Urteilskopf

141 IV 10

2. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und A. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_123/2014 vom 2. Dezember 2014

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 11

BGE 141 IV 10 S. 11

A. X. lebt getrennt von seiner ehemaligen Lebenspartnerin A. Die beiden gemeinsamen Kinder wohnten bis am 15. Oktober 2011 bei der Mutter, wobei die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge innehatten. Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich wirft X. vor, die Kinder am 15. Oktober 2011 im Rahmen seines Besuchsrechts abgeholt zu haben, mit ihnen ohne Wissen und Zustimmung der Mutter sowie der Beiständin nach Nigeria gereist zu sein und sie dort bei Familienangehörigen zurückgelassen zu haben. Dies in der Absicht, die Kinder dort aufziehen zu lassen, bis ihm durch die schweizerischen Behörden die alleinige elterliche Sorge übertragen werde. X. wurde am 30. Oktober 2011 verhaftet. Am 25. November 2011 wurde der Mutter die alleinige elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder zugeteilt, was X. am 13. Dezember 2011 eröffnet wurde. Gemäss Anklage habe er ab diesem Zeitpunkt gewusst, dass er nicht befugt sei, über den Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen und ihnen die Rückkehr zur Mutter zu verwehren. Trotzdem weigere er sich seither, durch entsprechende Anweisung seiner Familienangehörigen in der Schweiz oder in Nigeria die Rückführung der Kinder zu veranlassen, obwohl ihm dies möglich wäre, was er wisse.

B. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X. am 13. Januar 2014 zweitinstanzlich wegen mehrfacher qualifizierter Freiheitsberaubung und mehrfachen Entziehens von Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren.
BGE 141 IV 10 S. 12

C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen im Hauptpunkt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
D. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich verzichten auf eine Stellungnahme. A. lässt sich nicht vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4.

4.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen mehrfacher qualifizierter Freiheitsberaubung. Die Vorinstanz lege das Tatbestandsmerkmal der Freiheitsberaubung zu extensiv aus, wenn sie diese im Umstand erblicke, dass die Kinder nicht zu ihrer Mutter gelangen können.
4.2 Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe spätestens seit dem 13. Dezember 2011 gewusst, dass die alleinige elterliche Sorge der Kindsmutter zugeteilt worden und er nicht befugt sei, über den Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen. Er habe unrechtmässig gehandelt, indem er die Rückführung der Kinder nicht veranlasst habe. Wenn 3½- und 5-jährige Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und in einem fremden Land bei nicht näher bekannten Personen zurückgelassen würden, seien sie gehindert, den aktuellen Aufenthaltsort zu verlassen und zu ihrer Mutter zurückzukehren. Dies schränke ihre Fortbewegungsfreiheit unzulässig ein. Bei Kleinkindern sei es unerheblich, ob sie gefesselt oder eingesperrt würden, da sie sich ohne erwachsene Personen ohnehin nicht nach ihrem Belieben fortbewegen und alleine kaum überleben könnten. Der Beschwerdeführer verwehre mit seinem Verhalten der Kindsmutter als Schutzberufene den Zugang zu den Kindern und beschränke deren Fortbewegungsfreiheit unzulässig. Ferner könnten sich die Kinder nicht unabhängig von seinem Willen bewegen.

4.3 Gemäss Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB wird bestraft, wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht (Freiheitsberaubung; Ziff. 1 Abs. 1) oder wer jemanden durch Gewalt, List und Drohung entführt oder wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder
BGE 141 IV 10 S. 13

noch nicht 16 Jahre alt ist (Entführung; Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2). Das geschützte Rechtsgut ist die körperliche Fortbewegungsfreiheit. Bei der Freiheitsberaubung wird das Opfer unrechtmässig festgehalten, während es bei der Entführung umgekehrt von einem Ort an einen anderen verbracht wird (BGE 119 IV 216 E. 2e S. 220; BGE 118 IV 61 E. 2b S. 63 und E. 3a S. 64; DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 20 und 23 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB). Erschwerende Umstände im Sinne von Art. 184 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 184 - Freiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,
StGB liegen vor, wenn der Entzug der Freiheit mehr als zehn Tage dauert (BGE 119 IV 216 E. 2d und e S. 219 ff.).
4.4

4.4.1 Freiheitsberaubung ist die Aufhebung der körperlichen Bewegungsfreiheit (TRECHSEL/FINGERHUTH, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB). Unrechtmässig ist eine Freiheitsberaubung, wenn rechtfertigende Umstände fehlen. Als solche kommen nebst den gesetzlichen Rechtfertigungsgründen nach Art. 14 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
. StGB auch Einwilligungen in Betracht (DELNON/RÜDY, a.a.O., N. 53 f. zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB). Die unzulässige Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit liegt nach Rechtsprechung und Lehre darin, dass jemand daran gehindert wird, sich selbstständig, mit Hilfsmitteln oder mit Hilfe Dritter nach eigener Wahl vom Ort, an dem er sich befindet, an einen anderen Ort zu begeben oder bringen zu lassen (BGE 101 IV 154 E. 3b S. 160; DELNON/RÜDY, a.a.O., N. 20 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB). Demgegenüber erfüllt den Tatbestand nicht, wer jemanden zwingt, einen Ort zu verlassen (BGE 101 IV 154 E. 3b S. 161). Ebenfalls keine unzulässige Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit liegt vor, wenn eine Person einen bestimmten Ort überhaupt nicht oder nicht auf dem gewünschten Weg erreichen kann. Eine partielle Beeinträchtigung der Freiheit, den Aufenthaltsort zu wählen, ist keine Freiheitsberaubung. Nur eine umfassende Aufhebung dieser Freiheit erfüllt den Tatbestand. Wird eine Person gezwungen, einen Ort zu verlassen, oder an dessen Betreten gehindert, wird sie allenfalls im Sinne von Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB genötigt (zum Ganzen ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 10. Aufl. 2013, S. 454; DELNON/RÜDY, a.a.O., N. 20 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl. 2010, § 5 N. 35; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 3. Aufl. 2010, N. 20 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
und 184
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 184 - Freiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,
StGB; MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Bd. III: Delikte gegen die Ehre,
BGE 141 IV 10 S. 14

den Geheim- oder Privatbereich und gegen die Freiheit, Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
-186
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 186 - Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB, 1984, N. 16 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB; zum Verhältnis von Freiheitsberaubung und Entführung HANS-PETER EGLI, Freiheitsberaubung, Entführung und Geiselnahme nach der StGB-Revision vom 9. Oktober 1981, 1986, S. 78 mit Hinweisen). Die Freiheitsberaubung kann durch unrechtmässige Festnahme, Gefangenhalten oder unrechtmässige Freiheitsentziehung auf andere Weise geschehen (Generalklausel). Was als Aufenthaltsort zu verstehen ist, ob darunter ein Raum, ein Fahrzeug, ein Haus, ein Gebiet oder allenfalls auch ein Land fällt, wird in der Rechtsprechung und Lehre nicht näher definiert. BERNARD CORBOZ hält fest, der Ort sei nicht wichtig. Es könne sich um einen Ort unter freiem Himmel, einen Raum oder ein Transportmittel handeln (CORBOZ, a.a.O., N. 18 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
und 184
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 184 - Freiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,
StGB). Die Botschaft vom 23. Juli 1918 zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das Schweizerische Strafgesetzbuch (BBl 1918 IV 1) und die Botschaft vom 10. Dezember 1979 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (BBl 1980 I 1241) äussern sich nicht dazu. Die in Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB beispielhaft genannten Tathandlungen des Festnehmens und Gefangenhaltens deuten darauf hin, dass der Tatbestand restriktiv anzuwenden ist. Hierfür spricht auch die hohe Strafandrohung der qualifizierten Freiheitsberaubung (vgl. BGE 118 IV 61 E. 3c S. 65 f.; BGE 116 IV 312 E. 2d/aa S. 315 f.). Der Gesetzgeber wollte Situationen erfassen, in denen Personen gänzlich an der Betätigung der körperlichen Fortbewegungsfreiheit gehindert werden. Die Rechtsprechung bejahte einen Freiheitsentzug unter anderem, als eine Ehefrau die Familienwohnung nicht verlassen durfte (Urteil 6B_139/2013 vom 20. Juni 2013 E. 2), beim Festhalten in einer Wohnung während 20 bis 30 Minuten (Urteil 6B_400/2012 vom 15. November 2012 Sachverhalt lit. A), beim Einschliessen in der Waschküche (Urteil 6B_20/2012 vom 29. Mai 2012 E. 1.3.5), bei einer Fahrt in einem Auto gegen den Willen des Opfers (BGE 89 IV 85 E. 1 S. 87; Urteil 6B_1064/2013 vom 10. März 2014 E. 1), bei einer unrechtmässigen Inhaftierung aufgrund einer falschen Anschuldigung (Urteil 6B_899/2013 vom 17. März 2014 E. 3) und bei einer Festnahme einer auf frischer Tat ertappten verdächtigen Person durch den Geschädigten, sofern sie länger dauert als die Zeit, welche die Polizei bräuchte, um zum Ort des Geschehens zu gelangen (BGE 128 IV 73 E. 2a-d S. 74 ff.).
BGE 141 IV 10 S. 15

4.4.2 Der Schuldspruch wegen mehrfacher qualifizierter Freiheitsberaubung verletzt Bundesrecht. Die körperliche Fortbewegungsfreiheit der Kinder ist entgegen den Ausführungen der Vorinstanz nicht aufgehoben. Aus den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich einzig, dass den Kindern der Zugang zum Wohnort ihrer Mutter verwehrt wird. Dass ihre Fortbewegungsfreiheit auch in anderer Weise eingeschränkt wäre, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Vielmehr stellt die Vorinstanz im Rahmen der Strafzumessung fest, die Kinder könnten sich in Nigeria frei bewegen und seien nicht eingesperrt. Nach geltender Lehre und Rechtsprechung liegt keine unzulässige Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit vor, wenn ein bestimmter Ort, beispielsweise der Wohnort der Mutter, nicht erreicht werden kann (vgl. E. 4.4.1 Absatz 1). Die Vorinstanz weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich Kleinkinder in der Regel mit Hilfe von dazu berufenen Personen fortbewegen. Dies muss jedoch nicht zwingend die sorgeberechtigte Mutter sein. Ebenso können Familienangehörige und Bekannte ein Kind von einem Ort an einen anderen bringen. Ferner können sich Kinder ab einem gewissen Alter selbstständig über eine beschränkte Strecke fortbewegen. Folglich führt die Trennung von der Mutter nicht dazu, dass die Fortbewegungsfreiheit der Kinder aufgehoben ist. Der objektive Tatbestand der Freiheitsberaubung ist vorliegend nicht erfüllt. Die weiteren Rügen zum Schuldspruch wegen Freiheitsberaubung können bei diesem Ausgang offengelassen werden.
4.5

4.5.1 Die Vorinstanz sprach den Beschwerdeführer unter anderem wegen mehrfacher qualifizierter Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
in Verbindung mit Art. 184 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 184 - Freiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,
StGB schuldig. Den alternativen Tatbestand der Entführung gemäss Art. 183 Ziff. 2
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB erachtete sie nicht als erfüllt. Freiheitsberaubung und Entführung erscheinen aufgrund der gesetzlichen Regelung als prinzipiell gleichwertige Eingriffe in das geschützte Rechtsgut (siehe STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, a.a.O., § 5 N. 54). Nachdem das Bundesgericht entgegen der Vorinstanz die Tatbestandsmerkmale von Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1
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1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB nicht als erfüllt erachtet, kann es prüfen, ob jene von Art. 183 Ziff. 2
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB vorliegen, ohne das Verbot der "reformatio in peius" zu verletzen.
4.5.2 Nach Art. 183 Ziff. 2
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB macht sich strafbar, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist. Der Tatbestand der Entführung setzt voraus, dass
BGE 141 IV 10 S. 16

sich als Folge des Verbringens an einen anderen Ort eine Machtposition des Täters über sein Opfer ergibt (BGE 118 IV 61 E. 3a S. 64). Erforderlich ist zudem, dass die Ortsveränderung für eine gewisse Dauer vorgesehen und das Opfer in seiner persönlichen Freiheit tatsächlich beschränkt ist, es insbesondere nicht die Möglichkeit hat, unabhängig vom Willen des Täters an seinen gewohnten Aufenthaltsort zurückzukehren (BGE 83 IV 152 S. 154). Die Urteilsfähigkeit bzw. -unfähigkeit im Sinne von Art. 183 Ziff. 2
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB muss sich auf das geschützte Rechtsgut, d.h. die freie Selbstbestimmung des Aufenthaltsorts beziehen (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, a.a.O., § 5 N. 51). Die Entführung von Urteilsunfähigen, Widerstandsunfähigen oder Personen, die noch nicht 16 Jahre alt sind, verlangt für die Verbringung an einen anderen Ort kein besonderes Tatmittel (DELNON/RÜDY, a.a.O., N. 23, 33, 47 f. und 52 zu Art. 183
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, a.a.O., § 5 N. 51).
4.5.3 Die Vorinstanz erwägt mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BGE 126 IV 221 E. 1b S. 222 f.), es liege keine Entführung im Sinne von Art. 183 Ziff. 2
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB vor. Als der Beschwerdeführer die Kinder nach Nigeria verbracht habe, habe er die elterliche Sorge zusammen mit der Kindsmutter innegehabt. Die Vormundschaftsbehörde habe die Obhutsfrage nicht geregelt, weder als sie die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam übertragen habe noch als der Beschwerdeführer die gemeinsame Wohnung verlassen habe und ein begleitetes Besuchsrecht eingeführt worden sei. Es sei zwar aufgrund der Akten davon auszugehen, dass die Kindsmutter bis zu einem gewissen Grad faktisch alleine die Obhut über die Kinder innegehabt habe, als diese bei ihr gelebt und vom Beschwerdeführer getrennt gewohnt hätten. Die Anklage basiere jedoch nicht auf diesem Umstand. Auch könne der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt werden, wonach das Verbringen der Kinder nach Nigeria nach Aufhebung der elterlichen Sorge durch den Beschwerdeführer rückwirkend als Entführung zu werten sei.
4.5.4 Das von Art. 183 Ziff. 2
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB geschützte Rechtsgut ist die körperliche Bewegungsfreiheit des Kindes. Auf dessen Willen kommt es indes nicht an; das Gesetz schützt es unabhängig davon, ob es Widerstand leistet oder ob es in die Entführung einwilligt (BGE 83 IV 152 S. 153). In BGE 118 IV 61 erwog das Bundesgericht, dass der Schutz der Freiheit des Kindes bezüglich der Wahl seines Aufenthaltsorts den

BGE 141 IV 10 S. 17

sich aus der elterlichen Gewalt ergebenden Einschränkungen unterliegt. Es ordnete das Freiheitsrecht des Kindes der Gehorsamspflicht gegenüber dem (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt unter. Danach ist es für das Kind grundsätzlich unerheblich, wer seinen Aufenthaltsort bestimmt. Selbst die faktische Einschränkung der elterlichen Gewalt des einen Elternteils durch die Obhutsberechtigung des andern spielt keine Rolle, solange das Kindeswohl nicht in Frage gestellt ist. Das dem Kind zugestandene Freiheitsbewusstsein verschafft ihm erst mit zunehmendem Alter eine gewisse Freiheit in der Wahl seines Aufenthaltsorts (E. 3b und c S. 65; vgl. zum letzten Satz CORBOZ, a.a.O., N. 65 zu Art. 183
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StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
und 184
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 184 - Freiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,
StGB; TRECHSEL/FINGERHUTH, a.a.O., N. 16 zu Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB). In BGE 126 IV 221 änderte das Bundesgericht seine Rechtsprechung dahin gehend, als unabhängig davon, ob die Ortsveränderung dem Wohl und dem Interesse des Kindes entspricht, keine Entführung begeht, wer Inhaber der elterlichen Sorge ist und das Recht hat, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Anders liegt es, wenn das Obhutsrecht einem Elternteil allein zugeteilt wird. Alsdann ist der andere Elternteil nicht mehr berechtigt, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Wechselt er dennoch eigenmächtig dessen Aufenthaltsort, liegt unter den Voraussetzungen von Art. 183 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB eine Entführung vor. Seinen Entscheid begründete das Bundesgericht damit, dass das Wohl des Kindes beim Entführungstatbestand kein ausschlaggebendes Kriterium ist. Je nach Fall ist sehr schwer festzustellen, ob sich ein Wechsel des Aufenthaltsorts mit dem Wohle des Kindes verträgt oder nicht (E. 1b S. 222 f.).
4.5.5 An dieser Rechtsprechung kann in dieser Absolutheit nicht festgehalten werden. Der Grundsatz, wonach derjenige Elternteil, der das Recht hat, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, keine Entführung im Sinne von Art. 183 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB begehen kann, behält Gültigkeit. Vorliegend drängt es sich jedoch auf zu prüfen, ob dem Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern (zivilrechtliche) Schranken gesetzt sind. So hielt bereits ROBERT KOBER zur altrechtlichen Kindesentführung (aArt. 185
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen,
1    Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen,
2    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln.
3    In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden.
4    Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259
5    Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260
StGB in der bis am 30. September 1982 gültig gewesenen Fassung [AS 54 757], wonach bestraft wurde, wer ein Kind unter 16 Jahren zum Zweck der Gewinnsucht oder der Unzucht entführte) fest, eine Entführung aus Gewinnsucht oder zu einem unzüchtigen Zweck sei ein so starker Eingriff in die Freiheit der körperlichen Integrität und der Entwicklung des Kindes, dass eine solche Tat niemals im Rahmen der elterlichen oder
BGE 141 IV 10 S. 18

vormundschaftlichen Gewalt, die in erster Linie zum Nutzen des Kindes gedacht ist, vorgenommen werden könnte (ROBERT KOBER, Die Entführung nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch, 1953, S. 56, vgl. auch S. 60). Auch HANS-PETER EGLI führte zum revidierten Art. 183
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB aus, Freiheitsberaubungen und Entführungen seien so schwerwiegende Eingriffe in die körperliche Integrität auch eines Kindes, dass das elterliche Züchtigungsrecht keinesfalls extensiv zu interpretieren sei (EGLI, a.a.O., S. 116). Gemäss aArt. 296 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 296 - 1 Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
1    Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
2    Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter.
3    Minderjährigen Eltern sowie Eltern unter umfassender Beistandschaft steht keine elterliche Sorge zu. Werden die Eltern volljährig, so kommt ihnen die elterliche Sorge zu. Wird die umfassende Beistandschaft aufgehoben, so entscheidet die Kindesschutzbehörde entsprechend dem Kindeswohl über die Zuteilung der elterlichen Sorge.
ZGB (in der im Tatzeitpunkt und bis am 30. Juni 2014 in Kraft gestandenen Fassung; AS 1999 1118) stehen Kinder, solange sie unmündig sind, unter elterlicher Sorge (ähnlich Art. 296 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 296 - 1 Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
1    Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
2    Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter.
3    Minderjährigen Eltern sowie Eltern unter umfassender Beistandschaft steht keine elterliche Sorge zu. Werden die Eltern volljährig, so kommt ihnen die elterliche Sorge zu. Wird die umfassende Beistandschaft aufgehoben, so entscheidet die Kindesschutzbehörde entsprechend dem Kindeswohl über die Zuteilung der elterlichen Sorge.
ZGB). Die elterliche Sorge umfasst unter anderem das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen (aArt. 301 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
ZGB; Art. 301 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
und Art. 301a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301a - 1 Die elterliche Sorge schliesst das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.
1    Die elterliche Sorge schliesst das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.
2    Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf dies der Zustimmung des andern Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts oder der Kindesschutzbehörde, wenn:
a  der neue Aufenthaltsort im Ausland liegt; oder
b  der Wechsel des Aufenthaltsortes erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr durch den andern Elternteil hat.
3    Übt ein Elternteil die elterliche Sorge allein aus und will er den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so muss er den anderen Elternteil rechtzeitig darüber informieren.
4    Dieselbe Informationspflicht hat ein Elternteil, der seinen eigenen Wohnsitz wechseln will.
5    Soweit dies erforderlich ist, verständigen sich die Eltern unter Wahrung des Kindeswohls über eine Anpassung der Regelung der elterlichen Sorge, der Obhut, des persönlichen Verkehrs und des Unterhaltsbeitrages. Können sie sich nicht einigen, entscheidet das Gericht oder die Kindesschutzbehörde.
ZGB) und über dessen Erziehung zu entscheiden (Art. 302
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 302 - 1 Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen.
1    Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen.
2    Sie haben dem Kind, insbesondere auch dem körperlich oder geistig gebrechlichen, eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen.
3    Zu diesem Zweck sollen sie in geeigneter Weise mit der Schule und, wo es die Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe zusammenarbeiten.
ZGB). Dabei sind die Eltern jedoch nicht völlig frei, sondern haben sich am Wohl des Kindes zu orientieren und dessen Persönlichkeit zu achten (aArt. 272
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 272 - Eltern und Kinder sind einander allen Beistand, alle Rücksicht und Achtung schuldig, die das Wohl der Gemeinschaft erfordert.
und 301 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
ZGB; Art. 296 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 296 - 1 Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
1    Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
2    Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter.
3    Minderjährigen Eltern sowie Eltern unter umfassender Beistandschaft steht keine elterliche Sorge zu. Werden die Eltern volljährig, so kommt ihnen die elterliche Sorge zu. Wird die umfassende Beistandschaft aufgehoben, so entscheidet die Kindesschutzbehörde entsprechend dem Kindeswohl über die Zuteilung der elterlichen Sorge.
ZGB; vgl. BGE 136 III 353 E. 3.3 S. 358). Beim Aufenthaltsbestimmungsrecht sind Aspekte der Stabilität und Kontinuität von besonderer Bedeutung (INGEBORG SCHWENZER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 2 und 12 zu Art. 301
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
ZGB). Ferner kann die elterliche Sorge durch andere Gesetzesbestimmungen eingeschränkt sein (vgl. SCHWENZER, a.a.O., N. 16 zu Art. 301
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
ZGB). Das Bundesgericht entschied in einem nicht publizierten Urteil aus dem Jahr 2003, das Einschliessen und Gefangenhalten eines Kindes während mehrerer Tage stelle keine zulässige Erziehungsmassnahme dar und erfülle den Tatbestand der Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB). Es legte anhand des Erziehungsrechts der Eltern dar, dass es unter gewissen Bedingungen ein zulässiges Erziehungsmittel sein könne, sein Kind einzuschliessen. Jedoch rechtfertige das Erziehungsrecht der Eltern nicht jegliche Erziehungsmassnahme. Diese hätten immer im Blick auf das Wohl des Kindes zu erfolgen (Urteil 6S.145/2003 vom 13. Juni 2003 E. 2; vgl. zum elterlichen Züchtigungsrecht BGE 129 IV 216 E. 2 S. 219 ff.; Urteil 6P.106/2006 vom 18. August 2006 E. 6.4; BARBARA LOPPACHER, Erziehung und Strafrecht unter besonderer Berücksichtigung der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht [Art. 219
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 219 - 1 Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer minderjährigen Person verletzt oder vernachlässigt und sie dadurch in ihrer körperlichen oder seelischen Entwicklung gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer minderjährigen Person verletzt oder vernachlässigt und sie dadurch in ihrer körperlichen oder seelischen Entwicklung gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.297
StGB], ZStStr 58/2011 S. 29 ff.). Im gleichen Entscheid wurde mit Hinweis auf BGE 126 IV 221 ausgeführt, die Freiheitsberaubung unterscheide sich von der
BGE 141 IV 10 S. 19

Entführung, da Letztere unbesehen des Kindeswohls von einem obhutsberechtigten Elternteil nicht begangen werden könne (E. 2.2). Dies gilt nicht in jedem Fall. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb aus strafrechtlicher Sicht für das Aufenthaltsbestimmungsrecht etwas anderes gelten sollte als für das Erziehungsrecht, zumal sich beide Rechte am Wohl des Kindes zu orientieren haben. Es sind Konstellationen denkbar, in denen die Verbringung eines Kindes an einen anderen Aufenthaltsort derart massiv in die Interessen des Kindes und letztlich auch dessen Freiheitsrecht eingreift, dass sie strafrechtlich relevant wird. In diesen Ausnahmefällen lässt sich die Ortsveränderung nicht mehr mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht rechtfertigen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die konkreten Umstände eindeutig ausserhalb des Kindeswohls liegen. Geringfügige Beeinträchtigungen der Interessen des Kindes, die mit einer Veränderung des Aufenthaltsortes zwangsläufig einhergehen, genügen nicht (vgl. BGE 136 III 353 E. 3.3 S. 358 f.). Zusammengefasst ist grundsätzlich jeder Elternteil, der das Recht hat, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, berechtigt, diesen zu verändern, ohne eine Entführung im Sinne von Art. 183 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB zu begehen. Greift die Verbringung des Kindes an einen anderen Ort massiv in dessen Interessen ein, lässt sich die Tat nicht mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht rechtfertigen.
4.5.6 Vorliegend sind die objektiven Tatbestandsmerkmale der Entführung gemäss Art. 183 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB erfüllt. Indem der Beschwerdeführer seine damals 3½- und 5-jährigen Söhne an einen unbekannten Ort in Nigeria verbrachte, erlangte er über sie eine Machtposition. Die Ortsveränderung ist dauerhaft und die Kinder können nicht unabhängig vom Willen des Beschwerdeführers an ihren gewohnten Aufenthaltsort zurückkehren. Auf den Willen der Kinder kommt es nicht an. Daher braucht auf die im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Freiheitsberaubung vorgebrachte Rüge nicht eingegangen zu werden, die Vorinstanz verletze das Anklageprinzip und das Willkürverbot, wenn sie annehme, die Kinder weilten nicht freiwillig in Nigeria. Die Verbringung der Kinder lässt sich nicht mehr durch das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Beschwerdeführers rechtfertigen. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hat er die Interessen und das Wohl seiner Kinder in eklatanter Weise verletzt. Er verbrachte sie an einen unbekannten Ort in Nigeria, zu ihnen nicht näher bekannten Personen, fernab von ihrer Mutter, bei der sie bis dahin ununterbrochen lebten. Weder konnten sie sich von ihr verabschieden
BGE 141 IV 10 S. 20

noch haben sie Kontakt zu ihr. Dieser abrupte und langandauernde Verlust der eigenen Mutter und das Herausreissen aus der vertrauten Umgebung kommen einer Entwurzelung gleich. Hinzu kommt, dass die Kinder nach der Verhaftung des Beschwerdeführers auch ohne Vater aufwachsen mussten. Folglich befanden sie sich im vorliegend zu beurteilenden Zeitraum ohne elterlichen Beistand bei fremden Personen in einem ihnen fremden Land. Dies widerspricht ihren Interessen und ihrem Wohl in krasser Weise (vgl. Urteil 6S.360/1998 vom 30. November 1999 E. 2d).
4.5.7 Ob der Tatbestand von Art. 183 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
StGB auch in subjektiver Hinsicht erfüllt ist, kann aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nicht abschliessend beurteilt werden. Es obliegt ihr, darüber und über den (neuen) Schuldpunkt zu entscheiden. Dabei wird sie dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör gewähren müssen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 141 IV 10
Datum : 02. Dezember 2014
Publiziert : 24. April 2015
Quelle : Bundesgericht
Status : 141 IV 10
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 183 StGB; Freiheitsberaubung und Entführung. Der Tatbestand der Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
Einordnung : Präzisierung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
StGB: 14 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
173 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
181 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
183 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
1    Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,
2    Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
184 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 184 - Freiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,
185 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen,
1    Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen,
2    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln.
3    In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden.
4    Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259
5    Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260
186 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 186 - Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
219
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 219 - 1 Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer minderjährigen Person verletzt oder vernachlässigt und sie dadurch in ihrer körperlichen oder seelischen Entwicklung gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer minderjährigen Person verletzt oder vernachlässigt und sie dadurch in ihrer körperlichen oder seelischen Entwicklung gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.297
ZGB: 272 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 272 - Eltern und Kinder sind einander allen Beistand, alle Rücksicht und Achtung schuldig, die das Wohl der Gemeinschaft erfordert.
296 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 296 - 1 Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
1    Die elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes.
2    Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter.
3    Minderjährigen Eltern sowie Eltern unter umfassender Beistandschaft steht keine elterliche Sorge zu. Werden die Eltern volljährig, so kommt ihnen die elterliche Sorge zu. Wird die umfassende Beistandschaft aufgehoben, so entscheidet die Kindesschutzbehörde entsprechend dem Kindeswohl über die Zuteilung der elterlichen Sorge.
301 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1    Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.
1bis    Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn:
1  die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist;
2  der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.392
2    Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht.
3    Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.
4    Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
301a 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 301a - 1 Die elterliche Sorge schliesst das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.
1    Die elterliche Sorge schliesst das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.
2    Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf dies der Zustimmung des andern Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts oder der Kindesschutzbehörde, wenn:
a  der neue Aufenthaltsort im Ausland liegt; oder
b  der Wechsel des Aufenthaltsortes erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr durch den andern Elternteil hat.
3    Übt ein Elternteil die elterliche Sorge allein aus und will er den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so muss er den anderen Elternteil rechtzeitig darüber informieren.
4    Dieselbe Informationspflicht hat ein Elternteil, der seinen eigenen Wohnsitz wechseln will.
5    Soweit dies erforderlich ist, verständigen sich die Eltern unter Wahrung des Kindeswohls über eine Anpassung der Regelung der elterlichen Sorge, der Obhut, des persönlichen Verkehrs und des Unterhaltsbeitrages. Können sie sich nicht einigen, entscheidet das Gericht oder die Kindesschutzbehörde.
302
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 302 - 1 Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen.
1    Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen.
2    Sie haben dem Kind, insbesondere auch dem körperlich oder geistig gebrechlichen, eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen.
3    Zu diesem Zweck sollen sie in geeigneter Weise mit der Schule und, wo es die Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe zusammenarbeiten.
BGE Register
101-IV-154 • 116-IV-312 • 118-IV-61 • 119-IV-216 • 126-IV-221 • 128-IV-73 • 129-IV-216 • 136-III-353 • 141-IV-10 • 83-IV-152 • 89-IV-85
Weitere Urteile ab 2000
6B_1064/2013 • 6B_123/2014 • 6B_139/2013 • 6B_20/2012 • 6B_400/2012 • 6B_899/2013 • 6P.106/2006 • 6S.145/2003 • 6S.360/1998
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aufenthaltsort • mutter • vorinstanz • nigeria • bundesgericht • wille • opfer • sachverhalt • geschütztes rechtsgut • festnahme • elterliche gewalt • kindeswohl • freiheitsstrafe • fortbewegung • körperliche integrität • dauer • beschwerde in strafsachen • wissen • gewinnsucht • sachverhaltsfeststellung
... Alle anzeigen
AS
AS 1999/1118
BBl
1918/IV/1 • 1980/I/1241