968/I/635