Urteilskopf

144 III 81

9. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen C. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_412/2017 vom 8. Januar 2018

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Sachverhalt ab Seite 82

BGE 144 III 81 S. 82

A. A.A. und B.A. sind die Söhne von D.A., der am 30. Juli 2010 starb (nachfolgend "Erblasser"). C. ist die frühere Lebenspartnerin des Erblassers. Sie fordert von den Söhnen die Auszahlung eines Vermächtnisses von 10 Mio. Fr. aus dem Erbe des Verstorbenen.
B.

B.a Am 15. Dezember 2010 eröffnete das Bezirksgericht Meilen eine Reihe von letztwilligen Verfügungen bzw. Schenkungsversprechen des Erblassers aus der Zeit zwischen dem 14. Januar 2008 und dem 27. Juni 2010, darunter das im Original erhaltene "Testament" vom 7. November 2008, dessen Ziffer 3 wie folgt lautet: "An meine frühere Ehefrau E.A., richte ich ein Vermächtnis von CHF 20'000'000.- (zwanzig Millionen Schweizerfranken) und an meine jetzige Lebenspartnerin C., CHF 10'000'000.- (zehn Millionen Schweizerfranken) höchstens jedoch für beide insgesamt 10 % (zehn Prozent) meines Nettovermögens."
B.b Ein weiteres "Testament" datiert vom 17. März 2010 und ist lediglich in Kopie vorhanden. Laut Ziffer 3.2 soll "Frau C." bis fünf Jahre nach dem Ableben des Erblassers monatlich den Betrag von Fr. 15'000.- erhalten. In der Zeit danach sollen deren Tochter F. monatlich Fr. 5'000.- (zuzüglich Schulgelder, Internatskosten, Studiengebühren etc.) ausbezahlt werden, und zwar solange F. einer angemessenen Ausbildung nachgeht, längstens aber bis zu F.s 26. Geburtstag. Ziffer 7 des Testaments vom 17. März 2010 trägt den Titel "Verhältnis zu früheren Verfügungen" und lautet wie folgt: "Dieses Testament ersetzt alle früheren letztwillige Verfügungen und Testamente einschliesslich aller Nachträge zu diesen." In einem "Nachtrag zum Testament vom 17. März 2010", der vom 27. Juni 2010 datiert und nur in Kopie vorhanden ist, ergänzte der Erblasser die Ziffern 3.2 und 5 des Testaments vom 17. März 2010.
C. Am 6. Juni 2011 verklagte C. die Gebrüder A. vor dem Bezirksgericht Meilen. Soweit vor Bundesgericht noch streitig, stellte sie das Begehren, die Beklagten solidarisch zu verpflichten, ihr "10 Mio. Schweizer Franken gemäss Vermächtnis des Erblassers vom 7. November 2008 (zuzüglich Verzugszinsen) zu bezahlen". Das Bezirksgericht wies das Begehren ab (Urteil vom 3. November 2016). Darauf erhob C. Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich. Dieses hiess die Klage gut und entsprach dem Begehren; einzig den Beginn des Zinsenlaufs bestimmte es neu (Urteil vom 26. April 2017).
BGE 144 III 81 S. 83

D. A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) gelangen an das Bundesgericht. Sie beantragen, das obergerichtliche Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Sache zur Neuregelung der kantonalen Prozesskosten an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 1); eventuell sei das Verfahren zur Ergänzung des Sachverhalts und zu einem neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 2). C. (Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des angefochtenen Entscheids. Das Obergericht verzichtete auf eine Vernehmlassung. In ihrer Replik vom 1. Dezember 2017 hielten die Beschwerdeführer an ihrer Beschwerde fest. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Zu Recht beklagen sich die Beschwerdeführer darüber, wie das Obergericht seinem Urteil die Überlegung zugrunde legt, dass Verfügungen von Todes wegen ihre Wirkungen erst beim Tod des Erblassers entfalten. Der angefochtene Entscheid weist diesen Grundsatz als Lehrmeinung des Kommentators PETER WEIMAR aus (Berner Kommentar, Die Verfügungen von Todes wegen - Einleitung, 2009, N. 96). Wie sich aus der Überschrift der Kommentarstelle ergibt, kommt der Autor dort auf die Unterscheidung zwischen den Verfügungen von Todes wegen und den Rechtsgeschäften unter Lebenden zu sprechen (WEIMAR, a.a.O., N. 96 ff.). Die Unterscheidung erfolgt anhand der Rechtsfolge (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 10. Aufl. 2014, Rz. 134). Das Kriterium der Unterscheidung ist der Zeitpunkt, in welchem das Rechtsgeschäft seine Wirkungen entfalten soll. Die Abgrenzung besteht darin, dass Rechtsgeschäfte unter Lebenden schon vor dem Tod des Verpflichteten rechtliche Bindungen begründen, während bei den Verfügungen von Todes wegen die Verpflichtungen grundsätzlich erst mit dem Tode des Erblassers entstehen (BGE 113 II 270 E. 2b S. 273 mit Hinweisen). Von der Rechtsfolge eines Rechtsgeschäfts - im Falle der Verfügung von Todes wegen der Gestaltung der Rechtslage für die Zeit nach dem Tod des Erklärenden - ist der Tatbestand zu unterscheiden. Der Tatbestand des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung, das heisst die Mitteilung des privaten Gestaltungswillens, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis begründet, geändert oder beendet werden soll (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1973, N. 18 ff. zu Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
OR; VON TUHR/
BGE 144 III 81 S. 84

PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl. 1984, S. 143; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, a.a.O., Rz. 120). Die letztwillige Verfügung (Art. 498 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 498 - Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung entweder mit öffentlicher Beurkundung oder eigenhändig oder durch mündliche Erklärung errichten.
. ZGB) ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Sie weist als Tatbestand nicht mehrere Willenserklärungen, sondern nur eine einzige Willenserklärung auf (vgl. Urteil 5A_715/2009 vom 14. Dezember 2009 E. 3.1). Normalerweise umfasst der Vorgang der Erklärung des Willens neben der Abgabe der Erklärung auch deren Kenntnisnahme durch den Empfänger (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, a.a.O., Rz. 174 ff.). Demgegenüber ist die letztwillige Verfügung als Willenserklärung in dem Sinne nicht empfangsbedürftig (s. Urteil 5A_715/2009 vom 14. Dezember 2009 E. 3.1), als der Erklärende nichts unternehmen muss, um seine Erklärungshandlung vor seinem Tode einem Empfänger zur Kenntnis zu bringen. Die Erklärung ist vielmehr erst dann als vom Tode an wirksam zu behandeln, falls sie nach dem Tode eröffnet wird (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 129 zu Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
OR).
3.2 Mit Blick auf die Tragweite von Ziffer 7 des Testaments vom 17. März 2010 (s. Sachverhalt Bst. B.b) verkennt das Obergericht die dargelegte Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge von Rechtsgeschäften. Gewiss entfaltete dieses Testament zu Lebzeiten des Erblassers keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen, weil die Rechtsfolge dieses Rechtsgeschäfts erst mit Tod des Erklärenden eintrat. Allein damit ist noch nichts darüber gesagt, welches Schicksal in der Zeit vor dem Tod des Erblassers der Willenserklärung, also dem Tatbestand dieses einseitigen Rechtsgeschäfts beschieden ist. Wie gesehen, setzt die Wirksamkeit der Willenserklärung im Falle der letztwilligen Verfügung gerade nicht voraus, dass die Erklärung zu Lebzeiten des Erklärenden in Empfang genommen wird. Mit anderen Worten ist der rechtsgeschäftliche Tatbestand der letztwilligen Verfügung erfüllt und hat die Willenserklärung Bestand, sobald der Erblasser seinen Geschäftswillen in einer der gesetzlich vorgeschriebenen Formen (Art. 498 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 498 - Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung entweder mit öffentlicher Beurkundung oder eigenhändig oder durch mündliche Erklärung errichten.
. ZGB) erklärt hat. Aus dieser Besonderheit folgt zum einen das zwingende, unverzichtbare Recht des Erblassers, seine letztwillige Verfügung jederzeit frei zu widerrufen (BGE 108 II 405 E. 2a S. 407). Zum andern setzt der Widerruf aber auch voraus, dass der Erblasser seinen Widerrufswillen - wiederum in einer der gesetzlich vorgesehenen Formen (Art. 509 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 509 - 1 Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
1    Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
2    Der Widerruf kann die Verfügung ganz oder zum Teil beschlagen.
. ZGB) - tatsächlich äussert, wenn er teilweise oder vollständig (Art. 509 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 509 - 1 Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
1    Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
2    Der Widerruf kann die Verfügung ganz oder zum Teil beschlagen.
ZGB) auf seinen früher wirksam erklärten Testierwillen zurückkommen will (vgl. BGE 78 II 348 E. 4 S. 351). Der Widerruf einer
BGE 144 III 81 S. 85

letztwilligen Verfügung ist - genauso wie diese selbst - eine Verfügung von Todes wegen (WEIMAR, a.a.O., N. 1 zu Art. 509
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 509 - 1 Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
1    Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
2    Der Widerruf kann die Verfügung ganz oder zum Teil beschlagen.
-511
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 511 - 1 Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
1    Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
2    Ebenso wird eine letztwillige Verfügung über eine bestimmte Sache dadurch aufgehoben, dass der Erblasser über die Sache nachher eine Verfügung trifft, die mit jener nicht vereinbar ist.
ZGB; WOLF/GENNA, Erbrecht, SPR Bd. IV/1, 2012, S. 362; PAUL PIOTET, Erbrecht, SPR Bd. IV/1, 1978, S. 243 f.), das heisst eine die Rechtslage beim Tode beeinflussende erbrechtlich relevante Willensäusserung (PETER BREITSCHMID, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 1 zu Art. 509
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 509 - 1 Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
1    Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
2    Der Widerruf kann die Verfügung ganz oder zum Teil beschlagen.
-511
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 511 - 1 Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
1    Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
2    Ebenso wird eine letztwillige Verfügung über eine bestimmte Sache dadurch aufgehoben, dass der Erblasser über die Sache nachher eine Verfügung trifft, die mit jener nicht vereinbar ist.
ZGB). Von seinem Gegenstand her beschlägt der Widerruf den Tatbestand der widerrufenen Verfügung, das heisst die frühere Willenserklärung des Erblassers: Er entzieht dem ersten Testament seinen Charakter als Kundgabe des letzten Willens (BGE 91 II 264 E. 5 S. 274). Der Erblasser nimmt mit dem Widerruf also seine eigene Willenserklärung zurück und verhindert damit, dass das widerrufene Rechtsgeschäft nach dem Tod Rechtswirkungen entfalten kann. Eine andere Frage ist, ob der Erblasser mit dem Widerruf auch seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen ausdrückt, eine frühere, bereits im fraglichen Testament widerrufene letztwillige Verfügung wieder aufleben zu lassen bzw. unter welchen Voraussetzungen ein solcher "Widerruf des Widerrufs" als wirksam erfolgt anzusehen ist.
3.3 Im konkreten Fall sind sich die Parteien gemäss den verbindlichen (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG) vorinstanzlichen Feststellungen darüber einig, dass der Erblasser das Testament vom 17. März/27. Juni 2010 in Aufhebungsabsicht vernichtete. Mit der Vernichtung schaffte der Erblasser auch Ziffer 7 des Testaments aus der Welt, wonach "dieses Testament ... alle früheren letztwillige[n] Verfügungen und Testamente einschliesslich aller Nachträge zu diesen" ersetzt (s. Sachverhalt Bst. B.b). Eine (wie auch immer geartete) rechtsgeschäftliche Bedeutung kommt diesem Akt der Vernichtung freilich nur zu, wenn es sich bei der zerstörten Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 überhaupt um ein Testament im Rechtssinne handelte, der Tatbestand dieses einseitigen Rechtsgeschäfts also erfüllt war. Unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen und die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung ist insbesondere, dass der Erblasser seinen Testierwillen erklärt (BGE 131 III 601 E. 3.1 S. 604; BGE 116 II 117 E. 7c S. 128; vgl. auch BGE 78 II 348 E. 2 S. 350), das heisst seinen Willen, über sein Vermögen für die Zeit nach seinem Tod zu verfügen (BGE 88 II 67 E. 2 S. 71). Das Erfordernis eines erklärten Testierwillens zählt (wie der Erklärungsvorgang) zum Tatbestand der letztwilligen Verfügung. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um den rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen des Erblassers. Der
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Gestaltungswille umfasst zum einen den Geschäftswillen, das heisst den (endgültigen und aktuellen) Willensentschluss des Erklärenden, ein Rechtsverhältnis - hier die subjektiven Rechte an seinem Nachlass - in bestimmter Weise zu gestalten, und zum andern den Erklärungswillen, also den Entschluss des Erklärenden, den Geschäftswillen (als endgültigen Willen) zu äussern (vgl. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 22 ff. zu Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
OR). Entgegen dem, was die Beschwerdeführer anzunehmen scheinen, handelt es sich bei den Umständen, aus denen sich der Wille des Erblassers ergibt, um Tatfragen. Vom (Testier-)Willen zu unterscheiden ist die Rechtsfrage, ob der formgültig verurkundete Text das Gewollte wiedergibt (s. Urteil 5A_323/2013 vom 23. August 2013 E. 2.2 und 4). Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch für den Widerruf eines Testaments, denn auch er ist eine Verfügung von Todes wegen, mit welcher der Erblasser die Rechtslage bei seinem Tode beeinflussen will (oben E. 3.2). Was den hier zu beurteilenden Streit angeht, ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid, dass die Beschwerdegegnerin dem Erblasser mit Bezug auf das Testament vom 17. März/27. Juni 2010 den Testierwillen abspricht. Das Obergericht schliesst nicht aus, dass es sich bei dieser Urkunde um einen blossen Entwurf handelte, der Erblasser in diesem Schriftstück also (noch) nicht seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen zum Ausdruck brachte. In E. III/4.2 des angefochtenen Entscheids erklärt es zwar, dass der erstinstanzlichen Einschätzung, wonach aus Ziffer 7 des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 (s. Sachverhalt Bst. B.b) der Wille zum Widerruf des Testaments vom 7. November 2008 "unzweideutig hervorgehe", "grundsätzlich ohne weiteres zu folgen" sei. Trotzdem kann nicht gesagt werden, dass das Obergericht im angefochtenen Entscheid in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG) einen Testierwillen des Erblassers feststellt. Denn schon in E. III/4.8.1 des angefochtenen Entscheids erörtert die Vorinstanz erneut zwei gegensätzliche Hypothesen: Zum einen ist davon die Rede, was gälte, wenn es am Testierwillen fehlen würde, zum anderen kommt das Obergericht darauf zu sprechen, welche Fragen sich stellen würden, wenn von einem Testierwillen auszugehen wäre. Letztendlich bleibt im angefochtenen Entscheid ungewiss, ob der Erblasser in der Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 seinen Testierwillen zu Papier brachte. Zur Erklärung, weshalb es diese Ungewissheit nicht auszuräumen brauche, führt das Obergericht aus, dass Ziffer 7 des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 infolge der Vernichtung des
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Testaments gar nie wirksam gewesen sei (s. nicht publ. E. 2.2). Diese Einschätzung ist nach dem Gesagten bundesrechtswidrig (E. 3.2). Die dargelegte Unterscheidung zwischen dem Tatbestand und der Rechtsfolge der letztwilligen Verfügung bringt es mit sich, dass die Frage nach dem Testierwillen gerade nicht offenbleiben kann: Fehlte es dem Erblasser jedenfalls mit Bezug auf die fragliche Ziffer 7 des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 an einem rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen, so läge insofern gar keine Willenserklärung im Rechtssinne und damit keine letztwillige Verfügung vor. Diesfalls wäre die Vernichtung der Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 von vornherein irrelevant. Ist demgegenüber davon auszugehen, dass der Erblasser (zumindest) mit Bezug auf Ziffer 7 des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 seinen Testierwillen erklärte, und steht der Gültigkeit dieses Rechtsgeschäfts auch sonst nichts im Weg, so stellt sich mit Blick auf das Testament vom 7. November 2008 und die darauf gestützte Vermächtnisklage der Beschwerdegegnerin die Frage, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Erblasser das Testament vom 17. März/27. Juni 2010 vernichtete.
3.4 Im Ergebnis wird sich das Obergericht in einem neuen Entscheid abschliessend dazu äussern müssen, ob der Erblasser seinen Testierwillen erklärte, als er in Ziffer 7 der Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 anordnete, dass dieses Testament alle früheren letztwilligen Verfügungen und Testamente einschliesslich aller Nachträge ersetzt. Falls die Vorinstanz dies bejaht, wird sie sich mit der soeben formulierten Frage auseinandersetzen müssen, welche Konsequenzen sich aus der Vernichtung des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 ergeben. Im Hinblick darauf ist klarzustellen, dass die hier erörterten Grundlagen aus der Lehre von den Rechtsgeschäften (E. 3.1-3.3) nicht nur für die Errichtung eines Testaments gelten, sondern auch für den nach Massgabe von Art. 509 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 509 - 1 Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
1    Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind.
2    Der Widerruf kann die Verfügung ganz oder zum Teil beschlagen.
. ZGB erfolgten Widerruf letztwilliger Verfügungen (s. E. 3.3).
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Document : 144 III 81
Date : 08. Januar 2018
Published : 27. Juni 2018
Source : Bundesgericht
Status : 144 III 81
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 498 ff. und Art. 509 ff. ZGB; Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge letztwilliger Verfügungen; Vernichtung


Legislation register
BGG: 105
OR: 1
ZGB: 498  509  511
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108-II-405 • 113-II-270 • 116-II-117 • 131-III-601 • 144-III-81 • 78-II-348 • 88-II-67 • 91-II-264
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testament • testator • death • intention • disposition in contemplation of death • destruction • statement of affairs • lower instance • question • knowledge • federal court • unilateral legal act • law of succession • copy • month • decision • civil code • beginning • formation of real right • file
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