146 II 145
13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Staatssekretariat für Migration gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_534/2019 vom 4. Februar 2020
Regeste (de):
- Art. 4
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 4 Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit - Das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit wird vorbehaltlich des Artikels 10 nach Massgabe des Anhangs I eingeräumt.
- Ein Verbleiberecht nach Art. 4
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 4 Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit - Das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit wird vorbehaltlich des Artikels 10 nach Massgabe des Anhangs I eingeräumt.
Regeste (fr):
- Art. 4 Annexe I ALPC; art. 2 par. 1 let. a de la directive 75/34/CEE; droit de séjourner après la fin d'une activité économique indépendante, à condition que la personne concernée ait atteint l'âge ordinaire de la retraite déjà lors de son arrivée en Suisse.
- Un droit de demeurer selon l'art. 4 Annexe I ALCP en relation avec l'art. 2 par. 1 let. a de la directive 75/34/CEE existe également lorsque l'activité indépendante fondant le droit au séjour en Suisse a débuté après l'âge ordinaire de la retraite (consid. 3.2.6-3.2.11). Cette activité doit néanmoins avoir été exercée avec sérieux (consid. 3.2.12).
Regesto (it):
- Art. 4 allegato I ALC; art. 2 par. 1 lett. a della direttiva 75/34/CEE; diritto di soggiorno dopo la conclusione di un'attività economica indipendente, nella misura in cui la persona in questione aveva raggiunto l'età ordinaria del pensionamento già al momento del suo arrivo in Svizzera.
- Un diritto a rimanere giusta l'art. 4 allegato I ALC in relazione con l'art. 2 par. 1 lett. a della direttiva 75/34/CEE esiste anche quando l'attività indipendente su cui si basa il diritto di soggiorno in Svizzera era stata originariamente intrapresa già dopo aver raggiunto l'età ordinaria del pensionamento (consid. 3.2.6-3.2.11). Tuttavia, questa attività deve essere stata esercitata sul serio (consid. 3.2.12).
- Aus den Erwägungen:
Erwägungen ab Seite 146
BGE 146 II 145 S. 146
3. (...)
3.2.3 Der Beschwerdegegner macht jedoch ein Verbleiberecht nach Art. 4
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3.2.6 Gemäss Art. 4
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BGE 146 II 145 S. 147
3.2.7 Gemäss Art. 2 Abs. 1 Bst. a der Richtlinie 75/34/EWG (analog zu Art. 2 Abs. 1 Bst. a der Verordnung Nr. 1251/70) erkennen die Mitgliedstaaten das Recht auf ständiges Verbleiben in ihrem Hoheitsstaat zu "dem Selbständigen, der zu dem Zeitpunkt, in dem er seine Tätigkeit aufgibt, das nach der Gesetzgebung dieses Mitgliedstaats vorgeschriebene Alter für die Geltendmachung einer Altersrente erreicht hat, in diesem Mitgliedstaat mindestens in den letzten zwölf Monaten seine Tätigkeit ausgeübt und sich dort seit mindestens drei Jahren ständig aufgehalten hat. Wird nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats bestimmten Gruppen von Selbständigen kein Anspruch auf Altersrente zuerkannt, so gilt die Altersvoraussetzung als erfüllt, sobald der Begünstigte das 65. Lebensjahr vollendet hat."
3.2.8 Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass das Verbleiberecht nur dann bestehen soll, wenn die Erwerbstätigkeit vor dem ordentlichen Rentenalter aufgenommen wurde. Vielmehr besagt bereits der Wortlaut, dass ein Aufenthaltsrecht besteht, wenn im Aufenthaltsstaat im letzten Jahr eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, insgesamt ein mindestens drei- jähriger ständiger Aufenthalt vorliegt und dass die anspruchsberechtigte Person bei Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit das ordentliche Rentenalter von 65 Jahren überschritten haben muss. Die Auffassung des SEM, wonach ein Verbleiberecht nach Art. 4
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3.2.9 Auch eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm führt zum Ergebnis, dass es nicht die Intention der Vertragsparteien gewesen sein kann, dass ein Verbleiberecht nach Art. 4
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IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte) FZA Art. 1 Ziel - Ziel dieses Abkommens zu Gunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz ist Folgendes: |
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a | Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien; |
b | Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen; |
c | Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben; |
d | Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer. |
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte) FZA Art. 12 Günstigere Bestimmungen - Dieses Abkommen steht günstigeren innerstaatlichen Bestimmungen, die den Staatsangehörigen der Vertragsparteien bzw. ihren Familienangehörigen eingeräumt werden, nicht entgegen. |
BGE 146 II 145 S. 148
des ordentlichen Rentenalters weiterzuführen, kann es nicht Sinn und Zweck von Art. 4
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3.2.10 Ein möglicher Hinweis für die Auffassung des SEM könnte sich aus den Erwägungsgründen zur Richtlinie 75/34/EWG ergeben, wonach das Recht gesichert werden soll, im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats zu verbleiben, sobald die dortige Tätigkeit "wegen Erreichen des Rentenalters oder infolge dauernder Arbeitsunfähigkeit" endet, was nicht der Fall wäre, wenn die Erwerbstätigkeit nach dem Erreichen des Rentenalters erst aufgenommen wurde. Auch einige Aussagen in der Rechtsprechung scheinen grundsätzlich davon auszugehen, dass die Verbleiberechte nach Art. 2 Abs. 1 Bst. a der Richtlinie 75/34/EWG voraussetzen, dass die Erwerbstätigkeit wegen des Erreichens des Rentenalters aufgegeben wurde, mithin dass die Erwerbstätigkeit vor dem Eintritt ins Rentenalter ausgeübt worden sein muss (BGE 144 II 121 E. 3.5 und 3.5.1 S. 126 f.; Urteil 2C_243/2015 vom 2. November 2015 E. 3.3.3). Indes gilt es diese Aussagen zu relativieren, da der Aspekt, ob die selbständige Erwerbstätigkeit erst nach Erreichen des Rentenalters aufgenommen wurde, in diesen konkret zu beurteilenden Fällen jeweils nicht entscheiderheblich war oder gar nicht zur Debatte stand, da die beschwerdeführenden Personen das Rentenalter noch nicht erreicht hatten oder gar keine einjährige Erwerbstätigkeit bestand. Die Berücksichtigung der weiteren Erwägungsgründe zur Richtlinie 75/34/EWG zeigt weiter auf, dass der Umstand, dass eine Person nach Erreichen des Rentenalters in einen FZA-Mitgliedsstaat einreist und dort weiterhin einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, gar nicht angedacht wurde.
3.2.11 Nach dem Gesagten ergeben sich aus dem Wortlaut bzw. der gewöhnlichen Bedeutung, dem Sinn und Zweck der Bestimmung sowie aus den Erwägungsgründen zur Richtlinie 75/34/EWG keine überzeugenden Anhaltspunkte für die Auffassung des SEM, wonach ein Verbleiberecht nach Art. 4
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BGE 146 II 145 S. 149
die selbständige Erwerbstätigkeit in der Schweiz nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters aufgenommen wurde. Der Beschwerdeführer kann sich somit grundsätzlich auf einen Aufenthaltsanspruch nach Art. 4
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3.2.12 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein Aufenthaltsanspruch nach Art. 4
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
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1 | Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. |
2 | Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht. |
3 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95 |
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