Urteilskopf

136 I 345

35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Departement des Innern sowie Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_542/2009 vom 10. September 2010

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 345

BGE 136 I 345 S. 345

A. Mit Verfügung vom 30. November 2007 wurde dem X. ein Führerausweis auf Probe (für die Fahrzeugkategorien B, B1 und F) ausgestellt. Am 27. Dezember 2007 (01.30 Uhr) verursachte der Lenker mit seinem Personenwagen einen Selbstunfall. Die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Amt für Administrativmassnahmen, stufte das Verhalten des Lenkers als mittelschweren Fall einer Widerhandlung gegen das SVG ein und entzog ihm mit
BGE 136 I 345 S. 346

rechtskräftiger Verfügung vom 25. Februar 2008 den Führerausweis auf Probe (Kat. B, B1 und F sowie den Lernfahrausweis Kat. A) für die Dauer von zwei Monaten. Gleichzeitig verlängerte sie die Probezeit um ein Jahr.
B. Am 14. Oktober 2008 verursachte der Lenker einen weiteren Selbstunfall mit Sachschaden. Mit Strafverfügung vom 27. November 2008 wurde er deswegen (in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
SVG) zu einer Busse von Fr. 200.- rechtskräftig verurteilt. Mit Administrativmassnahmenverfügung vom 22. Juli 2009 annullierte das Departement des Innern des Kantons Solothurn den Führerausweis auf Probe. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 6. November 2009 ab.

C. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts gelangte X. mit Beschwerde vom 14. Dezember 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt, der Führerausweis auf Probe sei ihm für die Dauer eines Monats zu entziehen. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lenkte der Beschwerdeführer am 14. Oktober 2008 den Personenwagen seiner Mutter von Balmberg Richtung Günsberg. Er befuhr mit ca. 60 km/h eine sich leicht verengende Rechtskurve, als ihm ein unbekannter Automobilist (in korrekter Fahrweise) entgegenkam. Nachdem der Beschwerdeführer in der Kurve abgebremst und den entgegenkommenden Personenwagen gekreuzt hatte, lenkte er nach links. Dabei verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug, worauf die Räder blockierten und er mit einem Brückengeländer kollidierte. Beim Selbstunfall entstand Sachschaden am Unfallfahrzeug in der Höhe von Fr. 6'500.-. Das Verwaltungsgericht erwägt, diese zweite Widerhandlung innert der Probezeit hätte (auch bei Annahme eines leichten Falles gestützt auf Art. 16a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG) zu einem weiteren Führerausweisentzug (von mindestens einem Monat) führen müssen, weshalb (gemäss Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG) der Führerausweis auf Probe zu annullieren sei.
3. Der Beschwerdeführer rügt eine bundesrechtswidrige Anwendung des SVG sowie eine Verletzung von Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
BV. Das Gesetz verlange
BGE 136 I 345 S. 347

mindestens drei leichte Widerhandlungen, damit der Führerausweis auf Probe annulliert werden kann. Nur bei zwei aufeinanderfolgenden mittelschweren (oder schweren) Fällen komme eine Annullation schon nach zwei Widerhandlungen in Frage. Die von der Vorinstanz getroffene Wortlautauslegung führe zu einer rechtsungleichen Behandlung. Zwar habe er im Dezember 2007 eine mittelschwere und im Oktober 2008 eine leichte Widerhandlung gegen das SVG verübt. Wäre zuerst die leichte und dann die mittelschwere Widerhandlung erfolgt, hätte sein Führerausweis auf Probe jedoch nicht als verfallen erklärt werden dürfen. Unzulässigerweise werde er gleich sanktioniert wie ein Lenker, der in der Probezeit zwei mittelschwere oder schwere Widerhandlungen begangen hätte.
4. Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre (Art. 15a Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Der Führerausweis wird unbefristet erteilt, wenn die Probezeit abgelaufen ist und der Inhaber an den (vom Bundesrat vorgeschriebenen) Weiterbildungskursen zur Erkennung und Vermeidung von Gefahren sowie zu umweltschonendem Fahren teilgenommen hat (Art. 15a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Wird dem Inhaber der Ausweis auf Probe wegen einer Widerhandlung entzogen, wird die Probezeit um ein Jahr verlängert (Art. 15a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Der Führerausweis auf Probe verfällt mit der zweiten Widerhandlung, die zum Entzug des Ausweises führt (Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Nach einer leichten Widerhandlung wird der Ausweis (für mindestens einen Monat) entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis bereits entzogen war oder eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Art. 16a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG). Eine Annullierung des Führerausweises auf Probe (gemäss Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG) betrifft alle Ausweiskategorien und Unterkategorien (Art. 35a Abs. 1
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 35a Annullierung - 1 Begeht der Inhaber des Führerausweises auf Probe eine zweite Widerhandlung, die zum Entzug des Führerausweises der Kategorien und Unterkategorien führt, wird der Ausweis annulliert. Dies gilt auch, wenn der Ausweis inzwischen unbefristet erteilt worden ist. Mit der Annullierung muss der Führerausweis eingezogen werden.186
und 2
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 35a Annullierung - 1 Begeht der Inhaber des Führerausweises auf Probe eine zweite Widerhandlung, die zum Entzug des Führerausweises der Kategorien und Unterkategorien führt, wird der Ausweis annulliert. Dies gilt auch, wenn der Ausweis inzwischen unbefristet erteilt worden ist. Mit der Annullierung muss der Führerausweis eingezogen werden.186
VZV [SR 741.51]). Ein neuer Führerausweis auf Probe kann frühestens ein Jahr nach Begehung der Widerhandlung und nur aufgrund eines verkehrspsychologischen Gutachtens erteilt werden, das die Eignung bejaht (Art. 15a Abs. 5
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Nach erneutem Bestehen der Führerprüfung wird ein neuer Führerausweis auf Probe erteilt (Art. 15a Abs. 6
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG).

5. Nach der Praxis des Bundesgerichts müssen Ungleichbehandlungen im Rahmen der Rechtsanwendung in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sich vernünftig begründen lassen bzw. sachlich haltbar sein. Der allgemeine Rechtsgleichheitsgrundsatz (Art. 8 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
BV) verpflichtet die Behörden, gleiche Sachverhalte mit identischen
BGE 136 I 345 S. 348

relevanten Tatsachen gleich zu beurteilen, es sei denn, ein sachlicher Grund rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung (BGE 136 I 121 E. 5.2 S. 127; BGE 131 I 105 E. 3.1 S. 107; je mit Hinweisen).
6.

6.1 Mit der auf den 1. Dezember 2005 in Kraft gesetzten Revision des SVG wurde (nach breiter Zustimmung im Vernehmlassungsverfahren) der Führerausweis auf Probe eingeführt. Gemäss diesem neuen administrativmassnahmenrechtlichen Instrument sollen sich Neulenker (sog. "Neuerwerber") während einer dreijährigen Probezeit in der Fahrpraxis bewähren, bevor ihnen der (unbefristete) Führerausweis definitiv erteilt wird. Während der Probezeit soll sich der Neulenker durch einwandfreies und klagloses Fahrverhalten im Verkehr ausweisen. Verstösse gegen Verkehrsregeln lösen deshalb nicht nur die gegen Inhaber des unbefristeten Führerausweises vorgesehenen Strafsanktionen und Administrativmassnahmen aus. Gleichzeitig erschweren sie während der Probezeit die Erlangung des unbefristeten Ausweises (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_559/2008 vom 15. Mai 2009 E. 3.1; DEMIERRE/MIZEL/MOURON, Les mesures administratives liées au nouveau permis de conduire à l'essai, AJP 2007 S. 729 ff.; HANS GIGER, SVG - Strassenverkehrsgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2008, N. 34 zu Art. 15a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Ausweisentzüge (wegen Widerhandlungen nach Art. 16a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
-16c
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16c - 1 Eine schwere Widerhandlung begeht, wer:
SVG) haben eine Verlängerung der Probezeit um ein Jahr zur Folge. Laut Botschaft des Bundesrates vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (BBl 1999 4462) gilt die Bewährungszeit als nicht bestanden (und verfällt der Führerausweis auf Probe), wenn während der Probezeit eine zweite Widerhandlung begangen wird, die zum Ausweisentzug führt (BBl 1999 4485 Ziff. 21; vgl. DEMIERRE/MIZEL/MOURON, a.a.O., S. 731 f.; GIGER, a.a.O., N. 35 und 36 zu Art. 15a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Diese Regelung fand auch in den Eidgenössischen Räten ungeteilte Zustimmung (AB 2000 S 210; 2001 N 878). Unter die nach Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG relevanten Fälle von erneuten Widerhandlungen fallen demnach auch leichte Fälle, für die (nach Art. 16a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG) ein weiterer Ausweisentzug anzuordnen wäre (vgl. DEMIERRE/MIZEL/MOURON, a.a.O., S. 733 und 737). Besteht der Neulenker die Probezeit nicht, kann er frühestens ein Jahr nach der zweiten Widerhandlung mit Ausweisentzug (und nach erfolgter verkehrspsychologischer Abklärung der Fahreignung) einen neuen Lernfahrausweis (und nach Bestehen der Führerprüfung einen neuen Führerausweis auf Probe) beantragen. Das neu eingeführte
BGE 136 I 345 S. 349

administrativmassnahmenrechtliche Instrument dient (ergänzend zur Verschärfung der Warnungsentzüge) der strengeren Ahndung und Prävention von SVG-Widerhandlungen durch Neulenker und damit der Erhöhung der Verkehrssicherheit (vgl. BGE 136 II 447 E. 5.1; Urteil 1C_559/2008 vom 15. Mai 2009 E. 3.1 und 3.2; BBl 1999 4485; DEMIERRE/MIZEL/MOURON, a.a.O., S. 730-738; GIGER, a.a.O., N. 34-36 zu Art. 15a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG).

6.2 Soweit der Beschwerdeführer den Standpunkt vertritt, der Verfall eines Führerausweises auf Probe setze mindestens drei (bzw. zwei schwere oder mittelschwere) Widerhandlungen gegen das SVG voraus, findet diese Ansicht im Gesetz, in den Materialien und in der einschlägigen Literatur keine Stütze. Zwar könnte bei mehreren aufeinanderfolgenden leichten Widerhandlungen die Konstellation eintreten, dass erst nach dem dritten leichten Fall ein zweiter Ausweisentzug und damit eine Annullierung des Führerausweises auf Probe zu erfolgen hätte (vgl. Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
i.V.m. Art. 16a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
bzw. Abs. 2 SVG). Hier liegt jedoch unbestrittenermassen keine solche Konstellation vor: Mit rechtskräftiger Verfügung vom 25. Februar 2008 wurde dem Beschwerdeführer wegen einer mittelschweren Widerhandlung der Führerausweis auf Probe bereits für die Dauer von zwei Monaten entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer:
SVG) und die Probezeit um ein Jahr verlängert (Art. 15a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG). Innerhalb der Probezeit (und innert zwei Jahren seit dem letzten Ausweisentzug) erfolgte der zweite Unfall vom 14. Oktober 2008. Selbst wenn dieser als leichter Fall eingestuft wird, sieht das Gesetz hier einen zweiten Ausweisentzug zwingend vor (Art. 16a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG) und damit den Verfall des Führerausweises auf Probe (Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG).
6.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Wortlaut des Gesetzes führe zu einer rechtsungleichen Behandlung. Für den ersten Selbstunfall (im Dezember 2007) sei zwar wegen eines mittelschweren Falles ein zweimonatiger Ausweisentzug erfolgt. Der zweite Selbstunfall (im Oktober 2008) sei jedoch als leichte Widerhandlung einzustufen. Wäre - in umgekehrter Reihenfolge - zuerst die leichte und dann erst die mittelschwere Widerhandlung erfolgt, hätte sein Führerausweis auf Probe (gemäss Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
i.V.m. Art. 16a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG) nicht als verfallen erklärt werden können. Die Administrativmassnahme dürfe aber nicht vom Zufall abhängig gemacht werden, in welcher Reihenfolge die Widerhandlungen erfolgten. Unzulässigerweise werde er behandelt wie ein Lenker, der in der Probezeit zwei mittelschwere oder schwere Widerhandlungen beging.
BGE 136 I 345 S. 350

Demgegenüber würden Lenker, die zunächst bloss verwarnt werden und anschliessend eine mittelschwere Widerhandlung begehen, privilegiert behandelt. Dies sei sachlich nicht nachvollziehbar, weshalb Art. 16a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG auf den Verfall des Führerausweises auf Probe nicht anwendbar sei. Insofern sei der Wortlaut von Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG auslegungsweise zu "präzisieren".
6.4 Der Beschwerdeführer stellt sich zunächst auf den Standpunkt, bei seinem zweiten Selbstunfall (von Oktober 2008) innerhalb der Probezeit handle es sich um eine leichte (nicht um eine zweite mittelschwere) Widerhandlung gegen das SVG. Die kantonalen Instanzen brauchten diese Frage (angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes) nicht vertieft zu prüfen. Der Ansicht des Beschwerdeführers, es handle sich um eine leichte Widerhandlung im Sinne von Art. 16a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG, wäre im Übrigen Folgendes entgegenzuhalten: Durch sein fehlerhaftes Fahrverhalten schuf er (neben einer abstrakten Gefahr für dritte Verkehrsteilnehmer) eine konkrete Gefahr für sich selbst, welche sich in einem Selbstunfall mit Sachschaden realisierte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ereignete sich der zweite Unfall in (bzw. kurz nach) einer Rechtskurve auf einem sich leicht verengenden Strassenabschnitt. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers kollidierte mit einem Brückengeländer. Bei dieser Sachlage bestand die naheliegende Gefahr, dass nachfolgende Fahrzeuge von der Unfallsituation hätten überrascht werden können. Der Beschwerdeführer beschädigte (ausser dem Brückengeländer) das von ihm benutzte Fahrzeug massiv und verursachte einen Sachschaden in der Höhe von Fr. 6'500.-. Nach der Praxis des Bundesgerichts dürften die Administrativbehörden in derartigen Fällen (ohne Verletzung von Art. 16b Abs. 1 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer:
SVG) grundsätzlich von einer erhöhten abstrakten Gefährdung und damit von einem mittelschweren Fall ausgehen (vgl. Urteil 1C_83/2010 vom 12. Juli 2010 E. 5). Dass der Strafrichter Art. 90 Ziff. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
SVG anwendete, schlösse die Annahme eines mittelschweren Falles im Administrativverfahren jedenfalls nicht aus (vgl. Urteile 1C_83/2010 E. 4; 1C_424/2008 vom 31. März 2009 E. 4.1; 1C_7/2008 vom 24. Juli 2008 E. 6.2; s. schon BGE 120 Ib 312 E. 4b S. 315 zu aArt. 16 Abs. 3 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SVG).
6.5 Aber selbst wenn der zweite Selbstunfall noch als leichte Widerhandlung einzustufen wäre, würde der Wortlaut von Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG zu keinen stossenden oder rechtsungleichen
BGE 136 I 345 S. 351

Konsequenzen führen: Das Gesetz sieht vor, dass bei einer zweiten Widerhandlung innert zwei Jahren seit dem ersten Ausweisentzug ein neuer Ausweisentzug bzw. der Verfall des Führerausweises auf Probe zu erfolgen hat (Art. 15a Abs. 4
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
i.V.m. Art. 16a Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG). Dass diese Konsequenz ausbliebe, wenn eine erste leichte Widerhandlung (mangels früherer Administrativmassnahmen) noch keinen Ausweisentzug nach sich gezogen hätte (Art. 16a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG), ist sachlich gerechtfertigt und stellt weder ein Versehen des Gesetzgebers dar noch eine unechte Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, dass von einem Inhaber des Führerausweises auf Probe, dem nach einer Widerhandlung gegen das SVG bereits der Ausweis entzogen und die Probezeit verlängert werden musste, ein besonderes Mass an Verantwortungsbewusstsein bzw. sorgfältigem künftigem Fahrverhalten erwartet werden darf und muss (vgl. dazu oben, E. 6.1). Demgegenüber zöge eine erste leichte Widerhandlung während der Probezeit eine blosse Verwarnung nach sich (Art. 16a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
SVG), und die Probezeit würde nicht verlängert (Art. 15a Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG).
Der Beschwerdeführer hat sich als Neulenker in der Probezeit nicht bewährt. Nachdem ihm der Führerausweis wegen einer mittelschweren Widerhandlung für zwei Monate entzogen und die Probezeit um ein Jahr verlängert werden musste, hat er einige Monate später einen weiteren Selbstunfall verursacht, der einen erneuten Ausweisentzug nach sich zieht. Dies führt nach der unmissverständlichen (und durch die Vorinstanz verfassungskonform angewendeten) gesetzlichen Regelung zur Annullierung des Führerausweises auf Probe. Die allfällige Erteilung eines neuen Lernfahrausweises (bzw. Führerausweises auf Probe) richtet sich nach Art. 15a Abs. 5
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
und 6
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
SVG.
6.6 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz das SVG bundesrechtskonform angewendet.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 136 I 345
Datum : 10. September 2010
Publiziert : 26. März 2011
Quelle : Bundesgericht
Status : 136 I 345
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 8 Abs. 1 BV; Art. 15a Abs. 4 und Art. 16a Abs. 2 SVG; Art. 35a VZV; Annullation eines Führerausweises auf Probe. Rechtsnatur


Gesetzesregister
BV: 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
SVG: 15a 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 15a - 1 Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
16 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
16a 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16a - 1 Eine leichte Widerhandlung begeht, wer:
16b 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16b - 1 Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer:
16c 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16c - 1 Eine schwere Widerhandlung begeht, wer:
90
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
VZV: 35a
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 35a Annullierung - 1 Begeht der Inhaber des Führerausweises auf Probe eine zweite Widerhandlung, die zum Entzug des Führerausweises der Kategorien und Unterkategorien führt, wird der Ausweis annulliert. Dies gilt auch, wenn der Ausweis inzwischen unbefristet erteilt worden ist. Mit der Annullierung muss der Führerausweis eingezogen werden.186
BGE Register
120-IB-312 • 131-I-105 • 136-I-121 • 136-I-345 • 136-II-447
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1C_424/2008 • 1C_542/2009 • 1C_559/2008 • 1C_7/2008 • 1C_83/2010
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
probezeit • ausweisentzug • monat • bundesgericht • vorinstanz • sachschaden • mittelschwerer fall • dauer • leichter fall • strassenverkehrsgesetz • frage • departement • sachverhalt • innerhalb • entscheid • rechtsgleiche behandlung • verkehrszulassungsverordnung • bewilligung oder genehmigung • fahrzeugführer • begründung des entscheids
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BBl
1999/4462 • 1999/4485
AB
2000 S 210
AJP
2007 S.729