Urteilskopf

143 II 361

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_101/2017 vom 1. März 2017

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Sachverhalt ab Seite 362

BGE 143 II 361 S. 362

A. Am 5. Januar 2017 wurde der (nach eigenen Angaben) kamerunische Staatsangehörige A. (geboren 1970) einreisend von Frankreich in die Schweiz von den Schweizer Grenzwachbehörden kontrolliert. Gleichentags wurde A. vorläufig festgenommen. Das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt führte gleichentags eine Einvernahme durch, zu welcher A. eine Anwältin beigegeben wurde. Nach dieser Einvernahme ordnete das kantonale Migrationsamt mit Verfügung desselben Datums gestützt auf Art. 76a Abs. 3 lit. a
SR 142.20 Loi fédérale du 16 décembre 2005 sur les étrangers et l'intégration (LEI)
LEI Art. 76a Détention dans le cadre de la procédure Dublin - 1 Afin d'assurer son renvoi dans l'État Dublin responsable, l'autorité compétente peut mettre l'étranger en détention sur la base d'une évaluation individuelle lorsque les conditions suivantes sont remplies:
des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) eine Administrativhaft (sog. "Dublin-Haft", vgl. Botschaft vom 7. März 2014 über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen [EU] Nr. 603/2013 und [EU] Nr. 604/2013 [Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands], BBl 2014 2694 [nachfolgend: Botschaft Dublin 2014]) von sieben Wochen an und eröffnete A. diese Verfügung noch in Anwesenheit der Rechtsvertreterin. Mit Eingabe vom 16. Januar 2017 an das kantonale Migrationsamt ersuchte der neue Rechtsvertreter im Namen von A. um gerichtliche Überprüfung der Haft und stellte den Antrag, A. sei, unter Gewährung der unentgeltlichen
BGE 143 II 361 S. 363

Rechtspflege und Verbeiständung, unverzüglich aus der Haft zu entlassen.
B. Mit Urteil vom 20. Januar 2017 erkannte die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, die vom kantonalen Migrationsamt für die Dauer vom 6. Januar 2017 bis 24. Februar 2017 angeordnete Haft sei rechtmässig und angemessen. Der Antrag auf unentgeltliche Verbeiständung wurde abgewiesen.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. Januar 2017 beantragt A., anwaltlich vertreten, das Urteil der Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 20. Januar 2017 sei vollumfänglich, eventualiter teilweise, aufzuheben. Der Beschwerdeführer sei unverzüglich aus der Ausschaffungshaft zu entlassen und auf freien Fuss zu setzen. Der vorinstanzliche Kostenentscheid sei vollumfänglich aufzuheben, eventualiter sei dem Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit dem Unterzeichneten als Advokaten zu bewilligen und es sei die Angelegenheit zur Festsetzung eines angemessenen Anwaltshonorars an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit dem Unterzeichneten als Advokaten zu bewilligen. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Als begründet erweist sich die Beschwerde, soweit dem Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren auf richterliche Überprüfung der Dublin-Haft die unentgeltliche Verbeiständung verwehrt worden ist.
3.1 Während die verfahrensrechtlichen Garantien in Zusammenhang mit dem Überstellungsentscheid in Art. 27
SR 142.20 Loi fédérale du 16 décembre 2005 sur les étrangers et l'intégration (LEI)
LEI Art. 76a Détention dans le cadre de la procédure Dublin - 1 Afin d'assurer son renvoi dans l'État Dublin responsable, l'autorité compétente peut mettre l'étranger en détention sur la base d'une évaluation individuelle lorsque les conditions suivantes sont remplies:
der Verordnung EU Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten
BGE 143 II 361 S. 364

Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013 S. 31-59; nachfolgend: Dublin-Verordnung) und die unentgeltliche Rechtspflege insbesondere in Art. 27 Abs. 6 der Dublin-Verordnung geregelt worden ist (Botschaft Dublin 2014, BBl 2014 2688 f. Ziff. 3.1.2; HRUSCHKA/MAIANI, EU Immigration and Asylum Law, A Commentary, 2. Aufl. 2016, N. 20 ff. zu Art. 27 Abs. 5 und Abs. 6 Dublin III Regulation [EU] Nr. 604/2013), verweist Art. 28 Abs. 4 der Dublin-Verordnung hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen zwecks Absicherung der Überstellungsverfahren in den zuständigen Dublin-Mitgliedstaaten auf die Art. 9, Art. 10 und Art. 11 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013 S. 96-116).
3.2 Gemäss Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie 2013/33/EU sorgen die Mitgliedstaaten bei der erstmaligen richterlichen Prüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft dafür, dass die Antragsteller unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch nehmen können, wobei die Rechtsberatung und -vertretung zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Inhaftierten vor den Justizbehörden umfasst. Der Gesetzeswortlaut von Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie 2013/33/EU eröffnet, im Gegensatz zu Art. 26 Abs. 3 derselben Richtlinie, den einzelnen Staaten nicht die Möglichkeit, die unentgeltliche Rechtspflege vom Erfordernis einer konkreten Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abhängig zu machen. Wortlaut und Zusammenhang des Gesetzestextes legen somit nahe, dass Inhaftierte für die Haftüberprüfung Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Sache selbst haben (PEEK/TSOURDI, EU Immigration and Asylum Law, A Commentary, 2. Aufl. 2016, N. 16 zu Art. 9 Asylum Reception Conditions Directive 2013/33/EU). Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch bestätigt, dass der Verzicht auf das Erfordernis der Erfolgsaussicht im Wortlaut von Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie 2013/33/EU auf einen zwischen Europäischem Parlament und dem Rat erzielten Kompromiss zurückzuführen ist (Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die
BGE 143 II 361 S. 365

Aufnahme von Antragstellern auf internationalen Schutz [Neufassung], angenommen am 6. Juni2013 [ST 14654/2/12 REV 2 ADD 1],S. 4, 7). Die einzelnen Staaten können jedoch die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Zusammenhang mit dem Haftprüfungsverfahren von der finanziellen Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig machen (Art. 9 Abs. 7 lit. a, Abs. 8 lit. b Richtlinie 2013/33/EU), sie durch spezifische, nach nationalem Recht zur Unterstützung von Antragsstellern bestimmten Personen erbringen lassen (Art. 9 Abs. 7 lit. b Richtlinie 2013/33/EU) und sie nach finanziellen und/oder zeitlichen Kriterien begrenzen (Art. 9 Abs. 8 lit. a Richtlinie 2013/33/EU; vgl. dazu PEEK/TSOURDI, a.a.O., N. 14 f.).
3.3 Durch den in Art. 28 Abs. 4 Dublin-Verordnung enthaltenen Verweis wird die Regelung, auf welche verwiesen wird (Art. 9, Art. 10, Art. 11 der Richtlinie 2013/33/EU), durch Inkorporation Teil der Dublin-Verordnung und ist als solche als Teil des acquis auch im Verhältnis zur Schweiz anwendbar (HRUSCHKA/MAIANI, a.a.O., N. 5 zu Art. 28 Dublin III Regulation [EU] Nr. 604/2013; ausdrücklich auch Botschaft Dublin 2014, BBl 2014 2707). Angesichts dessen, dass das Recht auf unentgeltliche Verbeiständung anlässlich der erstmaligen richterlichen Überprüfung der Dublin-Haft nicht von den Erfolgsaussichten in der Sache selbst und, anders als bei ausländerrechtlicher Haft üblich (vgl. BGE 139 I 206 E. 3.3.1 S. 214; BGE 134 I 92 E. 3.2.3 S. 100; Urteile 2C_526/2016 vom 30. Juni 2016 E. 2.1; 2C_906/2008 vom 28. April 2009 E. 2.2.2), auch nicht erst nach einem bestimmten Zeitablauf entsteht, hätte die Vorinstanz prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer bedürftig ist und ihm deswegen die Verbeiständung unentgeltlich hätte gewährt werden müssen. In diesem Punkt erweist sich die Beschwerde als begründet, und ist sie teilweise gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben, als der Antrag auf unentgeltliche Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren abgewiesen wurde, und die Sache in diesem Umfang zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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Document : 143 II 361
Date : 01 mars 2017
Publié : 19 octobre 2017
Source : Tribunal fédéral
Statut : 143 II 361
Domaine : ATF - Droit administratif et droit international public
Objet : Art. 5 CEDH; art. 29 al. 3, art. 31 Cst.; art. 76a, art. 80a LEtr; art. 1 al. 3 et art. 4 AAD; art. 28 al. 4 du Règlement


Répertoire des lois
CEDH: 5
IR 0.101 Convention du 4 novembre 1950 de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales (CEDH)
CEDH Art. 5 Droit à la liberté et à la sûreté - 1. Toute personne a droit à la liberté et à la sûreté. Nul ne peut être privé de sa liberté, sauf dans les cas suivants et selon les voies légales:
1    Toute personne a droit à la liberté et à la sûreté. Nul ne peut être privé de sa liberté, sauf dans les cas suivants et selon les voies légales:
a  s'il est détenu régulièrement après condamnation par un tribunal compétent;
b  s'il a fait l'objet d'une arrestation ou d'une détention régulières pour insoumission à une ordonnance rendue, conformément à la loi, par un tribunal ou en vue de garantir l'exécution d'une obligation prescrite par la loi;
c  s'il a été arrêté et détenu en vue d'être conduit devant l'autorité judiciaire compétente, lorsqu'il y a des raisons plausibles de soupçonner qu'il a commis une infraction ou qu'il y a des motifs raisonnables de croire à la nécessité de l'empêcher de commettre une infraction ou de s'enfuir après l'accomplissement de celle-ci;
d  s'il s'agit de la détention régulière d'un mineur, décidée pour son éducation surveillée ou de sa détention régulière, afin de le traduire devant l'autorité compétente;
e  s'il s'agit de la détention régulière d'une personne susceptible de propager une maladie contagieuse, d'un aliéné, d'un alcoolique, d'un toxicomane ou d'un vagabond;
f  s'il s'agit de l'arrestation ou de la détention régulières d'une personne pour l'empêcher de pénétrer irrégulièrement dans le territoire, ou contre laquelle une procédure d'expulsion ou d'extradition est en cours.
2    Toute personne arrêtée doit être informée, dans le plus court délai et dans une langue qu'elle comprend, des raisons de son arrestation et de toute accusation portée contre elle.
3    Toute personne arrêtée ou détenue, dans les conditions prévues au par. 1.c du présent article, doit être aussitôt traduite devant un juge ou un autre magistrat habilité par la loi à exercer des fonctions judiciaires et a le droit d'être jugée dans un délai raisonnable, ou libérée pendant la procédure. La mise en liberté peut être subordonnée à une garantie assurant la comparution de l'intéressé à l'audience.
4    Toute personne privée de sa liberté par arrestation ou détention a le droit d'introduire un recours devant un tribunal, afin qu'il statue à bref délai sur la légalité de sa détention et ordonne sa libération si la détention est illégale.
5    Toute personne victime d'une arrestation ou d'une détention dans des conditions contraires aux dispositions de cet article a droit à réparation.
Cst: 29 
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 29 Garanties générales de procédure - 1 Toute personne a droit, dans une procédure judiciaire ou administrative, à ce que sa cause soit traitée équitablement et jugée dans un délai raisonnable.
31
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 31 Privation de liberté - 1 Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit.
LEtr: 76a 
SR 142.20 Loi fédérale du 16 décembre 2005 sur les étrangers et l'intégration (LEI)
LEI Art. 76a Détention dans le cadre de la procédure Dublin - 1 Afin d'assurer son renvoi dans l'État Dublin responsable, l'autorité compétente peut mettre l'étranger en détention sur la base d'une évaluation individuelle lorsque les conditions suivantes sont remplies:
80a
SR 142.20 Loi fédérale du 16 décembre 2005 sur les étrangers et l'intégration (LEI)
LEI Art. 80a Décision et examen de la détention dans le cadre de la procédure Dublin - 1 La compétence d'ordonner une détention au sens de l'art. 76a ressortit:
UE: 27  28
Répertoire ATF
134-I-92 • 139-I-206 • 143-II-361
Weitere Urteile ab 2000
2C_101/2017 • 2C_526/2016 • 2C_906/2008
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
assistance judiciaire • autorité inférieure • norme • parlement européen • bâle-ville • état membre • recours en matière de droit public • détention aux fins d'expulsion • décision • représentation en procédure • autorité judiciaire • entrée dans un pays • avocat • contrôle de la détention • loi fédérale sur les étrangers • autorisation ou approbation • moyen de droit • renvoi • état de fait • tribunal fédéral
... Les montrer tous
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2014/2688 • 2014/2694 • 2014/2707
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2013/33
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