143 V 285
30. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. AXA Versicherungen AG gegen CSS Versicherung AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_555/2016 vom 13. Juni 2017
Regeste (de):
- Art. 6 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 6 Allgemeines - 1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt.
1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. 2 Die Versicherung erbringt ihre Leistungen auch bei folgenden Körperschädigungen, sofern sie nicht vorwiegend auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen sind: a Knochenbrüche; b Verrenkungen von Gelenken; c Meniskusrisse; d Muskelrisse; e Muskelzerrungen; f Sehnenrisse; g Bandläsionen; h Trommelfellverletzungen.21 3 Die Versicherung erbringt ihre Leistungen ausserdem für Schädigungen, die dem Verunfallten bei der Heilbehandlung zugefügt werden (Art. 10). SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV)
UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen.
- Eine beabsichtigte schädigende Einwirkung auf den menschlichen Körper, welche die Annahme einer unfallähnlichen Körperschädigung ausschliesst, liegt auch bei Eventualvorsatz vor (E. 4).
- Wer aus Wut oder Frust absichtlich mit der Faust gegen eine Wand schlägt, um sich abzureagieren und dabei einen Strecksehnenausriss am kleinen Finger erleidet, handelt diesbezüglich eventualvorsätzlich. Angesichts der Wucht des Schlags war das Verletzungsrisiko hier so nah, dass die versicherte Person nicht mehr auf das Ausbleiben des Erfolgs vertrauen konnte (E. 4.2.4).
Regeste (fr):
- Art. 6 al. 2 LAA; art. 9 al. 2 let. f OLAA (chacun dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 2016); lésion corporelle assimilée à un accident.
- Une atteinte dommageable volontaire portée au corps humain, laquelle exclut l'existence d'une lésion corporelle assimilée à un accident, doit être admise également en cas de dol éventuel (consid. 4).
- La personne, prise d'un accès de colère ou sous le coup d'une frustration, qui frappe volontairement une paroi avec le poing pour se défouler et qui, de ce fait, subit une déchirure du tendon extenseur de l'auriculaire, agit par dol éventuel. Etant donné la violence du coup, le risque de blessure était si prévisible que l'assuré ne pouvait plus croire que le résultat ne se réaliserait pas (consid. 4.2.4).
Regesto (it):
- Art. 6 cpv. 2 LAINF; art. 9 cpv. 2 lett. f OAINF (entrambi nella versione valida fino al 31 dicembre 2016); lesione corporale parificabile ai postumi di un infortunio.
- Un influsso volontario e provocante danni sul corpo umano, con cui è esclusa la presenza di una lesione corporale parificabile ai postumi di un infortunio, si realizza anche in caso di dolo eventuale (consid. 4).
- Chiunque per ira o per frustrazione intenzionalmente picchia un pugno contro una parete per sfogarsi e con ciò si provoca uno strappo del tendine al mignolo, agisce per dolo eventuale. Considerato l'impeto del colpo, il rischio di lesione era a tal punto probabile, che la persona assicurata non poteva più confidare nella non realizzazione dell'evento (consid. 4.2.4).
Sachverhalt ab Seite 286
BGE 143 V 285 S. 286
A. A. ist seit August 2001 als Fachmann Betriebsunterhalt bei der Gemeinde B. tätig und dadurch bei der AXA Versicherungen AG (nachfolgend: AXA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 11. Februar 2014 schlug A. aus Stress, Ärger oder Wut mit der rechten Faust in eine Wand und zog sich dabei einen subkutanen Strecksehnenausriss am rechten kleinen Finger zu (Unfallmeldung vom 20. Februar 2014 und Austrittsbericht der Chirurgischen Klinik des Spitals Wetzikon vom 13. Februar 2014). Die AXA verneinte einen Anspruch auf Versicherungsleistungen, da weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vorliege, nachdem sich der Versicherte die Schädigung absichtlich zugefügt habe (Verfügung vom 17. November 2014). Als zuständiger Krankenversicherer erhob die CSS Versicherung AG (nachfolgend: CSS) dagegen Einsprache. Die AXA hielt mit Einspracheentscheid vom 9. Februar 2015 an ihrer Leistungsablehnung fest.
B. Die hiergegen von der CSS eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Juni 2016 gut und stellte fest, dass A. für die Folgen des Ereignisses vom 11. Februar 2014 Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen der Unfallversicherung habe.
BGE 143 V 285 S. 287
C. Die AXA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 9. Februar 2015 zu bestätigen. Ferner wird um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ersucht. Die CSS schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet - genau wie der Versicherte - auf eine Vernehmlassung.
D. Mit Verfügung vom 20. Januar 2017 hat das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
E. Das Bundesgericht hat am 13. Juni 2017 eine öffentliche Beratung durchgeführt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Auf den 1. Januar 2017 sind die mit Bundesgesetz vom 25. September 2015 revidierten Bestimmungen des UVG in Kraft getreten, darunter auch Art. 6 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 6 Allgemeines - 1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. |
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1 | Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. |
2 | Die Versicherung erbringt ihre Leistungen auch bei folgenden Körperschädigungen, sofern sie nicht vorwiegend auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen sind: |
a | Knochenbrüche; |
b | Verrenkungen von Gelenken; |
c | Meniskusrisse; |
d | Muskelrisse; |
e | Muskelzerrungen; |
f | Sehnenrisse; |
g | Bandläsionen; |
h | Trommelfellverletzungen.21 |
3 | Die Versicherung erbringt ihre Leistungen ausserdem für Schädigungen, die dem Verunfallten bei der Heilbehandlung zugefügt werden (Art. 10). |
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 118 Übergangsbestimmungen - 1 Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, werden nach bisherigem Recht gewährt. |
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1 | Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, werden nach bisherigem Recht gewährt. |
2 | Für Versicherte der Suva gelten jedoch in den in Absatz 1 erwähnten Fällen vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an dessen Bestimmungen über: |
a | die Gewährung der Heilbehandlung nach Festsetzung der Rente (Art. 21), sofern der Anspruch erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht; |
b | den Ausschluss der Kürzung von Pflegeleistungen und Kostenvergütungen, wenn der Unfall oder die Berufskrankheit grobfahrlässig herbeigeführt wurde (Art. 37 Abs. 2); |
c | die Invalidenrenten, Integritätsentschädigungen, Hilflosenentschädigungen und Hinterlassenenrenten sowie die Leichentransport- und Bestattungskosten, sofern der Anspruch erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht; |
d | die Weitergewährung von Waisenrenten für Kinder, die noch in Ausbildung begriffen sind (Art. 30 Abs. 3), wobei der Anspruch auf die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits erloschenen Renten innert Jahresfrist geltend gemacht werden muss; |
e | den Auskauf von Renten (Art. 35); |
f | die Teuerungszulagen (Art. 34), wobei die Teuerung für alle Rentner durch die nach bisherigem Recht zugesprochenen Renten und allfälligen Teuerungszulagen als ausgeglichen gilt und die Zulagen für die Rentner des militärischen und zivilen Arbeitsdienstes weiterhin zu Lasten des Bundes gewährt werden. |
3 | War der verstorbene Versicherte durch gerichtliche Entscheidung oder durch Vertrag zu Unterhaltsbeiträgen an ein aussereheliches Kind im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches in der Fassung vom 10. Dezember 1907281 verpflichtet, so gilt dieses für die Gewährung von Waisenrenten als Kind des Versicherten. |
4 | Versicherungsleistungen für Nichtberufsunfälle, die sich vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 9. Oktober 1998282 ereignet haben, werden nach dem bisherigen Recht gewährt. Die Geldleistungen werden jedoch nach dem neuen Recht ausgerichtet, sofern der Anspruch nach Inkrafttreten der Änderung vom 9. Oktober 1998 entsteht.283 |
5 | Die Invalidenrenten, deren Anspruch vor Inkrafttreten der Änderung vom 15. Dezember 2000 entstanden ist, werden nach dem bisherigen Recht gewährt.284 |
2.2 Es steht ausser Frage, dass die Verletzung des Versicherten (Strecksehnenausriss) unter die in Art. 9 Abs. 2
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 4 Unfall - Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. |
BGE 143 V 285 S. 288
2.3 Bei den unfallähnlichen Körperschädigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 4 Unfall - Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. |
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
3.
3.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der Versicherte am 11. Februar 2014 anlässlich einer Zugfahrt aus Stress, Ärger oder Wut mit der Faust gegen eine Wand schlug und sich dabei die Verletzung in Gestalt eines traumatischen Strecksehnenausrisses am Endgelenk des kleinen Fingers zuzog. Streitig ist, ob es sich dabei um eine unfallähnliche Körperschädigung handelt.
3.2 Die Vorinstanz bejahte dies. Sie führte aus, es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Verletzung absichtlich oder zumindest eventualvorsätzlich erfolgt sei. Der Versicherte habe sich mit dem Faustschlag Erleichterung von seinem Ärger und seiner Wut verschafft. Aufgrund der Wut sei die alltägliche Geste unkontrollierbar geworden, hierin liege der für die Annahme einer unfallähnlichen
BGE 143 V 285 S. 289
Körperschädigung vorausgesetzte äussere Faktor. Die Verletzung habe er damit aber nicht in Kauf genommen und sich auch nicht mit dieser Möglichkeit abgefunden. Es liege daher kein Eventualvorsatz vor. Da der Versicherte nicht eventualvorsätzlich gehandelt habe, erübrige sich auch die Klärung der Frage, ob ein solcher als absichtliche Herbeiführung des Gesundheitsschadens nach Art. 37 Abs. 1
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 37 Verschulden des Versicherten - 1 Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten. |
|
1 | Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten. |
2 | In Abweichung von Artikel 21 Absatz 1 ATSG84 werden in der Versicherung der Nichtberufsunfälle die Taggelder, die während der ersten zwei Jahre nach dem Unfall ausgerichtet werden, gekürzt, wenn der Versicherte den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Die Kürzung beträgt jedoch höchstens die Hälfte der Leistungen, wenn der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls für Angehörige zu sorgen hat, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustehen würden.85 |
3 | Hat der Versicherte den Unfall bei nicht vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können ihm in Abweichung von Artikel 21 Absatz 1 ATSG die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustünden, so werden Geldleistungen höchstens um die Hälfte gekürzt. Stirbt er an den Unfallfolgen, so können die Geldleistungen für die Hinterlassenen in Abweichung von Artikel 21 Absatz 2 ATSG ebenfalls höchstens um die Hälfte gekürzt werden.86 |
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 39 Aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse - Der Bundesrat kann aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse bezeichnen, die in der Versicherung der Nichtberufsunfälle zur Verweigerung sämtlicher Leistungen oder zur Kürzung der Geldleistungen führen. Die Verweigerung oder Kürzung kann er in Abweichung von Artikel 21 Absätze 1-3 ATSG89 ordnen. |
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 50 Wagnisse - 1 Bei Nichtberufsunfällen, die auf ein Wagnis zurückgehen, werden die Geldleistungen um die Hälfte gekürzt und in besonders schweren Fällen verweigert. |
|
1 | Bei Nichtberufsunfällen, die auf ein Wagnis zurückgehen, werden die Geldleistungen um die Hälfte gekürzt und in besonders schweren Fällen verweigert. |
2 | Wagnisse sind Handlungen, mit denen sich der Versicherte einer besonders grossen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehren zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken. Rettungshandlungen zugunsten von Personen sind indessen auch dann versichert, wenn sie an sich als Wagnisse zu betrachten sind. |
3.3 Die Beschwerdeführerin stellt sich dagegen auf den Standpunkt, die verlangte fehlende Absicht der schädigenden Einwirkung beziehe sich auf die Einwirkung selbst. Hier sei der Faustschlag gegen die Wand zweifelsohne beabsichtigt gewesen. Weiter sei aufgrund der Ausgangssituation und der erlittenen Verletzung anzunehmen, dass der Versicherte den Schlag heftig und unkontrolliert ausgeführt habe. Daher sei die erlittene Verletzung ein zwingender immanenter Bestandteil der absichtlich herbeigeführten schädigenden Handlung. Bei einem heftigen, unkontrollierten Faustschlag werde eine Verletzung - entgegen der Vorinstanz - billigend in Kauf genommen und diese daher zumindest eventualvorsätzlich herbeigeführt. Aufgrund der objektiven Gefährlichkeit der Aktivität sei auf eine freiwillige Gesundheitsschädigung zu schliessen. Ein Faustschlag gegen die Wand sei zwingend mit der Gefahr einer Gesundheitsschädigung verbunden; zumindest eine Kontusion der Finger oder der Faust lasse sich bei einer solchen Tat nicht vermeiden. Es liege ein sinnloser, selbstschädigender Vorgang ohne schützenswerten Charakter vor, dessen wirklicher Wille nicht eruierbar sei. Ähnlich dem Ritzen mit dem Messer am Arm oder dem Zerdrücken eines Glases mit der Hand sei hier per se eine selbstschädigende Handlung anzunehmen. Bei dieser Sachlage sei nicht nachvollziehbar, wie das kantonale Gericht habe zum Schluss gelangen können, dass keine Anhaltspunkte für eine absichtliche oder eventualvorsätzliche Schädigung vorlägen. Überdies sei auch kein äusserer Faktor gegeben. Der Faustschlag sei nicht in einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage erfolgt, sondern dieser selbst begründe die Gefahrenlage. Verglichen mit dem von der Vorinstanz als Beispiel erwähnten Fersentritt auf den Boden sei bei einem Faustschlag gegen die Wand die Krafteinwirkung und die Verletzungsgefahr viel grösser; der Fersentritt auf den Boden sei nicht zwingend auf eine Schädigung ausgerichtet. Die Wand sei Bestandteil des beabsichtigten Hergangs
BGE 143 V 285 S. 290
gewesen, weshalb schliesslich keine Programmwidrigkeit und damit keine äussere Einwirkung im Sinne der Rechtsprechung vorliege.
4.
4.1 Der Beschwerdeführerin ist mit Blick auf den verlangten äusseren Faktor zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall die Handlung als solche die Gesundheit gefährdete und der Faustschlag somit nicht in einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage stattfand. Damit allein ist für sie jedoch noch nichts gewonnen. Vielmehr verhält es sich im vorliegenden Fall wie mit dem Sachverhalt, den das Bundesgericht in BGE 139 V 327 zu beurteilen hatte. Damals erkannte es in Zusammenhang mit einem Fersenbeinbruch, die empfundenen Schmerzen seien nicht spontan aufgetreten, sondern nach heftigem Schlag der Ferse gegen den Boden. Dabei handle es sich um einen klar erkennbaren äusseren Faktor. Im Übrigen erwog es - in Einklang mit BGE 129 V 466 E. 4.2.2 S. 470 -, ein äusserer Faktor mit erheblichem Schädigungspotenzial liege dann vor, wenn die in Frage stehende Lebensverrichtung einer mehr als physiologisch normalen und psychologisch beherrschten Beanspruchung des Körpers gleichkomme. Das treffe dort zu, wo alltägliche Handlungen unkontrollierbar würden wie bei einer nicht beherrschten heftigen Bewegung im Zuge eines Wutanfalles ("... comme un accès de colère au cours duquel une personne effectue un mouvement violent non maîtrisé"; BGE 139 V 327 E. 3.3.1 S. 329). Von einer solchen Sachlage ist auch beim hier zu beurteilenden Schlag gegen die Wand auszugehen, der laut unwidersprochenen Angaben in der Unfallmeldung "aus Stress und Ärger" erfolgte.
4.2
4.2.1 Weiter schliesst die absichtliche Gesundheitsschädigung die Annahme eines Unfalls begriffsnotwendig aus (E. 2.2 hiervor). Die Absicht bzw. Unfreiwilligkeit bezieht sich dabei auf die Herbeiführung eines Gesundheitsschadens selbst und nicht auf die zur gesundheitlichen Schädigung führende Handlung (BGE 139 V 327 E. 3.3.2 S. 330; BGE 115 V 151 E. 4 S. 152; RKUV 2000 Nr. U 385 S. 267, U 228/99 E. 3b/aa). Einigkeit besteht darin, dass der Versicherte keinen versehentlichen Faustschlag ausführte, sondern seine Aggression absichtlich an der Wand abreagierte. Ebenfalls ist nicht streitig, dass er sich dabei nicht mit Absicht verletzte. Anders als einem Aufstampfen auf dem Boden wohnt einem unkontrollierten Faustschlag in die Wand jedoch ein grösseres Verletzungsrisiko inne, weshalb hier auf die Frage des Eventualvorsatzes näher einzugehen ist.
BGE 143 V 285 S. 291
4.2.2 Eventualvorsatz liegt dann vor, wenn jemand den Eintritt des Erfolgs für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er oder sie den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt (vgl. Art. 12 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 12 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
|
1 | Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. |
2 | Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. |
3 | Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. |
4.2.3 Ein wesentlicher Teil des sozialversicherungsrechtlichen Schrifttums lässt nebst eigentlicher Absicht und einfachem Vorsatz auch Eventualvorsatz genügen, um fehlende Absicht bzw. Unfreiwilligkeit und damit das Vorliegen eines Unfalls auszuschliessen (ALFRED BÜHLER, Der Unfallbegriff, in: Haftpflicht- und Versicherungsrechtstagung, 1995, S. 195 ff., 211, insbesondere unter Berufung auf ROLAND SCHAER UND ANDERE, Das Verschulden im Wandel des Privatversicherungs-, Sozialversicherungs- und Haftpflichtrechts, 1992, S. 33; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 21 zu Art. 4
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 4 Unfall - Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. |
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 37 Verschulden des Versicherten - 1 Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten. |
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1 | Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten. |
2 | In Abweichung von Artikel 21 Absatz 1 ATSG84 werden in der Versicherung der Nichtberufsunfälle die Taggelder, die während der ersten zwei Jahre nach dem Unfall ausgerichtet werden, gekürzt, wenn der Versicherte den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Die Kürzung beträgt jedoch höchstens die Hälfte der Leistungen, wenn der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls für Angehörige zu sorgen hat, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustehen würden.85 |
3 | Hat der Versicherte den Unfall bei nicht vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können ihm in Abweichung von Artikel 21 Absatz 1 ATSG die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustünden, so werden Geldleistungen höchstens um die Hälfte gekürzt. Stirbt er an den Unfallfolgen, so können die Geldleistungen für die Hinterlassenen in Abweichung von Artikel 21 Absatz 2 ATSG ebenfalls höchstens um die Hälfte gekürzt werden.86 |
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 39 Aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse - Der Bundesrat kann aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse bezeichnen, die in der Versicherung der Nichtberufsunfälle zur Verweigerung sämtlicher Leistungen oder zur Kürzung der Geldleistungen führen. Die Verweigerung oder Kürzung kann er in Abweichung von Artikel 21 Absätze 1-3 ATSG89 ordnen. |
BGE 143 V 285 S. 292
Privatversicherungsrecht (vgl. Art. 14 Abs. 1
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 14 - 1 Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
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1 | Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. |
2 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, seine Leistung in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnisse zu kürzen. |
3 | Ist das Ereignis absichtlich oder grobfahrlässig von einer Person herbeigeführt worden, die mit dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder für deren Handlungen der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte einstehen muss, und hat er sich in der Beaufsichtigung, durch die Anstellung oder durch die Aufnahme jener Person einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht, so kann das Versicherungsunternehmen seine Leistung in einem Verhältnisse kürzen, das dem Grade des Verschuldens des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten entspricht. |
4 | Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt oder sich einer leichten Fahrlässigkeit im Sinne des vorhergehenden Absatzes schuldig gemacht, oder hat eine der übrigen dort aufgeführten Personen das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. |
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 37 Verschulden des Versicherten - 1 Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten. |
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1 | Hat der Versicherte den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten. |
2 | In Abweichung von Artikel 21 Absatz 1 ATSG84 werden in der Versicherung der Nichtberufsunfälle die Taggelder, die während der ersten zwei Jahre nach dem Unfall ausgerichtet werden, gekürzt, wenn der Versicherte den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Die Kürzung beträgt jedoch höchstens die Hälfte der Leistungen, wenn der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls für Angehörige zu sorgen hat, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustehen würden.85 |
3 | Hat der Versicherte den Unfall bei nicht vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können ihm in Abweichung von Artikel 21 Absatz 1 ATSG die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustünden, so werden Geldleistungen höchstens um die Hälfte gekürzt. Stirbt er an den Unfallfolgen, so können die Geldleistungen für die Hinterlassenen in Abweichung von Artikel 21 Absatz 2 ATSG ebenfalls höchstens um die Hälfte gekürzt werden.86 |
BGE 143 V 285 S. 293
4.2.4 Nach der Rechtsprechung kann ein Eventualvorsatz nicht bereits aus dem Wissen um die Möglichkeit des Schadenseintritts oder dessen Bewertung als adäquat kausale Handlungsfolge abgeleitet werden (Urteil 6S.265/1992 vom 15. April 1993 E. 5a, nicht publ. in BGE 119 IV 1; BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17 mit Hinweisen; Urteil 8C_271/2012 vom 17. Juli 2012 E. 6.2.1). Schläge der hier gegebenen Art gegen eine Wand oder auf einen Tisch, sei es mit der Hand, der Faust oder mit dem Fuss, erfolgen in aller Regel aus einer mehr oder weniger heftigen Gemütsbewegung heraus gleichsam eruptiv, und zwar mit dem primären Ziel, Druck abzubauen bzw. "Dampf abzulassen". Der Widerstand in Gestalt des geschlagenen Objekts wird dabei gezielt gesucht. Dabei mag es gerade angesichts der affektiv aufgeladenen Situation mitunter vorkommen, dass die schlagende Person eine besondere Beschaffenheit oder Situierung des Zielobjekts verkennt, woraus sich Verletzungsfolgen ergeben können, die nicht vorausgesehen wurden, geschweige denn gewollt waren. Dass im vorliegenden Fall eine solche Situation vorgelegen haben könnte, wird trotz des Hinweises in der Unfallmeldung, wonach der Handschlag gegen eine Kante erfolgt sei, weder von der Beschwerdegegnerin noch vom Versicherten geltend gemacht. Ausser Frage steht jedoch, dass der Schlag des hier beteiligten Versicherten aus einer Gemütsbewegung heraus erfolgt war. Derlei geschieht notwendigerweise mit Wucht und dies wenn nicht in der Absicht, so doch mit Wissen um den damit verbundenen Schmerz, der in aller Regel auch gewollt ist. Je nach Wucht kann ein solcher Schlag nicht nur schmerzhaft sein, sondern - wie im vorliegenden Fall mit dem erfolgten Strecksehnenausriss - ernsthafte Verletzungsfolgen zeitigen. Je heftiger der Schlag geführt wird, desto näher liegt eine solche Verletzungsfolge und umso eher wird sie vom Wissen der handelnden Person als mögliche Folge erfasst. Daraus darf auf den Willen geschlossen werden, wenn sich dem Handelnden der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Aufgrund der hier gegebenen Verletzungsfolge musste der Versicherte seinen Schlag heftig ausgeführt haben, zumal nichts auf eine vorbestandene Schädigung hindeutet und - wie soeben erwogen - auch keine besondere Beschaffenheit oder Anordnung der Aufschlagsfläche vorlag. Dass er um die Möglichkeit des damit verursachten
BGE 143 V 285 S. 294
Gesundheitsschadens nicht gewusst haben könnte, ist nicht anzunehmen. Immerhin scheint angesichts der mitbeteiligten Affektlage fraglich, ob dies hinsichtlich der ganzen Tragweite der dabei verursachten Verletzungs- und Behandlungsfolgen der Fall gewesen war. Dessen ungeachtet ging der Schlag über das hinaus, was bei alltäglichen Formen des Sich-Abreagierens ("Dampfablassen") noch üblich ist. Angesichts der Wucht des Schlages war die Verletzungswahrscheinlichkeit sehr gross, zumal mit Blick darauf, dass es sich beim hier betroffenen Kleinfinger um einen sehr feingliedrigen, entsprechend empfindlichen Körperteil handelt. Damit war das Verletzungsrisiko so nah, dass der Versicherte nicht mehr auf das Ausbleiben des Erfolgs vertrauen konnte. Daran ändert die affektive Gemütslage nichts. Vielmehr wurde durch die Aggression die Faust undosiert und unkontrolliert, wider jegliche Sorgfalt gegen die Wand geschlagen. Obwohl zurückhaltend auf Eventualvorsatz zu schliessen ist (E. 4.2.2), liegt nach dem Gesagten mit der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Schädigung ein solcher vor. In einem weiteren Schritt gilt es sodann klarzustellen, dass in grundsätzlicher Hinsicht mit wesentlichen Teilen des insbesondere neueren Schrifttums (E. 4.2.3) das in RKUV 2000 Nr. U 385 S. 267, U 228/99 Gesagte zu bestätigen ist, wonach die absichtliche Gesundheitsschädigung auch den Eventualvorsatz einschliesst. Denn es ist, auch unter dem Blickwinkel der Schadensverhütung, nicht ersichtlich, weshalb derjenige, der eine Gesundheitsschädigung in Kauf nimmt, anders behandelt werden soll als jener, der die Schädigung will. Die Folgen einer sinnlosen Gewalteinwirkung der vorliegenden Art sollen überdies nicht von der Versichertengemeinschaft getragen werden müssen.
4.2.5 Ist eine eventualvorsätzliche Schädigung zu bejahen, liegt keine unfallähnliche Körperschädigung vor. Damit begründet das vorliegende Geschehen keine Leistungspflicht der AXA gestützt auf Art. 9 Abs. 2
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV) UVV Art. 9 Unfallähnliche Körperschädigungen - Keine Körperschädigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 UVG stellen nicht unfallbedingte Schäden an Sachen dar, die infolge einer Krankheit eingesetzt wurden und einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen. |
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG) UVG Art. 6 Allgemeines - 1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. |
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1 | Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. |
2 | Die Versicherung erbringt ihre Leistungen auch bei folgenden Körperschädigungen, sofern sie nicht vorwiegend auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen sind: |
a | Knochenbrüche; |
b | Verrenkungen von Gelenken; |
c | Meniskusrisse; |
d | Muskelrisse; |
e | Muskelzerrungen; |
f | Sehnenrisse; |
g | Bandläsionen; |
h | Trommelfellverletzungen.21 |
3 | Die Versicherung erbringt ihre Leistungen ausserdem für Schädigungen, die dem Verunfallten bei der Heilbehandlung zugefügt werden (Art. 10). |