Urteilskopf

138 V 125

16. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Personalvorsorge der Firma X. AG gegen Y. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_641/2011 vom 8. Februar 2012

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 125

BGE 138 V 125 S. 125

A. Y. (geb. 1966) arbeitete ab 17. Februar 1997 als Tankwart/Kassier bei der Firma X. AG und war dadurch bei der Personalvorsorge der Firma X. AG im Rahmen der beruflichen Vorsorge versichert. Die Arbeitgeberin löste sein Arbeitsverhältnis und dasjenige dreier weiterer Mitarbeitenden am 15. Oktober 2003 mit sofortiger Wirkung fristlos auf. Sie warf den vier Angestellten Diebstahl und Veruntreuung am Arbeitsplatz vor. Im November 2004 meldete sich Y. bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2008 sprach ihm die IV-Stelle Basel-Landschaft
BGE 138 V 125 S. 126

(nachfolgend: IV-Stelle) ab 1. November 2006 eine ganze Invalidenrente zu. Diese Rentenverfügung wurde der Personalvorsorge der Firma X. AG nicht eröffnet.
B. Am 9. Dezember 2009 leitete Y. Klage gegen die Personalvorsorge der Firma X. AG ein mit dem Rechtsbegehren, es sei ihm gemäss den gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen mindestens vom 15. Oktober 2004 bis 18. November 2005 und vom 16. November 2007 bis auf Weiteres eine ganze Invalidenrente auszurichten zuzüglich 5 % Zins und unter Befreiung von der Beitragspflicht. Mit Entscheid vom 7. April 2011 hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, die Klage dem Grundsatz nach gut und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger nach Festlegung des Rentenbeginns und der Rentenhöhe im Sinne der Erwägungen eine Invalidenrente auszurichten zuzüglich Verzugszins von 5 % seit 9. Dezember 2009. Ferner verpflichtete es die Beklagte, den Kläger ab Rentenbeginn von der Beitragspflicht für die Sparbeiträge an das Altersguthaben zu befreien.
C. Die Personalvorsorge der Firma X. AG erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Klage des Beschwerdegegners vollumfänglich abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Y. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Ferner sei ihm die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.
D. Am 6. und 20. Dezember 2011 reichen die Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegner je eine weitere Stellungnahme ein.
E. Am 19. September 2011 ordnete die II. sozialrechtliche Abteilung an, dass bis zum Entscheid über das Gesuch um aufschiebende Wirkung alle Vollziehungsvorkehrungen zu unterbleiben haben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. In formeller Hinsicht ist streitig, ob das kantonale Gericht die von der Beschwerdeführerin beantragten Beweismittel (Videoaufnahmen am Arbeitsplatz) hätte beiziehen müssen.
BGE 138 V 125 S. 127

2.1 Der in Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör räumt dem Betroffenen das persönlichkeitsbezogene Mitwirkungsrecht ein, erhebliche Beweise beizubringen, mit solchen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken. Dem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der Behörden, die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegenzunehmen und zu prüfen, sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen (vgl. BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; je mit Hinweisen; Urteil 6B_22/2010 vom 8. Juni 2010 E. 2.2).
2.2 Das kantonale Gericht liess offen, ob die Videoaufzeichnungen der Arbeitgeberin im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren als verwertbare Beweismittel zuzulassen wären, da gestützt auf Art. 35
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 35 Kürzung der Leistungen bei schwerem Verschulden - Die Vorsorgeeinrichtung kann ihre Leistungen im entsprechenden Umfang kürzen, wenn die AHV/IV eine Leistung kürzt, entzieht oder verweigert, weil der Anspruchsberechtigte den Tod oder die Invalidität durch schweres Verschulden herbeigeführt hat oder sich einer Eingliederungsmassnahme der IV widersetzt.
BVG (SR 831.40) unabhängig von einer Beurteilung des Selbstverschuldens keine Kürzung der Invalidenrente erfolgen dürfe. Denn eine Leistungskürzung sei nicht zulässig, wenn nicht auch die AHV/IV ihre Leistungen kürze (Hinweis auf das Urteil B 87/06 vom 10. Januar 2008).

2.3 Die Beschwerdeführerin begründet eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
ATSG [SR 830.1]) und des Rechts auf Beweis (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) damit, das kantonale Gericht habe die am Arbeitsplatz ohne Wissen des Beschwerdegegners aufgenommenen Videoaufnahmen nicht als Beweismittel zugelassen. Mit den Videoaufnahmen lasse sich der Vorwurf des Diebstahls bzw. der Veruntreuung am Arbeitsplatz beweisen und die diagnostizierte psychische Erkrankung in Zweifel ziehen. Dabei hat die Beschwerdeführerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren damit argumentiert, die Videoaufnahmen seien im Unterschied zum Strafverfahren als Beweis zuzulassen, nicht nur im Zusammenhang mit dem im Bereich der beruflichen Vorsorge (vgl. Art. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 2 Geltungsbereich und Verhältnis zu den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen - Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf die bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungen anwendbar, wenn und soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze es vorsehen.
ATSG) nicht direkt anwendbaren Art. 21 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 21 - 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
1    Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
2    Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.
3    Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten.
4    Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
5    Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden. Entzieht sich die versicherte Person dem Straf- oder Massnahmenvollzug, so wird die Auszahlung ab dem Zeitpunkt eingestellt, in dem der Straf- oder Massnahmenvollzug hätte beginnen sollen. Ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.18
ATSG (vgl. aber Art. 35
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 35 Kürzung der Leistungen bei schwerem Verschulden - Die Vorsorgeeinrichtung kann ihre Leistungen im entsprechenden Umfang kürzen, wenn die AHV/IV eine Leistung kürzt, entzieht oder verweigert, weil der Anspruchsberechtigte den Tod oder die Invalidität durch schweres Verschulden herbeigeführt hat oder sich einer Eingliederungsmassnahme der IV widersetzt.
BVG), sondern auch für die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts und der Arbeitsunfähigkeit, namentlich im Anschluss an die fristlose Entlassung und für den Zeitraum der Nachdeckungsfrist des Art. 10 Abs. 3
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 10 Beginn und Ende der obligatorischen Versicherung - 1 Die obligatorische Versicherung beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird.22
1    Die obligatorische Versicherung beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird.22
2    Unter Vorbehalt von Artikel 8 Absatz 3 endet die Versicherungspflicht, wenn:
a  das Referenzalter23 erreicht wird (Art. 13);
b  das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird;
c  der Mindestlohn unterschritten wird;
d  der Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung endet.25
3    Für die Risiken Tod und Invalidität bleibt der Arbeitnehmer während eines Monats nach Auflösung des Vorsorgeverhältnisses bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung versichert.26 Wird vorher ein neues Vorsorgeverhältnis begründet, so ist die neue Vorsorgeeinrichtung zuständig.27
BVG.
3.

3.1 Wie die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im Urteil 9C_785/2010 vom 10. Juni 2011, einem Parallelfall, bei dem es allerdings um die Rente der Invalidenversicherung ging, auf Beschwerde der auch heute am Recht stehenden Pensionskasse im
BGE 138 V 125 S. 128

Zusammenhang mit einem ebenfalls fristlos entlassenen Mitarbeiter zusammenfassend erwogen hat, sind die von der Beschwerdeführerin angerufenen Videoaufnahmen ein grundsätzlich rechtmässiges und geeignetes Beweismittel, um die behaupteten Delikte und damit den rechtserheblichen Sachverhalt nachzuweisen, namentlich auch im Hinblick auf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Kürzung oder Verweigerung der IV-Rente nach Art. 21 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 21 - 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
1    Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
2    Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.
3    Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten.
4    Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
5    Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden. Entzieht sich die versicherte Person dem Straf- oder Massnahmenvollzug, so wird die Auszahlung ab dem Zeitpunkt eingestellt, in dem der Straf- oder Massnahmenvollzug hätte beginnen sollen. Ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.18
ATSG erfüllt sind. Das kantonale Gericht habe den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
ATSG) und das Recht der Beschwerdeführerin auf Beweis (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) verletzt, indem es diese beantragten Beweismittel nicht beigezogen habe. Diese Erwägungen gälten auch im Zusammenhang mit der Feststellung des (medizinischen) Sachverhalts. Bei Nachweis der behaupteten Delikte dränge sich gestützt darauf eine erneute psychiatrische Beurteilung auf.
3.2 Diese Erwägungen sind auch im vorliegenden Fall von Relevanz. Der Beschwerdegegner suchte, wie auch der Versicherte im Parallelfall 9C_785/2010, unmittelbar im Anschluss an die polizeiliche Befragung vom 15. November 2003 Dr. med. C., Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, auf, der eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt (ICD-10: F43.22), diagnostizierte. Im Bericht vom 7. April 2004 an den Vertrauensarzt einer Privatversicherung führte der Psychiater aus, "auf mich wirkt das Verhalten und der Vorwurf des Arbeitgebers an den Haaren herbeigezogen. War ein 'Bauernopfer' nötig?". Es bestehen daher Anhaltspunkte, dass der erstkonsultierte Psychiater, dessen Beurteilung den Ausgangspunkt späterer Gutachten anderer Ärzte bildete, die Schilderung des Sachverhaltes durch den Versicherten und die Annahme einer ungerechten Beschuldigung und Entlassung zur Grundlage seiner Einschätzung machte. Im Bereich der beruflichen Vorsorge besteht ab Beendigung des Vorsorgeverhältnisses nur noch während der Nachdeckungsfrist von einem Monat Versicherungsschutz (Art. 10 Abs. 3
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 10 Beginn und Ende der obligatorischen Versicherung - 1 Die obligatorische Versicherung beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird.22
1    Die obligatorische Versicherung beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird.22
2    Unter Vorbehalt von Artikel 8 Absatz 3 endet die Versicherungspflicht, wenn:
a  das Referenzalter23 erreicht wird (Art. 13);
b  das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird;
c  der Mindestlohn unterschritten wird;
d  der Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung endet.25
3    Für die Risiken Tod und Invalidität bleibt der Arbeitnehmer während eines Monats nach Auflösung des Vorsorgeverhältnisses bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung versichert.26 Wird vorher ein neues Vorsorgeverhältnis begründet, so ist die neue Vorsorgeeinrichtung zuständig.27
BVG). Versicherte und Vorsorgeeinrichtungen müssen daher alle Beweismittel einbringen können, die für die Beurteilung des Zeitpunkts des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit erheblich sein können. Die Beschwerdeführerin hat daher Anspruch darauf, dass die als Beweismittel zulässigen Videoaufnahmen, die Licht in die Umstände der fristlosen Entlassung bringen können, vom kantonalen Gericht abgenommen werden, zumal der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und der Eintritt der Invalidität mit dem Vorfall am Arbeitsplatz zusammenhängen. Es drängt sich mithin,

BGE 138 V 125 S. 129

sofern sich nach Konsultation der Videoaufnahmen das deliktische Verhalten erhärten lässt, in medizinischer Hinsicht eine nochmalige Begutachtung des Beschwerdegegners auf, damit sich das Gutachten in Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die zur fristlosen Entlassung geführt haben, über die Arbeitsunfähigkeit und die psychischen Störungen des Beschwerdegegners, namentlich auch im Hinblick auf Art. 10 Abs. 3
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 10 Beginn und Ende der obligatorischen Versicherung - 1 Die obligatorische Versicherung beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird.22
1    Die obligatorische Versicherung beginnt mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses, für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird.22
2    Unter Vorbehalt von Artikel 8 Absatz 3 endet die Versicherungspflicht, wenn:
a  das Referenzalter23 erreicht wird (Art. 13);
b  das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird;
c  der Mindestlohn unterschritten wird;
d  der Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung endet.25
3    Für die Risiken Tod und Invalidität bleibt der Arbeitnehmer während eines Monats nach Auflösung des Vorsorgeverhältnisses bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung versichert.26 Wird vorher ein neues Vorsorgeverhältnis begründet, so ist die neue Vorsorgeeinrichtung zuständig.27
BVG in der unmittelbaren Zeit nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses, ausspricht.
3.3 Nach Art. 35
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 35 Kürzung der Leistungen bei schwerem Verschulden - Die Vorsorgeeinrichtung kann ihre Leistungen im entsprechenden Umfang kürzen, wenn die AHV/IV eine Leistung kürzt, entzieht oder verweigert, weil der Anspruchsberechtigte den Tod oder die Invalidität durch schweres Verschulden herbeigeführt hat oder sich einer Eingliederungsmassnahme der IV widersetzt.
BVG kann die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungen im entsprechenden Umfang kürzen, wenn die AHV/IV eine Leistung kürzt, entzieht oder verweigert, weil der Anspruchsberechtigte den Tod oder die Invalidität durch schweres Verschulden herbeigeführt hat oder sich einer Eingliederungsmassnahme der IV widersetzt. Im Parallelfall 9C_785/2010 hat das Bundesgericht erwogen, die Voraussetzungen für eine Kürzung oder Verweigerung der Rente nach Art. 21 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 21 - 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
1    Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
2    Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.
3    Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten.
4    Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
5    Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden. Entzieht sich die versicherte Person dem Straf- oder Massnahmenvollzug, so wird die Auszahlung ab dem Zeitpunkt eingestellt, in dem der Straf- oder Massnahmenvollzug hätte beginnen sollen. Ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.18
ATSG seien erfüllt, sofern der Versicherte die Delikte, welche die Arbeitgeberin ihm vorwerfe, vorsätzlich begangen habe. Die Frage der Leistungskürzung und -verweigerung war Gegenstand des Verfahrens, weil die IV ihre Rentenverfügung der (heutigen) Beschwerdeführerin zustellte und diese die Zusprechung einer ganzen ungeschmälerten Invalidenrente anfocht. Im Rentenverfahren mit dem heutigen Beschwerdegegner wurde die Beschwerdeführerin nicht einbezogen, so dass der Rentenbescheid der IV unangefochten in Rechtskraft erwuchs. Daraus zieht das kantonale Gericht unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts B 87/06 vom 10. Januar 2008 und die Lehre (BETTINA KAHIL-WOLFF, in: BVG und FZG, Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], 2010, N. 3 zu Art. 35
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 35 Kürzung der Leistungen bei schwerem Verschulden - Die Vorsorgeeinrichtung kann ihre Leistungen im entsprechenden Umfang kürzen, wenn die AHV/IV eine Leistung kürzt, entzieht oder verweigert, weil der Anspruchsberechtigte den Tod oder die Invalidität durch schweres Verschulden herbeigeführt hat oder sich einer Eingliederungsmassnahme der IV widersetzt.
BVG) den Schluss, die Beschwerdeführerin könne gegenüber dem Beschwerdegegner mangels autonomen Kürzungsrechts gestützt auf Art. 35
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 35 Kürzung der Leistungen bei schwerem Verschulden - Die Vorsorgeeinrichtung kann ihre Leistungen im entsprechenden Umfang kürzen, wenn die AHV/IV eine Leistung kürzt, entzieht oder verweigert, weil der Anspruchsberechtigte den Tod oder die Invalidität durch schweres Verschulden herbeigeführt hat oder sich einer Eingliederungsmassnahme der IV widersetzt.
BVG keine Leistungskürzung vornehmen, weil die AHV/IV ihre Leistungen nicht gekürzt habe. Es trifft zwar zu, dass im erwähnten Urteil vom 10. Januar 2008 ausgeführt wurde, dass Gesetz und Reglement ausdrücklich voraussetzten, dass die AHV/IV ihre Leistungen gekürzt haben müssten. Diese generelle Aussage kann aber dann nicht Gültigkeit haben, wenn der Vorsorgeeinrichtung im Verfahren der IV verunmöglicht worden ist, die Frage der Kürzung nach Art. 21 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 21 - 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
1    Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
2    Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.
3    Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten.
4    Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
5    Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden. Entzieht sich die versicherte Person dem Straf- oder Massnahmenvollzug, so wird die Auszahlung ab dem Zeitpunkt eingestellt, in dem der Straf- oder Massnahmenvollzug hätte beginnen sollen. Ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.18
ATSG zu thematisieren. Im vorliegenden Fall hat die IV-Stelle nach der verbindlichen Feststellung des kantonalen Gerichts der Vorsorgeeinrichtung die Rentenverfügung vom 1. Oktober 2008 nicht zugestellt. Anders als im Parallelfall 9C_785/2010 wurde dadurch die Beschwerdeführerin nicht in die
BGE 138 V 125 S. 130

Lage versetzt, auch gegenüber dem Beschwerdegegner die Frage der Leistungskürzung oder -verweigerung im IV-Verfahren einzubringen. Unterbleibt ein Einbeziehen der Vorsorgeeinrichtung bis spätestens im Vorbescheidverfahren (Art. 73ter
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 73ter Vorbescheidverfahren - 1 ...313
1    ...313
2    Die versicherte Person kann ihre Einwände schriftlich oder mündlich bei der IV-Stelle vorbringen. Bei mündlich vorgetragenen Einwänden, erstellt die IV-Stelle ein summarisches von der versicherten Person zu unterzeichnendes Protokoll.
3    Die anderen Parteien haben ihre Einwände der IV-Stelle schriftlich vorzubringen.
4    Für die Anhörung werden weder ein Taggeld ausgerichtet noch Reisekosten vergütet.
IVV [SR 831.201]), ist die invalidenversicherungsrechtliche Festsetzung des Invaliditätsgrades berufsvorsorgerechtlich nicht verbindlich. Aber selbst wenn ein Einbezug erfolgt ist, sind die wesentlichen Feststellungen und Beurteilungen für die Festsetzung des Invaliditätsgrades in dem das IV-Verfahren abschliessenden Entscheid für eine (präsumptiv leistungspflichtige) Vorsorgeeinrichtung nur dann verbindlich, wenn der IV-Entscheid nicht offensichtlich unhaltbar ist (BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69 mit Hinweisen; Urteil 9C_693/2009 vom 10. September 2010 E. 5.1). Diese Gründe für die Unverbindlichkeit des Invaliditätsgrades haben sich auch auf die Frage der (unterbliebenen) Leistungskürzung zu beziehen. Dies gilt im Rahmen eines fehlenden Einbezugs umso mehr, als sich der Entscheid der IV in diesem Punkt als offensichtlich unhaltbar erweist, welche Rechtslage hier nicht ausgeschlossen werden kann. In einem solchen Fall kann die Vorsorgeeinrichtung im Verfahren vor dem Berufsvorsorgegericht nach Art. 73
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
1    Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
a  Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche der Erhaltung der Vorsorge im Sinne der Artikel 4 Absatz 1 und 26 Absatz 1 FZG305 dienen;
b  Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche sich aus der Anwendung von Artikel 82 Absatz 2 ergeben;
c  Verantwortlichkeitsansprüche nach Artikel 52;
d  den Rückgriff nach Artikel 56a Absatz 1.306
2    Die Kantone sehen ein einfaches, rasches und in der Regel kostenloses Verfahren vor; der Richter stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest.
3    Gerichtsstand ist der schweizerische Sitz oder Wohnsitz des Beklagten oder der Ort des Betriebes, bei dem der Versicherte angestellt wurde.
4    ...307
BVG die Frage, ob die IV-Stelle die Invalidenrente hätte kürzen oder verweigern müssen, autonom zur Beurteilung bringen. Dazu kommt, dass der Arbeitgeber vier Angestellte gleichzeitig fristlos entlassen hat, was bei drei Betroffenen unmittelbar darauf zu Arbeitsunfähigkeit und zu Sozialversicherungsleistungen führte (vgl. auch das Urteil 4A_437/2007 vom 5. Februar 2008). Bei gleich gelagertem Sachverhalt kann die Vorsorgeeinrichtung nicht einfach bei einem betroffenen Angestellten wegen dem unterbliebenen Einbezug ins IV-Verfahren von der Überprüfung der Leistungskürzung oder -verweigerung ausgeschlossen werden. Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts sind die Videoaufnahmen daher auch in diesem Zusammenhang als Beweismittel ins Verfahren einzubeziehen.

3.4 Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird die Videoaufnahmen beiziehen, würdigen und gestützt darauf beurteilen, ob der Beschwerdegegner die ihm vorgeworfenen Delikte vorsätzlich begangen hat, gegebenenfalls den medizinischen Sachverhalt ergänzend abklären, über den Rentenanspruch neu entscheiden und vorfrageweise die in Art. 21 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 21 - 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
1    Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden.
2    Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben.
3    Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten.
4    Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar.
5    Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmenvollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden. Entzieht sich die versicherte Person dem Straf- oder Massnahmenvollzug, so wird die Auszahlung ab dem Zeitpunkt eingestellt, in dem der Straf- oder Massnahmenvollzug hätte beginnen sollen. Ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3.18
ATSG vorgesehenen Rechtsfolgen prüfen und über die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin neu entscheiden.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 138 V 125
Date : 08. Februar 2012
Published : 01. Juni 2012
Source : Bundesgericht
Status : 138 V 125
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 61 lit. c ATSG; Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 6 ArG; Art. 26 ArGV 3. Videoaufzeichnungen am Arbeitsplatz als Beweismittel


Legislation register
ATSG: 2  21  61
ArG: 6
BV: 29
BVG: 10  35  73
IVV: 73ter
V (3) zum ArG: 26
BGE-register
126-I-97 • 127-I-54 • 133-V-67 • 138-V-125
Weitere Urteile ab 2000
4A_437/2007 • 6B_22/2010 • 9C_641/2011 • 9C_693/2009 • 9C_785/2010 • B_87/06
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