BGE-138-III-689
Urteilskopf
138 III 689
104. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_234/2012 vom 28. September 2012
Regeste (de):
- Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 208 - 1 Zur Errungenschaft hinzugerechnet werden:
- Begriff der unentgeltlichen Zuwendung und Prüfung, ob Unterhaltszahlungen an die Mutter des nichtehelichen Kindes der Hinzurechnung unterliegen (E. 3).
Regeste (fr):
- Art. 208 al. 1 ch. 1 CC; réunion aux acquêts; libéralité et accomplissement d'un devoir moral.
- Notion de libéralité et examen de la question de savoir si les contributions alimentaires versées à la mère d'un enfant hors mariage sont sujettes à réunion (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 208 cpv. 1 n. 1 CC; reintegrazione negli acquisti; liberalità ed adempimento di un dovere morale.
- Nozione di liberalità ed esame della questione a sapere se i contributi di mantenimento versati alla madre di un figlio nato fuori dal matrimonio sono soggetti a reintegrazione (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 689
BGE 138 III 689 S. 689
A. X. (Ehemann, geb. 1955) und Y. (Ehefrau, geb. 1960) heirateten am 26. August 1983. Aus der Ehe ging die gemeinsame Tochter A. (geb. 1991) hervor. Im September 1999 bzw. August 2001 bewilligte das Bezirksgericht Muri den Ehegatten auf Antrag von Y. das Getrenntleben und traf die entsprechenden Regelungen. Am 3. Dezember 2007 machte die Ehefrau die Klage auf Scheidung beim Kantonsgericht Zug anhängig. Mit Urteil vom 26. Januar 2011 des Kantonsgerichts Zug wurde die Ehe geschieden und wurden die Nebenfolgen geregelt. Dabei wurde u.a. Y. verpflichtet, X. in Abgeltung seiner güterrechtlichen Ansprüche den Betrag von Fr. 32'266.40 zu bezahlen. Zur Ermittlung der güterrechtlichen Ansprüche rechnete das Kantonsgericht der Errungenschaft von X. den Betrag von Fr. 116'000.-
BGE 138 III 689 S. 690
hinzu, den er an B. geleistet hatte. B. ist die Mutter von C. (geb. 2000), den X. am 5. April 2005 als sein Kind anerkannte.
B. Gegen das Urteil gelangte X. mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zug und verlangte u.a., dass Y. ihm aus Güterrecht Fr. 92'292.40 zu bezahlen habe. Zur Begründung führte er an, dass bei seiner Errungenschaft zu Unrecht der Betrag von Fr. 116'000.- als "unentgeltliche Zuwendung" (im Sinne von Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 208 - 1 Zur Errungenschaft hinzugerechnet werden: |
C. Mit Eingabe vom 22. März 2012 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Zug vom 28. Februar 2012 und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung. Y. (Beschwerdegegnerin) beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht schliesst ohne weitere Gegenbemerkungen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die güterrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien, welche dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstanden. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer (neben dem Kindesunterhalt) von Juli 2005 bis November 2007 monatliche Zahlungen von Fr. 4'000.- an B., die Mutter des von ihm anerkannten Kindes, geleistet hat. Einziger Streitpunkt ist die Hinzurechnung von insgesamt Fr. 116'000.- zur Errungenschaft des Beschwerdeführers, welche das Obergericht im Umfang der Geldzahlungen an die Mutter seines nichtehelichen Kindes vorgenommen hat.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Geldzahlungen seien entgegen der Auffassung des Obergerichts keine "unentgeltlichen Zuwendungen" im Sinne von Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1

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BGE 138 III 689 S. 691
getan habe, indem er diesem durch die Geldzahlungen an die Mutter eine gute mütterliche Fürsorge und Betreuung sichergestellt habe.Die Zahlungen an die Mutter des Kindes habe er gestützt auf eineverantwortungsvolle, soziale Entscheidung als sittliche Pflicht erfüllt.
3.2 Gemäss Art. 208 Abs. 1

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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 201 - 1 Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte seine Errungenschaft und sein Eigengut und verfügt darüber. |

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3.3 Unter einer unentgeltlichen Zuwendung (libéralité, liberalità) im Sinne von Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1

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BGE 138 III 689 S. 692
Erbrecht], BBl 1979 II 1191, 1317 Ziff. 222.532; Urteil 5C.111/2002 vom 26. August 2002 E. 2.1.3, in: FamPra.ch 2003 S. 388). Das Obergericht hat die Geldzahlungen des Beschwerdeführers als unentgeltliche Zuwendung erfasst und die Erfüllung einer sittlichen Pflicht verneint.
3.3.1 Laut der Botschaft (a.a.O.) fallen unter die unentgeltlichen Zuwendungen auch "Leistungen aufgrund einer moralischen Verpflichtung". Nach der Lehre soll der Begriff "unentgeltliche Zuwendungen" möglichst gleich wie in Art. 527 Ziff. 1

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 527 - Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen: |

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3.3.2 Das Gesetz gewährt der Mutter eines nichtehelichen Kindes lediglich einen Anspruch für die "Kosten des Unterhalts" für eine beschränkte Zeit vor und nach der Geburt (Art. 295 Abs. 1 Ziff. 2

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:383 |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 295 - 1 Die Mutter kann spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater oder dessen Erben auf Ersatz klagen:383 |

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BGE 138 III 689 S. 693
statusunabhängigen Betreuungsunterhalt vorzuschlagen (Botschaft vom 16. November 2011 zur Änderung des ZGB [Elterliche Sorge], BBl 20119077, 9096 Ziff. 1.5.5.2). Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt kann sich jedoch auf einen Vertrag mit dem Vater stützen (MEIER/STETTLER, a.a.O.). Vereinbarungen ausserhalb der gesetzlichen Unterhaltspflicht erscheinen grundsätzlich als Schenkungsversprechen (Art. 239

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 239 - 1 Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, womit jemand aus seinem Vermögen einen andern ohne entsprechende Gegenleistung bereichert. |
3.3.3 Der Beschwerdeführer und B. haben offenbar am 27. Juni 2005 eine schriftliche Vereinbarung betreffend Unterhalt getroffen. Darin kann jedoch nicht das Versprechen der Erfüllung einer sittlichen Pflicht erblickt werden. Zu Recht hat das Obergericht erwogen, dass dem Beschwerdeführer kein unsittliches Verhalten vorzuwerfen gewesen wäre, wenn er keine Zahlungen an B. für die Betreuung des über 5-jährigen Kindes geleistet hätte, während er gleichzeitig mit der Beschwerdegegnerin im ordentlichen Güterstand lebte. Dass der Beschwerdeführer aufgrund der tatsächlichen konkreten Erziehungslasten (vgl. BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2 S. 109, betreffend Nachscheidungssituation) oder aufgrund eines Konkubinatsverhältnisses (vgl. Urteil der Cour de Cassation Civile/NE vom 25. April 1979 E. 3, in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise [RJN] 1979 S. 269) sittlich verpflichtet gewesen wäre, B. zu unterstützen, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen bzw. hat die Vorinstanz verneint, was nicht in Frage gestellt wird. Insoweit ist nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht zum Schluss gelangt ist, dass die Geldzahlungen des Beschwerdeführers an die Mutter seines nichtehelichen Kindes als "Zuwendung" gemäss Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1

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3.4 Was der Beschwerdeführer weiter vorbringt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Entgegen seiner Darstellung konnte er nicht ein Einverständnis der Beschwerdegegnerin zu den erwähnten Geldzahlungen annehmen. Aus dem angefochtenen Urteil gehen in tatsächlicher Hinsicht keine Anhaltspunkte hervor, welche auf das Vorliegen einer sich aus den Umständen ergebenden Zustimmung der Beschwerdegegnerin schliessen lassen (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 33 zu Art. 208

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BGE 138 III 689 S. 694
fünf Jahre vor dem 3. Dezember 2007 (Einreichung des Scheidungsbegehrens), d.h. dem für die Auflösung des Güterstandes massgebenden Zeitpunkt (Art. 204 Abs. 2

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 204 - 1 Der Güterstand wird mit dem Tod eines Ehegatten oder mit der Vereinbarung eines andern Güterstandes aufgelöst. |

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Weitere Urteile ab 2000
FamPra
2003 S.388