Urteilskopf

140 III 529

78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_579/2014 vom 18. August 2014

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Sachverhalt ab Seite 530

BGE 140 III 529 S. 530

A. (Beschwerdeführerin) ist die Mutter des Kindes C., geboren am 9. Mai 2014. Vor dessen Geburt informierten der mutmassliche Kindsvater und die Hebamme die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) insbesondere über die schwierigen Wohnverhältnisse, in denen die schwangere Beschwerdeführerin lebe und künftig mit dem Neugeborenen zu leben beabsichtige. An einem unangemeldeten Hausbesuch konnte die KESB mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führen, erhielt aber keinen Einblick in die Wohnverhältnisse. Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die KESB die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort vorläufig auf. Sie platzierte das Kind per sofort vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals, errichtete eine Beistandschaft für das Kind, bezeichnete die Person des Beistands und umschrieb dessen Aufgaben. Die KESB hielt fest, dass vorliegend wegen der besonderen Dringlichkeit ein vorsorglicher Entscheid ohne Anhörung der Kindsmutter und des Kindsvaters erfolgt, dass die KESB beiden jedoch die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dass danach, falls notwendig, neu entschieden wird. Die Anhörung der Beschwerdeführerin ist am 12. Mai 2014 mündlich erfolgt. Einen Tag zuvor hatte die Beschwerdeführerin auf Einladung der KESB auch schriftlich Stellung genommen. Die Besichtigung der Wohnverhältnisse durch die KESB fand am 14. Mai 2014 im Beisein der Beschwerdeführerin statt. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid der KESB eine Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Antrag vor Bundesgericht, das auf die Beschwerde nicht eintritt. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht hängt davon ab, ob eine superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme oder eine vorsorgliche Massnahme angefochten ist.
2.1 Das Kantonsgericht hat dazu festgehalten, der Entscheid der KESB sei superprovisorisch ergangen, d.h. ohne vorgängige Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen. Diesen sei indes nachträglich gestützt auf Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Mai 2014 Gebrauch gemacht habe. Die
BGE 140 III 529 S. 531

Beschwerdeführerin sei zudem am 12. Mai 2014 mündlich durch die KESB angehört worden. Die KESB habe in ihrer Vernehmlassung vom 3. Juni 2014 (im Beschwerdeverfahren) einlässlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen an den angeordneten Massnahmen festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu anlässlich der Parteiverhandlung äussern können. Den Anforderungen an die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei damit vollumfänglich entsprochen worden und die strittigen Anordnungen hätten unter den gegebenen Umständen als (ordentliche) vorsorgliche Massnahmen zu gelten.
2.2 So geht es aus folgenden Gründen nicht:

2.2.1 Mit der Marginalie "Vorsorgliche Massnahmen" bestimmt Art. 445
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB, dass die Erwachsenenschutzbehörde auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Abs. 1) und dass sie bei besonderer Dringlichkeit vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen kann, diesen gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (Abs. 2). Die Bestimmung ist im Kindesschutzverfahren sinngemäss anwendbar (Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB). Die Regelung des Verfahrens für den Erlass sog. superprovisorischer Massnahmen gemäss Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB entspricht Art. 265
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 265 Superprovisorische Massnahmen - 1 Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.
1    Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.
2    Mit der Anordnung lädt das Gericht die Parteien zu einer Verhandlung vor, die unverzüglich stattzufinden hat, oder setzt der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme. Nach Anhörung der Gegenpartei entscheidet das Gericht unverzüglich über das Gesuch.
3    Das Gericht kann die gesuchstellende Partei von Amtes wegen zu einer vorgängigen Sicherheitsleistung verpflichten.
ZPO (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7001, 7077 zu Art. 445 und 7101 zu Art. 314). Allgemeine Prozessrechtsgrundsätze sind zu beachten.
2.2.2 Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf superprovisorische Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Art. 445 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet (Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der superprovisorischen Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid) folgt zwingend - nach Anhörung der
BGE 140 III 529 S. 532

Verfahrensbeteiligten - der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete superprovisorische Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt. Nicht schon mit der nachträglichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgeschlossen. Nach der mündlichen Anhörung oder nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme und nach allfälligen Beweisabnahmen (hier nach Durchführung eines Augenscheins betreffend Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin) trifft die nach Art. 445 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB sachlich zuständige Behörde vielmehr den neuen Entscheid gemäss Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB über den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme, die an die Stelle der superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahme tritt (vgl. STECK, in: Erwachsenenschutz, 2013, N. 16, und AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 19 a.E., je zu Art. 445
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB; vgl. zu den Etappen im Verfahrensablauf gemäss Art. 265
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 265 Superprovisorische Massnahmen - 1 Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.
1    Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.
2    Mit der Anordnung lädt das Gericht die Parteien zu einer Verhandlung vor, die unverzüglich stattzufinden hat, oder setzt der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme. Nach Anhörung der Gegenpartei entscheidet das Gericht unverzüglich über das Gesuch.
3    Das Gericht kann die gesuchstellende Partei von Amtes wegen zu einer vorgängigen Sicherheitsleistung verpflichten.
ZPO: HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1872 S. 342).

2.2.3 Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts wird die superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme nicht dadurch zur vorsorglichen Massnahme, dass die Verfahrensbeteiligten die superprovisorische Massnahme bei der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anfechten und sich damit Gehör verschaffen, dass die KESB in ihrer Beschwerdeantwort erklärt, aus welchen Gründen sie an den superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahmen festhalten werde, und dass die Verfahrensbeteiligten zu diesen Gründen nochmals - hier mündlich - Stellung nehmen können. Die Anhörung muss gemäss Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB vielmehr durch die KESB erfolgen und findet nicht in einem Beschwerdeverfahren statt, und das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist gemäss Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB durch einen förmlichen Entscheid der KESB abzuschliessen und nicht im Beschwerdeverfahren informell beizulegen. Davon abgesehen, verletzt die kantonsgerichtliche Vorgehensweise die Verfahrensrechte der Beteiligten, wie sie durch die Bundesverfassung und die gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt, die Eröffnung und die Begründung von Entscheiden geschützt werden (Art. 238 f
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 238 Inhalt - Ein Entscheid enthält:
a  die Bezeichnung und die Zusammensetzung des Gerichts;
b  den Ort und das Datum des Entscheids;
c  die Bezeichnung der Parteien und ihrer Vertretung;
d  das Dispositiv (Urteilsformel);
e  die Angabe der Personen und Behörden, denen der Entscheid mitzuteilen ist;
f  eine Rechtsmittelbelehrung, sofern die Parteien auf die Rechtsmittel nicht verzichtet haben;
g  gegebenenfalls die Entscheidgründe;
h  die Unterschrift des Gerichts.
. ZPO i.V.m. Art. 450f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 450f - Im Übrigen sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen.
ZGB; Botschaft, a.a.O., S. 7088). Namentlich ist eine mündliche Replik kein gleichwertiger Ersatz für das Recht, gegen den Entscheid über die vorsorgliche Massnahme innert zehn Tagen nach dessen Mitteilung eine Beschwerde zu erheben (Art. 445 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB).
BGE 140 III 529 S. 533

2.3 Die KESB hat die Beschwerdeführerin zwar nach der superprovisorischen Anordnung vorsorglicher Massnahmen angehört, aber noch keinen neuen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen getroffen, wie ihn Art. 445 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
ZGB "anschliessend" vorschreibt. Beschwerdegegenstand war damit vor Kantonsgericht und ist folglich auch vor Bundesgericht einzig die superprovisorische Massnahme der KESB betreffend Obhutsentzug gegenüber der Beschwerdeführerin verbunden mit der Fremdplatzierung und Verbeiständung ihres wenige Monate alten Sohnes.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 140 III 529
Datum : 18. August 2014
Publiziert : 05. März 2015
Quelle : Bundesgericht
Status : 140 III 529
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 445 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB; vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutzverfahren. Das Verfahren auf Erlass vorsorglicher


Gesetzesregister
ZGB: 314 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
445 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 445 - 1 Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
1    Die Erwachsenenschutzbehörde trifft auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen. Sie kann insbesondere eine Massnahme des Erwachsenenschutzes vorsorglich anordnen.
2    Bei besonderer Dringlichkeit kann sie vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen. Gleichzeitig gibt sie diesen Gelegenheit zur Stellungnahme; anschliessend entscheidet sie neu.
3    Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann innert zehn Tagen nach deren Mitteilung Beschwerde erhoben werden.
450f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 450f - Im Übrigen sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen.
ZPO: 238 
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 238 Inhalt - Ein Entscheid enthält:
a  die Bezeichnung und die Zusammensetzung des Gerichts;
b  den Ort und das Datum des Entscheids;
c  die Bezeichnung der Parteien und ihrer Vertretung;
d  das Dispositiv (Urteilsformel);
e  die Angabe der Personen und Behörden, denen der Entscheid mitzuteilen ist;
f  eine Rechtsmittelbelehrung, sofern die Parteien auf die Rechtsmittel nicht verzichtet haben;
g  gegebenenfalls die Entscheidgründe;
h  die Unterschrift des Gerichts.
265
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 265 Superprovisorische Massnahmen - 1 Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.
1    Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.
2    Mit der Anordnung lädt das Gericht die Parteien zu einer Verhandlung vor, die unverzüglich stattzufinden hat, oder setzt der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme. Nach Anhörung der Gegenpartei entscheidet das Gericht unverzüglich über das Gesuch.
3    Das Gericht kann die gesuchstellende Partei von Amtes wegen zu einer vorgängigen Sicherheitsleistung verpflichten.
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vorsorgliche massnahme • verfahrensbeteiligter • superprovisorische massnahme • kantonsgericht • erwachsenenschutz • bundesgericht • von amtes wegen • tag • leben • beschwerdeantwort • erwachsenenschutzbehörde • entscheid • zivilgesetzbuch • schutzmassnahme • replik • begründung des entscheids • beschwerde in zivilsachen • weisung • richtlinie • sachliche zuständigkeit
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2006/7001