Urteilskopf

146 III 225

25. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Merck KGaA und Merck (Schweiz) AG gegen Merck & Co. Inc. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_335/2019 vom 29. April 2020

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 225

BGE 146 III 225 S. 225

A.

A.a Merck KGaA (Klägerin 1, Beschwerdeführerin 1) ist eine deutsche Gesellschaft mit Sitz in Darmstadt, Deutschland. Sie ist für das operative Geschäft der klägerischen Merck-Gruppe zuständig und betreibt dieses unter der Bezeichnung "Merck" unter anderem auch in der Schweiz. Sie beliefert den Markt über ihre Tochtergesellschaften.
BGE 146 III 225 S. 226

Merck (Schweiz) AG (Klägerin 2, Beschwerdeführerin 2) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin 1 und bezweckt unter anderem den Vertrieb von Pharmazeutika sowie Diagnostika. Die Klägerin 1 verfügt in der Schweiz über verschiedene im Markenregister eingetragenen Marken mit "Merck" als Bestandteil oder in Alleinstellung, unter anderem für medizinische, chemische und verwandte Produkte.
A.b Bei Merck & Co. Inc. (Beklagte 1, Beschwerdegegnerin 1) handelt es sich um eine an der New York Stock Exchange (NYSE) kotierte US-Gesellschaft mit Sitz in Kenilworth im Bundesstaat New Jersey. Sie bezweckt diverse Aktivitäten von der Entwicklung bis zur Vermarktung, insbesondere von pharmazeutischen Produkten. Das operative Geschäft und ihre Aussendarstellung im Internet hat sie an ihre US-amerikanische Tochtergesellschaft Merck Sharp & Dohme Corp. (Beklagte 2, Beschwerdegegnerin 2) delegiert.
Als Tochtergesellschaft der Beklagten 2 bezweckt die MSD Merck Sharp & Dohme AG, Zug, (Beklagte 3, Beschwerdegegnerin 3) unter anderem die Produktion, den Kauf und den Verkauf von pharmazeutischen Spezialitäten und Stoffen jeglicher Art auf dem human- und tiermedizinischen Gebiet sowie von Chemikalien jeglicher Art. Zwei weitere Konzerngesellschaften mit Sitz in der Schweiz (Beklagte 4 und 5, Beschwerdegegnerinnen 4 und 5) sind unter anderem für die Entwicklung neuer Medikamente sowie den Produktvertrieb und die Durchführung diagnostischer Untersuchungen verantwortlich.
Den Beklagten stehen in den USA und in Kanada verschiedene Kennzeichenrechte an "Merck" zu.
A.c Die Vorgeschichte der Streitigkeit reicht weit zurück. Beide Seiten haben ihren Ursprung in derselben Familienunternehmung. Die 1668 in Darmstadt, Deutschland, gegründete Vorgängerin der Klägerin 1 expandierte Ende des 19. Jahrhunderts in die USA und gründete dort 1890 als US-Zweigniederlassung die Beklagte 2, die damals Merck & Co. hiess. Während des Ersten Weltkriegs beschloss die US-Regierung den Trading with the Enemy Act, auf dessen Grundlage die Familie Merck 1918 ihrer Anteile an der Beklagen 2 enteignet wurde. 1919 erwarb der inzwischen US-Staatsbürger gewordene George W. Merck die Anteile von der US-Regierung zurück. Seit Ende des Ersten Weltkriegs existieren zwei unabhängige Pharmakonzerne, die beide in den Firmenbezeichnungen ihrer Gesellschaften das Zeichen "Merck" führen.
A.d Die Beklagten verfügen neben "merck.com" unter anderem über verschiedene weitere Internetpräsenzen mit den Bestandteilen "merck" und ".com", die alle in der Schweiz abrufbar sind. Die Klägerinnen sahen in den Internet- und Social Media-Präsenzen der Beklagten Kennzeichenverletzungen und verlangten die Einschränkung der Internetseiten in der Schweiz mittels Geotargeting. Die Beklagten machten im Wesentlichen geltend, dass der Inhalt der entsprechenden Internet- und Social Media-Präsenzen gar nicht erst eine Kennzeichennutzung in der Schweiz darstelle.
B. Mit Eingabe vom 6. April 2016 erhoben die Klägerinnen beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage und beantragten, den Beklagten sei unter anderem zu verbieten, über die Domain "merck.com" und weitere mit dem Bestandteil "merck" gekennzeichnete Unterseiten sowie Social Media-Präsenzen Inhalte für Anfragen zugänglich zu machen, die durch Personen in der Schweiz erfolgen. Zudem sei den Beklagten unter anderem zu verbieten, auf von ihnen betriebenen Internetpräsenzen, die Personen in der Schweiz zugänglich gemacht werden, "Merck" und ähnliche Zeichen zur Kennzeichnung ihrer Unternehmen oder zur Anpreisung ihrer Produkte zu verwenden. Die Beklagten widersetzten sich der Klage.
Mit Urteil vom 27. Mai 2019 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage grösstenteils ab, soweit es darauf eintrat. Es erwog insbesondere, die Internetpräsenz "merck.com" der Beklagten richte sich nicht bestimmungsgemäss an Schweizer Nutzer, weshalb das beantragte Verbot bereits mangels genügenden Bezugs zur Schweiz abzuweisen sei. Auch die weiteren im Rechtsbegehren aufgeführten Domainnamen seien in der Schweiz nicht bestimmungsgemäss abrufbar. Gleiches gelte für die Social Media-Kanäle.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Klägerinnen dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Mai 2019 - soweit dieses die Klage abwies - aufzuheben und es seien ihre Klagebegehren im Wesentlichen gutzuheissen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung)

Erwägungen

BGE 146 III 225 S. 228

Aus den Erwägungen:

3. Die Beschwerdeführerinnen stellen sich in erster Linie auf den Standpunkt, die blosse Abrufbarkeit einer Webseite oder Social Media-Präsenz in der Schweiz sei entgegen dem angefochtenen Entscheid ausreichend, um einen Kennzeichengebrauch in der Schweiz zu begründen.
3.1 Die Vorinstanz erwog, sämtliche von den Beschwerdeführerinnen angerufenen Rechtsbehelfe (gestützt auf Marken-, Firmen-, Namens- und Lauterkeitsrecht) setzten einen Kennzeichengebrauch in der Schweiz voraus. Es rechtfertige sich folglich eine gesamtheitliche Betrachtungsweise. Da es sich beim Internet um ein weltweites Medium handle, auf das von der ganzen Welt zugegriffen werden könne, sei mit der herrschenden Lehre die blosse Abrufbarkeit einer Internetseite nicht als genügender Bezug zur Schweiz anzuerkennen, sondern es seien weitere Anhaltspunkte zu fordern. Nach dem Kriterium der bestimmungsgemässen Abrufbarkeit sei massgebend, ob die Seite aufgrund objektiver Anhaltspunkte auf das betreffende Land ausgerichtet sei. Die subjektive Sichtweise sei dann zu beachten, wenn sie objektiv auf der Seite oder einem Pop-Up-Fenster festgehalten werde. Werde eine Internetseite unter einer schweizerischen Top-Level-Domain (TLD) betrieben, d.h. mit dem Bestandteil ".ch", sei grundsätzlich ohne Weiteres von einer bestimmungsgemässen Abrufbarkeit in der Schweiz auszugehen, indiziere doch bereits das Landeskürzel einen schweizerischen Bezug. Handle es sich demgegenüber um eine TLD mit der Endung ".com", so sei entscheidend, ob sich die Internetseite in objektiver Hinsicht an Nutzer in der Schweiz richte.
3.2 Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, in zwei im angefochtenen Entscheid aufgeführten Entscheiden zum Lauterkeits- und Namensrecht (Urteile 4A_92/2011 vom 9. Juni 2011 E. 2; 4A_741/2011 vom 11. April 2012 E. 2, nicht publ. in: BGE 138 III 337, aber in: Pra 2012 131 937) gehe das Bundesgericht in Bezug auf Internetsachverhalte davon aus, dass ein Ereignis dann in der Schweiz stattfinde, wenn potenzielle Kunden mit Wohnsitz in der Schweiz auf die beanstandete Website zugreifen könnten. Vorliegend sei unbestritten, dass potenzielle Kunden mit Wohnsitz in der Schweiz auf sämtliche streitgegenständlichen Internet-Präsenzen zugreifen könnten. Im Lichte dieser Rechtsprechung sei die Verneinung einer namens-
BGE 146 III 225 S. 229

und lauterkeitsrechtlichen Handlung auf Grundlage des erstellten Sachverhalts klar bundesrechtswidrig. In einem kürzlich ergangenen Entscheid (Urteil 4A_590/2018 vom 25. März 2019 E. 4) habe das Bundesgericht zudem die Verletzung schweizerischer Firmenrechte durch die Verwendung einer ".com"-Adresse mit der Begründung bejaht, dass derartige Websites in der Schweiz abgerufen werden könnten und sich auch an das Schweizer Publikum richteten. Gleiches müsse auch unter markenrechtlichen Gesichtspunkten gelten, seien doch in diesem Punkt keine wesentlichen Unterschiede zwischen Firmenrecht und Markenrecht ersichtlich. Es sei vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung heutzutage in jeder Hinsicht sachlich gerechtfertigt, bereits bei Abrufbarkeit einer Internetpräsenz von einer Kennzeichennutzung in der Schweiz auszugehen. Anders als noch zu Beginn des Internetzeitalters Ende des letzten Jahrtausends seien Geoblocking-Massnahmen heute alltäglich und zumindest Weltkonzernen wie den Beschwerdegegnerinnen ohne Weiteres zumutbar. Die früheren Diskussionen um die bestimmungsgemässe Abrufbarkeit seien vor dem Hintergrund des damals noch globalen Charakters des Internets zu sehen. Vor diesem Hintergrund verletze die Vorinstanz Bundesrecht, indem sie für die Annahme eines Kennzeichengebrauchs in der Schweiz eine bestimmungsgemässe Abrufbarkeit in der Schweiz verlange. Sie verneine damit zu Unrecht das Vorliegen eines Gebrauchs in der Schweiz bzw. eines sich in der Schweiz auswirkenden Gebrauchs, der Voraussetzung einer tatbestandsmässigen Handlung im Sinne von Art. 13
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 13 Ausschliessliches Recht - 1 Das Markenrecht verleiht dem Inhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen.
1    Das Markenrecht verleiht dem Inhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen.
2    Der Markeninhaber kann anderen verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das nach Artikel 3 Absatz 1 vom Markenschutz ausgeschlossen ist, so insbesondere:
a  das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen;
b  unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu lagern;
c  unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
d  unter dem Zeichen Waren ein-, aus- oder durchzuführen;13
e  das Zeichen auf Geschäftspapieren, in der Werbung oder sonst wie im geschäftlichen Verkehr zu gebrauchen.
2bis    Die Ansprüche nach Absatz 2 Buchstabe d stehen dem Markeninhaber auch dann zu, wenn die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von gewerblich hergestellten Waren zu privaten Zwecken erfolgt.14
3    Die Ansprüche nach diesem Artikel stehen dem Markeninhaber auch gegenüber Nutzungsberechtigten nach Artikel 4 zu.15
MSchG (SR 232.11), Art. 956 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 956 - 1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu.
1    Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu.
2    Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung der weitern Führung der Firma und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen.
OR, Art. 29 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 29 - 1 Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
1    Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
2    Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so kann er auf Unterlassung dieser Anmassung sowie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.
ZGB und Art. 3 Abs. 1 lit. d
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 3 - 1 Unlauter handelt insbesondere, wer:
1    Unlauter handelt insbesondere, wer:
a  andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt;
b  über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung, seine Waren, Werke oder Leistungen, deren Preise, die vorrätige Menge, die Art der Verkaufsveranstaltung oder über seine Geschäftsverhältnisse unrichtige oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt;
c  unzutreffende Titel oder Berufsbezeichnungen verwendet, die geeignet sind, den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten zu erwecken;
d  Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen;
e  sich, seine Waren, Werke, Leistungen oder deren Preise in unrichtiger, irreführender, unnötig herabsetzender oder anlehnender Weise mit anderen, ihren Waren, Werken, Leistungen oder deren Preisen vergleicht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt;
f  ausgewählte Waren, Werke oder Leistungen wiederholt unter Einstandspreisen anbietet, diese Angebote in der Werbung besonders hervorhebt und damit den Kunden über die eigene oder die Leistungsfähigkeit von Mitbewerbern täuscht; Täuschung wird vermutet, wenn der Verkaufspreis unter dem Einstandspreis vergleichbarer Bezüge gleichartiger Waren, Werke oder Leistungen liegt; weist der Beklagte den tatsächlichen Einstandspreis nach, so ist dieser für die Beurteilung massgebend;
g  den Kunden durch Zugaben über den tatsächlichen Wert des Angebots täuscht;
h  den Kunden durch besonders aggressive Verkaufsmethoden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt;
i  die Beschaffenheit, die Menge, den Verwendungszweck, den Nutzen oder die Gefährlichkeit von Waren, Werken oder Leistungen verschleiert und dadurch den Kunden täuscht;
k  es bei öffentlichen Auskündigungen über einen Konsumkredit unterlässt, seine Firma eindeutig zu bezeichnen oder den Nettobetrag des Kredits, die Gesamtkosten des Kredits und den effektiven Jahreszins deutlich anzugeben;
l  es bei öffentlichen Auskündigungen über einen Konsumkredit zur Finanzierung von Waren oder Dienstleistungen unterlässt, seine Firma eindeutig zu bezeichnen oder den Barzahlungspreis, den Preis, der im Rahmen des Kreditvertrags zu bezahlen ist, und den effektiven Jahreszins deutlich anzugeben;
m  im Rahmen einer geschäftlichen Tätigkeit einen Konsumkreditvertrag anbietet oder abschliesst und dabei Vertragsformulare verwendet, die unvollständige oder unrichtige Angaben über den Gegenstand des Vertrags, den Preis, die Zahlungsbedingungen, die Vertragsdauer, das Widerrufs- oder Kündigungsrecht des Kunden oder über sein Recht zu vorzeitiger Bezahlung der Restschuld enthalten;
n  es bei öffentlichen Auskündigungen über einen Konsumkredit (Bst. k) oder über einen Konsumkredit zur Finanzierung von Waren oder Dienstleistungen (Bst. l) unterlässt, darauf hinzuweisen, dass die Kreditvergabe verboten ist, falls sie zur Überschuldung der Konsumentin oder des Konsumenten führt;
o  Massenwerbung ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch sendet oder solche Sendungen veranlasst und es dabei unterlässt, vorher die Einwilligung der Kunden einzuholen, den korrekten Absender anzugeben oder auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit hinzuweisen; wer beim Verkauf von Waren, Werken oder Leistungen Kontaktinformationen von Kunden erhält und dabei auf die Ablehnungsmöglichkeit hinweist, handelt nicht unlauter, wenn er diesen Kunden ohne deren Einwilligung Massenwerbung für eigene ähnliche Waren, Werke oder Leistungen sendet;
p  mittels Offertformularen, Korrekturangeboten oder Ähnlichem für Eintragungen in Verzeichnisse jeglicher Art oder für Anzeigenaufträge wirbt oder solche Eintragungen oder Anzeigenaufträge unmittelbar anbietet, ohne in grosser Schrift, an gut sichtbarer Stelle und in verständlicher Sprache auf Folgendes hinzuweisen:
p1  die Entgeltlichkeit und den privaten Charakter des Angebots,
p2  die Laufzeit des Vertrags,
p3  den Gesamtpreis entsprechend der Laufzeit, und
p4  die geografische Verbreitung, die Form, die Mindestauflage und den spätesten Zeitpunkt der Publikation;
q  für Eintragungen in Verzeichnisse jeglicher Art oder für Anzeigenaufträge Rechnungen verschickt, ohne vorgängig einen entsprechenden Auftrag erhalten zu haben;
r  jemandem die Lieferung von Waren, die Ausrichtung von Prämien oder andere Leistungen zu Bedingungen in Aussicht stellt, die für diesen hauptsächlich durch die Anwerbung weiterer Personen einen Vorteil bedeuten und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Waren oder Leistungen (Schneeball-, Lawinen- oder Pyramidensystem);
s  Waren, Werke oder Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbietet und es dabei unterlässt:
s1  klare und vollständige Angaben über seine Identität und seine Kontaktadresse einschliesslich derjenigen der elektronischen Post zu machen,
s2  auf die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen, hinzuweisen,
s3  angemessene technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkannt und korrigiert werden können,
s4  die Bestellung des Kunden unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen;
t  im Rahmen eines Wettbewerbs oder einer Verlosung einen Gewinn verspricht, dessen Einlösung an die Inanspruchnahme einer kostenpflichtigen Mehrwertdienstnummer, die Leistung einer Aufwandsentschädigung, den Kauf einer Ware oder Dienstleistung oder an die Teilnahme an einer Verkaufsveranstaltung, Werbefahrt oder einer weiteren Verlosung gebunden ist;
u  den Vermerk im Telefonverzeichnis nicht beachtet, dass ein Kunde keine Werbemitteilungen von Personen erhalten möchte, mit denen er in keiner Geschäftsbeziehung steht, und dass seine Daten zu Zwecken der Direktwerbung nicht weitergegeben werden dürfen; Kunden ohne Verzeichniseintrag sind den Kunden mit Verzeichniseintrag und Vermerk gleichgestellt;
v  Werbeanrufe tätigt, ohne dass eine Rufnummer angezeigt wird, die im Telefonverzeichnis eingetragen ist und zu deren Nutzung er berechtigt ist;
w  sich auf Informationen stützt, von denen sie oder er aufgrund eines Verstosses gegen die Buchstaben u oder v Kenntnis erhalten hat.
2    Absatz 1 Buchstabe s findet keine Anwendung auf die Sprachtelefonie und auf Verträge, die ausschliesslich durch den Austausch von elektronischer Post oder durch vergleichbare individuelle Kommunikation geschlossen werden.18
UWG (SR 241) sei. Dies gelte für sämtliche Rechtsbegehren, welche die Vorinstanz mit der Begründung abweise, die jeweiligen Präsenzen seien in der Schweiz nicht bestimmungsgemäss abrufbar.
3.3 Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Beschwerdegegnerinnen mit ihren Internetpräsenzen schweizerisches materielles Kennzeichenrecht verletzen. Die Behauptungen der Beschwerdeführerinnen beschränken sich auf Verletzungen in der Schweiz, weshalb die Vorinstanz zutreffend prüfte, ob eine Kennzeichenverletzung in der Schweiz vorliegt.
3.3.1 Entgegen dem, was die Beschwerdeführerinnen anzunehmen scheinen, besteht zur konkret zu beurteilenden Frage keine gefestigte
BGE 146 III 225 S. 230

Rechtsprechung. Die von ihnen ins Feld geführten Urteile betreffen anders gelagerte Sachverhalte und Rechtsfragen, weshalb sie nicht unmittelbar einschlägig sind. Die Beschwerdeführerinnen anerkennen an anderer Stelle selber, dass die vorliegend relevante Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Das Bundesgericht hatte bisher nicht zu entscheiden, welche Voraussetzungen nach dem materiellen Recht bei der Verwendung von Kennzeichen im Internet in territorialer Hinsicht erfüllt sein müssen, damit eine Verletzung eines in der Schweiz geschützten Kennzeichens vorliegt. Während Informationen im Internet grundsätzlich weltweit verfügbar sind und grenzenlos fliessen, sind Immaterialgüterrechte territorial begrenzt, indem sie sich auf das Gebiet des Staates beschränken, der den betreffenden Schutz gewährt (TORSTEN BETTINGER, in: Handbuch des Domainrechts, Bettinger [Hrsg.], 2. Aufl., Köln/München 2017, Teil 4 Rz. 10; vgl. zum Territorialitätsprinzip etwa EUGEN MARBACH, Markenrecht, in: SIWR Bd. III/1, 2. Aufl. 2009, S. 10 Rz. 31 ff.; LUCAS DAVID, in: Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, 3. Aufl. 2017, N. 2 Vor Art. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 1 Begriff - 1 Die Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
1    Die Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
2    Marken können insbesondere Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben sein.
-46a
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 46a - 1 Eine internationale Registrierung kann in ein nationales Eintragungsgesuch umgewandelt werden, wenn:
1    Eine internationale Registrierung kann in ein nationales Eintragungsgesuch umgewandelt werden, wenn:
a  das Gesuch innerhalb von drei Monaten nach Löschung der internationalen Registrierung beim IGE eingereicht wird;
b  internationale Registrierung und nationales Eintragungsgesuch dieselbe Marke betreffen;
c  die im Gesuch aufgeführten Waren und Dienstleistungen in Bezug auf die Schutzwirkung für die Schweiz tatsächlich von der internationalen Registrierung erfasst waren;
d  das nationale Eintragungsgesuch den übrigen Vorschriften dieses Gesetzes entspricht.
2    Widersprüche gegen die Eintragung von Marken, die nach Absatz 1 hinterlegt wurden, sind unzulässig.
MSchG; THOUVENIN/NOTH, in: Markenschutzgesetz [MSchG], Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, Einleitung N. 88; CONRADIN MENN, Internet und Markenschutz, 2003, S. 20). Aufgrund der territorialen Beschränkung der Schutzrechte wird für die Bejahung einer Rechtsverletzung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes eine "räumliche Beziehung" zur Schweiz vorausgesetzt (BGE 113 II 73 E. 2a S. 75; BGE 105 II 49 E. 1a S. 52). Da Internetseiten grundsätzlich weltweit abruf- und wahrnehmbar sind, kann theoretisch überall eine Rechtsverletzung eintreten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen liegt in der blossen Abrufbarkeit einer Internetseite jedoch noch kein rechtlich relevanter Gebrauch eines Kennzeichens in einem bestimmten Staat (GALLUS JOLLER, in: Handbuch des Domainrechts, Bettinger [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, Köln 2017, Teil 2 Rz. CH 254; MARBACH, a.a.O., S. 11 Rz. 36). Würde bereits die blosse Wahrnehmbarkeit der Zeichennutzung im Internet in anderen Schutzterritorien als kennzeichenverletzende Benutzungshandlung betrachtet, hätte dies ohne Weiteres zeichenrechtliche Verbotsansprüche in diesen Rechtsordnungen zur Folge, obwohl sich das beanstandete (ausländische) Verhalten in den entsprechenden Gebieten womöglich gar nicht auswirkt. Die Konsequenz, dass jeder Verwender von Zeichen im Internet zur Vermeidung von Kennzeichenkollisionen zur Beachtung der jeweiligen Kennzeichenrechte in sämtlichen Staaten der Welt gezwungen wäre, wird allgemein als
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unzumutbar erachtet (BETTINGER, a.a.O., Teil 4 Rz. 5 f.; ALEXANDER PEUKERT, The Coexistence of Trade Mark Laws and Rights on the Internet, and the Impact of Geolocation Technologies, in: International Review of Intellectual Property and Competition Law [IIC] 2016/47 S. 75). Werden Kennzeichen im Internet verwendet, droht die Kollision nationaler Rechte: Während der Zeicheninhaber im Inland verhindern möchte, dass der Inhaber eines ausländischen verwechslungsfähigen Zeichens auch Verkehrskreise im Inland anspricht, muss er gleichzeitig befürchten, dass der eigene Internetauftritt im anderen Land verboten wird (JOSEF DREXL, Internationales Immaterialgüterrecht, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 12, Internationales Privatrecht II, 7. Aufl. 2018, IntImmGR N. 350). Es ist daher zu Recht allgemein anerkannt, dass die blosse technische Möglichkeit, ein Zeichen im Internet abzurufen, nicht ausreicht, um als zeichenrechtlich relevante Benutzungshandlung im betreffenden Gebiet angesehen zu werden; vielmehr bedarf es zusätzlich einer qualifizierten Beziehung der Zeichennutzung zu einem bestimmten Gebiet, um eine virtuelle Nutzung einem Schutzland zuzuordnen und vom Geltungsbereich eines territorial beschränkten Schutzrechts erfasst zu werden (JOLLER, a.a.O., Teil 2 Rz. CH 254 ff.; MONDINI/ZOLLINGER-LÖW/BURI, Domain-Namen, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, SIWR Bd. III/2, 3. Aufl. 2019, Rz. 717 S. 201; MARBACH, a.a.O., S. 11 f. Rz. 36 f.; BETTINGER, a.a.O., Teil 4 Rz. 6; FRANZ HACKER, in: Markengesetz, Ströbele/Hacker/Thiering [Hrsg.], 12. Aufl. 2018, § 14 Rz. 69; MENN, a.a.O., S. 49, 171). Es ist demnach erforderlich, die Reichweite der (territorial begrenzten) nationalen Schutzrechte im Internet genauer abzugrenzen (DREXL, a.a.O., IntImmGR N. 350).
3.3.2 Die Frage, wann ein hinreichender räumlicher Bezug vorliegt, stellt sich aufgrund der globalen Natur des Internets für jede Rechtsordnung. Aus diesem Grund haben die Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organisation, WIPO) und der Pariser Verband (Paris Union for the Protection of Industrial Property) im Jahre 2001 zum Schutz des geistigen Eigentums in einer gemeinsamen Empfehlung Kriterien für die Beurteilung des hinreichenden Inlandbezugs entwickelt (Joint Recommendation Concerning Provisions on the Protection of Marks, and Other Industrial Property Rights in Signs, on the Internet; nachfolgend: Joint Recommendation).
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Diese sind zwar nicht formell rechtsverbindlich, angesichts der grenzüberschreitenden Problematik ist jedoch ein international abgestimmter Lösungsansatz geboten, weshalb sie als Auslegungshilfe zu berücksichtigen sind (vgl. JOLLER, a.a.O., Teil 2 Rz. CH 258). Artikel 2 der Joint Recommendation geht vom Grundsatz aus, dass die Benutzung eines Kennzeichens im Internet nur dann eine Benutzung im Schutzland darstellt, wenn sie in diesem Staat eine wirtschaftliche Auswirkung ("commercial effect") hat. Artikel 3 Abs. 1 enthält eine - nicht abschliessende - Auflistung von Umständen, die bei der Beurteilung eines hinreichenden wirtschaftlichen Bezugs zum betreffenden Gebiet zu berücksichtigen sind (vgl. etwa auch JOLLER, a.a.O., Teil 2 Rz. CH 257): - (a) Umstände, die auf eine bereits bestehende geschäftliche Tätigkeit oder zumindest entsprechende Vorbereitungshandlungen des Zeichenverwenders im betreffenden Land hinweisen; - (b) Ausmass und Charakter der geschäftlichen Tätigkeit des Zeichenverwenders im betreffenden Schutzland, wobei unter anderem zu berücksichtigen ist, ob (i) der Zeichenverwender tatsächlich Kunden im betreffenden Land beliefert oder ob andere Geschäftsbeziehungen bestehen; (ii) im Zusammenhang mit der Verwendung des Zeichens im Internet darauf hingewiesen wird, dass der Zeichenverwender keine Lieferung der Produkte an Kunden im betreffenden Land liefert und dieser Absicht auch gefolgt wird; (iii) Wartungs- und andere Nebenleistungen angeboten werden; (iv) der Zeichenverwender weitere geschäftliche Tätigkeiten im Schutzland ausübt, die mit der Verwendung des Zeichens im Zusammenhang stehen, aber nicht über das Internet ausgeübt werden; - (c) Verbindung eines Produktangebots im Internet mit dem betreffenden Staat, namentlich ob die Produkte in diesem Staat angeboten werden dürfen (i) und ob die Preise in der offiziellen Währung des Staats angegeben werden (ii). - (d) Verbindung zwischen der Art des Zeichengebrauchs und dem betreffenden Staat, wie etwa ob (i) das Zeichen im Zusammenhang mit interaktiven Kontaktmöglichkeiten verwendet wird, die Internetnutzern im betreffenden Land zugänglich sind; (ii) Adresse, Telefonnummer oder andere Kontaktdaten im betreffenden Staat angegeben werden; (iii) das Zeichen im Zusammenhang mit einem länderspezifischen Domainnamen (Country Code Domain) verwendet wird;
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(iv) der mit der Verwendung des Zeichens zusammenhängende Text in einer Sprache abgefasst ist, die im betreffenden Land vorwiegend verwendet wird; (v) die betreffende Internetseite tatsächlich von Internetnutzern des betreffenden Landes besucht worden ist. - (e) Verhältnis zwischen der Verwendung des Zeichens im Internet mit einem dafür bestehenden Kennzeichenrecht, namentlich ob der Gebrauch von diesem Recht erfasst wird (i) oder ob in unzulässiger Weise vom Goodwill eines fremden Kennzeichens profitiert bzw. dessen Unterscheidungskraft oder Ruf beeinträchtigt wird (ii). Die erwähnten Faktoren können für die zur Diskussion stehende grenzüberschreitende Problematik der Zeichenverwendung im Internet als Hilfsmittel dienen. Massgebend für die Beurteilung eines hinreichenden wirtschaftlichen Bezugs zur Schweiz bleibt stets eine Gesamtwürdigung der konkreten Umstände (vgl. auch Artikel 3 Abs. 2 der Joint Recommendation). Dabei sind die Auswirkungen der Kennzeichenbenutzung auf die inländischen wirtschaftlichen Interessen des Rechtsinhabers zu berücksichtigen, wobei auch in Betracht fällt, ob und inwieweit der in Anspruch genommene einen Einfluss auf eine solche Beeinträchtigung hat (HACKER, a.a.O., § 14 Rz. 70 mit Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung: Urteile des Bundesgerichtshofs [BGH] vom 9. November 2017 I, ZR 134/16, Rz. 37 mit Hinweisen und vom 8. März 2012 I ZR 75/10, Rz. 36). Zur Beurteilung, ob die Verwendung eines Zeichens im Internet einen hinreichenden wirtschaftlichen Bezug zur Schweiz aufweist, bedarf es in erster Linie einer Abwägung der Interessen des Nutzers des Kennzeichens und jener des Inhabers des inländischen Schutzrechts (MONDINI/ZOLLINGER-LÖW/BURI, a.a.O., Rz. 718 S. 202; BETTINGER, a.a.O., Teil 2 Rz. DE 1331; HACKER, a.a.O., § 14 Rz. 70).

3.3.3 Die Beschwerdeführerinnen weisen in diesem Zusammenhang auf die inzwischen bestehende Möglichkeit von sog. Geoblocking- bzw. Geotargeting-Massnahmen hin. Mit derartigen technischen Vorkehrungen wird anhand der IP-Adresse eines Internetnutzers und durch die Nutzung von Geo-IP-Datenbanken, die für eine Vielzahl von IP-Adressen Angaben über den geographischen Standort des Internetnutzers enthalten, der Standort eines Computers bestimmt und entschieden, ob der Inhalt freigegeben oder blockiert wird (BETTINGER, a.a.O., Teil 2 Rz. DE 1335). Inwiefern angesichts der Möglichkeit von Geoblocking-Massnahmen, mit denen der Inhaber einer Website die Abrufbarkeit in bestimmten Ländern ausschliesst, nicht
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mehr von einem grundsätzlich globalen Charakter des Internets auszugehen wäre, vermögen die Beschwerdeführerinnen mit ihren Ausführungen nicht aufzuzeigen. Ohne besondere Vorkehrungen sind Internetseiten nach wie vor weltweit abrufbar und es besteht - wie die Beschwerdegegnerinnen zutreffend einwenden - ein erhebliches Interesse der Internetnutzer an einem umfassenden Zugang zu den angebotenen Informationen; dieser soll nicht unbesehen und ohne erkennbare Auswirkung im jeweiligen Territorium - gleichsam präventiv - unterbunden werden. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht führt die Machbarkeit derartiger technischer Beschränkungen, die aus Sicht der Internetnutzer unerwünscht sind, jedenfalls nicht dazu, dass bereits bei der blossen Abrufbarkeit einer Internetpräsenz ohne Weiteres von einer Kennzeichennutzung in der Schweiz auszugehen wäre. Die Beschwerdeführerinnen weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass die Joint Recommendation - wie im Übrigen auch zahlreiche Publikationen und Entscheide zum Ort des Kennzeichengebrauchs im Internet - aus einer Zeit stammen, in der jede im Internet vorgenommene Kennzeichennutzung notwendigerweise global war und territorial nicht aufgespalten werden konnte (vgl. BETTINGER, a.a.O., Teil 4 Rz. 5, 29). Entsprechend beruht die Joint Recommendation auf der Annahme einer notwendigerweise globalen Verfügbarkeit, ohne die Möglichkeit geographischer Beschränkungen im Internet mittels technischer Vorkehrungen in Betracht zu ziehen (vgl. etwa Absatz 3 der Präambel: "Recognizing that a sign used on the Internet is simultaneously and immediately accessible irrespective of territorial location" sowie Bemerkungen zu Art. 9 [Rz. 9.01]: "Because of the necessarily global nature of the Internet such use might be considered as infringing a right under the law ofa Member State in which the right of the user is not recognized [Hervorhebung hinzugefügt]."). Mit der notwendigerweise globalen Abrufbarkeit von Internetseiten ging einher, dass ein wegen der Verletzung eines inländischen Kennzeichenrechts ausgesprochenes Verbot ebenfalls zwangsläufig global wirkte, mithin auch ausserhalb des territorialen Schutzbereichs des Kennzeichens (BETTINGER, a.a.O., Teil 4 Rz. 11; vgl. auch Bemerkungen zu Art. 9 [Rz. 15.01]:"[...] Aninjunction to cease every use of a sign on the Internet would go far beyond the territory for which the infringed right in that sign has effect. It would have an effect which is as global as the Internet and could, therefore, also be called a 'global injunction'.").
BGE 146 III 225 S. 235

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass seither im Bereich des Internets ein technologischer Wandel stattgefunden hat und mittlerweile sog. Geoblocking- bzw. Geotargeting-Massnahmen, mit denen Internetnutzern in verschiedenen geographischen Gebieten unterschiedliche Inhalte zur Verfügung gestellt werden, weit verbreitet sind (PEUKERT, a.a.O., S. 72 f.; BETTINGER, a.a.O., Teil 2 Rz. DE 1335 Fn. 2177, wonach es sich bei der Geolokalisation mittlerweile um eine von einer Vielzahl von IT-Dienstleistern angebotene Standardtechnik handelt, die auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen eingesetzt werden kann; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 4C.229/2003 vom 20. Januar 2004 E. 5 a.E., nicht publ. in: BGE 130 III 267 ff., wo bereits auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, gezielt Internet-Nutzern aus einem bestimmten Land den Zugang zu einer Website zu verweigern). Solche Massnahmen sind mittlerweile derart gebräuchlich, dass etwa die Europäische Union gesetzliche Vorkehrungen getroffen hat, um gegen ungerechtfertigtes Geoblocking vorzugehen, das etwa im Bereich des Online-Handels zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen kann (Verordnung [EU] 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2018 über Massnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen [EG] Nr. 2006/2004 und [EU] 2017/2394 sowie der Richtlinie 2009/22/EG, ABI. LI 60/1 vom 2. März 2018). Die Möglichkeit, den Abruf von Internetseiten territorial zu beschränken, kann auch bei der Beurteilung der Voraussetzung des hinreichenden wirtschaftlichen Inlandbezugs ("commercial effect") nicht unbeachtet bleiben. Insbesondere erscheint damit die - ursprünglich unausweichliche - Diskrepanz zwischen der globalen Verfügbarkeit von Internetseiten und territorial beschränkten Kennzeichenrechten in einem anderen Licht. Entgegen der in der Beschwerdeantwort vertretenen Ansicht geht es dabei nicht um die Tatfrage, ob die zu beurteilende Internetpräsenz im Schutzland überhaupt abgerufen werden kann, zumal ein Eingriff in nationale Schutzrechte durch Verwendung des Internets aufgrund des Territorialitätsprinzips selbstredend die Abrufbarkeit der beanstandeten Internetpräsenz in diesem Gebiet voraussetzt. Vielmehr geht es um die Rechtsfrage des hinreichenden wirtschaftlichen Inlandbezugs als Voraussetzung einer allfälligen Kennzeichenverletzung über das Internet im Hinblick auf
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einen wertenden Ausgleich zwischen global verfügbarem Internet und territorial beschränkten Schutzrechten. Die technische Möglichkeit einer geographischen Einschränkung der Abrufbarkeit von Inhalten erweitert nicht nur den Kreis denkbarer Sanktionen bei festgestellten Verletzungen, sondern es ist ihr bereits bei der gebotenen Interessenabwägung im Rahmen der Feststellung des "commercial effect" Rechnung zu tragen (dazu BETTINGER, a.a.O., Teil 2 Rz. DE 1334 ff.; vgl. auch JOLLER, a.a.O., Teil 2 Rz. CH 260; PEUKERT, a.a.O., S. 73, wonach die Verfügbarkeit entsprechender technischer Vorkehrungen normative Implikationen hat). Daran vermögen auch die von den Beschwerdegegnerinnen erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände nichts zu ändern, die sich nicht auf die Voraussetzung des hinreichenden Bezugs zur Schweiz beziehen, sondern gegen allfällige konkrete Verbotsfolgen richten.
3.3.4 Die Vorinstanz hat demnach die blosse Abrufbarkeit einer Internetpräsenz in der Schweiz zu Recht als nicht ausreichend erachtet, sondern hat unter Bezugnahme auf die Joint Recommendation geprüft, ob ein Kennzeichengebrauch in der Schweiz vorliegt. Mit den Beschwerdeführerinnen ist jedoch die zwischenzeitlich erfolgte technische Entwicklung im Bereich des Internets in die Interessenabwägung mit einzubeziehen und sind die Kriterien der Joint Recommendation für einen hinreichenden wirtschaftlichen Bezug zur Schweiz ("commercial effect") entsprechend weit auszulegen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 146 III 225
Date : 29. April 2020
Published : 28. November 2020
Source : Bundesgericht
Status : 146 III 225
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Kennzeichengebrauch im Internet; hinreichender Bezug zur Schweiz. Grundsätze der Beurteilung, wann bei der Verwendung einer


Legislation register
MSchG: 1  13  46a
OR: 956
UWG: 3
ZGB: 29
BGE-register
105-II-49 • 113-II-73 • 130-III-267 • 138-III-337 • 146-III-225
Weitere Urteile ab 2000
4A_335/2019 • 4A_590/2018 • 4A_741/2011 • 4A_92/2011 • 4C.229/2003
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