146 II 300
21. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Verkehrssicherheitszentrum OW/NW (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_621/2019 vom 23. April 2020
Regeste (de):
- Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
- Entscheidend für den Verfall des Führerausweises auf Probe ist, dass nach einer ersten Widerhandlung, die zu einem Ausweisentzug (sowie zu einer Verlängerung der Probezeit) führte, eine zweite Widerhandlung begangen wird, welche ebenfalls einen Ausweisentzug zur Folge hat. Dabei bewirkt die zweite Widerhandlung auch dann den Verfall, wenn der Entscheid über die Sanktionierung der ersten Widerhandlung noch nicht gefällt und dem Fahrzeugführer demzufolge noch nicht eröffnet werden konnte (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 15a al. 4 LCR; caducité du permis de conduire à l'essai.
- Il est déterminant, pour la caducité du permis de conduire à l'essai, qu'après une première infraction ayant entraîné un retrait de permis (et également une prolongation de la période d'essai), une seconde infraction soit commise qui entraîne également un retrait de permis. La seconde infraction conduit à la caducité du permis de conduire à l'essai même si la décision de sanctionner la première infraction n'a pas encore été prise et n'a donc pas pu être communiquée au conducteur (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 15a cpv. 4 LCStr; scadenza della licenza di condurre in prova.
- Decisivo per la scadenza della licenza di condurre in prova è che, dopo una prima infrazione che ha comportato una revoca della licenza (nonché una proroga del tempo di prova), sia commessa una seconda infrazione, la quale comporti anch'essa una revoca della licenza. La seconda infrazione comporta la decadenza anche qualora la decisione di sanzionare la prima infrazione non sia ancora stata adottata e quindi non abbia ancora potuto essere notificata al conducente (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 300
BGE 146 II 300 S. 300
A. Der 1998 geborene A. ist Inhaber eines Führerausweises auf Probe. Am 8. Juni 2018 verursachte er einen Verkehrsunfall, als er beim Rückwärtsfahren eine korrekt entgegenkommende Fahrradfahrerin übersah und mit dieser kollidierte. Am 27. Juni 2018 teilte ihm das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW mit, es werde die Einleitung
BGE 146 II 300 S. 301
eines Administrativverfahrens geprüft; das Verfahren werde jedoch bis zum Abschluss des Strafverfahrens sistiert. Am 8. September 2018 verursachte A. als Fahrzeugführer eines militärischen Fahrzeugs wegen nicht angepasster Geschwindigkeit einen Selbstunfall, wobei drei seiner fünf Mitfahrer leichte Verletzungen erlitten. Daraufhin annullierte das Verkehrssicherheitszentrum OW/ NW mit Verfügung vom 14. Januar 2019 und Einspracheentscheid vom 14. März 2019 den Führerausweis auf Probe.
B. Die von A. hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 30. September 2019 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW sei unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides anzuweisen, ihm den Führerausweis auf Probe wieder zu erteilen. Das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW und das Bundesamt für Strassen ASTRA schliessen auf Abweisung der Beschwerde. (Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
Erwägungen
3.
3.1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre (Art. 15a Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15b - 1 Der definitive Führerausweis wird erteilt, wenn der Bewerber: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |
3.2 Der vorerst nur probeweisen Erteilung des Führerausweises liegt der Gedanke zugrunde, dass sich Neulenker (sog. "Neuerwerber") während einer dreijährigen Probezeit in der Fahrpraxis bewähren sollen, bevor ihnen der (unbefristete) Führerausweis definitiv erteilt wird. Während der Probezeit soll sich der Neulenker durch einwandfreies
BGE 146 II 300 S. 302
und klagloses Fahrverhalten im Verkehr ausweisen. Verstösse gegen Verkehrsregeln lösen deshalb nicht nur die gegen Inhaber des unbefristeten Führerausweises vorgesehenen Strafsanktionen und Administrativmassnahmen aus. Gleichzeitig erschweren sie während der Probezeit die Erlangung des unbefristeten Ausweises. Besteht der Neulenker die Probezeit nicht, kann er frühestens ein Jahr nach der zweiten Widerhandlung mit Ausweisentzug (und nach erfolgter verkehrspsychologischer Abklärung der Fahreignung) einen neuen Lernfahrausweis (und nach Bestehen der Führerprüfung einen neuen Führerausweis auf Probe) beantragen. Das neu eingeführte administrativmassnahmenrechtliche Instrument dient (ergänzend zur Verschärfung der Warnungsentzüge) der strengeren Ahndung und Prävention von SVG-Widerhandlungen durch Neulenker und damit der Erhöhung der Verkehrssicherheit (BGE 136 I 345 E. 6.1 S. 348 f. mit Hinweisen; BGE 136 II 447 E. 5.1 S. 454 f.). Unter die nach Art. 15a Abs. 4

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer: |
4.
4.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 8. Juni 2018 und am 8. September 2018 je eine Widerhandlung gegen das SVG begangen hat, welche jede für sich einen Ausweisentzug rechtfertigen würde. Das kantonale Gericht bestätigte die aufgrund dieser beiden Widerhandlungen gestützt auf Art. 15a Abs. 4

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |
4.2 Rechtsprechungsgemäss setzt der Verfall des Führerausweises auf Probe im Sinne von Art. 15a Abs. 4

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |
BGE 146 II 300 S. 303
wurde (BGE 136 II 447 E. 5 ff. S. 454 ff.). Offengelassen hat das Bundesgericht in diesem Leitentscheid jedoch die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Entscheid über die Sanktionierung der ersten Widerhandlung noch nicht einmal gefällt und dem Fahrzeugführer eröffnet worden ist.
4.3 Während ein Teil der Lehre diese Frage bejaht (vgl. PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 23 f. zu Art. 15a

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 49 - 1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. |
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1 | Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. |
2 | Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. |
3 | Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 49 - 1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. |
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1 | Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. |
2 | Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. |
3 | Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären. |